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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: 4 U 27/02
Rechtsgebiete: AVB


Vorschriften:

AVB § 4 (5)
Wenn es ein Rechtsanwalt im Rahmen einer als "Treuhandvertrag" bezeichneten Vereinbarung übernimmt, ein Investitionskapital nach Austausch "Zug um Zug gegen eine refinanzierbare Bankgarantie" in enger Zusammenarbeit mit einem nicht genannten Koordinator im eigenen Namen zu investieren und mit einem Gewinn von 400 % in ca. 6 Wochen zurück zu zahlen, und dabei erklärt, sämtliche Finanztransaktionen zur Erwirtschaftung des Gewinns seien völlig legal, gehört das weder zu den durch die Berufshaftpflichtversicherung gedeckten Tätigkeiten als Rechtsanwalt gehören noch zur mitversicherten Tätigkeit als "Sachwalter", weil nicht die treuhänderischen Elemente der Betätigung das Gepräge geben, sondern die risikolose Vermehrung der eingesetzten Gelder, so dass - ungeachtet des dem Rechtsanwalt seines Berufs wegen entgegengebrachten Vertrauens - die nicht versicherte wirtschaftliche Tätigkeit dominiert.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 27/02

Verkündet am 8. Oktober 2002

In Sachen

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. W... sowie des Richters am Landgericht H...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. November 2001 verkündete Urteil der.11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherer des am 7. Juni 1997 verstorbenen Rechtsanwalts M. aus übergegangenem Recht in Anspruch.

Im Jahre 1996 schlossen die Klägerin und ein Herr M... mit Rechtsanwalt M... eine als "Treuhandvertrag" bezeichnete Vereinbarung (GA 68). Danach übernahm es Rechtsanwalt M..., ein aufzubringendes "Investitions-Kapital" von 620.000 DM im Rahmen eines "Programms" in enger Zusammenarbeit mit dem - namentlich im Vertrag nicht genannten - Koordinator im eigenen Namen zu investieren. Rechtsanwalt M... verpflichtete sich, das auf sein Konto in B... einzuzahlende Kapital "Zug um Zug gegen eine refinanzierbare Bankgarantie auszutauschen." Mit der Refinanzierung sei das Kapital wieder frei verfügbar. Ferner hatte Rechtsanwalt M... die Transaktionen über seine Treuhandkonten abzuwickeln und die vertragsgemäße Mittelverwendung zu überwachen. Unter "Konditionen" heisst es: "Gewinn: 2.480.000 DEM (400 %) plus Rückzahlung des Kapitals" sowie "Gewinnauszahlung ... (ca. 6 Wochen)". Die von der Klägerin nach ihrer Behauptung eingebrachten 620.000 DM (vgl. GA 374), die Rechtsanwalt M... zunächst nach U..., dann nach N... J... und schließlich in die Sch... transferiert habe, sollen bis auf einen zurückgezahlten Teilbetrag von 220.000 US-Dollar (GA 21, 132) auf nebulöse Weise verlorengegangen sein.

Die Klägerin nahm das Land S...-A... als gesetzlichen Erben (§ 1936 BGB) des Rechtsanwalts M... auf Schadenersatz in Anspruch. Die Beklagte, die bis zum 25. September 1996 (vgl. GA 75) Berufshaftpflichtversicherer des Rechtsanwalts auf der Basis der Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (im folgenden: AVB, vgl. GA 134 ff.) war, lehnte es mit an den Rechtsvertreter der Klägerin gerichtetem Schreiben vom 17. Mai 1999 (GA 77) ab, sich weiter mit der Regresssache zu befassen. Mit am 2. August 2000 verkündeten Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts M... (80 2790/9-9) wurde das Land S...-A... nach Anerkenntnis entsprechend der Klageforderung verurteilt. Das Land S...-A... trat die Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung des verstorbenen Rechtsanwalts M... gegen die Beklagte mit Vereinbarung vom 24./29. Juli 2000 (GA 78) u.a. an die Klägerin ab. Ferner erwirkte die Klägerin diesbezüglich einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (vgl. GA 87).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe für Rechtsanwalt M... Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren. Der gegen den Rechtsanwalt geltend gemachte und vom Landgericht M... mit Bindungswirkung gegenüber der Beklagten zuerkannte Schadenersatzanspruch unterfalle sowohl in sachlicher wie in zeitlicher Hinsicht dem Deckungsbereich der Berufs-/Vermögenshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts. Rechtsanwalt M... habe den Schaden nicht infolge wissentlicher Pflichtverletzung verursacht, weshalb Versicherungsschutz auch nicht gem. § 4 (5) AVB ausgeschlossen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

an Rechtsanwalt S. v. R... für die Klägerin 184.172 US-Dollar, sowie 141.129,89 DM zu zahlen nebst - 8,5 % Zinsen aus 150.000 DM seit dem 26. Juni 1996 bis Anhängigkeit und ab Anhängigkeit der Klage 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf,

- 4 % Zinsen aus der Differenz von 184.172 US-Dollar abzüglich 150.000 DM seit dem 29. Mai 1997 bis Anhängigkeit und ab Anhängigkeit der Klage mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf und

- 4 % Zinsen aus 4.352 DM seit dem 28. Februar 1999 bis Anhängigkeit und ab Anhängigkeit der Klage 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf,

- 4 % Zinsen aus 55.434,03 DM seit 15. Oktober 1999 bis Anhängigkeit der Klage, ab Anhängigkeit der Klage 5 % über dem Basiszinssatz hierauf,

- 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 81.343,85 DM seit Anhängigkeit der Klage.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, hier gehe es nicht um eine versicherte anwaltliche Tätigkeit des Rechtsanwalts, ferner falle der behauptete Verstoß nicht mehr in den versicherten Zeitraum und überhaupt sei sie für das von vornherein auf "Lug und Trug" angelegte Geschäft des Rechtsanwalts nicht eintrittspflichtig.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies insbesondere damit begründet, die in Betracht kommenden Pflichtverletzungen des Rechtsanwalts M... seien zu einem Zeitpunkt begangen worden, als der Versicherungsvertrag nach Kündigung bereits ausgelaufen gewesen sei. Eine Bindung an das Anerkenntnisurteil des Landgerichts M... bestehe nicht, da das Anerkenntnisurteil keine tatsächlichen Feststellungen enthalte und das Anerkenntnis auch nicht vom Versicherungsnehmer erklärt worden sei. Das Land S...-A... sei nie Versicherungsnehmer gewesen. Unabhängig davon greife auch die Ausschlussklausel wissentliche Pflichtverletzungen betreffend (§ 4 (5) AVB) durch.

Mit ihrer Berufung beanstandet die Klägerin, das angefochtene Urteil habe die Bindungswirkung des Anerkenntnisurteils des Landgerichts M... verkannt. Rechtsanwalt M... habe überdies nicht wissentlich, wohl aber fahrlässig gegen Pflichten im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit verstoßen. Rechtsanwalt M... habe sich im vorliegenden Fall nicht vornehmlich wirtschaftlich betätigt. Die Verstöße, die für den Schaden ursächlich gewesen seien, fielen noch in die Laufzeit der Versicherung.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an Rechtsanwalt S. v. R... für die Berufungsklägerin 184.172 US-Dollar, sowie 72.158,57 € zu zahlen nebst

- 8,5 % Zinsen aus 76.693,78 € seit dem 26. Juni 1996 bis Anhängigkeit und ab Anhängigkeit der Klage 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf,

- 4 % Zinsen aus der Differenz von 184.172 US-Dollar abzüglich 76.693,78 € seit dem 29. Mai 1997 bis Anhängigkeit und ab Anhängigkeit der Klage mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf und

- 4 % Zinsen aus 2.225,14 € seit dem 28. Februar 1999 bis Anhängigkeit und ab Anhängigkeit der Klage 5 % über dem Basiszinssatz hierauf,

- 4 % Zinsen aus 28.342,97 € seit 15. Oktober 1999 bis Anhängigkeit der Klage, ab Anhängigkeit der Klage 5 % über dem Basiszinssatz hierauf,

- 5 % über dem Basiszinssatz aus 41.590,45 € seit Anhängigkeit der Klage.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Berufungsvorbringen entgegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Ob die Abweisung der Klage mit der vom Landgericht gegebenen Begründung Bestand haben könnte, muss nicht abschließend entschieden werden. Jedenfalls ist die Klage deshalb unbegründet, weil die Ersatzforderungen, derentwegen die Beklagte in Anspruch genommen wird, nicht dem vom Versicherungsschutz gedeckten Tätigkeitsbereich entspringen.

Damit scheiden auch die auf Verzug gestützten weitergehenden Schadenersatzansprüche der Klägerin aus.

Die Beklagte hat nur Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren, soweit Rechtsanwalt M... oder sein Erbe auf Schadenersatz aus Verstößen in Anspruch genommen werden, die der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt zuzuordnen sind. Denn Rechtsanwalt M... hatte unbestrittenermaßen eine Pflicht-Berufshaftpflichtversicherung für. Rechtsanwälte auf der Grundlage der gängigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (GA 134 ff) abgeschlossen. Nach der zusätzlich vereinbarten Risikobeschreibung (GA 138) war neben der gesetzlichen Haftpflicht aus der freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt u. a. auch mitversichert die Tätigkeit als "Sachwalter" mit der Einschränkung, dass die mitversicherten Tätigkeiten nicht überwiegend ausgeübt wurden.

Bei den Tätigkeiten, in deren Rahmen Rechtsanwalt M... vorliegend Verstöße angelastet werden und der Fiskus als sein gesetzlicher Erbe haftbar gemacht worden ist, handelt es sich weder um Rechtsanwalts-, noch um Sachwalter/Treuhand-Mandate. Die der Klägerin gegenüber übernommenen Verpflichtungen enthalten zwar auch treuhänderische Elemente. Diese sind, jedoch nur untergeordnet und geben der hier in Rede stehenden Betätigung des Rechtsanwalts nicht das Gepräge. Weist die Tätigkeit teils versicherte, teils unversicherte Züge auf, so entscheidet über die Einstufung, welcher, Bestandteil dominiert (vgl. BGH WM 1980, 981 sowie WM 1994, 504). Das war hier die Rolle von Rechtsanwalt M... als Finanzdienstleister, der u.a. die Klägerin zur Zahlung von hohen Beträgen veranlasste, die für Spekulationsgeschäfte mit enormen Gewinnerwartungen bei bankgarantierter Rückzahlung jedenfalls des Anlagebetrags Verwendung finden sollten. Diese Aufgabe geht, wenn man die Vertragsangaben für bare Münze nimmt, weit über ein treuhänderisches Halten von Anlagegeldern hinaus.

Für die Kunden war die risikolose Vermehrung der eingesetzten Gelder maßgeblich, daher war es für das Geschäft von fundamentaler sowie prägender Bedeutung, dass es Rechtsanwalt M... möglich war, eine Bank zu einer Garantie für Spekulationsgelder zu bewegen. Dies, obwohl die in Aussicht genommenen "Investitionen", mittels deren angeblich innerhalb von 6 Wochen aus 620.000 DM ein Betrag von 3.100.000 DM zu machen war, höchst spekulativ sein mussten. Eine Rückzahlungsgarantie für solche verlustbedrohten Gelder bei einer Bank unterzubringen, war daher der Kernbereich der von Rechtsanwalt M... übernommenen Aufgabe. Das aber war eine wirtschaftliche Tätigkeit.

Darüberhinaus war Rechtsanwalt M... auch derjenige, der den Gewinn bezifferte, wenngleich er andererseits an anderer Stelle auch erklärte, nicht für den wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich zu sein. Jedenfalls war Rechtsanwalt M... der Einzige, mit dem die Klägerin eine schriftliche vertragliche Vereinbarung abgeschlossen hatte. Rechtsanwalt M... oblag auch - im eigenen Namen - der Abschluss der Investmentverträge mit dem im Vertrag ungenannt gebliebenen "Koordinator". Das alles hat mit Sachwalter- oder Treuhandaufgaben im herkömmlichen Sinn kaum mehr etwas zu tun. Dabei kann offenbleiben, ob Spekulationsgeschäfte mit realistischer Gewinnerwartung des hier in Aussicht gestellten Ausmaßes überhaupt möglich sind, wie die Klägerin mit der von ihr zu den Akten gereichten Expertise (GA 505 ff) belegen will.

Rechtliche Fragen von Gewicht - etwa solche des Steuerrechts - spielen in dem mit Rechtsanwalt M... geschlossenen Vertrag keine Rolle. Wenn die Vereinbarung überhaupt etwas Rechtsberatendes enthält, so die Erklärung, sämtliche Finanztransaktionen, die zur Erwirtschaftung des Gewinns durchgeführt würden, seien völlig legal. Das aber ist keine auf die persönlichen Verhältnisse der Anleger ausgerichtete.

Rechtsberatung, sondern eher ein Werbeversprechen, das den potentiellen Anleger, der Details der Anlagegeschäfte nicht in Erfahrung bringen durfte (vgl. GA 69: "Der Investor verzichtet ... auf die Einsichtnahme in die Abwicklungsunterlagen und die finanztechnischen Mechanismen, die zur Erzielung des Gewinns führen."), beruhigen sollte.

Zusätzlich deutet, auch der Umstand, dass Rechtsanwalt M... für seine Tätigkeit keine Vergütung mit der Klägerin vereinbart hatte, in starkem Maße darauf hin, dass er nicht als rechtlicher Berater der Klägerin, sondern als Teil eines Systems zur Beschaffung von Einlagegelder im Rahmen des (angeblichen) Vertriebs von Finanzdienstleistungen eingeschaltet war.

Auch wenn M.... als zugelassenem Rechtsanwalt besonderes Vertrauen entgegengebracht wurde, rechtfertigt dies allein nicht, seine Betätigung als im Rahmen der anwaltlichen Berufsausübung liegend einzustufen (vgl. OLG Düsseldorf - 7. ZS - NJW-VHR 1997, 255).

Die von der Klägerseite angeführte Entscheidung des Kammergerichts (NJW-RR 1992, 795) gibt dem Senat keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Diese Entscheidung befasst sich mit der Frage einer Schadenersatzpflicht eines Rechtsanwalts, der gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, die Rückführung von für Spekulationsgeschäfte einzusetzenden Geldern bankmäßig abzusichern. Mit der Problematik des Versicherungsschutzes setzt sich das Kammergericht nicht auseinander.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10/711 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 ZPO n.F.) sind nicht erfüllt.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Klägerin:

187.855,44 € (= 184.172 US-Dollar bei Kurs 1,02) + 72.158,57 € (= 141.129,89 DM)= 260.014,01 €.

Ende der Entscheidung

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