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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.02.2000
Aktenzeichen: 4 U 56/99
Rechtsgebiete: BB-BUZ


Vorschriften:

BB-BUZ § 5
BB-BUZ § 7
Gibt der Berufsunfähigkeitsversicherer zulässigerweise ein befristetes Anerkenntnis seiner Leistungspflicht mit der Ankündigung ab, er werde wegen einer "Neuprüfung der Berufsunfähigkeit" rechtzeitig auf den Versicherungsnehmer zukommen, gewährt er nach Ablauf der Befristung die Leistungen über zwölf Monate vorbehaltlos weiter und setzt er erst neun Monate nach Ende der Befristung den Versicherungsnehmer von einer in Auftrag gegebenen weiteren Begutachtung in Kenntnis, so hat der Versicherer sich damit in einer Weise verhalten, die einem unbefristeten Anerkenntnis gleichsteht, und kann sich von seiner Leistungspflicht nur im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 7 BB-BUZ lösen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 56/99 9 O 48/96 LG Duisburg

Verkündet am 8. Februar 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. W und Dr. R

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Januar 1999 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 2.790,30 DM zu zahlen, und zwar die Rückstände für den Zeitraum vom 1. Mai 1995 bis zum 1. April 1996 nebst 4 % Zinsen ab dem 30. April 1996 und die weiteren Rückstände ab 1. Mai 1996 nebst 4 % Zinsen ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum (dem 1. eines jeden Monats im voraus) sofort, sowie die künftigen Monatsraten - nebst 4 % Zinsen ab jeweiligem Fälligkeitsdatum - zum 1. eines jeden Monats im voraus bis längstens zum April 2011.

Es wird festgestellt, daß dem Kläger zusätzlich für den genannten Zeitraum ein Anspruch auf Beteiligung am Überschuß in Form einer Zusatzrente nach Maßgabe der §§ 27 (4) und (6) der Ergänzenden Bestimmungen betreffend die Zusatzversicherung für Berufsunfähigkeit ("System B") zusteht.

Es wird weiter festgestellt, daß der Kläger ab 1. Mai 1995 bis längstens zum 1. Mai 2011 von der Prämienzahlungsverpflichtung für die Lebens- nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung freigestellt ist. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen der Rückstände und Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 DM abzuwenden, sofern nicht der Kläger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Der Beklagten wird darüber hinaus gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen künftiger Rentenleistungen durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 % dieses Betrags abzuwenden, sofern nicht der Kläger seinerseits Sicherheit in der vorgenannten Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger beansprucht Leistungen aus seiner bei der Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten neben einer Lebensversicherung eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Police loser Hefter Bl. 2, Nachtrag GA 440) nach Maßgabe der von den MB/BUZ abweichenden AVB der Beklagten ("Ergänzende Bestimmungen...", loser Hefter Bl. 18/19, i.f.: AVB). Diese AVB sind wiederum dahin modifiziert, daß die Leistungspflicht erwächst, wenn der Versicherte zu mindestens 50% berufsunfähig ist (loser Hefter Bl. 5).

Der Kläger ist gelernter Kraftfahrzeug-Mechaniker. Er unterhält seit 1981 einen Kraftfahrzeug-Betrieb, in dem Reparaturen einschließlich Karosserie- und Lackierarbeiten durchgeführt werden und wurden. In welchem Umfang auch Gebrauchtfahrzeuge - etwa hergerichtete Unfallwagen - veräußert wurden, ist umstritten (vgl. GA 3 einerseits, GA 111 andererseits). Bis Mitte 1992 waren neben dem Kläger im handwerklichen Bereich drei nichtversicherungspflichtige Aushilfskräfte beschäftigt (GA 9), danach wurden der Zeuge U als Vollzeitkraft, vorübergehend ein weiterer Mitarbeiter und schließlich ab 1. Januar 1996 als Meister der Zeuge F eingestellt (vgl. GA 63 ff. sowie GA 95/96). Darüberhinaus wurden weiterhin auch Aushilfen beschäftigt.

1992 erkrankte der Kläger an einem HWS-Schulter-Arm-Syndrom, im Oktober 1992 erlitt er bei einem Unfall einen Kreuzbandriß im rechten Knie, der mit einer Bandplastik versorgt wurde (vgl. GA 3).

Nachdem der Kläger Leistungen wegen Berufsunfähigkeit geltend gemacht hatte, holte die Beklagte ein (erstes) Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H vom 8.9.1993 ein (Hefter Bl. 24 ff.). Mit Schreiben vom 26.10.1993 (Hefter Bl. 37) sagte sie Leistungen (100 %) für die Zeit vom 1.5.1993 bis 30.4.1994 zu. Ferner heißt es dort: "Wegen einer Neuprüfung der Berufsunfähigkeit (§ 24 ...) kommen wir rechtzeitig auf Sie zu". In der Folgezeit erbrachte sie die zugesagten Rentenzahlungen, und zwar sogar länger als zugesagt. Leistungen für die Zeit von Oktober 1992 bis April 1993 machte der Kläger mit im Mai 1994 eingereichter Klage letztlich erfolglos gerichtlich geltend (BA 9 O 163/94 LG Duisburg). Unter dem 17.1.1995 (loser Hefter Bl.49) beauftragte die Beklagte den Sachverständigen Prof. Dr. H erneut, der daraufhin sein (zweites) Gutachten vom 1.2.1995 (loser Hefter Bl. 38 ff.) vorlegte. Per Ende April 1995 stellte die Beklagte ihre Zahlungen ein. Mit Schreiben vom 16.5.1995 (GA 53) und 22.5.1995 (GA 55) erbat die Beklagte Angaben zu den Einkommensverhältnissen des Klägers, um Verweisungsmöglichkeiten prüfen zu können. Unter dem 23.8.1995 verweigerte sie Leistungen wegen Berufsunfähigkeit über den 1.5.1995 hinaus unter Belehrung gemäß § 12 Abs. 3 VVG (loser Hefter Bl. 52).

Der Kläger hat behauptet, nach wie vor zu mehr als 50 % berufsunfähig zu sein. Über-Kopf-Arbeiten und Arbeiten mit gebeugtem Knie, die häufig anfielen (vgl. GA 99 ff.), könne er nicht mehr verrichten. Eine Umorganisation des Betriebs, bei welcher ihm ein ausreichendes und zumutbares Tätigkeitsfeld verbleibe, sei nicht möglich. Auch Verweisungstätigkeiten könne er nicht nachgehen, insbesondere weil ihm kaufmännische Fertigkeiten fehlten und er überdies unter psychischen Problemen leide, die ihm im Umgang mit anderen Menschen im Wege stünden. Er hat gemeint, die Beklagte sei im übrigen an ihr Anerkenntnis gebunden.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung VS-Nr. über den Monat März 1995 hinaus weiterhin bis längstens April 2011 einschließlich eine jährliche Rente in Höhe von 33.483,60 DM, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von 2.790,30 DM jeweils zum 1. eines jeden Monats im voraus zu zahlen, und zwar zuzüglich der geschäftsplanmäßigen Überschußbeteiligung,

2.

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihn über den Monat März 1995 hinaus bis längstens 1. Mai 2016 von der Beitragszahlung für die bei der Beklagten bestehende Lebensversicherung VS-Nr. freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Befristung ihres schriftlichen Anerkenntnisses hingewiesen und gemeint, zu neuerlicher Prüfung sämtlicher Leistungsvoraussetzungen befugt zu sein. Der Kläger könne schon seine früheren Tätigkeiten zu mehr als 50 % weiterhin verrichten (GA 45), jedenfalls bleibe ihm die Möglichkeit der Umorganisation und Beschränkung auf leitende, und aufsichtführende Tätigkeiten (vgl. Einzelheiten GA 47, 114 ff.) sowie Lackierarbeiten (GA 111). Schließlich sei der Kläger verweisbar auf eine Betätigung als Verkäufer von Kraftfahrzeugen (GA 50, 81 ff.), Modellschlosserhelfer, Maschinenbediener in der Serienanfertigung von Stahlmöbeln, Expedient im Güterfracht-Verkehr (GA 113, 118 ff.) sowie als Leitstandisponent (GA 269, 272 ff.).

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme (Gutachten Dr. B GA 167 ff., Gutachten Prof. Dr. T GA 209 ff., Gutachten Dr. M GA 299; Anhörung der Gutachter GA 335 ff.) abgewiesen. Es hat ausgeführt, in der Weiterzahlung der Rente sei ein Anerkenntnis nicht zu sehen. Dem Kläger sei es nicht gelungen nachzuweisen, daß keine organisatorischen Änderungen möglich seien, durch die ihm ein ausreichendes und zumutbares Betätigungsfeld aus der Kombination verschiedener Tätigkeitsbereiche eröffnet werde.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Würdigung des Landgerichts. Insbesondere sei die Beklagte entgegen der Ansicht des angefochtenen Urteils unter dem Blickwinkel des Anerkenntnisses gebunden. Auch seien die Ausführungen zu den Umorganisationsmöglichkeiten laienhaft. Er könne sich nicht einzelne Tätigkeits-Segmente sinnvoll "herauspicken".

Der Kläger beantragt unter Vorbehalt einer Nachforderung,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung VS-Nr. über den Monat April 1995 hinaus weiterhin bis längstens April 2011 einschließlich eine jährliche Rente in Höhe von 33.483,60 DM, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von 2.790,30 DM jeweils zum 1. eines jeden Monats im voraus zu zahlen; und zwar jeweils nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen seit Fälligkeit;

2.

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die geschäftsplanmäßigen Überschußbeteiligungen auszuschütten sowie

3.

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger über den Monat April 1995 hinaus bis längstens 1. Mai 2011 von der Beitragszahlung für die bei der Beklagten bestehende und oben genannte Lebensversicherung freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem angefochtenen Urteil bei und beanstandet, es fehle immer noch an einem substantiierten Sachvortrag zur beruflichen Tätigkeit vor Eintritt der geltend gemachten Berufsunfähigkeit, der Ausgestaltung des Betriebs nach der Erkrankung sowie zur nicht möglichen Betriebsumorganisation. Deshalb blieben die eingeholten Gutachten ohne Aussagekraft in bezug auf die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die beruflichen Tätigkeiten des Klägers. In der Fortzahlung der Rente über den 30.4.1994 hinaus könne kein unbefristetes Anerkenntnis gesehen werden. Denn auch für den Zeitraum vom 1.5.1994 bis 30.4.1995 sei dem Kläger ein - nicht mehr auffindbares - Abrechnungsschreiben zugesandt worden, in dem das Anerkenntnis ausdrücklich bis zum 30.4.1995 befristet worden sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Dem Kläger stehen die für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbarten Versicherungsleistungen zu.

1.

Der Anspruch des Klägers scheitert nicht schon an § 12 Abs. 3 VVG. Die Sechsmonatsfrist ist gewahrt. Die Beklagte hatte zwar die vom Kläger erhobenen Forderungen mit Schreiben vom 23. August 1995 (loser Hefter Bl. 52) unter Belehrung gemäß § 12 Abs. 3 VVG zurückgewiesen, so daß die Sechsmonatsfrist (Ablauf frühestens am 24. Februar 1996) bei gerichtlicher Geltendmachung durch Klageerhebung (Zustellung am 30. April 1996, GA 34) verstrichen war. Eingereicht worden war die Klage jedoch unzweifelhaft vor Fristablauf, nämlich bereits am 14. Februar 1996 (GA 1). Gemäß § 270 Abs. 3 ZPO wirkte der Eingang der Klageschrift bei Gericht fristwahrend. Denn die Zustellung der Klage war noch "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt. Der Kläger hatte alles seinerseits Erforderliche für die alsbaldige Zustellung getan. Er durfte zunächst die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses, die erst mit, am 27. März 1996 versandtem Schreiben vom 26. März 1996 (GA 29) erfolgte, abwarten. Der Prozeßkostenvorschuß ging dann am 10. April 1996 (GA 30) und damit binnen einer angemessenen Bearbeitungsfrist nach Erhalt der Kostenanforderung ein. Es ist überdies glaubhaft, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die erste Anfrage vom 20. Februar 1996 (GA 16) zum Streitwert nicht erhalten hatte (vgl. GA 19), dem Kläger wegen einer ausbleibenden Reaktion darauf mithin eine Verzögerung nicht anzulasten ist. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hatte sich auch schon mit Schreiben vom 4. und 8. März 1996 (GA 17 u. GA 20) um den Fortgang der Sache gekümmert.

2.

Ob der Versicherungsfall - mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit - eingetreten ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Beklagte hat den vereinbarten Versicherungsschutz schon deshalb zu gewähren, weil sie sich in einer Weise verhalten hat, die einem unbefristeten Anerkenntnis im Sinne des § 23 AVB gleich steht. Ein solches Anerkenntnis begründet eine Selbstbindung des Versicherers (vgl. Prölss/Voit, VVG, 26. Aufl., § 5 BUZ Rdn. 11 m.w.N.), von dem sich die Beklagte nur im Wege des vorbehaltenen Überprüfungsverfahrens (§ 24 AVB, irreführenderweise "Neuprüfung" genannt) hätte lösen können, was nicht gelungen ist.

a) Mit Schreiben vom 26. Oktober 1993 (loser Hefter Bl. 37) hatte die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung für den Zeitraum vom 1. Mai 1993 bis 30. April 1994 anerkannt. Ein Anerkenntnis für einen bestimmten Zeitraum sieht § 23 (1) AVB ausdrücklich vor, wobei allerdings der im vorgenannten Schreiben enthaltene Hinweis auf § 24 AVB verfehlt war. Denn § 24 AVB regelt der Sache nach das Nachprüfungsverfahren während einer vom Anerkenntnis gedeckten Zeitspanne, da sonst der Vorbehalt, jederzeit, höchstens einmal im Jahr die Berufsunfähigkeit prüfen zu können, überflüssig wäre. Das auf einen bestimmten Zeitraum beschränkte Anerkenntnis war gemäß § 23 (1) AVB bedingungskonform und damit wirksam. Daher liefen die Wirkungen dieses Anerkenntnisses mit dem 30. April 1994 aus.

b) Die Beklagte hat jedoch in der Folgezeit beim Kläger den Eindruck erweckt, sie betrachte sich auch weiterhin trotz Ablaufs der Befristung an das Anerkenntnis gebunden. Denn die Beklagte hat zum einen ihre Ankündigung "Wegen einer Neuprüfung der Berufsunfähigkeit (Paragraph 24 ...) kommen wir rechtzeitig auf Sie zu" (Hefter Bl. 37) nicht wahrgemacht. Zudem hat sie Rentenleistungen und Beitragsfreiheit über das Ablaufdatum des Anerkenntnisses (30. April 1994) hinaus Monat für Monat bis April 1995 vorbehaltlos gewährt. Anlaß zu der Befürchtung, die Beklagte könne ihre Verpflichtung in Frage gestellt sehen, konnte der Kläger frühestens im Januar 1995 haben, als er über die am 17. Januar 1995 beim Krankenhaus B (Prof. Dr. H) in Auftrag gegebene weitere Begutachtung in Kenntnis gesetzt wurde (vgl. loser Hefter Bl 49/51). Nachdem bis dahin aber schon für neun Monate nach Auslaufen der Ursprungsfrist (Mai 1994 bis Januar 1995) unverändert Berufsunfähigkeitsleistungen fortentrichtet worden waren, hatte sich ein Zustand verfestigt, dem der Kläger eine Abstandnahme von der Befristung des Anerkenntnisses entnehmen durfte, von dem sich die Beklagte nicht ohne Treupflichtverletzung ohne weiteres lösen konnte. Ob es sich dabei um ein (weiteres) Anerkenntnis gemäß § 23 AVB im engeren Sinne handelt, kann wegen der dafür vorgesehenen Schriftform fraglich sein. Darauf kommt es aber entscheidend nicht an; die Beklagte muß sich jedenfalls entsprechend behandeln lassen.

c) Aus welchen internen Gründen die Beklagte ihre Leistungen vorbehaltlos, weiterhin erbracht hat, war für den Kläger nicht ersichtlich. Solche Umstände können daher für die Würdigung des Aussagegehalts der Fortentrichtung der Leistungen nicht berücksichtigt werden. Anders als möglicherweise im Falle büromäßig weiterlaufenden Prämieneinzugs (vgl. LG Bonn VersR 1999, 1133) kommt längerfristiger Leistungsgewährung nach Anspruchserhebung durchaus ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu.

Mit ihrer erstmals im Berufungsrechtszug aufgestellten Behauptung (GA 419/420), sie habe für den Zeitraum nachdem 30. April 1994 ein weiteres schriftliches Anerkenntnis abgegeben, das bis zum 1. Mai 1995 befristet gewesen sei, kann die Beklagte nicht durchdringen. Erstinstanzlich hatte die Beklagte nämlich bindend zugestanden (§ 288 ZPO), zur angekündigten Neuprüfung der Berufsunfähigkeit sei es vor dem Hintergrund des Vorprozesses 9 O 163/94 LG Duisburg erst Anfang des Jahres 1995 gekommen (GA 38). Damit hat sie eingeräumt, zwischenzeitlich nichts veranlaßt zu haben, was die Darstellung des Klägers bestätigt, die Beklagte habe Leistungen bis zum 30. April 1994 zugebilligt und anschließend durchgehend bis einschließlich März 1995 gezahlt (GA 4). Beide Seiten setzten bei ihrer Darstellung ersichtlich eine vorbehaltlose Weiterzahlung voraus. Auf dieser Grundlage haben die Parteien dann erstinstanzlich mündlich verhandelt (GA 109, 338). Die Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs (§ 290 ZPO) liegen nicht vor, da ein Irrtum nicht behauptet wird, die Beklagte nämlich nichts dazu sagt, wie es zu dem Vorbringen erster Instanz gekommen ist.

d) Von den bindenden Wirkungen des Anerkenntnisses würde sich die Beklagte nur unter den Voraussetzungen des § 24 AVB gelöst haben können. Das ist jedoch schon aus formalen Gründen nicht gelungen. Denn das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 23. August 1995 (loser Hefter Bl. 52) entspricht nicht den Anforderungen, die an einen Abänderungsbescheid im Überprüfungsverfahren (§ 24 AVB) zu stellen sind. Es fehlt an dem gebotenen Vergleich der Verhältnisse, von denen die Beklagte beim Anerkenntnis ausgegangen sein will, mit den späteren Verhältnissen, wie sie nach Behauptung der Beklagten nunmehr oder später gegeben sein sollen, ferner an einer Erläuterung, welche Bedeutung die Beklagte der Veränderung beimißt (vgl. BGH VersR 1996, 958/959, sowie r + s 1998, 37). Die Beklagte verweist in ihrem Ablehnungsschreiben vielmehr auf die Möglichkeit einer Umorganisation des Betriebs, wie sie ggf. von vornherein bestanden haben dürfte, und bezieht sich wegen der gesundheitlichen Seite lediglich auf ihr Schreiben vom 8. Juni 1995 (GA 55), in dem das Vorliegen einer mindestens 50 %igen Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf (nur) als zumindest äußerst zweifelhaft bezweifelt und zur Frage der Besserung der gesundheitlichen Situation nichts gesagt ist.

e) Die auf Leistung künftiger Rentenzahlungen gerichtete Klage ist trotz der Möglichkeit, daß die Leistungsverpflichtung sich ändern könnte, zulässig (vgl. BGH VersR 1987, 808) und nach dem zuvor Gesagten auch begründet. Der Anspruch auf Überschußbeteiligung in Form einer Zusatzrente folgt aus der insoweit ausdrücklich getroffenen Vereinbarung (loser Hefter Bl. 3 i.V.m. § 27 (4) und (6) AVB). Der Anspruch auf Prämienfreiheit im Falle mindestens 50%iger Berufsunfähigkeit ergibt sich aus den getroffenen Vereinbarungen (vgl. GA 440).

Die Entscheidung über die geforderten Zinsen beruht auf § 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten (entsprechend der vorläufigen Festsetzung des Senats vom 12. Oktober 1999, GA 434) : 171.137,10 DM + 10,000 DM Feststellungswert zur Überschußbeteiligung = 181.137,10 DM.

Ende der Entscheidung

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