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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.03.2001
Aktenzeichen: 4 W 54/00
Rechtsgebiete: VVG, AKB


Vorschriften:

ARB 94 § 27 Abs. 1
ARB 94 § 28 Abs. 1 a
Der einmalige Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer GbR durch einen Landwirt mit dem Ziel, den einzigen Vermögensgegenstand der GbR, ein Mehrfamilienhaus, gemeinsam mit anderen gewinnbringend zu veräußern, ist selbst dann nicht als gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit i. s. von § 28 Abs. 1 a ARB 94 anzusehen und deshalb dem privaten Bereich i. S. von § 27 Abs. 1 ARB 94 zuzuordnen, wenn der Erwerb der Gesellschaftsanteile gänzlich durch Fremdmittel finanziert wurde.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S den Richter am Oberlandesgericht Dr. W und den Richter am Landgericht St am 12. März 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 2000 (11 O 370/00) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:

Dem Kläger wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L aus München für folgenden Antrag bewilligt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zu Schadensnummer 5000000077/52 Rechtsschütz für dessen Klage gegen die Salzburger Sparkasse Bank AG entsprechend der bereits bei dem Landgericht Traunstein zu dem Aktenzeichen 1 O 2261/00 eingereichten Klageschrift vom 14. August 2000 zu gewähren hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfegesuchs ist weitgehend begründet. Seine Feststellungsklage auf Deckungsschutz aus der bei der Beklagten unterhaltenen Rechtsschutzversicherung hat Aussicht auf Erfolg, seine Zahlungsklage hingegen nicht (§ 114 ZPO).

1. Der Kläger nimmt die Salzburger Sparkasse Bank AG in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Traunstein (1 O 2261/00), dass mit einem Prozesskostenhilfeantrag eingeleitet wurde, auf Schadensersatz in Anspruch, weil die Salzburger Sparkasse sich ihm gegenüber bei dem Kauf von Gesellschaftsanteilen der K GbR und dem hierzu gewährten Darlehen fehlverhalten habe. Der Streit der Parteien, ob die Verfolgung dieses Anspruchs vom Versicherungsschutz des Klägers umfasst ist, war in dessen Sinne zu entscheiden.

Nach § 27 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 94) besteht Versicherungsschutz für den beruflichen Bereich des Klägers als Landwirt sowie für den privaten Bereich und die Ausübung nichtselbständiger Tätigkeiten. Unstreitig stand der Erwerb der Gesellschaftsanteile nicht in Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen oder einer nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers; sie gehört jedoch dem privaten Bereich an. Der private Bereich im Sinne des § 27 Abs. 1. ARB 94 ist in Abgrenzung zum beruflichen Bereich zu bestimmen: Was der Versicherungsnehmer nicht als gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit im Sinne von § 28 Abs. 1a ARB 94 versichern kann oder was nicht zur landwirtschaftlichen oder nichtselbständigen Tätigkeit gehört, ist dem privaten Bereich zuzurechnen (vgl. für eine ähnliche Fallgestaltung in älteren Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen: BGH, VersR 1992, 1510).

Eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit liegt dann vor, wenn ein berufsmäßiger Geschäftsbetrieb vorhanden ist, der von der Absicht dauernder Gewinnerzielung beherrscht wird (vgl. BGH, a.a.O.). Vorliegend fehlt es schon an der Dauerhaftigkeit der Gewinnerzielungsabsicht. Die Beklagte trägt nämlich selbst vor, dass der Kläger und seine Mitgesellschafter die Gesellschaftsanteile nur erworben haben, um den einzigen Vermögensgegenstand der K GbR, ein Mehrfamilienhausgrundstück zu erwerben und anschließend gewinnbringend zu veräußern. Auch wenn sich die Abwicklung des Geschäftes über einen längeren Zeitraum hinziehen mag, so ist es doch nicht auf Dauer, sondern vielmehr auf eine einmalige Gewinnchance hin angelegt.

Überdies erfordert die Verwaltung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten und einer Gewerbeeinheit noch keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb, der etwa bei Notwendigkeit der Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte anzunehmen ist (vgl. BGH, a.a.O.). Jedenfalls hat die Beklagte, wie es ihr oblegen hätte, nichts zu Art und Umfang eines klägerischen Geschäftsbetriebes vorgetragen. In diesem Sinne hat auch das OLG Oldenburg mit Urteil vom 30. August 1995 (r + s 1995, 463) für den Fall der Verwaltung von sieben Immobilien entschieden.

Der Erwerb der Gesellschaftsanteile hat auch nicht etwa deshalb den privaten Bereich verlassen, weil er gänzlich durch Fremdmittel finanziert wurde. Der Senat ist nämlich der Auffassung (entgegen OLG Hamm, VersR 1992, 822), dass Art und Umfang der Finanzierung eines Geschäftes allein nichts darüber aussagen, ob es der privaten Vermögensverwaltung angehört oder dem beruflichen Bereich zuzuordnen ist. Zwar mögen Privatleute ihre Vermögensanlagen überwiegend mit vorhandenem Kapital finanzieren; es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen: Hierzu gehört einmal der Erwerb von fremd- oder eigengenutzten Immobilien. Darüber hinaus gibt es risikofreudige Privatanleger, die Fremdmittel aufnehmen, um die Chance auf den Gewinn aus einer spekulativen Anlage zu erhalten.

Ob die in § 28 Abs. 1a ARB 94 erwähnte - besonders zu versichernde - "sonstige selbständige Tätigkeit" wesentlich andere Voraussetzungen hat als die eben erörterte gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit, braucht nicht entschieden zu werden. Denn im vorliegenden Fall ergibt sich allein aus der Vorgeschichte des Anteilserwerbs durch den Kläger und seine Mitgesellschafter, dass es sich um ein Geschäft im privaten Bereich handelte. Der Kläger hatte nämlich bei Zinsdifferenzgeschäften, die Herr K ihm im Jahre 1992 vermittelt hatte, erhebliche Verluste erlitten. Der Erwerb der Gesellschaftsanteile sollte eine Art Kompensation für diese Verluste darstellen, da der Kläger sich einen erheblichen Gewinn durch den Verkauf des einzigen Vermögenswertes der K GbR, des Mehrfamilienhausgrundstücks, versprach. Wenn aber die Zinsanlagegeschäfte des Klägers der privaten Vermögensbildung und Verwaltung dienten, dann gilt Entsprechendes bei Geschäften zum Ausgleich der Verluste daraus.

Für die Klage gegen die Salzburger Sparkasse ist auch von hinreichender Aussicht auf Erfolg (§ 18 Abs. 1b ARB 94) auszugehen. Einer näheren Prüfung der - nicht angegriffenen - Erfolgsaussicht bedarf es nicht, da die Beklagte sich auf deren Fehlen ohnehin nicht mehr berufen könnte. Sie hat nämlich den Deckungsschutz mit Schreiben vom 18. Januar 2000 abgelehnt, weil der Grund für die Klage aus einem nicht versicherten Lebensbereich stamme, nicht aber, weil das geplante gerichtliche Vorgehen aussichtslos oder nicht hinreichend begründet sei. Nach § 18 Abs. 1 ARB 94 hat der Versicherer, der die fehlende Erfolgsaussicht verneinen will, dies dem Versicherungsnehmer unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe mitzuteilen und ihn auf die Möglichkeit des Stichentscheids gemäß § 18 Abs. 4 ARB 94 hinzuweisen. Geschieht das - wie vorliegend - nicht, gilt gemäß § 158n Satz 3 VVG die Erfolgsaussicht als anerkannt, da der Versicherungsnehmer grundsätzlich keinen Anlaß hat, die Erfolgsaussicht seines Vorgehens in Frage zu stellen (vgl. Senat, VersR 2001, 233 mit weiteren Nachweisen).

Gemäß den obigen Ausführungen ist das Feststellungsbegehren des Klägers erfolgversprechend. Der Senat hält es allerdings für ratsam, den Klageantrag dahingehend zu präzisieren, dass die Beklagte dem Kläger Rechtsschutz für dessen Klage gegen die Salzburger Sparkasse Bank AG entsprechend der bereits eingereichten Klageschrift vom 14. August 2000 zu gewähren hat.

2. Das Zahlungsbegehren des Klägers ist derzeit hingegen unbegründet. Nach § 5 Abs. 2a ARB 94 kann der Versicherungsnehmer die Übernahme der vom Versicherer zu tragenden Kosten verlangen, sobald er nachweist, dass er zu deren Zahlung verpflichtet ist oder diese Verpflichtung bereits erfüllt hat. Im ersteren Fall steht ihm ein Freistellungsanspruch zu, im letzteren Falle ein Zahlungsanspruch (vgl. Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., § 5 ARB 94 Rdnr. 16). Die Bezahlung der mit der Klage begehrten Gerichts- oder Rechtsanwaltskosten hat der Kläger nicht vorgetragen, er behauptet nur deren Anfallen in Höhe von insgesamt 19.607,20 DM. Das löst aber noch keinen Zahlungsanspruch aus.

Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass eine Verhandlungsgebühr für die Prozessbevollmächtigte des Klägers noch nicht entstanden sein dürfte, da sich der Prozess vor dem Landgericht Traunstein nach seinem Vortrag noch im Prozesskostenhilfestadium befindet. Weiterhin dürfte die geforderte Prozessgebühr für das einstweilige Anordnungsverfahren nicht berechtigt sein, da Maßnahmen nach § 769 ZPO gemäß § 37 Nr. 3 BRAGO zu den Tätigkeiten gehören, die mit den Gebühren nach § 31 BRAGO für den Rechtszug abgegolten sind.

Ende der Entscheidung

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