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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: 5 W 32/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 5
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf am 13. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K, den Richter am Oberlandesgericht D und die Richterin am Landgericht R

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Erfüllung eines Architektenvertrages geltend. Die Beklagten planten und überwachten den Umbau eines Teils des Dienstgebäudes der Klägerin. Es ist streitig, ob an dem Gebäude infolge der Umbauarbeiten Feuchtigkeitsschäden entstanden sind und ob diese, im Falle ihres Vorliegens, auf eine mangelhafte Erbringung der Architektenleistungen zurückzuführen sind. Auf Antrag der Klägerin ist bei dem Landgericht Düsseldorf ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt worden. In diesem Verfahren erstellte der Sachverständige H am 7. November 1995 ein Gutachten, das den Parteien mit einer Frist zur Stellungnahme binnen zwei Wochen am 14. November 1995 übersandt wurde. Auf Fragen beider Parteien hin fertigte der Sachverständige unter dem 3. Juli 1996 ein Ergänzungsgutachten, das den Parteien mit einer Frist zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen übersandt wurde.

Die Klägerin macht mit der am 4. August 1999 bei Gericht eingegangenen Klage die Zahlung von 219.612,15 DM geltend und beruft sich hierzu auf die Ausführungen des Sachverständigen H. Die Beklagten haben in der Klageerwiderung vom 13. Oktober 1999 den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie begründen ihren Antrag damit, dass der Sachverständige in seinem Gutachten über die Beweisfragen hinausgegangen sei und dass er die Klägerin nach Erstellung des Gutachten gegen Honorar beraten habe.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 25. Mai 2000, den Beklagten zugestellt am 31. Mai 2000, das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Der Senat hat eine Stellungnahme des Sachverständigen H eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Sachverständigen vom 6. November 2000 Bezug genommen.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 406 Abs. 5 ZPO zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

1) Die Beklagten können ihr Ablehnungsgesuch nicht auf Gründe stützen, die sich aus dem Inhalt des Gutachtens und des Ergänzungsgutachtens ergeben. Ob die von ihnen vorgetragenen Umstände überhaupt ein Ablehnungsgesuch rechtfertigen können, kann dahinstehen, weil das Vorbringen der Beklagten verspätet ist, § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Ein Ablehnungsgesuch ist grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen ab der Ernennung des Sachverständigen zu stellen. Ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus dem Gutachten selbst, dann ist die Partei gehalten, die Ablehnung unverzüglich geltend zu machen. Ist den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zu dem Gutachten eingeräumt, dann können die sich aus dem Gutachten ergebenden Ablehnungsgründe nur innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden (vgl. auch Münchner-Kommentar/Damrau, ZPO-Kommentar, 2. Auflage 2000, 406 Rdn 7 mit weiteren Nachweisen). Die Beklagten haben weder innerhalb der Frist, die im November 1995 zur Stellungnahme zum Gutachten gesetzt worden war, noch innerhalb der Frist zur Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten im Juli 1996 Gründe vorgetragen, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ergeben könnte. Erstmals im Oktober 1999, d.h. mehr als drei Jahre nach Vorlage des Ergänzungsgutachtens machen die Beklagten geltend, aus dem Gutachten ergebe sich eine Voreingenommenheit des Sachverständigen. Nach diesem Zeitablauf ist das Ablehnungsgesuch verspätet.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass sie die Befangenheit des Gutachters unverzüglich im Hauptprozess geltend gemacht hätten. Das Ablehnungsgesuch ist nämlich bereits im selbstständigen Beweisverfahren zu stellen (vgl. OLG Düsseldorf in OLGR 1995, 204; KG in OLGR 1998, 32; Zöller/Greger, ZPO-Kommentar, 21. Auflage, § 406 Rdn. 1; Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, § 19 Rdn. 6). Da sie in dem selbstständigen Beweisverfahren die sich aus dem Gutachten ergebenden angeblichen Befangenheitsgründe nicht geltend gemacht haben, sind sie im Hauptverfahren damit ausgeschlossen.

2) Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, der Sachverständige sei nach Erstellung des Gutachtens für die Klägerin gegen Entgelt tätig geworden. Da dieser Umstand erst nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens eingetreten sein soll, konnten die Beklagten darauf in dem Beweisverfahren keinen Ablehnungsantrag stützen. Ihr Vorbringen in der Klageerwiderung ist daher unverzüglich, auch wenn sie hiervon bereits einige Zeit vor Beginn des Prozessverfahrens erfahren haben. Das Ablehnungsgesuch ist aber nicht begründet.

Die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ist dann gerechtfertigt, wenn Gründe vorliegen, die vom Standpunkt einer nüchtern denkenden Partei die Befürchtung rechtfertigen, dass der Sachverständige nicht unvoreingenommen und unparteiisch ist. Ob der Sachverständige tatsächlich parteiisch ist, ist hingegen nicht zu klären (vgl. OLG Düsseldorf in NJW-RR 1997, 1928). Auch wenn die Gründe, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit ergeben soll, erst nach Erstellung des Gutachtens und Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens entstanden sind, ist ein darauf gestützter Ablehnungsantrag nicht von vorneherein ausgeschlossen. Denn der Sachverständige muss sein Gutachten im Hauptprozess, soweit die Parteien dies beantragen, rechtfertigen und erläutern. Nur dann, wenn eine weitere Tätigkeit des Sachverständigen in dem Rechtsstreit ausgeschlossen ist, sind Gründe, die nach Abschluss des Beweisverfahrens entstanden sind, unbeachtlich (so auch OLG Schleswig in BauR 1993, 117).

Die Besorgnis der Befangenheit kann gerechtfertigt sein, wenn der Sachverständige von einer Partei wirtschaftlich abhängig ist (OLG Nürnberg in JurBüro 1981, 776, 777). Die bloße Geschäftsbeziehung zu einer Partei allein genügt, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, hingegen nicht (so auch OLG München in MDR 1998, 858; OLG Köln in VersR 1992, 517; Zöller/Greger, a.a.O. § 406 Rdn. 9). Der Sachverständige H hat, wie er in seiner Stellungnahme geschildert hat, hat für die Klägerin Privatgutachten in Streitigkeiten gefertigt, an denen die Beklagten nicht beteiligt waren und er war in weiteren selbständigen Beweisverfahren tätig, die das hier streitige Objekt betreffen.

Es fehlen aber jegliche Anhaltspunkt dafür, dass der Gutachter nähere geschäftliche Beziehungen zur Klägerin unterhalten würde und auf die Aufträge durch die Klägerin wirtschaftlich angewiesen wäre. Denn der Sachverständige hat angegeben, dass er seit mehr als 20 Jahren als Gutachter tätig ist, in keinem Jahr aber die Privatbeauftragung der Klägerin mehr als 5 % des Gesamtumsatzes betrug. Diese Angaben werden auch von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

Der Sachverständige H hat, nachdem die Klägerin durch ein Unternehmen Sanierungsmaßnahmen an dem Dienstgebäude hat ausführen lassen, die Arbeiten besichtigt, Angaben zur Mängelbeseitigung gemacht und an dem Abnahmetermin teilgenommen. Auch dies rechtfertigt nicht die Annahme einer Parteilichkeit des Sachverständigen. Die Aufgaben des Sachverständigen bestanden darin zu prüfen, ob der Unternehmer die Mängelbeseitigungsarbeiten ordnungsgemäß ausgeführt hat, die der Gutachter nach seinen vorangegangenen Feststellungen in dem Beweisverfahren für erforderlich gehalten hatte. Seine Feststellungen zu den Mängeln, d.h. seine Feststellungen, die für das Verhältnis der Parteien des Rechtsstreits relevant sind, werden dadurch nicht berührt. Der Gutachter hat sich durch seine Tätigkeit im Rahmen der Mängelbeseitigung nicht mehr festgelegt, als dies bereits in dem Gutachten zuvor zum Ausdruck gekommen war. Dass der Gutachter nunmehr weniger bereit sein könnte, auf Einwände der Beklagten zu den Mängeln und deren Ursachen einzugehen und diese zu bedenken, lässt sich auch aus deren Sicht berechtigterweise nicht feststellen.

Auch wenn der Sachverständige bei seiner Aufstellung über die mehrere Jahre zurückliegende Tätigkeit einen Ortstermin und eine Besichtigung des Flachdaches unerwähnt gelassen haben sollte, wie die Beklagten meinen, ist daraus keine andere Entscheidung gerechtfertigt. Denn dies ist kein Grund, aus dem sich für eine vernünftig denkende Partei ergeben könnte, der Sachverständige sei voreingenommen oder parteilich. Dass der Gutachter den Umfang seiner Verbindung mit der Klägerin hätte herabspielen wollen, ergibt sich nicht.

Der Beschwerdewert beträgt 5.000,00 DM (Kosten eines neuen Sachverständigen).

Ende der Entscheidung

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