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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: 9 U 178/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 459 ff.
BGB §§ 320 ff.
BGB § 119 Abs. 2
ZPO § 91
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
Stellt sich ein Sachmangel vor Übergabe des Kaufobjekts heraus, so kann sich der vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluss auch auf eventuelle Ansprüche des Käufers aus culpa in contrahendo erstrecken.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 178/01

Verkündet am 22. April 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P., die Richterin am Oberlandesgericht S. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. W.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 20. Juli 2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve - 1 O 34/01 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 25.04.2000 kaufte der Kläger von den Beklagten ein Hausgrundstück zum Kaufpreis von 250.000 DM. In dem Vertrag wurde die Haftung für "heute etwa bestehende Sachmängel" ausgeschlossenen. Die Wasserversorgung erfolgt über einen Grundwasserbrunnen, das Abwasser wird mittels einer Schmitgen-3-Kammer-Kläranlage durch Verrieselung entsorgt. Die wasserbehördliche Erlaubnis wurde unter dem 04.11.1988 erteilt und war bis zum 31.12.1997 befristet. Vor Abschluss des Kaufvertrages erklärte der Beklagte, dass sämtliche Genehmigungen für das Objekt vorlägen. Nach der Beurkundung des Kaufvertrages erfuhr der Kläger, dass eine wasserrechtliche Erlaubnis nicht vorliegt. Eine erneute Erlaubnis wurde nicht bewilligt. Der Kläger trat vom Kaufvertrag zurück und macht Vertragsrückabwicklungskosten geltend.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Einem Schadensersatzanspruch des Klägers aus culpa in contrahendo, der insoweit allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, steht der vertragliche Gewährleistungsausschluss entgegen. Da somit dem Kläger bereits dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch zusteht, ist die weitergehende Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des landgerichtlichen Urteils unbegründet.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, das grundsätzlich ein Anspruch aus culpa in contrahendo für den Kläger gegeben ist. Die fehlende wasserrechtliche Genehmigung stellt einen Umstand dar, über den der Beklagte im Rahmen der Vertragsverhandlungen hätte aufklären müssen. Mit der Berufung räumt der Beklagte ein, dass er diesen Umstand zumindest hätte erkennen können. Für einen Anspruch aus culpa in contrahendo genügt fahrlässiges Verhalten.

Da es nicht zur Übergabe des Hausgrundstückes gekommen ist, schließen die Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 ff. BGB einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nicht aus (vgl. BGH WM 1982, 960, 961).

Diesem Anspruch steht jedoch der im notariellen Kaufvertrag vom 25.04.2000 unter § 5 Ziff. 3 vereinbarte Haftungsausschluss entgegen. Dort heißt es:

"Besondere Eigenschaften des Kaufobjektes werden nicht zugesichert. Der Käufer hat das Objekt besichtigt und übernimmt es, wie es liegt und steht.

Die Haftung des Verkäufers für heute etwa bestehende Sachmängel, insbesondere die Haftung für die Richtigkeit des im Grundbuch eingetragenen oder amtlich ermittelten Flächenmaßes, für Ertrags- und Verwendungsfähigkeit des Kaufobjektes, wird ausdrücklich ausgeschlossen.

Hierzu versichert der Verkäufer nur, dass ihm wesentliche, für den Käufer nicht erkennbare Mängel, nicht bekannt sind."

Zwar wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen vereinbarten Gewährleistungsausschluss für die Zeit vor Gefahrübergang der Umfang der Leistungspflicht des Verkäufers nicht eingeschränkt (vgl. BGH NJW 1995, 1737). Dieser Rechtsprechung liegt jedoch die Annahme zugrunde, dass die Gewährleistungsansprüche gemäß §§ 459 ff. BGB, auf die sich der Gewährleistungsausschluss bezieht, regelmäßig erst nach Gefahrübergang entstehen (vgl. BGH NJW 1961, 772, 773).

Ob ein Verkäufer seine Leistungspflicht vertraglich insoweit abändern darf, dass sie ausdrücklich nicht mehr auf eine mangelfreie Leistung gerichtet ist (in diesem Sinne Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 459 Rdnr. 185, 216 sogar für den normalen Gewährleistungsausschluss), so dass die Rechtsfolgen der §§ 320 ff. BGB nicht mehr eintreten, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Jedenfalls kann eine Haftung für Sachmängel vertraglich ausgeschlossen werden, so weit diese vor Gefahrübergang begründet wäre.

Diese Vorverlagerungswirkung eines Gewährleistungsausschlusses ist anerkannt für den Bereich der Anfechtung im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB (vgl. BGH WM 1962, 511, 512, wo nur aufgrund der Auslegung ein vertraglicher Ausschluss der Anfechtung verneint wurde). Entsprechendes gilt für einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo. Den Parteien muss es unbenommen bleiben, vertraglich den Ausschluss einer Haftung für den Vertrauensschaden, der von den §§ 459 ff. BGB nicht erfasst wird, zu vereinbaren. Zwar hat der BGH (NJW 1981, 1035, 1036) ausgeführt, dass der in einem Kaufvertrag vereinbarte normale Gewährleistungsausschluss einer Haftung aus culpa in contrahendo nicht entgegenstehe, da es "hier nicht um einen von diesem Ausschluss betroffenen Fall der gesetzlichen Gewährleistungsregelung (§§ 459 ff. BGB), sondern um den davon unabhängigen Fall der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht" gehe. Durch diese Rechtsprechung wird jedoch die Möglichkeit eines weiteren Haftungsausschlusses nicht beschränkt.

Wie weit die Gewährleistung oder Haftung ausgeschlossen sein soll, ist grundsätzlich Sache der Parteien eines Individualvertrages (Münchener Kommentar/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 476 Rdnr. 13).

Dabei ist im Grundstücksverkehr davon auszugehen, dass, weil der Verkäufer sich möglichst weitgehend von einer Inanspruchnahme wegen Sachmängel entlasten will, eine im Wortlaut weit gefasste Freizeichnungsklausel so zu verstehen ist, dass eine Freizeichnung zwar nicht über den Wortlaut der Klausel hinaus gewollt ist, aber auch nicht in einem geringeren Umfang, als es dem Wortlaut entspricht (vgl. RGRK/Metzger, BGB, 12. Aufl., § 476 Rdnr. 4).

Der Senat legt § 5 Ziff. 3 des notariellen Vertrages dahingehend aus, dass auch die Haftung aus culpa in contrahendo vor Übergabe abbedungen worden ist. Mit dieser Bestimmung haben die Parteien die Haftung des Beklagten nicht erst für bei Übergabe bestehenden Mängel, sondern bereits für heute etwa bestehende Sachmängel ausgeschlossen. Für die Gewährleistungsregeln kommt es nicht darauf an, ob bei Vertragsschluss ein Mangel besteht; entscheidend ist der Zeitpunkt der Übergabe. Wenn aber die Parteien hingehen und ausdrücklich regeln, dass bereits keine Haftung für bei Vertragsschluss vorhandene Mängel bestehen soll, ist dies nur so zu verstehen, dass der Verkäufer bereits jetzt und zwar vollständig freigestellt werden sollte, also auch für einen dem Verkäufer fahrlässig unbekannt gebliebenen Mangel.

Dass der Beklagte die fehlende wasserrechtliche Genehmigung vorsätzlich verschwiegen hat, ist nicht nachgewiesen. Der Kläger vermochte den Vortrag des Beklagten, dass ihm die Befristung der wasserrechtlichen Erlaubnis bis zum 31.12.1997 nicht bekannt war, nicht zu widerlegen. Eine entsprechende aktuelle Kenntnis ist jedenfalls auch nicht naheliegend. Die wasserbehördliche Erlaubnis wurde am 04.11.1988 erteilt. Trotz Fristablauf ist die Gemeinde offensichtlich nicht an den Beklagten herangetreten.

Vorsatz des Beklagten lässt sich auch nicht dadurch begründen, dass er eine Erklärung ins Blaue abgegeben haben soll. Die Äußerung gegenüber der Banksachbearbeiterin, dass alle Genehmigungen vorlägen, lässt sich nicht ohne weiteres als eine Behauptung ins Blaue hinein qualifizieren. Auch eine derartige Behauptung setzt voraus, dass der Handelnde mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 123 Rdn. 11). Wenn der Beklagte, wie er unwiderlegt vorträgt, von der Befristung jedenfalls keine aktuelle Kenntnis gehabt hatte, ist trotz einer derartigen Erklärung, die sich mangels näherer Darlegung des Inhalts des Gespräches möglicherweise auch nur auf die Baugenehmigung bezogen haben kann, kein vorsätzliches Handeln gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen.

Streitwert der Berufung: bis 6.000 € Beschwer des Klägers: unter 20.000 €

Ende der Entscheidung

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