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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: I-10 U 121/08
Rechtsgebiete: EGBGB, ital. BGB, EuGVVO


Vorschriften:

EGBGB Art. 28
EGBGB Art. 31 Abs. 1
EGBGB Art. 37 Nr. 3
ital. BGB Art. 1218
ital. BGB Art. 1227 Abs. 2
EuGVVO Art. 2 Abs. 1
1. Zum anwendbaren Recht bei Zustandekommen eines Beherbergungsvertrages mit einem italienischen Hotelbetrieb.

2. Zum Anspruch des italienischen Hotelbetreibers auf Schadensersatz bei Stornierung einer Hotelbuchung nach Art. 1218 ital. BGB.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.04.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 17.920,- nebst Zinsen in Höhe von 8 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 08.12.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 EuGVVO, wonach für Personen mit Wohnsitz in einem Vertragsstaat als allgemeiner internationaler Gerichtsstand die Zuständigkeit dieses Vertragsstaats gegeben ist.

Die Berufung erweist sich als begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von EUR 17.920,- aus einem Beherbergungsvertrag. Zinsen können ab Rechtshängigkeit in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt werden.

1.

Zwischen den Parteien ist ein Beherbergungsvertrag über jeweils 45 Betten im Zeitraum 03.-10.07.2005, 20.-27.08.2005, 10.-17.09.2005 zustande gekommen.

Das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Beherbergungsvertrages richten sich gemäß Art. 31 Abs. 1 EGBGB nach dem für den Vertrag maßgeblichen Status, hier nach italienischem Recht. Die Parteien haben keine Rechtswahl im Sinne des Art 27 EGBGB getroffen. Ob schon nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB eine engere Verbindung mit Italien anzunehmen ist, mag dahinstehen. Jedenfalls ist nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB zu vermuten, dass der Vertrag die engere Verbindung mit Italien aufweist, weil dort die charakteristische Leistung, namentlich die Beherbergung, zu erbringen sein sollte.

Auch im italienischen Recht bedarf es für das Zustandekommen eines Vertrages übereinstimmender Willenserklärungen, hinsichtlich derer das italienische Recht dem deutschen Recht weitgehend gleicht (vgl. Grundmann/Zaccaria-Grundmann, Einführung in das italienische Recht, S. 203ff). Auch das italienische Recht kennt einen Beherbergungsvertrag, auf den mangels spezieller Regelungen das allgemeine Vertragsrecht anzuwenden ist.

a.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin eine verbindliche Buchung des fraglichen Zimmerkontingents im Jahre 2004 nicht substantiiert dargelegt hat.

Hinsichtlich der behaupteten Telefongespräche zwischen Frau P. H. und dem Beklagten fehlt jeglicher Vortrag zum Inhalt der Gespräche. Die angebotene Beweiserhebung liefe auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Entsprechendes gilt hinsichtlich der behaupteten schriftlichen Fax-Reservierung des Beklagten. Hier hat die Klägerin den Unterzeichner bzw. Urheber nicht benannt. Damit ist nicht vorgetragen, dass der Beklagte selbst oder ein bestimmter Dritter in ihm zurechenbarer Weise das Vertragsangebot der Klägerin angenommen hat. Allein die Verwendung des Briefkopfes "s. reisen" vermag eine Zurechnung der Annahmeerklärung zum Beklagten nicht zu rechtfertigen.

Eine Anwendung der Grundsätze des deutschen Rechts über das kaufmännische Bestätigungsschreiben kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht Kaufmann ist, so dass dahinstehen kann, ob insoweit überhaupt deutsches Recht anwendbar wäre.

b.

Aufgrund des Stornierungsschreibens vom 21.07.2005 (Bl. 17 GA) kann aber angenommen werden, dass der Beklagte das fragliche Zimmerkontingent gebucht hat. Die Stornierung ist auf Veranlassung des Beklagten erfolgt und damit ein ausreichendes und zwingendes Indiz dafür, dass er zuvor einen entsprechenden Beherbergungsvertrag abgeschlossen hat.

aa.

Das Stornierungsschreiben ist gefertigt unter dem Briefkopf "S. Reisen" und unterzeichnet mit "i.A. B.". Eine Vollmacht der Frau B., jetzt S., für den Beklagten zu handeln, kann aus dem Stornierungsschreiben selbst nicht abgeleitet werden.

Die Vollmacht beurteilt sich hier nach deutschem Recht. Das für die Vollmacht maßgebliche Recht ist nicht gesetzlich geregelt, vgl. Art. 37 Nr. 3 EGBGB. Im Interesse des Verkehrsschutzes ist die Vollmacht selbständig anzuknüpfen (Vollmachtstatut). Als Vollmachtstatus ist das Recht maßgeblich, in dessen Geltungsbereich die Rechtsmacht zur Auswirkung gelangt, wo von ihr Gebrauch gemacht wird (vgl. BGH NJW 1992, 618; NJW-RR 1990, 248, 250; Palandt-Heinrichs, EGBGB, Anhang zu Art. 32). Das Recht des Wirkungslandes entscheidet über das Bestehen, insbesondere die wirksame Erteilung einer Vollmacht, deren Auslegung und Umfang. Die Rechtsscheinsvollmachten beurteilen sich nach dem Recht des Ortes, wo der Rechtsschein gesetzt worden ist (vgl. BGH NJW, 2007, 1529).

Hier fehlt jegliche Darlegung der Voraussetzungen für eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht, namentlich dass der Beklagte entweder das Auftreten der in seinem Namen handelnden Vertreterin bewusst geduldet oder aber ein solches Auftreten fahrlässigerweise nicht erkannt und verhindert hat.

bb.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung am 22.01.2009 steht aber fest, dass die Zeugin S. (vormals B.) das fragliche Zimmerkontingent auf Veranlassung des Beklagten storniert hat.

Die Zeugin S. hat in ihrer Vernehmung vor dem Senat ausgesagt, dass sie jedenfalls das Stornierungsschreiben vom 21.07.2005 (Bl. 17 GA) auf Anweisung des Beklagten gefertigt und mit ihrem Namen unterzeichnet habe. Sie habe für den Beklagten nur aushilfsweise Schreibarbeiten erledigt, aber jeweils nur auf ausdrückliche Anweisung des Beklagten. Sie habe für ihn geschrieben, aber keine Telefonate geführt; wenn er nicht da war, habe sie lediglich eingehende Telefonate und Faxe in dem in ihrem Wohnhaus gelegenen Büro des Beklagten entgegen genommen und dann an den Beklagten weitergeleitet. Ob sie auf Anweisung des Beklagten Hotelbuchungen vorgenommen habe, wisse sie nicht mehr. Sie erinnere sich aber genau daran, dass ihr jetziger Ehemann, Herr S., und der Beklagte seinerzeit Hotels herausgesucht und angefragt hätten. Herr S. und der Beklagte hätten besprochen, neben den Beförderungsleistungen auch Hotelübernachtungen anzubieten; zur Vermarktung hätten sie zusammen einen ganzen Prospekt abgesprochen und gestaltet, sie hätten gemeinsam Bilder und Texte ausgesucht. Zur Durchführung sei aber keine der geplanten Reisen mit Hotelübernachtung gekommen. Die Hotelbuchungen seien vielmehr alle korrekt "abgemeldet" worden.

Die Aussage der Zeugin S. ist glaubhaft. Sie ist nachvollziehbar, in sich widerspruchsfrei und sowohl detailreich als auch detailgenau. Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln, bestehen aus Sicht des Senats nicht. Der Beklagte hat weder mit seinen Einwänden noch mit seiner eigenen Aussage im Rahmen der Anhörung vor dem Senat die glaubhafte Aussage der Zeugin zu widerlegen oder ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern vermocht.

Ein eigenes Interesse der Zeugin S. an der Vermarktung von Busfahrten mit Hotelübernachtungen ist nicht ersichtlich. Nach dem eigenen Bekunden des Beklagten hat sie für ihn aus Gefälligkeit Tätigkeiten erledigt, sie hat hierfür kein Entgelt erhalten. Dafür, dass sie ihren jetzigen Ehemann, Herrn S., hat schützen wollen, gibt es gleichfalls keine Anhaltspunkte. Der Beklagte hat zwar geltend gemacht, dass Herr S. eigenmächtig die Hotels gebucht und die Prospekte in Auftrag gegeben habe. Nachvollziehbare Gründe für ein solches Verhalten sind jedoch nicht ersichtlich. Herr S. war ab 01.04.2005 als Busfahrer bei der Firma des Beklagten, S.-Reisen, angestellt. Der Beklagte hat nicht darzulegen vermocht, welches Interesse Herr S. daran gehabt haben soll, ohne Wissen und Wollen des Beklagten unter dessen geplanter Firma vorab derartige Reisen zu planen und sogar entsprechende Prospekte drucken zu lassen. Der Vortrag des Beklagten in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.02.2009, Herr S. habe vor Gründung der "S. Reisen Ltd." eine Firma "S. Reisen" unter eigenem Namen betrieben und für diese geschäftliche Aktivitäten entwickelt (Seite 6ff), kann keine Berücksichtigung finden. Es handelt sich um neuen Vortrag im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO, der nicht zugelassen werden kann und dementsprechend auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt. Seine Erkenntnis leitet der Beklagte maßgeblich von dem Auffinden des Angebotes für den Reiseprospekt vom 29.11.2004 her. Dieser befand sich aber bei den in seinem Besitz befindlichen Geschäftsunterlagen, so dass kein eine Nachlässigkeit ausschließender Grund für den verspäteten Vortrag ersichtlich ist.

Hinzu kommt, dass der Beklagte auf die Frage des Senats, ob er Frau B. angewiesen habe, das Storno-Schreiben vom 21.07.2005 zu fertigen, widersprüchliche Angaben gemacht hat. Zunächst hat er geantwortet, er könne sich nicht daran erinnern. Nach kurzer Abstimmung mit seinem Prozessbevollmächtigten hat er sodann ausgesagt, er habe keine Anweisung hierzu gegeben. Die Widersprüchlichkeit seiner Angaben wird nicht erklärt durch seine Vermutung im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.02.2009, die Eheleute S. hätten ihm möglicherweise im Frühjahr 2005 mitgeteilt, dass sie bereits Zimmerreservierungen getätigt haben und er habe ihnen daraufhin gesagt, dass dies ihre Sache sei und dass sie sich daher auch um etwaige notwendige Stornierungen kümmern mögen (Seite 4f, 11). Zum einen ist dieser Vortrag neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Zulassungsgründe für diesen neuen Vortrag sind nicht ersichtlich, so dass auch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht in Betracht kommt. Zum anderen bleibt unerklärlich, wieso der anwaltlich vertretene und beratene Beklagte diesen ersichtlich wichtigen Umstand nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt hat.

cc.

Wenn aber die Zeugin S. das Stornierungsschreiben vom 21.07.2005 im Auftrag und mit Vollmacht des Beklagten verfasst hat, ist davon auszugehen, dass zuvor auch ein Vertrag entsprechend dem Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 02.12.2004 (Bl. 15 GA) zustande gekommen ist.

Aus dem Stornierungsschreiben ergibt sich die Absage eines der im Schreiben vom 02.12.2004 ausgeführten Termine gegenüber der Klägerin. Dies indiziert Kenntnisse, die nur hat, wer auch das den Vertragsinhalt bestätigende Schreiben der Klägerin vom 02.12.2004 und damit den vorangegangenen Vertragsschluss kennt. Der Vertragsschluss wiederum umfasst nicht nur die Reservierung für den im Fax vom 21.07.2005 stornierten Termin vom 20.08.-27.08.2005, sondern auch die Reservierungen für die Zeiträume vom 03.07.-10.07.2005 und 10.09.-17.09.2005 (Bl. 15 GA). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Beklagte Kenntnis von sämtlichen in diesem Prozess fraglichen Reservierungen hatte.

Bei den Reservierungen handelte es sich um verbindliche Buchungen. Die Möglichkeit, dass vor der Stornierung lediglich eine Abrede, gerichtet auf eine unverbindliche Vorhaltung des Zimmerkontingentes, getroffen worden sein soll, kommt nicht ernsthaft in Betracht. Es ist weder nachvollziehbar, dass über ein so großes Zimmerkontingent in der Hauptreisezeit lediglich eine unverbindliche Reservierung zustande gekommen sein soll, noch ergibt sich dies aus der Bestätigung der Klägerin vom 02.12.2004. Unter verständiger Würdigung ist vielmehr davon auszugehen, dass mit der Einigung über die Zimmerreservierung die Klägerin verpflichtet sein sollte, dieses Kontingent auch vorzuhalten; nur dann ist den berechtigten Planungsinteressen des Vertragspartners hinreichend Rechnung getragen. Mit der Verpflichtung zur Vorhaltung korrespondiert die Pflicht des Vertragspartners, diese auch zu bezahlen.

2.

Infolge der Stornierungen/Nichtinanspruchnahme schuldet der Beklagte der Klägerin Schadensersatz nach Art. 1218 ital. BGB. Dieser Anspruch ist gerichtet auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Der Gläubiger ist so zu stellen wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte, abzüglich eventueller Vorteile aus der Nichterfüllung. Das Vertretenmüssen der Nichtleistung durch den Schuldner wird insoweit vermutet (vgl. Grundmann/Zaccaria-Zaccaria, aaO, S. 175ff).

Hier hat die Klägerin dargelegt, dass sie in der Zeit vom 03.-10-07.2005 45 Betten, in der Zeit von 20.-27.08.2005 38 Betten und in der Zeit von 10.-17.09.2005 45 Betten nicht anderweitig vermieten konnte. Von den pro Person und Tag vereinbarten EUR 34,- lässt sie sich EUR 14,- für ersparte Aufwendungen abziehen.

Der Beklagte hat zwar bestritten, dass diese Zimmer nicht anderweitig vermietet werden konnten. Sein Bestreiten bleibt jedoch ohne Erfolg. Gemäß Art. 1227 Abs. 2 ital. BGB oblag es der Klägerin, den Schaden gering zu halten, das heißt, sich um die Weitervermietung der stornierten Zimmer zu bemühen. Hierbei handelt es sich ebenso wie bei § 254 BGB um einen Mitverschuldenseinwand. Wenn sich der Beklagte hierauf beruft, obliegt es ihm, darzulegen und ggfls. zu beweisen, dass die Klägerin ihrer Schadensminderungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Bloßes Bestreiten genügt insoweit nicht. Die Höhe der in Abzug gebrachten ersparten Aufwendungen hat der Beklagte nicht substantiiert angegriffen.

3.

Die zugesprochenen Zinsen folgen aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert der Berufung: EUR 17.920,-

Ende der Entscheidung

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