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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: I-10 U 144/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 540 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. August 2004 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Klägerin wegen Verweigerung der Zustimmung zur Untervermietung erklärten Kündigung des auf 30 Jahre fest abgeschlossenen gewerblichen Mietverhältnisses auf dem Gelände des Düsseldorfer Flughafens. Die Klägerin, die nach Verschmelzung mit Nachtragsvereinbarung vom 13.6.1995 in den ursprünglich mit der Firma S. Service Holding GmbH Deutschland abgeschlossenen Mietvertrag eingetreten ist, nutzte das angemietete Gebäude bis Mitte Juni 2003 zum Betrieb einer Bordküche. Der Mietvertrag vom 17.1.1990 enthält unter § 6 Ziffer 2 folgende Regelung: "Ohne Zustimmung der Vermieterin darf die Mieterin die Mietsache weder ganz oder teilweise untervermieten oder ihren Gebrauch Dritten in anderer Weise überlassen. Insbesondere darf die Mietsache nicht zu einem Zweck benutzt werden, der den Interessen der Vermieterin entgegensteht." Auf die schriftliche Aufforderung der Klägerin vom 7.8.2003, ihre Zustimmung zur Untervermietung an die Firma St. zu erteilen, die auf dem Flughafengelände schon seit längerem ein anders von der Beklagten angemietetes Bordküchengebäude nutzt, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 26.8.2003 eine Untervermietung an diese ab, weil ihr durch die Abwerbung der Firma St. erhebliche finanzielle Nachteile entstünden. Daraufhin kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 3.9.2003 unter Widerspruch der Beklagten zum 31.3.2004. Wegen der getroffenen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (GA 171 ff.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass die Klägerin das streitgegenständliche Mietverhältnis mit Kündigung vom 3.9.2003 zum 31.3.2004 wirksam gekündigt hat. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen (GA 175 ff.). Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit sie ihren erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte trägt vor, sie sei aus wichtigem Grund berechtigt gewesen, die Untervermietung an die Firma St. zu verweigern. Sie hält es nicht für gerechtfertigt, ihr zuzumuten, einen Schaden in voraussehbarer Höhe von 4.000.000 EUR hinzunehmen, nur weil die Klägerin sich bequemer einrichten und die Firma St. ohne sonstige Alternative das Geschäfts ihres Lebens habe machen wollen und dies als Kehrseite der Medaille allein auf dem Rücken der Beklagten. Bei interessengerechter Auslegung der Vertragsbestimmung in § 6 Ziffer 2 bleibe nur die Kristallisation, dass den Interessen der Beklagten zuwiderlaufende Nutzungszwecke - etwa und gerade eine höchst schädliche Nutzung durch die Firma St. - vertraglich verboten sein sollten.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 22.12.2004 und bittet um Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien einschließlich der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das mit Vertrag vom 17.1.1990 für die Dauer von 30 Jahren fest abgeschlossene Mietverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Klägerin vom 3.9.2003 mit Wirkung zum 31.3.2004 beendet worden. Die Klägerin war nicht gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB berechtigt, das Mietverhältnis wegen einer verweigerten Untervermietungserlaubnis zu kündigen, so dass ihre zulässige Feststellungsklage unbegründet ist. Dies beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:

1.

Nach § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn der Vermieter die Erlaubnis zur Untervermietung verweigert, sofern nicht in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt. Zwar hat die Beklagte ihre Zustimmung zur Untervermietung der Mieträume an die Fa. St. mit Schreiben vom 26.8.2003 (GA 26) verweigert. Gleichwohl berechtigte diese Verweigerung die Klägerin nicht zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses. Die Parteien haben nämlich entgegen der den Senat nicht bindenden, divergierenden Auffassung des Landgerichts (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.2004, VIII ZR 164/03) in § 6 Abs. 2 des schriftlichen Mietvertrages eine von der gesetzlichen Regelung des § 540 Abs. 1 BGB abweichende, eine außerordentliche Kündigung beschränkende Regelung getroffen. Dies ergibt eine gemäß §§ 133, 157, 242 BGB an Treu und Glauben und der Verkehrssitte orientierte Auslegung der in § 6 Abs. 2 in zulässigerweise getroffenen Vereinbarung. Danach darf die Mieterin die Mietsache ohne Zustimmung der Vermieterin weder ganz oder teilweise untervermieten oder ihren Gebrauch Dritten in anderer Weise überlassen (§ 6 Abs. 2 Satz 1), insbesondere darf die Mietsache nicht zu einem Zweck benutzt werden, der den Interessen der Vermieterin entgegensteht (§ 6 Abs. 2 Satz 2). Mit diesem Inhalt haben die Parteien bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung die Voraussetzungen, unter denen der Vermieter berechtigt ist, seine Zustimmung zu der beabsichtigten Untervermietung zu verweigern, über den Versagungsgrund des § 540 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbsatz BGB hinaus zu Lasten der Klägerin erweitert.

Die Erlaubnis zur Untervermietung nach § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB gewinnt ihre wesentliche Bedeutung gerade bei der in der Regel langfristig orientierten Geschäftsraummiete daraus, dass der Rahmen für den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache erweitert wird. Die im Umfang der Erlaubnis einmal eingetretene Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten für den Mieter ist in der Regel dazu bestimmt, eine rechtlich und wirtschaftlich geeignete Grundlage für seine Dispositionen als Untervermieter zu schaffen. Sein hieran bestehendes Interesse findet in der Regelung des § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB ihren Ausdruck, wonach der Vermieter die Erlaubnis nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Untermieter versagen und seinen Mieter am Vertrage festhalten kann (BGH NJW 1995, 2034; NJW 1987, 1692). Aufgrund der nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlichen Zulässigkeit der Untervermietung kann der Mieter bei Vertragsschluss im Regelfall die berechtigte Erwartung hegen, dass ihm die Untermieterlaubnis bei gegebenem Anlass erteilt wird, sofern dieser nicht sachliche, aus der Sphäre des Untermieters herrührende Gründe entgegenstehen.

Diese gesetzliche Interessengewichtigung zu Gunsten des Mieters haben die Parteien vertraglich zum Nachteil der Klägerin verschoben. Die vertragliche Regelung ermöglicht der Beklagten eine Versagung nicht nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Dritten, sondern darüber hinaus auch dann, wenn die Mietsache durch die Untervermietung zu einem Zweck benutzt wird, der den Interessen der Beklagten entgegensteht. Damit haben die Parteien bei verständiger Würdigung die für eine Erlaubniserteilung berücksichtigungsfähigen Kriterien gegenüber der gesetzlichen Regelung zugunsten der Beklagten anders gewichtet und deren Möglichkeit zur Verweigerung der Zustimmung auf aus ihrer Sphäre stammende sachliche Gründe erweitert. Als redliche und verständige Vertragspartnerin durfte die Klägerin sich diesem Verständnis der Regelung nicht verschließen. Hätten die Parteien die Beklagte lediglich auf in der Person des Dritten liegende Ablehnungsgründe focussieren wollen, hätte es nahe gelegen, im Vertragstext lediglich den Gesetzeswortlaut zu wiederholen oder ganz auf § 6 Abs. 2 Satz 2 zu verzichten. Dies verkennt die Kammer, wenn sie die drohende Gefahr für die Interessen der Beklagten wiederum auf das gesetzliche Tatbestandsmerkmal des "wichtigen Grundes in der Person des Dritten" in § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB reduziert.

Gegen die Wirksamkeit der Klausel bestehen auch dann keine Bedenken, wenn es sich - wie die Klägerin meint - um eine von der Beklagten vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingung handeln sollte. Die Möglichkeit der Untervermietung, respektive das gesetzliche Kündigungsmöglichkeit des Mieters bei ihrer unberechtigten Verweigerung, wird durch die angesprochene Klausel nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn weder ausgeschlossen noch wird - wie in der der Entscheidung BGH, NJW 1995, 2034 zugrunde liegenden Klauselgestaltung - die Nichterteilung der Erlaubnis sanktionslos in das Belieben des Vermieters gestellt. Nach dem objektiven Sinngehalt des Erlaubnisvorbehalts darf die Beklagte entgegen der Wertung der Klägerin nicht praktisch jede Untervermietung nach Gutdünken ablehnen. Vielmehr darf sie die Untervermietungserlaubnis nicht willkürlich, sondern nur dann versagen, wenn die Mietsache zu einem Zweck genutzt wird, der den Interessen der Beklagten entgegensteht. Mit diesem Klauselinhalt stand bereits bei Vertragsschluss fest, dass die Klägerin als Mieterin ein erhöhtes Verwendungsrisiko zu tragen hatte. Es oblag ihrer freien Einschätzung, ob sie dieses Risiko für die von ihr beabsichtigten Zwecke über die vorgesehene Laufzeit des Vertrages tragen konnte und wollte. Im Hinblick hierauf und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Gebrauchsüberlassung an Dritte nicht zum gesetzlichen Leitbild des Mietvertrages gehört, ist diese auf sachliche Gründe begrenzte Einschränkung der Untervermietungsmöglichkeit und damit des der Mieterin nach § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen zustehenden Kündigungsrechts nicht unbillig; die Klägerin wird hierdurch nicht unangemessen benachteiligt i.S. des § 9 AGBG a.F./§ 307 Abs. 1 BGB (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rn. 506 a.E.; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rn. 880 f.).

Es bedarf keiner Entscheidung, unter welchen grundsätzlichen Voraussetzungen die Beklagte nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ihre Zustimmung unter Berufung auf ihre einer Untervermietung entgegenstehende Interessen verweigern darf. Jedenfalls dann, wenn die Untervermietung - wie hier - dazu führt, dass die Beklagte bei einer von ihr zu erteilenden Untervermietungserlaubnis einen ihrer Mieter von anderen Räumlichkeiten auf dem Flughafengelände als Untermieter an die Hauptmieterin verliert und diese damit in direkter Vermietungskonkurrenz zur Beklagten steht, wird die Mietsache zu einem Zweck benutzt, der die Interessen der Beklagten im Sinn der vertraglichen Regelung tangiert. Der Verlust eines eigenen Mieters als Untermieter an die Klägerin und die sich hieraus ergebende potenzielle Gefahr wirtschaftlicher Nachteile, machen es für die Beklagte nicht zumutbar, die erbetene Zustimmung zu erteilen. Sie hat ein legitimes Interesse daran, von ihr begründete Mietverhältnisse zu erhalten. Ob sich der von der Beklagten behauptete Schaden durch Verlust des Mieters S...sich in der angegebenen Höhe realisiert - wie die Klägerin in Zweifel zieht - , ist hierfür unerheblich.

Soweit die Klägerin in dem erstinstanzlich nicht als Kartellrechtsstreit geführten Verfahren beiläufig und in der Sache fernliegend die Auffassung vertreten hat, bei der Verweigerung der Erlaubnis zur Untervermietung mit der Firma St. handele es sich um die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. § 19 GWB, ist die Klägerin hierauf erst im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10.02.2005 zurückgekommen. Das Vorbringen gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen oder die Sache dem Kartellsenat vorzulegen. Die im Ermessen des Gerichts (vgl. BGH NJW 2000, 142) stehende Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO ist grundsätzlich nur dann geboten, wenn das neue Vorbringen ergibt, dass es aufgrund eines nicht prozessordnungsmäßigen Verhaltens des Gerichts, insbesondere einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist. Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Im Übrigen vermag allein der Umstand, dass die Beklagte (allein) die Flächen auf dem Flughafengelände vermietet, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu begründen. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Beklagte mit der Vertragsgestaltung eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt. Denn es wäre der Klägerin beispielsweise unbenommen, der Beklagten einen noch nicht auf dem Flughafengelände angesiedelten Untermieter anzubieten. In einem solchen Fall könnte die Beklagte ihre Zustimmung zur Untervermietung allein aus in der Person des Dritten liegenden Gründen ablehnen, da ein sachlich begründetes Interesse an der Versagung der Untervermietung nicht gegeben wäre. Denn anders als im vorliegenden Fall würde es sich dann nicht um die Abwerbung eines Mieters der Beklagten handeln, sondern um eine für die Interessen der Beklagten weder mit Vor- noch Nachteilen verbundene Untervermietung. Vor diesem Hintergrund greift auch das Beispiel der Klägerin nicht, die Beklagte könne beliebig jede Untervermietung verhindern, solange noch Gewerbeflächen auf dem Flughafengelände vermietungsfrei seien.

War die Beklagte danach aber berechtigt, ihre Erlaubnis zu der beabsichtigten Untervermietung zu verweigern, besteht das Mietverhältnis mit der Klägerin fort. Darauf, ob das Sonderkündigungsrecht der Klägerin - wie die Beklagte meint - nicht ohnehin gemäß § 242 BGB verwirkt war, weil die Beklagte bereits mit Schreiben vom 12.12.2002 die erbetene Untervermietung an die Firma St. nur unter den dort genannten, von der Klägerin nicht akzeptierten Bedingungen erlauben wollte, und die Klägerin das Sonderkündigungsrecht darauf hin nicht zeitnah, sondern erst mit Schreiben vom 3.9.2003 ausgeübt hat, kommt es ebensowenig an, wie auf den weiteren von der Beklagten zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragenen Gesichtspunkt eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen der Klägerin und der Firma St.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 442.698 EUR



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