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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: I-10 U 192/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 535
Zur Auslegung der in einer Zusatzvereinbarung im Mietvertrag enthaltenen Regelung, "Die Nebenkosten für Gas und Strom übernimmt der Mieter", wenn der Mietvertrag daneben eine formularmäßige Abwälzung der Betriebskosten i.S. der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II.BV enthält.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. September 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung und des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % über dem zu vollstreckenden Betrag abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte als Zwangsverwalter auf Zahlung von abgerechneten Nebenkosten für die Jahre 1998 und 1999 für das von der Beklagten im Umfang des Vertrages vom 19.08.1997 angemietete Grundstück R. 1, 4 M., in Anspruch. Der Mietvertrag, auf den im Einzelnen verwiesen wird (GA 150 - 164), enthält in § 4 Nr. 3 a eine Abwälzung der Betriebskosten i.S. der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV in der jeweils geltenden Fassung und in § 23 ("Sonstige Vereinbarungen") maschinenschriftlich die Eintragung: "Zusatz zu § 4 a ... Die Nebenkosten für Gas und Strom übernimmt der Mieter. Hierfür werden Zwischenzähler angebracht." Unter dem 13.09.2000 übersandte der Kläger der Beklagten die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 1998 und 1999 über insgesamt 358.731,86 DM. Wegen der Nebenkostenabrechnungen im Einzelnen wird auf GA 19 22 Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte die Stromkosten in Höhe von 58.604,86 DM anerkannt hat und insoweit Teilanerkenntnisurteil ergangen ist, hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung weiterer 300.127,00 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2000 zu verurteilen.

Die Beklagte hat insoweit Klageabweisung beantragt und vorgetragen, bei Abschluss des Mietvertrags sei zwischen dem seinerzeit für sie verhandelnden Zeugen H. und dem auf Vermieterseite mit der Vermietung beauftragten Herrn N. vereinbart worden, dass sie lediglich die Nebenkosten für Gas und Strom zu tragen habe. Im Übrigen hat sie Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnungen des Klägers erhoben. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 11.04.2001 (GA 27 ff.) verwiesen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die über den titulierten Teilbetrag hinausgehende Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er seine Klageforderung weiter verfolgt, hat der Senat mit Urteil vom 19.12.2002, auf das verwiesen wird (GA 115 ff.), zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof die vorgenannte Entscheidung mit Urteil vom 4.5.2005 (XII ZR 23/03) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - zurückverwiesen und dem Senat aufgegeben, zu klären, ob die von der Beklagten behauptete Nebenkostenvereinbarung zustande gekommen ist.

Wegen der Berufungsanträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Senatsurteils vom 19.12.2002 (GA 118) Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M., H. und N. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 27.4.2006 (GA 212 f.) und vom 10.8.2006 (GA 231 ff.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien einschließlich der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zahlung restlicher Nebenkosten in noch streitiger Höhe von 153.452,49 € (= 300.127,00 DM) kann der Kläger nicht gemäß §§ 152 ZVG, 535 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Mietvertrag vom 30.9.1997 verlangen, so dass den geltend gemachten Nachforderungen für 1998 und 1999 die rechtliche Grundlage fehlt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages vereinbart haben, dass die Beklagte habe lediglich die Nebenkosten für Gas und Strom zu tragen hat. Der Senat folgt insoweit der glaubhaften Aussage des Zeugen H., der die Vertragsverhandlungen auf Seiten der Beklagten mit dem seinerzeit auf Seiten des Klägers bzw. dessen Rechtsvorgänger für die Vermietung des streitgegenständlichen Grundstücks zuständigen Zeugen N. geführt und die von der Beklagten behauptete Nebenkostenvereinbarung bestätigt hat. Der Zeuge, der seinerzeit als Makler mit dem Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks beauftragt war, hat im Wesentlichen bekundet, der Geschäftsführer der Beklagten habe ihn angesprochen, ob die Beklagte Teilflächen des Grundstücks anmieten könne und hierfür die Vorgabe gemacht, dass die Beklagte wegen des maroden Gebäudezustands neben der Grundmiete nur die Heiz- und Stromkosten zahlen wolle. Er habe dann Kontakt mit dem Zeugen N. aufgenommen, der damals für die Z.-Hypobank in K. tätig gewesen sei, und mit ihm die Verhandlungen über eine Teilvermietung geführt. Der Zeuge N. sei mit der Vorgabe der Beklagten, dass neben der Grundmiete nur die Heiz- und Stromkosten zu zahlen seien, einverstanden gewesen. Es sei nur über die Grundmiete und die Heiz- und Stromkosten gesprochen worden, nicht auch über Nebenkostenvorauszahlungen und die Bestellung einer Sicherheit. Da ein vorbereiteter Mietvertrag nicht vorgelegen habe, habe er darauf hingewiesen, man könne ja den Vertrag, den er selbst mit dem Zwangsverwalter vereinbart habe, als Vorstück nehmen. Wer die Durchstreichungen und Ergänzungen im Vertragstext vorgenommen habe, daran könne er sich nicht erinnern. Er habe den ihm von dem Zeugen N. übergebenen Vertrag zu dem Geschäftsführer der Beklagten gebracht, der den Vertrag unterzeichnet habe. Erst danach habe der Zwangsverwalter den Vertrag unterschrieben. Die auch im Hinblick auf seinen gegen den Kläger verlorenen Nebenkostenprozess (LG Mönchengladbach, 3 O 52/01 = OLG Düsseldorf, 10 U 192/01) ohne erkennbare Belastungstendenz erfolgte Aussage des Zeugen H. ist vor allem vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass die Z.-Hypobank in K. auch nach den Angaben des Zeugen N. an einer schnellen Vermietung des streitgegenständlichen Grundstücks interessiert war. Dieses Interesse an der Vermeidung eines weiteren (verlustreichen) Leerstands macht plausibel, dass die Parteien - so der Zeuge N. - nicht allzu sehr über die Konditionen des Mietvertrags verhandelt haben. Dementsprechend weist der Vertrag weder eine monatliche Vorauszahlung auf die Nebenkosten aus noch enthält er eine ansonsten in gewerblichen Mietverhältnissen weitgehend gebräuchliche Regelung über die Stellung einer Mietsicherheit. Die im Streitfall zunächst vereinbarte kurze Mietdauer (19.8.1997 - 28.2.1998) sollte nach der Aussage des Zeugen N. für die Vermieterseite der Einstieg in eine längerfristige Vermietung sein, wenn sich die Beklagte mit dem Objekt angefreundet hatte. Diese Befristung verbunden mit der Hoffnung auf eine längerfristige Anschlussvermietung erklärt, dass der Zeuge N. eine Regelung, wonach die Beklagte nur Grundmiete, Heiz- und Stromkosten zu bezahlen hatte, akzeptiert hätte, wenngleich er den Abschluss einer solchen Vereinbarung nach seiner Erinnerung weder bestätigen noch ausschließen mochte. Dass seine Kompetenz zu dem Abschluss einer solchen Vereinbarung - wie der Zeuge glaubt - nicht ausgereicht hätte und er sich diese hätte genehmigen lassen müssen, steht der durch den Zeugen H. nach vorstehenden Überlegungen glaubhaft bekundeten Nebenkostenabsprache nicht entgegen, denn der Zeuge N. war ersichtlich selbst nicht abschlussberechtigt. Dies zeigt sich zum einen daran, dass der Zeuge den Mietvertragsentwurf an die Rechtsabteilung weitergeleitet und von dort das "Okay" erhalten hat, und zum anderen daran, dass der Vertrag nicht von dem Zeugen, sondern von dem seinerzeit tätigen Zwangsverwalter unterzeichnet worden ist. Gegenteiliges ist auch dem schriftlichen Mietvertrag nicht zu entnehmen. Zwar sieht dieser in § 4 Nr. 3 a vor, dass neben der Grundmiete die im einzelnen aufgezählten Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II:BV umgelegt werden, zu denen expressis verbis auch die "Kosten des Betriebs und der Unterhaltung der Heizungs- und Warmwasseranlage" und die "Beleuchtungskosten/Allgemeinstrom" gehören. Andererseits enthält § 23 ("Sonstige Vereinbarungen") eine als "Zusatz zu § 4 a" (gemeint ist ersichtlich Zusatz zu § 4 Nr. 3 a) bezeichnete Regelung, wonach der Mieter die Nebenkosten für Gas und Strom übernimmt. Dieses Zusatzes hätte es nicht bedurft, wenn die Parteien mit seiner Aufnahme keine von § 4 Nr. 3 a MV abweichende Regelung hätten treffen wollen, weil beide Kostenarten - wie ausgeführt - bereits in § 4 Nr. 3 a MV enthalten sind. Zwar sind an die Auslegung einer Willenserklärung, die zum Verlust einer Rechtsposition führt, als Verzicht auf diese Position strenge Anforderungen zu stellen. Andererseits ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass eine vertragliche Bestimmung nach dem Willen der Parteien einen bestimmten rechtlichen Inhalt haben soll. Deshalb ist einer möglichen Auslegung der Vorzug zu geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würde (BGH, Urt. v. 7.3.2005, II ZR 194/03). Hieran gemessen macht der vereinbarte Zusatz auf der Grundlage der Aussage des Zeugen H. und unter Berücksichtigung der bereits dargelegten Interessenlage der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages nur Sinn, wenn die Parteien den Kreis der vertraglich umlagefähigen Nebenkosten - wie der Zeuge H. bekundet hat - auf die Kostenarten Gas und Strom beschränken wollten. Warum die Parteien die Regelung in § 4 Nr. 3 a bei Vertragsschluss - was naheliegend gewesen wäre - nicht gestrichen haben, konnten weder der Zeuge H. noch der Zeuge N. erklären. Die Glaubhaftigkeit der Aussage des ausführlich befragten Zeugen H. wird hierdurch zur Überzeugung des Senats nicht in Frage gestellt. Die Aussage des Zeugen M. ist unergiebig, da er an den Vertragsverhandlungen nicht teilgenommen hat.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 153.452,49 € (= 300.127,00 DM)

Ende der Entscheidung

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