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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.09.2007
Aktenzeichen: I-10 U 25/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 315
BGB § 316
ZPO § 540 Absatz 1 Nr. 1
Zur Konkurrenz von ordentlichem Kündigungsrecht und Optionsklausel, wenn der Mietvertrag die Regelung enthält:

1. Das Mietverhältnis beginnt am 01.05.1985 und endet am 30.04.1995.

2. Der Mietvertrag verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn er nicht mit der ordentlichen Kündigungsfrist durch eingeschriebenen Brief gekündigt wird.

3. Dem Mieter steht ein 2-maliges Optionsrecht auf eine Mietvertragsverlängerung um bis zu fünf Jahren zu. Dieses Recht hat der Mieter dem Vermieter gegenüber spätestens sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen Brief geltend zu machen.

4. Über weitere Optionsrechte auf eine Mietverlängerung um bis zu 5 Jahren ist zwischen dem Vermieter und dem Mieter neu zu verhandeln. Die übrigen Bestimmungen des gültigen Mietvertrages bleiben davon unberührt. Ein solches Begehren hat der Mieter dem Vermieter gegenüber spätestens sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen Brief geltend zu machen."


Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. Januar 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6.Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der landgerichtliche Ausspruch über die Abweisung der Widerklage entfällt.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt die Räumung der von dem Beklagten angemieteten Praxisräume einer Zahnarztpraxis im Haus H. 16 in D. Mit Mietvertrag vom 22. Mai 1985 vermietete die Klägerin an den Beklagten die streitgegenständlichen Räume bis zum 30.04.1995. In § 4 des Mietvertrages heißt es: "1. Das Mietverhältnis beginnt am 01.05.1985 und endet am 30.04.1995. 2. Der Mietvertrag verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn er nicht mit der ordentlichen Kündigungsfrist durch eingeschriebenen Brief gekündigt wird. 3. Dem Mieter steht ein 2-maliges Optionsrecht auf eine Mietvertragsverlängerung um bis zu fünf Jahren zu. Dieses Recht hat der Mieter dem Vermieter gegenüber spätestens sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen Brief geltend zu machen. 4. Über weitere Optionsrechte auf eine Mietverlängerung um bis zu 5 Jahren ist zwischen dem Vermieter und dem Mieter neu zu verhandeln. Die übrigen Bestimmungen des gültigen Mietvertrages bleiben davon unberührt. Ein solches Begehren hat der Mieter dem Vermieter gegenüber spätestens sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen Brief geltend zu machen." Am 27.09.1994 machte der Beklagte zum erstenmal von seinem Optionsrecht Gebrauch. Damit verlängerte sich das Mietverhältnis vom 01.05.1995 bis zum 30.04.2000. Am 24.09.2000 teilte der Beklagte der Klägerin erneut mit, das er von dem Optionsrecht Gebrauch machen wolle. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 17.10. 2000 und wies den Beklagten darauf hin, dass er die Option verspätet ausgeübt habe. Der Beklagte verblieb gleichwohl in den Praxisräumen und setzte seine berufliche Tätigkeit fort. Am 26.04.2002 kündigte die Klägerin zum 30.04.2003. Der Beklagte verblieb mit Einverständnis der Klägerin auch über den 30.04.2003 hinaus in den Mieträumen. Am 20.04.2004 kündigte Klägerin erneut das Mietverhältnis, diesmal zum 30.04.2005 und widersprach einer Verlängerung. Darauf erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 22.10.2004, er wolle sein Recht aus § 4 Absatz 4 des Mietvertrages geltend machen. Die Klägerin hat erstinstanzlich die Räumung und Herausgabe der Mieträume beantragt. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hilfsweise widerklagend, für den Fall. dass der Klage stattgegeben wird, beantragt, die Klägerin zu verurteilen, mit ihm über die Einräumung weiterer Optionsrechte zur Verlängerung des Mietverhältnisses für jeweils fünf Jahre zu verhandeln. Der Beklagte vertritt die Auffassung, § 4 Absatz 4 des Mietvertrages verdränge die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 20.04. 2004. Er ist weiter der Auffassung, dass er die ihm in § 4 Nr. 3 und 4 des Mietvertrages eingeräumten Optionsrechte fristgerecht ausgeübt habe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Der Beklagte wiederholt die erstinstanzlich eingenommene Rechtsposition zur Auslegung der vereinbarten Optionsklausel. Er ist weiter der Auffassung, das Landgericht hätte über die Hilfswiderklage nicht entscheiden dürfen, weil der Antrag nur für den Fall gestellt worden sei, dass das Landgericht die Klage nur dann abweisen würde, wenn gleichzeitig oder vorher eine Verurteilung der Klägerin auf Widerklage zur Aufnahme von Verhandlungen über weitere Optionsrechte erfolge. Da das Landgericht aber - irrigerweise - der Klage habe stattgeben wollen, sei die innerprozessuale Bedingung für die Entscheidung über die Widerklage nicht eingetreten. Der Beklagte beantragt,

1. das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

2. im übrigen aufzuheben, hilfsweise das Urteil abzuändern und die Klägerin zu verurteilen, über weitere Optionsrechte auf eine Verlängerung des zwischen den Parteien unter dem 22.05.1985 abgeschlossenen Mietvertrages über die Räumlichkeiten im Hause H. 16, D., im 4. und 5. Obergeschoss mit Nebenräumen zum Betrieb einer Zahnarztpraxis um bis zu jeweils fünf Jahren mit dem Beklagten zu verhandeln, weiter hilfsweise vier weitere Optionsrechte auf eine Mietvertragsverlängerung um bis zu fünf Jahren und eine angemessene oder ortsübliche Miete, deren genaue Höhe im Streitfall vom Gericht festgesetzt oder von der Klägerin nach §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen bestimmt wird, mit dem Beklagten zu vereinbaren.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht weiterhin geltend, dass der Beklagte sich nicht auf die Ausübung der Verhandlungsoption in § 4 Nr. 4 des Mietvertrages berufen könne, weil die Ausübung der Optionsrecht aus dem Mietvertrag daran scheitere, dass der Beklagte die 2. Verlängerungsoption nicht fristgemäß ausgeübt habe.

Wegen des weiteren Sachverhaltes wird gemäß § 540 Absatz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und auf den weiteren Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist im wesentlichen unbegründet.

Das angefochtene Urteil beruht, soweit die Klage betroffen ist, weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Absatz 1, 520 Absatz 3 Satz 2 Nr.2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen ( §§ 520 Absatz 3 Satz 2 Nr.3, 529 ZPO) eine abweichende Beurteilung.

A. Zutreffend hat das Landgericht den Beklagten für verpflichtet erachtet, die Mieträume herauszugeben und zu räumen. Denn das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist spätestens durch die frist- und formgerechte Kündigung der Klägerin vom 20.04.2004 zum 30.04.2005 beendet worden. Die Klägerin hat einer Verlängerung des Mietverhältnis über den Kündigungszeitpunkt hinaus widersprochen.

Der Beklagte kann sich nicht mehr auf die Verhandlungsoption des § 4 Nr. 4 des Mietvertrages berufen. Der Mietvertrag enthält in § 4 Nr. 2 des Mietvertrages eine Verlängerungsklausel und in Nrn. 3 und 4 eine Optionsklausel. Zutreffend ist der Beklagte der Ansicht, dass die Optionsklausel das ordentliche Kündigungsrecht der Vermieterin während des Laufes des befristeten Mietverhältnisses ausschließt. Das in § 5 Nr. 1 des Mietvertrages vereinbarte ordentliche Kündigungsrecht bezieht sich ersichtlich auf den Fall, dass das Mietverhältnis sich nicht durch die Ausübung des Optionsrechtes sondern durch die Verlängerungsklausel des § 4 Nr. 2 verlängert hat. Denn in diesem Fall kann die Verlängerung des Mietverhältnisses gemäß § 4 Nr. 2 des Mietvertrages durch ordentliche Kündigung beendet werden. Der Beklagte hat allerdings sein Recht auf Ausübung der Verlängerungsoption dadurch verloren, dass er die zweite Option am 24.09.2000 verspätet und damit unwirksam ausgeübt hat. Damit verlängerte sich das Mietverhältnis gemäß § 4 Nr.2 des Mietvertrages bei Nichtkündigung automatisch um jeweils ein Jahr. Es konnte dann aber von der Klägerin jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr ordentlich gekündigt werden. Ein Wiederaufleben der Optionsrechte nach § 4 Nrn. 3 und 4 des Mietvertrages ist ausgeschlossen, weil die Ausübung der Optionsrechte, und dazu gehört auch die Verhandlungsoption in § 4 Nr. 4 des Mietvertrages, von einer vorhergehenden wirksamen und fortlaufenden Optionsrechtsausübung abhängt. Der zwischenzeitliche Nichtgebrauch einer Option bringt die Optionsrechte insgesamt zum Erlöschen ( vgl. Oberlandesgericht Hamburg NZM 1998, 333 m.w.N.). Die Auslegung des § 4 des Mietvertrages, die der Beklagte vornimmt, ist nicht zutreffend. Der Beklagte meint, die nach § 4 Nrn. 3 und 4 des Mietvertrages vereinbarten Optionsrechte, die nach dem eindeutigen Wortlaut jeweils sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen Brief geltend zu machen sind, könnten auch dann geltend gemacht werden, wenn die ursprüngliche Grundmietzeit von zehn Jahren sich aufgrund der automatischen Verlängerungsklausel des § 4 Nr.2 des Mietvertrages jeweils um ein Jahr verlängert habe, weil dann sechs Monate vor dem Ablauf dieser einjährigen Verlängerungszeit die Option auf eine fünfjährige Verlängerung bzw. die Option auf Verhandlung über weitere Optionsrechte ausgeübt werden könne. Die hier vorliegende Individualvereinbarung ist gemäß den § 133, 157 BGB auszulegen. Lässt der Wortlaut mehr als eine Auslegung zu, so gebührt derjenigen der Vorzug, die zu einem widerspruchsfreien Vertragsinhalt und außerdem zu einer interessengerechten Lösung führt ( vgl. BGH NJW-RR 2003, 1136 m.w.N.;). Die im Mietvertrag verwendete Wortwahl " sechs Monate vor Vertragsende" ist unpräzise, weil nicht eindeutig ist, ob das Vertragsende der Grundmietzeit oder einer ausgeübten Verlängerungsoption gemeint ist oder allgemein jedes Vertragsende. § 4 des Mietvertrages enthält zwei nebeneinander stehende Verlängerungskonstruktionen. Zum einen die automatische Verlängerung um ein Jahr, die von beiden Parteien durch fristgebundene Kündigung blockiert werden kann mit der Folge, dass der Mietvertrag endet. Zum anderen das einseitig vom Mieter auszuübende Recht auf Verlängerung des Mietvertrages um fünf Jahre, welches zweimal ausgeübt werden kann, so dass der Mieter auch gegen den Willen des Vermieters eine Gesamtdauer des Mietverhältnisses von zwanzig Jahren herbeiführen kann. Solange die Grundmietzeit der ersten zehn Jahre läuft und solange aufgrund einer Optionsausübung der Vertrag auf weitere fünf Jahre verlängert ist, also die Optionsklausel vom Mieter aktiviert ist, kann nach dem Sinn und Zweck der Regelung das in § 4 Nr.2 des Mietvertrages eingeräumte ordentliche Kündigungsrecht nicht greifen. Beide Verlängerungskonstruktionen können nicht gleichzeitig gelten. Das hat Auswirkungen auf die Frage, ob während des Laufes der automatischen Verlängerungsklausel noch ein Optionsrecht ausgeübt werden darf. Nach Ansicht des Beklagten kann auch während der Herrschaft der automatischen Verlängerungsklausel jederzeit eine noch nicht ausgeübte Option ausgeübt werden und damit die Anwendbarkeit der automatischen Verlängerungsklausel wieder beseitigen. Ein solches Verständnis ist jedoch nicht interessengerecht, weil es die Vermieterseite einseitig benachteiligt. Die Optionsklausel hat wirtschaftlich den Sinn, dem Mieter die Möglichkeit einer angemessenen Amortisation seiner erheblichen Investitionen dadurch zu geben, dass er eine genügend lange Mietdauer durch Ausübung der Optionen herbeiführen kann. Diesem Interesse ist durch eine Mietdauer von zwanzig Jahren ausreichend Rechnung getragen. Der Vermieter hat andererseits ein berechtigtes Interesse daran, eine längerfristige Planungssicherheit über die weitere Verwertungsmöglichkeit der Mietsache zu erhalten. Dieses Interesse wäre nicht berücksichtigt, wenn der Mieter zunächst die automatische Verlängerungsklausel anlaufen ließe und die für ihn durch fristgemäße Kündigung des Vermieters, die nach dem Mietvertrag 12 Monate vor dem Ende der Laufzeit ausgesprochen werden muss, erkennbare Beendigungsabsicht durch Ausübung der Option durchkreuzen könnte. Hierbei könnte der Mieter eine Gesamtdauer von weit mehr als zwanzig Jahren gegen den Willen des Vermieters herbeiführen. Dass die Parteien eine solche Möglichkeit für den Mieter vereinbaren wollten, ist nicht erkennbar. Eine interessengerechte Auslegung des § 4 des Mietvertrages führt deshalb dazu, dass die Verlängerungsoptionen nur im Anschluss an die Grundmietzeit und nur im Anschluss an eine vorhergehende ausgeübte Verlängerungsoption ausgeübt werden können. Diese Voraussetzungen sind , wie bereits ausgeführt, nicht gegeben, so dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung der Klägerin sein Ende gefunden hat. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der von dem Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechtsprechungsübersichten. Den Entscheidungen liegen jeweils andere Optionsvereinbarungen zugrunde. Auch ist aus den Entscheidungen ersichtlich, dass die jeweilige Einzelsituation bei der Auslegung die entscheidende Rolle spielt. B. Über die Widerklage ist nicht zu entscheiden. Wie der Beklagte in der Berufung noch einmal deutlich gemacht hat, ist die Hilfswiderklage unter die Bedingung gestellt, dass die Räumungsklage abgewiesen wird. Diese Bedingung liegt nicht vor. Sie lag auch nicht in erster Instanz vor, so dass über die Widerklage nicht zu entscheiden war. Insoweit war das landgerichtliche Urteil abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Hilfswiderklage kommt ein eigener Streitwert nicht zu. Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO besteht kein gerechtfertigter Anlass. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 16.128,36 €.

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