Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: I-10 W 132/06
Rechtsgebiete: KostO, BGB, FGG


Vorschriften:

KostO § 146 Abs. 1
KostO § 147 Abs. 2
KostO § 156 Abs. 1 Satz 1
KostO § 156 Abs. 1 Satz 3
KostO § 156 Abs. 2
KostO § 156 Abs. 2 Satz 3
KostO § 156 Abs. 3 Satz 1
KostO § 156 Abs. 4 Satz 4
BGB § 448 Abs. 2
FGG § 28 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Kostengläubigerin wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 20.09.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die bei Gericht am 08.06.2006 eingegangene Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen die Kostenrechnung der Notarin K. R.-A., K., Nr. 02/0487a - wi vom 17.07.2002 zu UR-Nr. 487/02 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Die Gerichtkosten für das Verfahren über die weitere Beschwerde trägt die Kostenschuldnerin.

Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde und der weiteren Beschwerde trägt die Kostenschuldnerin.

Gründe:

I.

Die bei Gericht am 27.10.2006 eingegangene weitere Beschwerde der Kostengläubigerin vom 23.10.2006 (Bl. 100ff GA) gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 29.09.2006 ist gemäß § 156 Abs. 2 KostO infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft und sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt worden. Die Ausschlussfrist des § 156 Abs. 3 Satz 1 KostO gilt nicht für die weitere Beschwerde, sondern nur für die erste Beschwerde (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., KostO § 156 Rn, 22 u. 47).

Die weitere Beschwerde ist begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts. Im Rahmen der Begründetheit findet eine Überprüfung auf einen Rechtsverstoß im Sinne des § 156 Abs. 2 Satz 3 KostO nur bezüglich desjenigen Bereichs der angefochtenen Entscheidung statt, für den das Landgericht die weitere Beschwerde eindeutig zugelassen hat (vgl. Hartmann, KostO, § 156 Rn. 48). Dies ist hier in Bezug auf die Frage erfolgt, ob die Kosten der Einholung der Löschungsunterlagen von der vertraglichen Kostenregelung im beurkundeten Kaufvertrag erfasst werden, wonach der Verkäufer die Löschungskosten trägt, oder ob sie zu den vom Käufer zu tragenden Kosten der Vertragsdurchführung gehören. Im Rahmen dieser Zulassung ist das Oberlandesgericht in den Grenzen der Anträge der Beschwerdeführerin zu einer umfassenden Prüfung berechtigt und verpflichtet; neue Tatsachen oder Beweismittel darf es allerdings nicht berücksichtigen (vgl. Hartmann, KostO § 156 Rn. 64).

1.

Ohne Erfolg macht die Kostengläubigerin geltend, das Landgericht habe übersehen, dass bereits die Erstbeschwerde nach § 156 Abs. 3 Satz 1 KostO unzulässig gewesen sei. Auf die gesetzliche Ausschlussfrist kann die Kostengläubigerin sich unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht berufen.

Richtig ist, dass für die Erstbeschwerde eine Ausschlussfrist gilt. Danach kann eine Beschwerde nicht mehr erhoben werden nach Ablauf des Jahres, in dem die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der Kostenberechnung - wobei die Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügt (vgl. Rohs/Wedewer, KostO, § 156 Rn. 4) - an die Kostenschuldnerin erfolgt ist. Hier ist die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung der fraglichen Kostenrechnung an die Kostenschuldnerin ausweislich der Zustellungsurkunde des OGV H. bereits am 10.08.2002 erfolgt (Bl. 23 GA), die Erstbeschwerde dagegen erst am 08.06.2006 bei Gericht eingegangen.

Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Kostenschuldnerin die Kostenberechnung der Kostengläubigerin unstreitig bereits vor Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung gemäß § 156 Abs. 1 Satz 3 KostO beanstandet hat. Selbst die Kostengläubigerin hat vorgetragen, dass die Kostenschuldnerin bei diversen mit ihren Mitarbeitern geführten Telefongesprächen erklärt habe, dass sie es ablehne, die Kostenrechnung zu begleichen (Schriftsatz vom 30.06.2006, Bl. 36 GA). Dabei ist davon auszugehen, dass in den Telefonaten auch der Grund der Weigerung erörtert worden ist. Hat aber ein Kostenschuldner gegenüber dem Notar schriftlich oder mündlich Beanstandungen erhoben, so hat der Notar - wenn er den Beanstandungen nicht abhelfen will - die Wahl, den Kostenschuldner auf den Beschwerdeweg nach § 156 Abs. 1 Satz 1 KostO zu verweisen oder gemäß § 156 Abs. 1 Satz 3 KostO selbst die Entscheidung des Landgerichts zu beantragen (vgl. Rohs/ Wedewer, § 156 Rn. 21). Reagiert der Notar - wie hier die Kostengläubigerin - auf die Beanstandungen lediglich mit der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der Kostenberechnung, braucht der Kostenschuldner die erhobenen Beanstandungen nicht zu wiederholen, um seine Rechte zu wahren (vgl. Rohs/Wedewer, § 156 Rn. 14). Wenn dem Notar schon das Privileg eingeräumt ist, sich selbst eine vollstreckbare Ausfertigung seiner Kostenberechnung zu erteilen und etwaigen Beanstandungen des Kostenschuldners selbst abzuhelfen, so kann von ihm auch erwartet werden, dass er bei erhobenen Beanstandungen, denen er nicht abhilft, entweder die Beanstandungen selbst dem Landgericht vorlegt oder aber den Kostenschuldner ausdrücklich auf diese Möglichkeit hinweist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Kostenschuldner ersichtlich selbst nicht hinreichend rechtskundig ist und von ihm die Kenntnis der Beschwerdemöglichkeit nach § 156 Abs. 1 Satz 1 KostO nicht ohne weiteres erwartet werden kann. Unter diesen Umständen ist das Vertrauen des Notars auf die "Bestandskraft" seiner Kostenrechnung nicht schutzwürdig (vgl. KG JurBüro 1998, 320, 321f).

Die Beschwerde der Kostenschuldnerin ist darüber hinaus an keine Frist gebunden. Sie ist auch noch nach Beginn der Zwangsvollsteckung oder nach Zahlung der Kostenrechnung - auch ohne Vorbehalt - zulässig (vgl. Rohs/Wedewer, § 156 Rn. 14). Demnach steht der Umstand, dass die Kostenschuldnerin erst am 08.06.2006 Beschwerde erhoben hat, obwohl der Rechnungsbetrag bereits am 20.12.2002 aufgrund Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von ihrem Konto abgebucht wurde (Bl. 31 GA), der Geltendmachung der Beschwerde nicht entgegen. Entsprechendes gilt auch für die Verwirkung. Ebenso wenig wie der Kostenanspruch des Notars der Verwirkung unterliegt, kann die verfahrensrechtliche Befugnis des Kostenschuldners zur Anrufung des Gerichts gemäß § 156 Abs. 1 Satz 1 KostO verwirkt werden (vgl. Rohs/Wedewer, § 156 Rn. 16).

2.

Mit Erfolg wendet sich die Kostengläubigerin gegen die landgerichtliche Auslegung der vertraglichen Kostenregelung in Bezug auf die Kosten für die Einholung der Löschungsunterlagen. Das Landgericht hatte darüber zu entscheiden, ob die Kosten für die Anforderung der Löschungsunterlagen nach dem Notarvertrag von der Kostenschuldnerin als Verkäuferin des Grundstücks oder von den Käufern zu tragen waren. Dabei hat es auf die allein im Kostenrecht wurzelnde Frage abgestellt, ob für die Einholung von Löschungsunterlagen eine Vollzugsgebühr nach § 146 Abs. 1 KostO anfällt oder eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO. Dies ist nach Auffassung des Senats rechtsfehlerhaft, weil insoweit die rechtlichen Grundsätze zur Auslegung von vertraglichen Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) nicht hinreichend beachtet worden sind.

Nach Auffassung des Senats beurteilt sich die Frage, wie die Vertragsparteien die Kostentragungspflicht in Bezug auf die durch den Vertrag veranlassten Kosten geregelt haben, allein nach dem im Vertrag zu Ausdruck gekommenen Willen der Parteien, der gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln ist. Etwaige im Kostenrecht wurzelnde und im Übrigen streitige Fragen des Notargebührenrechts können nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie bei der Kostenregelung von den Vertragparteien erkennbar bedacht worden sind, wofür es im vorliegenden Fall jedoch keinerlei Anhaltspunkte gibt.

Bei der hier fraglichen Regelung in Ziff. IV 6. des Notarvertrages (Bl. 11 GA) sollten die mit dem Kaufvertrag und seiner Durchführung verbundenen Kosten vom Käufer zu tragen sein, die Löschungskosten dagegen vom Verkäufer. Bereits hieraus ergibt sich, dass alle mit der Vertragsdurchführung verbundenen Kosten mit Ausnahme der Löschungskosten vom Käufer zu tragen sein sollten, so dass sich allein die Frage stellt, was nach dem Willen der Parteien unter "Löschungskosten" zu verstehen sein sollte. Dies wiederum ergibt sich aus dem Sachzusammenhang der weiteren vertraglichen Regelungen, wonach die unter Ziff. I genannten Belastungen in Abteilung III des Grundbuches nicht übernommen, sondern im Grundbuch gelöscht werden sollten (Ziff. I Abs. 4), und wonach der Verkäufer verpflichtet sein sollte, das Kaufobjekt frei von nicht übernommenen in Abteilung II und III des Grundbuchs eingetragenen Belastungen und Beschränkungen ... zu verschaffen (Ziff. IV.3). Demnach sollte für die Löschung der in Abteilung III des Grundbuchs eingetragenen Belastungen allein der Verkäufer verantwortlich sein, was zum einen der Interessenlage der vertragsschließenden Parteien entspricht und zum anderen mit der gesetzlichen Regelung in § 448 Abs. 2 BGB korrespondiert.

Vor diesem Hintergrund kann die nachfolgende Kostenregelung in Ziff. IV.6 des Notarvertrages nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) nicht dahingehend verstanden werden, dass unter "Löschungskosten" lediglich die durch das Tätigwerden des Grundbuchamtes anfallenden Kosten gemeint sein sollten, nicht aber die durch das Tätigwerden der Notarin entstehenden Gebühren. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine derartige Differenzierung der Kosten hätten vornehmen wollen. Es kann davon ausgegangen werden, dass den Vertragsparteien bewusst war, dass für die erfolgreiche Löschung der im Grundbuch eingetragenen Belastungen sowohl ein Tätigwerden der Notarin als auch ein Tätigwerden des Grundbuchamtes erforderlich sein würde; Ziff. VI. enthält eine ausdrückliche Beauftragung der Notarin zur Einholung aller erforderlichen Genehmigungen und Erklärungen. Wenn die Vertragsparteien dennoch ohne jegliche Differenzierung die Kostentragung für die "Löschung" einheitlich dem Verkäufer zuweisen, so kann dies bei verständiger Würdigung nur dahin verstanden werden, dass alle mit der Löschung zusammenhängenden Kosten vom Verkäufer zu tragen sein sollen. Ein abweichender Willen hätte unzweideutig formuliert werden müssen. Den im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Parteien hat die Kostengläubigerin bei der hier fraglichen Kostenberechnung beachtet.

3.

In Bezug auf den Ansatz der für die Einholung von Löschungsunterlagen zu berechnenden Gebühr bestehen unterschiedliche Auffassungen. Im Hinblick darauf hat der Senat die Frage, ob die Einholung und Verwahrung von Löschungsunterlagen eine Tätigkeit zum Zwecke des Vollzugs des beurkundungsbedürftigen Grundstücksveräußerungsgeschäftes ist und damit die Gebühr nach § 146 Abs. 1 KostO auslöst, oder ob sie sich als gesondert nach § 147 Abs. 2 KostO zu vergütende Tätigkeit darstellt, gemäß § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO, § 28 Abs. 2 FGG dem BGH zur Entscheidung vorgelegt, der hierüber bislang noch nicht entschieden hat (vgl. Senatsbeschluss vom 01.08.2006 - I-10W 36/06 mwN, jetzt BGH V ZB 113/06).

Im vorliegenden Fall sieht der Senat jedoch keine Veranlassung zur Vorlage der Beschwerde an den BGH gemäß § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO, § 28 Abs. 2 FGG. Die erfolgte Berechnung der Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO ist der Kostenschuldnerin günstiger als die Gebühr nach § 146 Abs. 1 KostO. Die nach § 147 Abs. 2 KostO zu berechnende halbe Gebühr bemisst sich nach dem Wert der zu löschenden Grundpfandrechte (DM 374.000,-, entsprechend EUR 191.223,16) und beträgt netto EUR 178,50. Die halbe Gebühr nach § 146 Abs. 1 KostO würde sich nach dem Wert der Beurkundung bemessen, mithin nach dem Kaufpreis in Höhe von EUR 242.863,64 und damit netto EUR 216,- betragen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 156 Abs. 5 Satz 1 und 2, 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO sowie auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 1. Alt. FGG.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: EUR 207,06

Ende der Entscheidung

Zurück