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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.03.2006
Aktenzeichen: I-10 W 139/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Eine ausländische Partei kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, sie habe zur Kostengeringhaltung auf eine persönliche Information ihres am Ort des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten verzichten und stattdessen einen Verkehrsanwalt am Ort ihres ausländischen Geschäftssitzes einschalten müssen. Die Geltendmachung der Kosten für eine Informationsreise der Partei ist auch nicht der Höhe nach beschränkt auf die ansonsten angefallenen Kosten für die Einschaltung eines Verkehrsanwaltes.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Geldern - Rechtspflegerin - vom 13.01.2005 in der berichtigten Fassung gemäß Beschluss vom 01.03.2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung nach Maßgabe der folgenden Gründe an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die am 03.02.2005 bei Gericht eingegangene Erinnerung der Beklagten (Bl. 100 GA) gegen den ihr am 20.01.2005 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf - Rechtspflegerin - vom 13.01.2005 (Bl. 92 ff, 96 GA) in der berichtigen Fassung gemäß Beschluss vom 01.03.2005 (Bl. 104 f GA) ist als sofortige Beschwerde gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung nach Maßgabe der folgenden Erwägungen. Zu Recht rügt die Beklagte, dass die von ihr zur Festsetzung beantragten Kosten nur in Höhe der Kosten für die Einschaltung eines Hauptbevollmächtigten und eines Unterbevollmächtigten in Höhe von EUR 439,-festgesetzt wurden. Festzusetzen sind die tatsächlich entstandenen Kosten für den Hauptbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts und die noch zu ermittelnden notwendigen Kosten für die Informationsreise der Partei.

Für die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf dabei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2002, VIII ZB 30/02, Rpfleger 2003, 98 ff, 100). Der Grundsatz der Kostengeringhaltung gilt auch für eine ausländische Partei (vgl. BPatG, Beschluss vom 03.07.2000, 3 ZA (pat) 16/00).

Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, gegen das Gebot zur Kostengeringhaltung verstoßen zu haben. Grundsätzlich ist ein schützenswertes Interesse der Partei anzuerkennen, ihren Prozessbevollmächtigten persönlich kennen zu lernen und zu informieren (BGH, Beschluss vom 21.09.2005, IV ZB 11/04, Rpfleger 2006, 40 ff mwN; 16.10.2002, VIII ZB 30/02, Rpfleger 2003, 98 ff). Hierauf kann sich im vorliegenden Fall auch die Beklagte ohne Einschränkung berufen.

1.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz des Rechts auf Information in einem persönlichen Gespräch besteht nach ständiger Rechtssprechung dann, wenn die Partei dem am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt die nötigen Informationen auch mittels moderner Telekommunikation zukommen lassen kann; dies ist der Fall, wenn sich ein eingehendes Mandantengespräch von vornherein erübrigt oder dann, wenn ein Fall keine tatsächlichen und rechtlichen Probleme aufwirft und zudem abzusehen ist, dass sich die Gegenseite nicht verteidigen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16.10.2002, VIII ZB 30/02; vom 21.01.2004 - IV ZB 32/03 und vom 02.12.2004, I ZB 4/04). Dies kann indes hier mit Rücksicht auf den komplexen Streitstoff nicht festgestellt werden und wird auch nicht geltend gemacht.

2.

Der Beklagten kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, die Einschaltung eines Verkehrsanwaltes am Ort ihres Geschäftssitzes oder eines Terminsvertreters am Ort des Prozessgerichts wäre erkennbar kostengünstiger gewesen.

a.

Entgegen der Auffassung im angefochtenen Beschluss war die Beklagte auch unter Kostengesichtspunkten nicht gehalten, sich durch einen Hauptbevollmächtigten (an ihrem Geschäftssitz) und einen Unterbevollmächtigten (am Ort des Prozessgerichts) vertreten zu lassen.

Nach der Neuregelung des § 78 Abs. 1 ZPO ist es zwar ständige Rechtssprechung, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwaltes regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder - verteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. ZPO anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss v. 17.02.2004, XI ZB 37/03, BGHReport 2004, 780f mwN). Auf dieses Recht kann die Partei aber dann nicht verwiesen werden, wenn sie ihren Wohn- oder Geschäftssitz im Ausland hat. An ihrem ausländischen Sitz wird nur im Ausnahmefall ein nach § 18 BRAO bei einem deutschen Gericht zugelassener Rechtsanwalt aufzufinden sein (vgl. auch §§ 27, 29 a BRAO). Dass ein solcher Ausnahmefall hier gegeben war, ist nicht ersichtlich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte vorliegend einen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht führte, für den eine anwaltliche Vertretung nicht zwingend vorgeschrieben war. Wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen war, was hier von keinem der Beteiligten bezweifelt wird, hat die Partei auch das Recht, einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen zu beauftragen.

b.

Die Beklagte kann nicht darauf verwiesen werden, sie habe zur Kostengeringhaltung auf eine persönliche Information ihres Prozessbevollmächtigten verzichten und stattdessen einen Verkehrsanwalt am Ort ihres ausländischen Geschäftssitzes einschalten müssen.

Verkehrsanwaltskosten sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig, weil die Einschaltung eines Verkehrsanwaltes in der Regel nicht erforderlich ist. Ein Verkehrsanwalt führt lediglich den Verkehr der Partei mit dem Prozessbevollmächtigten, § 52 Abs. 1 BRAGO/ RVG-VV Nr. 3400. Hierfür besteht nur ausnahmsweise ein rechtfertigender Grund, namentlich dann, wenn es der Partei etwa wegen Krankheit oder sonstiger persönlicher Unfähigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, den Prozessbevollmächtigten am entfernten Gerichtsort persönlich, schriftlich oder telefonisch zu informieren (vgl. BGH, Beschluss v. 21.09.2005, IV ZB 11/04, Rpfleger 2006, 40 ff mwN). Dieser Grundsatz gilt auch für eine an einem inländischen Verfahren beteiligte ausländische Partei (vgl. BPatG, Beschluss vom 31.03.2000, 2 ZA (pat) 35/98; Senat, Beschluss vom 02.07.1996, 10 W 41/96). Kosten eines ausländischen Verkehrsanwaltes sind als notwendige Kosten erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung geboten war (vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2005, VIII ZB 55/04, Rpfleger 2005, 381f). Abzustellen ist darauf, ob es der Partei auf Grund der besonderen Problematik eines Falles nicht mehr zugemutet werden kann, mit dem Prozessbevollmächtigten direkt zu korrespondieren (vgl. BPatG aaO). Für eine ausländische Partei können Sprachhindernisse, große Entfernung zum Gerichtsort und mangelnde Vertrautheit mit dem fremden Rechtskreis die Inanspruchnahme eines Verkehrsanwaltes erforderlich machen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 20.04.2001, 3A W 17/01, OLGR 2001, 445).

Ob nach diesen Kriterien mit Rücksicht auf die Entfernung zwischen dem Geschäftssitz der Beklagten und dem Sitz ihres Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts Kosten für einen Verkehrsanwalt überhaupt erstattungsfähig gewesen wären, mag letztlich dahinstehen. Selbst wenn die Beklagte Verkehrsanwaltskosten hätte erstattet verlangen können, war sie nicht auf diese Möglichkeit der Rechtsverteidigung beschränkt. Zum einen ist nicht ersichtlich, ob am Geschäftssitz der Beklagten überhaupt ein hinreichend mit deutschem Recht vertrauter Rechtsanwalt aufzufinden gewesen wäre, der die umfangreichen Parteiinformationen im Hinblick auf dessen Relevanz nach deutschem Recht sachgerecht zu erfassen vermag. Zum anderen ist zu bedenken, dass der unmittelbaren persönlichen Information durch die Partei gegenüber der mittelbaren Information über einen ausländischen Verkehrsanwalt der Vorzug zu gewähren ist. Des damit verbundenen kostenrechtlichen Risikos ist sich sowohl derjenige bewusst, der als ausländische Partei klagt, als auch derjenige, der eine ausländische Partei verklagt. Beide müssen bereits im Vorfeld damit rechnen, im Falle des Unterliegens mit Reisekosten der ausländischen Partei belastet zu werden.

Die Geltendmachung der Kosten für eine Informationsreise der Partei ist auch nicht der Höhe nach beschränkt auf die ansonsten anfallenden Kosten für die Einschaltung eines Verkehrsanwaltes. Zwar entspricht es ständiger Rechtssprechung, dass die Kosten für die Einschaltung eines Verkehrsanwaltes im Allgemeinen in Höhe der Kosten der dadurch ersparten Kosten für eine ansonsten erforderliche Informationsreise der Partei erstattungsfähig sind (vgl. BGH Beschluss v. 21.09.2005, IV ZB 11/04, Rpfleger 2006, 40 ff; Senatsbeschluss vom 02.07.1996 - 10 W 41/96; Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 "Ausländer"). Hieraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass auch die Kosten für eine Informationsreise der Partei nur bis zur Höhe der Kosten für einen Verkehrsanwalt erstattungsfähig sind. Dies würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen persönlicher Information durch die Partei und Information durch einen Verkehrsanwalt verkehren. Das grundsätzliche Recht der Partei auf persönliche Information des Prozessbevollmächtigten würde weitgehend und ohne rechtfertigenden Grund eingeschränkt. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die Kosten der Informationsreise der Partei außer Verhältnis zur Bedeutung des Streits und der ansonsten anfallenden Verkehrsanwaltskosten stehen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall nicht vorliegt.

3.

Die Erstattung der Reisekosten ist auf die notwendigen Kosten beschränkt. Hierzu wird das Amtsgericht die angemeldeten Reisekosten der Beklagten zu überprüfen und im notwendigen Umfang - der im Vergleich mit einer Anreise per Flugzeug zu ermitteln ist - mit den Kosten für den Hauptbevollmächtigten festzusetzen haben.

II.

Dem Amtsgericht wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen, weil der Erfolg des Rechtsmittels von den noch festzusetzenden Reisekosten abhängig ist.

Beschwerdewert: EUR 631,50 (= EUR 1070,50 - EUR 439,-)

Ende der Entscheidung

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