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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: I-10 W 49/06
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs.
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg - Rechtspflegerin - vom 09.01.2006 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die am 03.02.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers (Bl. 161 f GA) gegen den ihm am 23.01.2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.01.2006 (Bl. 117 ff GA) ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß Festsetzungsantrag der Beklagten vom 07.12.2005 (Bl. 96 ff GA) auch Kosten für den Terminsvertreter (Unterbevollmächtigten) in Höhe von EUR 537,35 festgesetzt hat. Diese sind der in Hamburg ansässigen Beklagten - die mit der Wahrnehmung ihrer Rechte ebenfalls in Hamburg ansässige Prozessbevollmächtigte beauftragt hat - entstanden für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 28.10.2005 vor dem Landgericht Duisburg durch den in Nordwalde ansässigen Unterbevollmächtigten.

1.

Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshof vom 16.10.2002 - VIII ZB 30/02 (JurBüro 2003, 202ff ) - sind Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, erstattungsfähig, soweit sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten, erstattungsfähigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen, wobei die Wesentlichkeitsgrenze bei 10 % liegt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

a.

Die Kosten, die im Falle eigener Terminswahrnehmung durch die Hauptbevollmächtigten entstanden wären, wären dem Grund nach zu erstatten. Die Beklagte war berechtigt, einen in der Nähe ihres Wohnortes bzw. Firmensitzes ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Vertretung zu betrauen. Sie war nicht etwa gehalten, sogleich einen am Ort des Prozessgerichtes ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen und schriftlich oder fernmündlich zu informieren.

Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohnortes ansässigen Rechtsanwaltes durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stellt im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ZPO dar. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung nur aufgrund eines persönlichen Gespräches erfolgen kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann nur dort eingreifen, wo schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist allenfalls dann anzunehmen, wenn ein gewerbliches Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, die die Sache bearbeitet hat, oder wenn es sich um einen in tatsächlicher Hinsicht auch von einem juristischen Laien überschaubaren Streit handelt, in dem etwa die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein oder keine Einwendungen zu erheben (vgl. BGH Beschluss vom 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, JurBüro 2003, 202ff). Derartige Umstände sind jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

b.

Die für die Terminswahrnehmung durch den Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten liegen unter denen, die bei einer Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.

Die Kosten für die Wahrnehmung des Termins durch den Unterbevollmächtigten betragen nach der Berechnung vom 02.12.2005 (Bl. 98 GA) EUR 537,35. Die fiktiven Kosten für eine Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten hätten nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 11.01.2006 (Bl. 123f GA) EUR 579,50 betragen. Von der Kostenaufstellung abzusetzen waren insoweit die Verfahrensgebühr sowie die Auslagenpauschale, die bereits im Festsetzungsantrag der Beklagten vom 07.12.2005 (Bl. 96 GAO) enthalten sind und durch die Terminswahrnehmung nicht nochmals angefallen wären. Die Flugkosten in Höhe von EUR 250,- wären erstattungsfähig, da die hierdurch verursachten Mehrkosten zu den Kosten bei der Benutzung des eigenen PKW unter Berücksichtigung der Zeitersparnis in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. OLG Naumburg OLGR 2006, 162). Insoweit hat die Rechtspflegerin die Kosten für die Benutzung eines PKW auf EUR 322,41 ermittelt zuzüglich eines um EUR 25,- höheren Abwesenheitsgeldes.

2.

Die Beklagte war auch unter Beachtung des Kostengeringhaltungsgebotes nicht gehalten, sich im Termin zur mündlichen Verhandlung durch einen am Gerichtsort ansässigen Unterbevollmächtigten vertreten zu lassen. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, sie habe - wenn sie schon einen Unterbevollmächtigten einschalte - sogleich einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen können.

Auch die Erstattungsfähigkeit von Kosten, die einer Partei durch Beauftragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts entstanden sind, richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf dabei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Bei der Prüfung einer bestimmten Maßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. BGH Beschluss vom 13.09.2005 - X ZB 30/04, JurBüro 2006, 203 mwN).

Die Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Unterbevollmächtigten am sogenannten dritten Ort, der weder Gerichtsort noch Wohn- oder Geschäftsort der Partei ist, ist - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschieden. Nach Auffassung des Senats kann insoweit jedoch grundsätzlich nichts anderes gelten als für die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Hauptbevollmächtigten am sogenannten dritten Ort.

Die Reisekosten eines am dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten zum Termin sind bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwaltes erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH Beschluss vom 18.12.2003 I ZB 21/03, JurBüro 2004, 431; Beschluss vom 11.03.2004 VII ZB 27/03, JurBüro 2004, 432; Beschluss vom 13.09.2005 X ZB 30/04, JurBüro 2006, 203). Hierbei sind die erstattungsfähigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten am dritten Ort der Höhe nach nicht notwendig auf diejenigen Kosten beschränkt, die durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstanden wären (vgl. BGH Beschluss vom 13.09.2005 X ZB 30/04, JurBüro 2006, 203f). Darf die Partei mithin einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen, so ist sie - sofern dessen Reisekosten nicht überschritten werden - nicht daran gehindert, einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu bevollmächtigen. Die Partei wird kostenrechtlich nicht darauf verwiesen, dass sie - wenn sie schon keinen Anwalt an ihrem Geschäfts- oder Wohnsitz mandatiere - sogleich einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen könne. Vertretung durch einen Anwalt des Vertrauens am dritten Ort und Vertretung durch einen (beliebigen) Anwalt am Gerichtsort werden nicht als gleichwertige Maßnahmen gegenübergestellt, von denen die Partei die kostengünstigere auswählen muss. Lediglich die Erstattungsfähigkeit der Kosten wird der Höhe nach begrenzt auf die fiktiven Reisekosten eines am Wohn- und Geschäftsort der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten.

Die Interessenlage der Parteien bei der Auswahl eines Unterbevollmächtigten ist nicht anders zu beurteilen als bei Auswahl der eines Hauptbevollmächtigten. Für die Partei ist im Regelfall auch und gerade die Vertretung im Termin zur mündlichen Verhandlung von besonderer Bedeutung, mithin ein grundsätzliches Bedürfnis anzuerkennen, durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu werden. Gerade aus diesem Grund werden nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes die Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zum Termin im Regelfall als erstattungsfähig angesehen. Schutzwürdige Belange des ausgleichspflichtigen Prozessgegners werden durch diese Wertung nicht berührt. In keinem Fall hat dieser höhere Kosten zu erstatten als bei der berechtigten Terminsvertretung durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.03.2006 (Bl. 171 f GA) nachvollziehbar vorgetragen, dass es sich bei dem von ihr beauftragten Unterbevollmächtigten um einen Anwalt ihres Vertrauens handelt, der sie im Rahmen des Mandats immer im westdeutschen Raum vertrete. Mithin gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass hier ausnahmsweise ein beliebiger Anwalt ausgewählt wurde, mithin ebenso gut ein am Prozessgericht ansässiger Anwalt hätte beauftragt werden können.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 ZPO.

Beschwerdewert: EUR 243,35 (Verfahrensgebühr, Reisekosten, Abwesenheitsgeld, Auslagenpauschale)

Ende der Entscheidung

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