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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.06.2008
Aktenzeichen: I-11 W 15/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 44 Abs. 2
ZPO § 46 Abs. 2
ZPO § 294
ZPO § 299
ZPO § 567
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 03.04.2008 gegen den Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12.03.2008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 08.04.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Beschwerdewert: € 24.705,29.

Gründe:

Die nach den §§ 46 Abs. 2, 567 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs, das den Vorsitzenden Richter am Landgericht M., die Richterin am Landgericht R.-W. und die Richterin R. betrifft, hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1.

Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist dann gegeben, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen, also ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei muss es sich um objektive Gründe handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH MDR 2003, 892). Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist; unerheblich ist, ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE 102, 192 m.w.N., st. Rspr.; BGH NJW-RR 2003, 1220 m.w.N.; st. Rspr.). Solche hinreichenden objektiven Gründe, die für eine Parteilichkeit oder Voreingenommenheit der abgelehnten Richter in diesem Sinne sprechen würden, sind hier nicht zu bejahen.

2.

Soweit das Ablehnungsgesuch darauf gestützt wird, dass der abgelehnte Kammervorsitzende in den Telefonaten mit dem Klägervertreter vom 18. und 22.01.2008 jeweils zur Begründung, warum eine Akteneinsicht nicht durch Aktenübersendung gewährt werden könne, von einem abzusetzenden Urteil gesprochen und dadurch eine Festlegung in der Sache noch vor Ablauf der gewährten Schriftsatzfrist zu erkennen gegeben habe, ist diese Behauptung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar ist die Versicherung des Klägervertreters an Eides Statt, dass der abgelehnte Richter dies in den Telefonaten erklärte, durchaus ein geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung, §§ 44 Abs. 2, 294 ZPO. Jedoch steht dieser Versicherung der Inhalt der dienstlichen Äußerung entgegen, wonach der abgelehnte Richter erklärt hat, er habe von einem vorzubereitenden Verkündungstermin gesprochen. Bei derart widersprüchlichen Erklärungen über den Inhalt eines Gesprächs ohne Zeugen kann der Senat - ohne sonstige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der einen oder anderen Darstellung - aber die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit des Vorbringens der Klägerin nicht feststellen, zumal diese Behauptungen durch den zeitnah erstellten Telefonvermerk des abgelehnten Richters vom 22.01.2008 (Bl. 143 GA) nicht gestützt werden. Der Senat vermag auch nicht der Auffassung zu folgen, dass in derartigen Fällen verbleibende Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung der ablehnenden Partei nicht zu Lasten der ablehnenden Partei gehen dürften (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 44 Rn. 4 m.w.N.). Wollte man dieser Rechtsauffassung folgen, wäre missbräuchlichen Ablehnungsgesuchen mit der Behauptung, der abgelehnte Richter habe in einer 4-Augen-Situation Anlass zur Besorgnis der Befangenheit gegeben, Tür und Tor geöffnet.

3.

Soweit die Klägerin beanstandet, dass den Prozessbevollmächtigten ihrer Streithelferin und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten Akteneinsicht durch Übersendung der Akte in die Kanzlei gewährt wurde, während dieser Weg der Akteneinsicht ihrem Vertreter verweigert wurde, entspricht dies ausweislich der Aktenlage lediglich hinsichtlich ihrer Streithelferin den Tatsachen. Jedenfalls gibt auch dies keinen Grund für die Besorgnis der Parteilichkeit der abgelehnten Richter, insbesondere des mit dieser Frage befassten Kammervorsitzenden. Die gewählte Verfahrensweise ist von § 299 ZPO, wonach nur ein Akteneinsichtsrecht aber kein Anspruch auf Aktenübersendung besteht, gedeckt, mag auch die Behandlung des Akteneinsichts- und Fristverlängerungsgesuchs der Klägerin wenig entgegenkommend erscheinen. Die abgelehnten Richter haben in Ausübung des ihnen zustehenden Ermessens darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung sprach, nämlich der herannahende Verkündungstermin, der von der Kammer vorzubereiten war. Zwar trifft die Überlegung der Klägerin zu, wonach die Kammer bis zum 15.01.2008 wegen der noch nicht abgelaufenen Frist zur Einreichung des nachgelassenen Schriftsatzes ohnehin noch nicht abschließend über den Fall beraten konnte. Gleichwohl vermag der Senat keinen Ermessensfehler festzustellen, der auf Willkür und eine Benachteiligungsabsicht schließen ließe, da die Kammer sicherstellen wollte, dass die für die Kammerberatung und Entscheidungsabsetzung vorgesehene Zeit sich nicht verkürzt. Das ergibt sich aus dem konkreten Hergang:

In der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2007 war dem Klägervertreter eine Schriftsatzfrist zur Reaktion auf die erteilten Hinweise bis zum 15.01.2008 eingeräumt und Verkündungstermin auf den 22.02.2008 anberaumt worden (Bl. 125 GA). Der Antrag auf Akteneinsicht durch Übersendung in die Kanzlei des Klägervertreters vom 02.01.2008 ging am 07.01.2008 bei Gericht ein (Bl. 134 GA) und wurde dem Kammervorsitzenden am 10.01.2008 vorgelegt (Bl. 128 GA). Dieser verfügte am 11.01.2008 eine Abschriftenübersendung an die übrigen Beteiligten, was am 14.01.2008 ausgeführt wurde (Bl. 127R GA). Angesichts der am 15.01.2008 ablaufenden Schriftsatzfrist für den Klägervertreter und der für die anschließende Kammerberatung und Entscheidungsabsetzung erforderlichen Zeit ist die erstmals am 10. bzw. 11.01.2008 getroffene Entscheidung, eine Aktenversendung zu verweigern, auch unter Berücksichtigung der Erschwernis für den Klägervertreter, die Akteneinsicht mit einigem Reise- und Zeitaufwand an Gerichtsstelle vornehmen zu müssen, von sachlichen Gründen getragen und nicht willkürlich. Aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei muss die Überlegung des Vorsitzenden, eine Aktenübersendung nicht zu bewilligen, damit der anberaumte Verkündungstermin nicht in Gefahr gerät, zumindest nachvollziehbar erscheinen und stellt sich nicht als willkürliche Beschneidung der Parteirechte dar. Angesichts der zu erwartenden Postlaufzeiten und der zuvor bereits eingetretenen Geschäftsstellenversäumnisse konnte aus Sicht des Kammervorsitzenden auch bei zügiger Aktenrücksendung durch den Klägervertreter nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Akte bei Ablauf der Schriftsatzfrist wieder zur Beratung und Absetzung der Entscheidung vorliegen würde.

Demgegenüber war die den Prozessbevollmächtigten der Streithelferin gewährte Akteneinsicht mit einem am 04.07.2007 eingegangenen Schriftsatz beantragt und mit Verfügung vom 06.07.2007 für 3 Tage bewilligt worden (Bl. 69 GA). Am 13.07.2007 gelangte die Akte in das Gericht zurück (Bl. 72 GA). Da Termin zu jenem Zeitpunkt erst auf den 14.09.2007 bestimmt war, bestand keinerlei ernste Gefahr, dass die Vorbereitung des Termins durch eine etwa sich verzögernde Aktenüber- und -rücksendung in Gefahr geraten könnte.

4.

Die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH NJW 2005, 2233) gebotene Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht nach ständiger Rechtsprechung des Senats (OLGR 1994, 127 = NJW-RR 1994, 1086) dem Wert der Hauptsache (vgl. BGH NJW 1968, 796).

Ende der Entscheidung

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