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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.11.2004
Aktenzeichen: I-14 U 63/04
Rechtsgebiete: BGB, GSB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
GSB § 1
GSB § 1 Abs. 1
GSB § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 09.03.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A. Die Klägerin nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der in Insolvenz gefallenen Firma W. Baugesellschaft mbH auf Schadensersatz wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Gesetz über die Sicherung von Baugeldforderungen (GSB) in Anspruch. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagte könne nicht nach § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit §§ 1, 5 GSB auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, weil die Firma W. GmbH bei den hier im Streit stehenden Bauvorhaben nicht den Regeln des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen unterliege. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes könne der nur mit einzelnen Teilen eines Baues beauftragte Unternehmer nicht einem Generalübernehmer oder -unternehmer gleichgestellt werden. Wie hinsichtlich des Bauvorhabens W. in V. im Verlaufe des Rechtsstreits unstreitig geworden sei, habe die W. GmbH nur Rohbauarbeiten übernommen, während der Innenausbau, die Gewerke Elektroinstallation, Heizung, Brandwände und Treppen nicht vom Auftrag erfasst gewesen seien. Hinsichtlich des Bauvorhabens B. in G. sei Gegenstand des Auftrages nur die Errichtung einer Halle gewesen, während nach den Angaben des Zeugen B. im Rahmen seiner schriftlichen Aussage vom 25.05.2000 eine Tankstelle mit Go-Kartbahn und Kfz-Werkstatt nebst Autohaus errichtet werden sollte. Auch das jeweilige Gesamtfinanzierungsvolumen sei bei beiden Aufträgen deutlich höher gewesen als die vereinbarte Bausumme, so dass auch aus diesem Grunde nicht davon auszugehen sei, dass die W. GmbH Generalübernehmerin aller im Zusammenhang mit den Bauvorhaben anfallenden Arbeiten gewesen sei. Mit der hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag gegen den Beklagten weiter. Sie ist der Auffassung, aus der Rechtsprechung könne nicht abgeleitet werde, dass das Gesetz zur Sicherung von Bauforderungen nur Anwendung finde, wenn 100 % der erforderlichen Leistungen durch den Unternehmer übernommen worden seien. Es müsse vielmehr ausreichen, wenn der beauftragte Unternehmer Leistungen übernehme, die im Wesentlichen eine abgeschlossene Teil-Gesamtleistung darstellten und nur ein zu vernachlässigender Rest anderweitig vergeben werde. Maßgeblich sei, dass der Unternehmer wie ein Treuhänder über die an ihn gezahlte Vergütung verfügen und bestimmen könne, wie das Baugeld verwendet werden soll. Aus den beigefügten Vertragsunterlagen zum Schriftsatz vom 28.03.2002 der Gegenseite ergebe sich ein Auftragsumfang, der zur Anwendung des GSB unter den zuvor genannten Kriterien ausreiche. Insbesondere seien die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen aus der Tatsache, dass die Baumaßnahme nur ein Teil der vom Bauherrn getätigten Investitionen darstellten, nicht schlüssig. Denn es sei davon auszugehen, dass die betreffenden Grundstücke durch dinglich gesicherte Darlehen erworben worden seien. Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kleve vom 09.03.2004, 3 O 110/00, zu verurteilen, an sie 51.930,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 7,5 % seit dem 23.05.1997 zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts und wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. B. Die Berufung ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Klägerin kann von dem Beklagten als ehemaligem Geschäftsführer der Firma W. GmbH keinen Schadensersatz im Zusammenhang mit der Verwendung von Geldern bei den Bauvorhaben Brückner und Weyh gemäß §§ 823 Abs.2 BGB, 1, 5 Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen (GSB) verlangen. Nach allgemein anerkannter Auffassung handelt es sich bei den Vorschriften des GSB allerdings um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs.2 BGB (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Auflage 2004, 10. Teil Rn.106; Palandt-Heinrichs, 63. Auflage, § 823 BGB Rn.61 mit weiteren Nachweisen), weil nach der Zielsetzung des Gesetzes gerade die am Bau beteiligten Unternehmen vor der zweckwidrigen Verwendung von Baugeld geschützt werden sollen (BGH BauR 1986, 115; BGH NJW 1982, 1037/1038, KG Berlin, KG-Report 2001, 290). Die für die Entscheidung des Falles in erster Linie maßgebliche Frage, ob die Firma W. im Rahmen der genannten Bauvorhaben "Empfänger von Baugeld" war, obwohl sie unstreitig nicht mit der vollständigen Durchführung der Arbeiten betraut war, hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Klägerin indes zutreffend verneint. Mit der Klägerin ist im Ansatz davon auszugehen, dass "Empfänger von Baugeld" im Sinne von § 1 Abs.1 GSB nicht nur der Bauherr selbst, sondern auch ein Generalunternehmer oder Generalübernehmer (BGH NJW 1982, 1037/1038) oder ein Verkäufer schlüsselfertiger Häuser (BGH NJW 1986, 1105/1106) sein kann, der über die Verwendung der Baugelder an die am Bau beteiligten Firmen entscheidet. Es ist auch gerechtfertigt, den Anwendungsbereich des § 1 GSB durch eine großzügige Auslegung des Tatbestandsmerkmals auszudehnen (BGH NJW 1982, 1037/1038), damit der Schutz der am Bau Beteiligten nicht umgangen werden kann. Insoweit hat die Rechtsprechung die besondere Stellung des Generalunternehmers herausgestellt, der volle Verfügungsgewalt über das Baugeld habe und wie ein Treuhänder über dessen Verteilung entscheide (BGH NJW 1982, 1037/1038). Auf der anderen Seite soll die Regelung des § 1 Abs.1 GSB zu keiner gesetzlichen Verstärkung der Vertragspflichten führen. Der Schutzzweck des Gesetzes gebietet nicht sicherzustellen, dass das Baugeld bei Beauftragung von Nachunternehmen diesen auch tatsächlich zufliesst (vgl. BGH NJW 2000, 956/957 = BGHZ 143, 301-307). Darüber hinaus stößt die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gesetzes zur Sicherung von Bauforderungen im Hinblick auf die Strafandrohung nach § 5 GSB an ihre Grenzen. Mit dieser Begründung hat es der Bundesgerichtshof abgelehnt, einen Unternehmer, der Entgelt für die Ausführung eines Teils eines Baues erhält, seinerseits einem Empfänger von Baugeld gleichzustellen (BGH a.a.O; im Ergebnis ebenso Bruns, NZBau 2000, 180/181). Auch die Firma W. war weder für das Bauvorhaben W./V. noch für das Bauvorhaben B. mit der umfassenden Erbringung aller Bauleistungen beauftragt. Ausweislich der zu den Akten gereichten Unterlagen (Bl.506-516 Bv W.; Bl.517-518 Bv.B. sowie Bl.519-524) erstreckte sich der Auftragsumfang hinsichtlich des Bauvorhabens W./V. auf die Erstellung zweier Hallen ohne Installationen, Heizung und Innenausbau. Der Auftragsumfang wird durch den Zeugen W. bestätigt, der nach eigenen Angaben von der Firma W. mit der Planung und Bauüberwachung bis zur schlüsselfertigen Übergabe beauftragt war und die Arbeiten den Gewerken Tief- und Rohbau zugeordnet hat. Darüber hinaus hat das Landgericht in seiner Entscheidung zu Recht darauf abgestellt, dass angesichts der Gesamtinvestitionen von 4,2 Mio DM im Verhältnis zu dem Auftragsvolumen von 2.886,163,00 (Bl.512 GA) keine vollständige Beauftragung der Firma W. GmbH im Sinne eines Generalauftrages erfolgt ist. Ob im Gesamtfinanzierungsvolumen Kosten des Erwerbs der Grundstücke mitberücksichtigt sind, wie die Klägerin nur vermutet (vgl. Seite 8 der Berufungsbegründung vom 11.05.2004), ist nicht weiter belegt. Es ist zwar zutreffend, dass Baugeld im Sinne von § 1 GSB nicht notwendigerweise der gesamte Betrag eines anlässlich des Baus gewährten Darlehens sein muss (vgl. BGH NStZ 2004, 284). Die Klägerin trifft jedoch insoweit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Firma W. umfassend oder doch zu einem ganz überwiegenden Teil mit der Erstellung des Gebäudes beauftragt war. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs muss der Gläubiger beweisen. Im Rahmen des Bauvorhabens B. war die Firma W. GmbH ebenfalls nicht als Generalunternehmerin tätig, weil sie sich unstreitig auf das Erstellen der Halle im Rohbau zu einem Pauschalpreis von 1 Mio DM beschränkte ohne weitergehende für die Nutzung des Komplexes als Tankstelle und als Go-Kartbahn sowie als KfZ-Werkstatt erforderliche Arbeiten durchzuführen. Diese Feststellungen des Landgerichts werden mit der Berufungsbegründung nicht angegriffen. Vielmehr bezieht sich die Klägerin für den Umfang des erteilten Auftrags ausdrücklich auf die Unterlagen, welche der Beklagte mit Schriftsatz vom 28.03.2002 vorgelegt hat. Auch insoweit wird nicht konkret dargelegt, welche zur vollständigen Herstellung des gesamten Bauvorhabens nicht von der Klägerin ausgeführt worden sind. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, welcher der Senat folgt, scheidet eine Anwendung des GSB für den vorliegenden Fall aus. Dabei braucht in der Sache nicht entschieden werden, ob "Empfänger von Baugeld" im Sinne von § 1 Abs.1 GSB auch derjenige sein kann, dem nahezu alle Arbeiten im Rahmen eines Bauvorhabens übertragen worden sind, so dass nur unwesentliche Restarbeiten verbleiben. Denn dass nur noch derartige unwesentliche Restarbeiten neben der von der Firma W. übernommenen Tätigkeit auszuführen waren, ist nicht ausreichend von der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin vorgetragen. Hierzu hätte es einer Bezeichnung des konkreten Gesamtumfangs der jeweiligen Bauvorhaben nebst der noch auszuführenden Leistungen bedurft. Es war auch nicht ausnahmsweise Sache des Beklagten, hierzu weitere Angaben zu machen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass er über weitergehende Informationen betreffend das Gesamtvolumen des Bauvorhabens verfügte, die eine Beurteilung der in Auftrag gegebenen Arbeiten zuließ. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf diejenigen Unternehmer, die Teilgewerke in eigener Regie (hier die Tiefbau- und Rohbauarbeiten) ausführen, kommt entgegen der Auffassung der Berufung, welche sich insoweit auf einen Teil der Literatur stützt (Stammkötter, GSB 2. Auflage, § 1 Rn.12,18; a.A. Bruns NZBau 2000, 180/181), nicht in Betracht. Unabhängig von der Entscheidung im konkreten Einzelfall hat der Bundesgerichtshof in seiner insoweit maßgeblichen Entscheidung (BGH NJW 2000, 956/957) klargestellt, dass der nur mit einem Teil beauftragte Unternehmer nicht Empfänger von Baugeld im Sinne von § 1 GSB sein kann. Dabei hat er keine Unterscheidung dahin getroffen, ob der Unternehmer mit der Durchführung von abgrenzbaren Teilgewerken beauftragt war. Vielmehr sind die Ausführungen des Bundesgerichthofes dahin auslegen, dass eine dem Treuhänder vergleichbare Position nur dann besteht, wenn der Unternehmer volle Verfügungsgewalt über das ausgezahlte Baugeld hat. Damit ist einerseits die freie Entscheidung über Verwendung des Baugeldes gemeint andererseits auch eine umfassende, was den Umfang des Baugeldes selbst betrifft. Dabei ist es nicht zulässig, eine Differenzierung nach Teilgewerken oder einer Mehrzahl von Gewerken vorzunehmen, weil eine sichere Abgrenzung im Einzelfall nicht gewährleistet wäre und die Ausdehnung des Anwendungsbereichs mangels zureichender Bestimmtheit auch im Hinblick auf die Strafandrohung in § 5 GSB auf eine unzulässige Analogie hinausliefe. Im Rahmen einer Haftung nach § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes, welches eine Strafandrohung enthält, muss die aus strafrechtlicher Sicht gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs im Zivilrecht ebenfalls Berücksichtigung finden (BGH NJW-RR 1988, 1177/1178). Schließlich ist es nicht gerechtfertigt, dem nur teilweise beauftragten Unternehmer die Beweislast aufzuerlegen (vgl. § 1 Abs.3 Satz 2 Nr.1 GSB), dass die dinglich gesicherten und nach Baufortschritt ausgezahlten Beträge kein Baugeld im Sinne von § 1 GSB sind. Denn die Beweislastregel ist nur vor dem Hintergrund angebracht, dass der Unternehmer, was die Verwendung des Geldes angeht, eine dem Bauherren angenäherte Stellung hat, weil das Baugeld insgesamt durch "seine Hände" geht, er also Empfänger von Baugeld ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Streitwert für die Berufungsinstanz: 51.930,92 EUR

Ende der Entscheidung

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