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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.02.2007
Aktenzeichen: I-16 W 40/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91
ZPO §§ 103 ff.
ZPO § 103 Abs. 2
ZPO § 104
ZPO § 107
ZPO § 709
ZPO § 788
ZPO § 788 Abs. 1
ZPO § 788 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 788 Abs. 2
ZPO § 788 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 2. März 2006 wird der Beschluss der Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 20. Februar 2006 dahingehend abgeändert, dass aufgrund des

Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 29. November 2000 und des Beschlusses des Senats vom 11. November 2005 - I-16 U 22/01 - von dem Beklagten an Kosten weitere 17.444,56 Euro (in Buchstaben: siebzehntausendvierhundertvierundvierzig und 56/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 14. Dezember 2005 an den Kläger zu erstatten sind.

Die Berechnung ist bereits übersandt.

Der dieser Kostenfestsetzung zugrunde liegende Titel ist vollstreckbar.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, dessen Wert auf 17.445,-- Euro festgesetzt wird, werden dem Beklagten auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den seinen Antrag auf Festsetzung von ihm aufgewendeter Avalzinsen für eine Prozessbürgschaft in Höhe von 17.444,56 Euro zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Wuppertal vom 20. Februar 2006 ist zulässig und begründet.

I.

Der Kläger hat bei dem angerufenen Landgericht die Festsetzung von Avalzinsen in Höhe von 17.444,56 Euro beantragt. Sie beruhen auf einer Sparkassenbürgschaft, die der Kläger als Sicherheit zum Zwecke der Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten und damals noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 29. November 2000 (Bl. 389 ff. GA) beschafft hat. Daraufhin hat der Beklagte die ihm durch das Urteil auferlegten Zahlungen an den Kläger erbracht, ohne dass dieser konkrete Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen musste. Das Urteil ist seit der Berufungsrücknahme des Beklagten am 11. November 2005 rechtskräftig (Bl. 701 GA).

Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nach §§ 103 ff. ZPO streiten die Parteien über die Berechtigung des Ansatzes der Avalzinsen. Ihre Auseinandersetzung konzentriert sich auf die Frage, ob die vorgetragenen Aufwendungen bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges oder stattdessen allein als Vollstreckungskosten gemäß § 788 Abs. 2 ZPO bei dem Vollstreckungsgericht angemeldet werden können. Das Landgericht hat seine Zuständigkeit verneint und die Festsetzung abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde.

II.

Die aufgezeigten Fragen sind im Sinne des klägerischen Begehrens zu beantworten. Kosten, die - wie vorliegend - lediglich im Rahmen der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung entstanden sind, ohne dass es nachfolgend noch zu einer Vollstreckungshandlung kommt, sind im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO anzumelden und festzusetzen.

1. Der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten kann nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Der Antrag auf Festsetzung des zu erstattenden Betrages ist bei dem Gericht des ersten Rechtszuges anzubringen (§ 103 Abs. 1 und 2 Satz 1 ZPO).

Demgegenüber sind die Kosten der Zwangsvollstreckung zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Auf Antrag setzt aber auch das Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, die Kosten gemäß § 103 Abs. 2, §§ 104, 107 ZPO fest (§ 788 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2. Im vorliegenden Fall geht es entscheidend um die Frage, ob die dem Kläger entstandenen Kosten für die Beschaffung einer Sicherheit, nach deren Beibringung er nach dem Urteil des Landgerichts vom 29. November 2000 die Vollstreckung betreiben durfte, bereits Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO sind, wenn - wie es hier tatsächlich geschehen ist - der Schuldner die Beibringung der Sicherheit genügen lässt und zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung den nach dem (nicht rechtskräftigen) Titel geschuldeten Betrag freiwillig leistet.

Eine diesen Fall erfassende obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung liegt - soweit ersichtlich - bislang nicht vor. Der Senat entscheidet die Rechtsfrage dahingehend, dass solche im Rahmen einer beabsichtigten Zwangsvollstreckung entstehenden Kosten, der eine bestimmte Vollstreckungshandlung des Gläubigers nicht mehr nachfolgt, im Rahmen des dem Erkenntnisverfahren nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahrens angemeldet werden können.

a. Der Kläger beruft sich - zumindest im Ansatz - zu Recht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2006 - VI ZB 46/05 - (MDR 2006, 886), wonach die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufgewendeten Kosten als Verfahrenskosten im weiteren Sinne anzusehen sind, die wie Kosten des Erkenntnisverfahrens der Kostenausgleichung durch das Prozessgericht nach § 104 ZPO zugänglich sind.

Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof sich gegen eine in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung gestellt, nach welcher auch die Kosten der Abwehr der Zwangsvollstreckung zu den Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO gehören sollen. Zwar hat der Bundesgerichtshof konkret nur zu Abwehrkosten entschieden, die dem Schuldner entstanden sind, während es vorliegend um Kosten zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger geht, zu der es dann nicht kommt, weil der Schuldner zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen freiwillig leistet. Der BGH-Entscheidung sind jedoch auch diesen Fall betreffende und für ihn entscheidungsrelevante Ausführungen zu entnehmen. So hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die Leistungen des Schuldners zur Abwehr der Zwangsvollstreckung im Erkenntnisverfahren erbracht werden; sie fallen zeitlich während der Dauer des Erkenntnisverfahrens an und sind bei natürlicher Betrachtungsweise Kosten des Verfahrens im weiteren Sinne. Ferner hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die zur Abwehr der Vollstreckung entstehenden Kosten den wirtschaftlichen Prozesserfolg sicherstellen; sie dienen der Rechtsverteidigung während des laufenden Rechtsstreits. Und schließlich liegt der Vorschrift des § 91 ZPO die allgemeine gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass die obsiegende Partei auch die notwendigen Kosten der ihr gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eröffneten Maßnahmen zur Rechtsverteidigung und damit zur Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch von dem Unterlegenen zurückfordern kann. All dies trifft - zumindest nach Sinn und Zweck - auch auf die vorliegend geltend gemachten Avalkosten des mit der Sicherheitenbeschaffung die Vollstreckung vorbereitenden Gläubigers zu; auch sie sind während des laufenden Rechtsstreits entstanden und resultieren aus dem Bestreben, mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung den wirtschaftlichen Prozesserfolg sicherzustellen. Es lassen sich daher in der Begründung wie auch im Ergebnis durchaus Gemeinsamkeiten feststellen, die es rechtfertigen könnten, den vorliegenden Fall grundsätzlich ebenso zu beurteilen wie es der Bundesgerichtshof hinsichtlich der ihm vorgetragenen Avalkosten des zur Abwehr der Zwangsvollstreckung Sicherheit leistenden Schuldners getan hat.

b. Der Bundesgerichtshof hat jedoch seine Entscheidung auch damit begründet, es handele sich bei den ihm zur Beurteilung anstehenden Avalkosten (des abwehrenden Schuldners) nicht um Kosten, die nach § 788 ZPO vom Vollstreckungsgericht festzusetzen seien, weil das Festsetzungsverfahren gemäß § 788 Abs. 2 ZPO seinem Wortlaut entsprechend grundsätzlich nur Kosten zum Gegenstand habe, die dem Gläubiger durch die Zwangsvollstreckung erwachsen seien, was nicht der Fall sei, wenn die Kosten dem die Vollstreckung abwehrenden Schuldner entstanden seien. Ob diese Differenzierung den entscheidenden Gesichtspunkt für die Frage nach der Zuständigkeit für die Festsetzung entstandener Kosten bilden kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Maßgeblich ist jedenfalls, welche Kosten solche des Rechtsstreits (im Sinne der §§ 91 ff. ZPO) und welche Kosten solche der Zwangsvollstreckung (im Sinne des § 788 ZPO) sind. Im Unterschied zu der Entscheidung des BGH, dass Kosten der Abwehr der Zwangsvollstreckung nicht zu den Kosten der Zwangsvollstreckung gehören, trifft dies auf Kosten der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht zu.

In § 788 Abs. 1 Satz 2 ZPO heißt es, dass als Kosten der Zwangsvollstreckung auch die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils gelten. Diese Kosten sind so genannte Vorbereitungskosten. Generell gilt für solche Kosten zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung, dass sie den Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO zugerechnet werden. Der Begriff der Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO ist in der juristischen Literatur zwar umstritten. Die herrschende Meinung setzt sich für eine enge Auslegung der Vorschrift ein. Aber auch danach sind unter den Kosten der Zwangsvollstreckung jedenfalls solche Aufwendungen zu verstehen, die unmittelbar und konkret zum Zweck der Vorbereitung und Durchführung der Zwangsvollstreckung gemacht werden (BGH NJW 2005, 2460; BGH MDR 2006, 831). Zu den Vorbereitungskosten gehören auch die Kosten für die Beschaffung einer nach § 709 ZPO erforderlichen Sicherheit (OLG Dresden JurBüro 2005, 50; OLG Koblenz MDR 2004, 835; OLG Düsseldorf - 6. Zivilsenat -, JurBüro 2003, 47; OLG Karlsruhe JurBüro 2001, 371; Musielak-Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 788 Rn 2 und 3; Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 788 Rn 5 mwN). Ob sie im Einzelfall erstattungsfähig sind, ist eine Frage der Notwendigkeit der konkret entstandenen Kosten; diese Voraussetzung stellen beide Verfahren - nach §§ 103 ff. wie nach § 788 ZPO - gleichermaßen auf.

c. Danach könnte man meinen, dass der Kläger die streitgegenständlichen Avalkosten lediglich bei dem zuständigen Vollstreckungsgericht zur Kostenfestsetzung (§ 788 Abs. 2 ZPO ) anmelden kann. Er hält dem jedoch mit Erfolg entgegen, dass ein förmliches Vollstreckungsverfahren nicht notwendig gewesen und auch jetzt nicht mehr erforderlich ist, weil der Beklagte vor Ergreifen von Vollstreckungshandlungen freiwillig gezahlt hat. Es liegen daher die Voraussetzungen des § 788 Abs. 2 ZPO für die Bestimmung des zuständigen Vollstreckungsgerichts nicht vor. Weder gibt es eine anhängige Vollstreckungshandlung des Klägers noch lässt sich eine "letzte" Vollstreckungshandlung im Sinne des § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO feststellen. Das allein zum Zwecke der Kostenfestsetzung angerufene Gericht könnte somit nur hypothetisch - für den Fall einer etwa notwendig gewesenen Vollstreckung - bestimmt werden. Dies kann jedoch für die Feststellung seiner Zuständigkeit nicht genügen und würde auch Unwägbarkeiten in sich tragen, weil die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts von der jeweiligen Vollstreckungshandlung abhängt (§ 764 Abs. 2 ZPO). Unter Berufung auf den eindeutigen Wortlaut des § 788 Abs. 2 ZPO könnte daher jedes angerufene Amtsgericht seine Zuständigkeit verneinen.

Unter diesen Umständen kommt aber im Ergebnis nur die Zuständigkeit des Gerichts des Erkenntnisverfahrens für die Kostenfestsetzung in Betracht (so wohl auch Musielak-Lackmann aaO, Rn 3 mit Hinweis auf KG JurBüro 1987, 390 und OLG Frankfurt NJW 1953, 671, 672). Wenn auch die Kosten für die Beibringung einer zur Vollstreckung erforderlichen Sicherheit grundsätzlich Vorbereitungskosten und damit Kosten der Zwangsvollstreckung sind, kann dies zur Anwendbarkeit des § 788 ZPO erst dann führen, wenn es nachfolgend tatsächlich zu Vollstreckungshandlungen im Sinne der Vorschrift kommt, weil nur sie die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts begründen.

Der Kläger ist auch nicht gehalten, die ihm entstandenen Kosten außerhalb jeden Festsetzungsverfahrens im Wege einer eigenständigen Klage (sofern der Beklagte den Anspruch nicht wiederum freiwillig erfüllt) geltend zu machen. Die Vollstreckungskosten (im Sinne des § 788 ZPO) sind von den (allgemeinen) Prozesskosten, für die §§ 91 ff. ZPO gelten, abzugrenzen (Musielak-Lackmann aaO). Steht nach einer solchen Abgrenzung fest, dass es sich um Vollstreckungskosten handelt, ist auch für den festsetzenden Rechtspfleger klar, dass eine etwaige Kostenquote, die nach dem Ergebnis des Erkenntnisverfahrens die Kostenverteilung unter den Parteien regelt, für die Verteilung der Vollstreckungskosten nicht maßgeblich ist. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich notwendig gewesen sind, wie es auch § 788 Abs. 1 ZPO ausdrücklich voraussetzt. Im Übrigen ist der vorliegende Fall in dieser Hinsicht nicht entscheidungserheblich anders gelagert als der vom Bundesgerichtshof zu den Kosten der Abwehr einer Zwangsvollstreckung entschiedene Fall. Auch dort ist das Prozessgericht für die Festsetzung von Kosten zuständig, auf welche die im Erkenntnisverfahren maßgebliche Kostenquote keinen Einfluss hat.

3. Die Höhe der dem Kläger entstandenen Kosten steht nicht im Streit. Sie ist durch Vorlage aussagekräftiger Unterlagen belegt. Auch die rechtliche Voraussetzung der Notwendigkeit dieser Kosten kann nicht angezweifelt werden. Sie entfällt erst, wenn der Gläubiger imstande ist, die Bürgschaft seiner Bank zurückzugeben (OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 128; OLG Koblenz JurBüro 1998, 494). Vorliegend ist die Rechtskraft des mit der Berufung angefochtenen Urteils des Landgerichts mit der wirksamen Rücknahme des Rechtsmittels am 11. November 2005 eingetreten (Bl. 701 GA). Entsprechend hat der Kläger die Avalkosten nur für den Zeitraum bis einschließlich November 2005 geltend gemacht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht der Höhe der zur Festsetzung angemeldeten Kosten.

Die Rechtsbeschwerde hat der Senat zugelassen, weil die Rechtssache durchaus grundsätzliche Bedeutung hat und darüber hinaus die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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