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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.08.2007
Aktenzeichen: I-16 W 44/07
Rechtsgebiete: ZPO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 887
HGB § 87 c
Für einen Anspruch auf Buchauszug ist kein Raum mehr, wenn der Handelsvertreter bereits über den weitergehenden Anspruch auf Bucheinsicht einen rechtskräftigen Titel hat. Ein titulierter Buchauszugsanspruch kann in diesem Fall nicht mehr vollstreckt werden.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2007 abgeändert. Der Zwangsvollstreckungsantrag der Gläubigerin vom 22. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens werden der Gläubigerin auferlegt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Teilanerkenntnis- und Teilurteil des Landgerichts vom 14. Januar 1999 (Bl. 123 - 128 GA) in der Fassung des Berufungsurteils des Senats vom 14. Januar 2000 - 16 U 46/99 - (Bl. 201 - 207 GA) wurde die Schuldnerin zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt.

Im Anschluss stellte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 28. April 2000 (Bl. 233 ff. GA) einen Zwangsvollstreckungsantrag nach § 887 ZPO. Diesen Antrag erklärte sie, nachdem ihr die Schuldnerin zur Erfüllung des titulierten Buchauszugsanspruchs einen "Buchauszug" übermittelt hatte, mit Schriftsatz vom 22. November 2000 (Bl. 263 - 264 GA) für erledigt.

In der Folgezeit erweiterte die Gläubigerin ihre Klage und nahm die Schuldnerin in nächster Stufe auf Bucheinsicht in Anspruch (Bl. 267, 356 GA), wobei sie zur Begründung ausführte, dass der ihr übermittelte "Buchauszug" an erheblichen Mängeln leide, weshalb es ihr nicht möglich sei, diesen auf Vollständigkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen (Bl. 274 GA). Das Landgericht erhob daraufhin gemäß Beweisbeschluss vom 28. September 2001 (Bl. 386 - 387 GA) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber, ob der der Gläubigerin von der Schuldnerin erteilte "Buchauszug" vollständig und richtig ist. Durch Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts vom 26. November 2004 (Bl. 590 - 592 GA) wurde die Schuldnerin sodann u.a. dazu verurteilt worden, nach Wahl entweder der Klägerin oder einem von dieser bestellten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher oder die sonstigen Urkunden soweit zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2006 (Bl. 654 f. GA) beantragte die Gläubigerin, gegen die Schuldnerin wegen Verweigerung der Bucheinsicht ein Ordnungsgeld zu verhängen, woraufhin das Landgericht am 10. Juli 2006 einen entsprechenden Ordnungsmittelbeschluss (Bl. 677 - 679 GA) gegen die Schuldnerin erließ. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin (Bl. 682 ff. GA) wies der Senat durch Beschluss vom 29. August 2006 - I- W 71/06 - (Bl. 697 - 698 GA) zurück. In der Folgezeit gewährte die Schuldnerin einem von der Gläubigerin beauftragten Wirtschaftsprüfer Bucheinsicht.

Mit ihrem vorliegenden Zwangsvollstreckungsantrag vom 22. Februar 2007 (Bl. 712 ff. GA) hat die Gläubigerin beantragt, sie zu ermächtigen, auf Kosten der Schuldnerin den ihr gemäß dem Urteil des Senats vom 4. Januar 2000 zu erteilenden Buchauszug durch einen Buchsachverständigen erstellen zu lassen, der Schuldnerin aufzugeben, ihr einen Vorschuss in Höhe von 20.000,-- € zur Deckung der voraussichtlichen Kosten des Buchsachverständigen zur Verfügung zu stellen, und der Schuldnerin ferner aufzugeben, dem Sachverständigen ungehinderten Zutritt zu ihren Geschäftsräumen und den von dem Sachverständigen benötigten Unterlagen zu gewähren und die erforderlichen Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, im Rahmen der Bucheinsicht habe sich herausgestellt, dass der ihr übermittelte "Buchauszug" der Schuldnerin vom 3. Mai 2000 mehr als nur lückenhaft gewesen sei. Die bislang durchgeführte, aber zunächst aus Kostengründen unterbrochene Bucheinsicht habe ergeben, dass im Buchauszug zahlreiche Geschäfte überhaupt nicht aufgeführt gewesen seien, und zwar zusammengefasst in einem Volumen von mindestens 4.670.623,27 DM.

Die Schuldnerin hat um Zurückweisung des Zwangsmittelantrages gebeten.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 791 - 792 GA) hat das Landgericht die Gläubigerin ermächtigt, den nach dem Urteil des Senats vom 4. Januar 2000 zu erteilenden Buchauszug durch einen von der Gläubigerin zu bestimmenden, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Buchsachverständigen auf Kosten der Schuldnerin erstellen zu lassen. Ferner hat es die Schuldnerin verurteilt, zur Deckung der voraussichtlichen Kosten dieses Buchsachverständigen der Gläubigerin einen Vorschuss von 20.000,-- € zu zahlen. Außerdem hat es der Schuldnerin aufgegeben, dem von der Gläubigerin beauftragten Sachverständigen ungehindert Zutritt zu ihren Geschäftsräumen und den von diesem benötigten Unterlagen zu gewähren und die erforderlichen Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Zur Begründung hatte das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der titulierte Buchauszugsanspruch der Gläubigerin durch den nach der Verurteilung erstellten Buchauszug nicht erfüllt worden sei. Der von der Schuldnerin erstellte Buchauszug sei so unvollständig, dass er unbrauchbar sei. Die Gläubigerin könne deshalb einen neuen Buchauszug von der Schuldnerin verlangen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II.

Die gemäß §§ 793, 891, 887 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 24. Juli 2007 gegen den Zwangsmittelbeschluss des Landgerichts vom 5. Juli 2007 ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht dem Vollstreckungsantrag der Gläubigerin entsprochen.

Der Zwangsvollstreckungsantrag der Gläubigerin ist unbegründet.

Dahinstehen kann, ob dem erneuten Vollstreckungsantrag der Gläubigerin bereits entgegensteht, dass die Gläubigerin bereits mit Schriftsatz vom 28. April 2000 einen Zwangsvollstreckungsantrag nach § 887 ZPO gestellt hat, den sie nach Vorlage des von der Schuldnerin erstellten "Buchauszuges" mit Schriftsatz vom 22. November 2000 für erledigt erklärt hat. Hierauf kommt es letztlich nicht an.

Unabhängig von diesem Gesichtspunkt kann die Gläubigerin die Zwangsvollstreckung aus dem Teilanerkenntnis- und Teilurteil des Landgerichts vom 14. Januar 1999 in der Fassung des Berufungsurteils des Senats vom 14. Januar 2000 nicht mehr betreiben. Der titulierte Buchauszugsanspruch der Gläubigerin ist erloschen. Ein Buchauszug kann nach erfolgreicher Klage aus Bucheinsicht von der Gläubigerin nicht mehr beansprucht werden.

Die Informationsrechte des Handelsvertreters sind in § 87c HGB geregelt. Aus dem Gesetz und dem Zweck der einzelnen Rechte ergibt sich eine bestimmte Rangfolge der Informationsrechte (vgl. hierzu Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, § 87c Rdnr. 3 m.w.N.). Nach Erhalt der Provisionsabrechnung oder bei deren Verweigerung hat der Handelsvertreter hiernach zunächst nur das Recht auf Buchauszug (§ 87c Abs. 2 HGB) oder - bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung - auf Bucheinsicht. Nach erfolgreicher oder erfolgloser Ausübung des Rechts auf Buchauszug besteht gemäß der Sonderregelung des § 87c Abs. 4 HGB wegen der Tatsachen, die sich bei ordnungsgemäßer Führung aus den Büchern des Unternehmers ergeben müssen, nur das Einsichtsrecht. Daneben besteht das grundsätzlich auf die sich nicht aus den Büchern ergebenden Tatsachen beschränkte Recht auf ergänzende Auskunft mit der sich daran anschließenden Pflicht des Unternehmers zur eidesstattlichen Versicherung (vgl. Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 87c Rdnr. 3).

Zwar kann der titulierte Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges unabhängig davon vollstreckt werden, ob der Gläubiger bereits auf Bucheinsicht nach § 87c Abs. 4 HGB klagen könnte (vgl. BGH, v. 01.12.1978 - I ZR 7/77, WM 1979, 304 = NJW 1979, 764; v. 26.04.2007 - I ZB 82/06, WM 2007, 1418, 1420 m.w.N.). Nach erfolgreicher Klage auf Bucheinsicht kann der Buchauszug allerdings nicht mehr beansprucht werden (vgl. Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 87c Rdnr. 3 und 17 m.w.N.). Für einen Anspruch auf Buchauszug ist nämlich kein Raum mehr, wenn der Handelsvertreter bereits über den weitergehenden Anspruch auf Bucheinsicht einen rechtskräftigen Titel hat (BGHZ 32, 302, 306; BGH, v. 13.07.1959 - II ZR 192/57, LM Nr. 1 zu § 87c HGB; vgl. a. Staub/Brüggemann, HGB, 4. Aufl., § 87c Rdnr. 2). Bucheinsicht kann der Handelsvertreter - wie bereits ausgeführt - nach Maßgabe des § 87c Abs. 4 HGB nur verlangen, wenn der Buchauszug verweigert wird oder begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder eines erteilten Buchauszuges bestehen. Der Anspruch auf Bucheinsicht ist insoweit gegenüber dem auf Erteilung eines Buchauszuges gerichteten Anspruch das weitergehende Recht. Die Bucheinsicht soll der Kontrolle der Abrechnung oder des Buchauszuges dienen. Sie verschafft dem Handelsvertreter gegenüber dem Buchauszug ein Mehr, indem sie ihn in die Lage versetzt, Gewissheit über die provisionspflichtigen Geschäfte zu erlangen, während ihm der Buchauszug eine solche Gewissheit noch nicht gibt (BGH, v. 13.07.1959 - II ZR 192/57, LM Nr. 1 zu § 87c HGB). Die Einsichtnahme bietet insoweit stets die umfassendere Vergewisserung gegenüber dem Buchauszug (Staub/Brüggemann, a.a.O., § 87c Rdnr. 2). Im Falle der Verweigerung des Buchauszuges ist der Handelsvertreter durch § 87c Abs. 4 HGB zwar nicht daran gehindert, auf Erteilung des Buchauszuges zu klagen. Geht er aber - wie hier - nach § 87c Abs. 4 HGB vor und hat er mit diesem Vorgehen Erfolg, so ist angesichts des gekennzeichneten Verhältnisses zwischen den beiden Informationsrechten für das Verlangen nach Erteilung eines Buchauszuges kein Raum mehr (BGH, v. 13.07.1959 - II ZR 192/57, LM Nr. 1 zu § 87c HGB). Dementsprechend kann auch ein titulierter Buchauszugsanspruch nach erfolgreicher Klage auf Bucheinsicht nicht mehr vollstreckt werden. Mit der Bucheinsicht ist der Anspruch auf den Buchauszug erfüllt und erloschen (vgl. Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 87c Rdnr. 17), weswegen beide Rechte auch nicht gleichzeitig geltend gemacht werden können (vgl. BGHZ 56, 290, 297; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 87c Rdnr. 17; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, HGB, 2. Aufl., § 87c Rdnr. 81; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 87c, Rdnr. 26 und 28; Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 87c Rdnr. 19). Hat der Handelsvertreter, wie hier die Gläubigerin, bereits einen (rechtskräftig) titulierten Bucheinsichtsanspruch, so benötigt er den Buchauszug nicht mehr.

Die Kosten der Bucheinsicht trägt zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 32, 302, 306; BGH, v. 13.07.1959 - II ZR 192/57, LM Nr. 1 zu § 87c HGB; vgl. a. MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, a.a.O., § 87c Rdnr. 78; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 87c Rdnr. 28; Staub/Brüggemann, a.a.O., § 87c Rdnr. 24; Sonnenschein/Weitemeyer, a.a.O., § 87c Rdnr. 18) - vorbehaltlich der Möglichkeit, sie, falls die Bucheinsicht zu einem für ihn positiven Ergebnis führt, unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes vom Unternehmer erstattet zu verlangen - zunächst der Handelsvertreter, hier also die Gläubigerin. Dies rechtfertigt indes keine andere Beurteilung, da es in der Hand des Handelsvertreters liegt, sich zunächst auf das Verlangen nach Erteilung eines Buchauszuges sowie die Vollstreckung des titulierten Buchauszugsanspruchs zu beschränken (vgl. hierzu BGH, v. 13.07.1959 - II ZR 192/57, LM Nr. 1 zu § 87c HGB).

Damit kann die Gläubigerin nach erfolgreicher Klage auf Bucheinsicht und bereits erfolgter Bucheinsicht einen Buchauszug von der Schuldnerin nicht mehr beanspruchen. Der zu ihren Gunsten titulierte Buchauszugsanspruch ist erfüllt bzw. verbraucht.

Damit hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist abzuändern und der Zwangsvollstreckungsantrag der Gläubigerin ist zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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