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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.12.2005
Aktenzeichen: I-17 U 10/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 286 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.12.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die klagende Bank nimmt die Beklagten auf Zahlung in Höhe von 117.109,23 EUR nebst Zinsen aus einem Effektenkredit in Anspruch, den sie ihnen im August 1997 gewährt hat.

Die Beklagten werfen der Klägerin verschiedene Pflichtverstöße vor, die sie der Klageforderung einredeweise und auch im Wege der Aufrechnung entgegenhalten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben (Protokolle vom 17.06.2004 und vom 03.11.2004) und dem Klagantrag entsprochen. Der Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin sei in zuerkannter Höhe durch Rechnungsabschlüsse belegt, deren Unrichtigkeit die Beklagten nicht in der vertraglich vorgesehenen Zeit eingewandt hätten. Die Beklagten hätten keine Gegenansprüche, mit denen sie dagegen aufrechnen könnten. Die Beweisaufnahme habe die Kammer nicht von den verschiedenen behaupteten Verkaufsorder überzeugen können.

Die Beklagten machen mit ihrer Berufung geltend, die Klägerin habe bereits dadurch gegen ihre Betreuungs- und Fürsorgepflichten verstoßen, dass sie der beklagten Ehefrau für Spekulationszwecke den Effektenkredit eingeräumt habe, obwohl diese unbedarft und der deutschen Sprache nicht einmal in vollem Umfang mächtig sei.

Sie rügen die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts und weisen auf die Verpfändung des Depots hin (Anl. M2). Die Klägerin habe ein wirtschaftliches Interesse gehabt, ihre Verkauforder nicht auszuführen, um eine mögliche Kurserholung zu erreichen und die Sicherung des ansonsten ungesicherten Kredits zu erhalten. Dies ergebe sich auch aus der Aussage des Zeugen S..

Die Verkauforder vom 10.02.2000 im Zusammenhang mit dem Kauf der Epcos-Aktien sei durch die Aussage der Zeugin T. bewiesen; der Zeuge S. habe diese Aussage nicht zu entkräften vermocht, weil er sich nicht habe erinnern können.

Die Missachtung ihrer Order habe einen Schaden in Höhe von 90.000 EUR verursacht, mit dem sie aufrechnen.

Diese Verkaufsorder sei auch durch das Schreiben des Beklagten vom 18.04.2000 noch einmal bestätigt worden; das Landgericht habe den Zugang dieses Schreibens nicht offen lassen dürfen.

Ferner hätten die Beklagten eine weitere Verkaufsorder durch eben dieses Schreiben vom 18.04.2000 ausgesprochen. Dadurch, dass die Klägerin diese nicht ausgeführt habe, sei ihnen ein Schaden von mindestens 64.150 EUR entstanden, soweit Epcos-Aktien nicht verkauft worden seien. Der Gesamtschaden, der ihnen entstanden sei, weil die Klägerin das Depot nicht insgesamt am 18.04.2000 liquidiert habe, belaufe sich auf 98.489,99 EUR. Mit diesem Schadensersatzanspruch erklären sie die Aufrechnung. Soweit das Landgericht das Schreiben vom 18.04.2000 als entkräftet angesehen habe durch nachfolgende Käufe, liege ein Verschulden der Klägerin darin, dass sie vor Ausführung dieser Aufträge nicht nachgefragt habe, ob auch beide Beklagten sie wünschen.

Schließlich rügen die Beklagten einen Verstoß gegen das Zinseszinsverbot.

Sie beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mönchengladbach vom 08.12.2004 - 3 O 337/02 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung.

Sie erläutert den Begriff der Verpfändungssperre und zeigt Widersprüche zwischen dem Vortrag der Beklagten und den Aussagen der von ihnen benannten Zeugen auf.

II.

Die Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet.

1) Der Darlehensvertrag vom 08.08.1997 ist wirksam. Die Beklagten haben Gründe, die etwa einen Sittenverstoß der Klägerin belegen könnten, nicht schlüssig vorgetragen. Weder lässt sich feststellen, dass die Beklagte tatsächlich spielsüchtig war und die Klägerin dies erkennen konnte, noch ist ersichtlich, dass die Klägerin die Beklagten zu Spekulationsgeschäften auf Kredit verleitet hätte.

Die erstinstanzliche Behauptung der Beklagten, die beklagte Ehefrau habe bis Ende 1996 einen Verlust ihrer bar eingezahlten 100.000 DM in Höhe von 25.000 DM erlitten und Angst gehabt, diesen Verlust ihrem Ehemann mitzuteilen, der Mitarbeiter der Klägerin D. habe ihr deshalb vorgeschlagen, ein Darlehen aufzunehmen, um den Verlust durch weitere Aktienkäufe wettzumachen, ist widerlegt und wird von den Beklagten auch nicht mehr aufrechterhalten. Sie haben nämlich nach der unbestritten gebliebenen Aufstellung der Klägerin die im Oktober 1996 gekauften Aktien "Metallgesellschaft" und "Adidas" im November 1996 mit Gewinn verkauft und zum 31.12.1996 (nach Barabhebungen) ein Barguthaben von 24.298,79 DM sowie Wertpapiere in Höhe von 74.500 DM bei der Klägerin gehalten (vgl. Bl. 90 GA).

2) Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die Beklagten wegen Verletzung ihrer vorvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten so zu stellen, als hätten diese den Kredit nicht aufgenommen.

Grundsätzlich ist eine kreditgewährende Bank nicht verpflichtet, ihren Kunden über die Risiken der Verwendung des Kredits aufzuklären. Das gilt auch dann, wenn der Kunde den Kredit zur Wertpapierspekulation nutzen will (vgl. BGHZ 114, 177, 182 f.). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers besteht und nach Treu und Glauben ein Hinweis der Bank geboten ist, z.B. weil diese selbst einen zusätzlichen Gefährdungstatbestand gesetzt hat oder über einen relevanten Wissensvorsprung verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1987 - WM 1987, 1546; Urteil vom 24. April 1990 - WM 1990, 920, 922 jeweils m.w.Nachw.).

Einen solchen Ausnahmetatbestand hat der Bundesgerichtshof angenommen, wenn es dem Bankkunden darum geht, seine Ersparnisse in Standardwerten anzulegen, und die Bank ihn zu einer Spekulation auf Kredit verleitet, bei der seine Leistungsfähigkeit übersteigende Verluste absehbar sind und Gewinne nur unter besonders günstigen, aber unwahrscheinlichen Umständen anfallen können (Urteil vom 28.01.1997 - NJW 1997, 1361 f.).

Solche oder vergleichbare Umstände haben die Beklagten nicht vorgetragen und sind für den Senat auch nicht ersichtlich.

Ihre Rüge, die für beide Beklagten handelnde Beklagte sei unbedarft gewesen, reicht nicht aus, Verstöße gegen vorvertragliche Aufklärungspflichten zu begründen. Denn für die Klägerin, die seit Beginn der Geschäftsbeziehung eine Vielzahl gezielter Kauf- und Verkauforder für die Beklagten ausführte, war eine Unbedarftheit der Beklagten bei Darlehensvergabe nicht erkennbar.

Die wirtschaftliche Situation der Beklagten gab der Klägerin keinen Anlass anzunehmen, dass mögliche Verluste die Leistungsfähigkeit der Beklagten überstiegen. Vielmehr stellten die Beklagten sich der Klägerin zu Beginn der Geschäftsbeziehung als vermögend dar. Die Klägerin hat dies erstinstanzlich im Einzelnen - insbesondere im Zusammenhang mit Immobilienvermögen der Beklagten - dargestellt, ohne dass die Beklagten ihr widersprochen hätten. Ihre im Berufungsrechtszug erstmals aufgestellte Behauptung, sie seien 1996 vermögenslos gewesen, ist ohne Substanz.

Der Umstand, dass die Beklagten fast 30 Jahre zuvor aus Polen eingewandert waren und die deutsche Sprache nicht fehlerfrei beherrschen, begründet ebenfalls keine besonderen Fürsorgepflichten. Für eine Bank, die hauptsächlich telefonische Order zu bestimmten Aktienkäufen und -verkäufen erhält, besteht aufgrund eines Akzentes oder sprachlicher Unzulänglichkeiten des Kunden nur dann Anlass zu Nachfragen oder Erläuterungen, wenn die Aufträge ungenau oder zweifelhaft sind. Dass die Beklagte nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Wünsche an die Klägerin zu artikulieren, macht sie nicht geltend und ergibt sich auch nicht aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme.

3) Zu Recht hat das Landgericht die Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen wegen Nichtbeachtung ihrer Verkauforder für unbegründet erachtet.

Die Beklagten haben Verkauforder für die Aktien Epcos am 10.02.2000 oder durch Schreiben vom 18.04.2000 ebenso wenig zu beweisen vermocht wie einen Auftrag, das Depot insgesamt zu liquidieren. Gegenansprüche in Höhe von 90.000 EUR bzw. in Höhe von 98.489,99 EUR stehen ihnen deshalb nicht zu.

a) Das Landgericht hat die Aussage der Zeugin T. zu einem Telefongespräch der Beklagten mit dem Zeugen S. für nicht ergiebig gehalten, weil die Zeugin nur mitbekommen habe, was auf Seiten der Beklagten gesprochen worden sei. Im übrigen stünden sich die Aussagen der Frau T. und des Mitarbeiters der Klägerin S. einander widersprechend gegenüber, so dass der Beweis einer Verkauforder am 10.02.2000 nicht geführt sei. Der Senat teilt diese Bewertung der protokollierten Zeugenaussagen. Der Zeuge S. hat nicht bekundet, er erinnere sich nicht, sondern er hat ausgesagt, er habe am 10.02.2000 noch keinen konkreten Verkaufauftrag erhalten. Vielmehr habe er den Kurs beobachten sollen, weil die Beklagte die Absicht gehabt habe, bei einem Kurs von 200 EUR zu verkaufen. Diesen Auftrag habe er erfüllt und die Beklagte bei Ansteigen des Kurses versucht zu erreichen. Die Beklagte habe bei Herstellung des Kontakts von einem Verkauf - bei bereits leicht gefallenem Kurs - abgesehen. Da diese Aussage mit der der Zeugin T. nicht zu vereinbaren ist und beide Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits interessiert sind, ist der Beweis nicht geführt.

b) Zu Recht hat das Landgericht den Zugang des Schreibens, das der Beklagte am 18.04.2000 verfasst und der Klägerin am 20.04.2000 zugestellt haben will, für nicht bewiesen erachtet. Die Auffassung der Beklagten, das Landgericht habe die Frage, ob das Schreiben der Klägerin zugegangen sei, offen gelassen, trifft ausweislich der Urteilsgründe unter 2,c) Blatt 9 nicht zu. Die Kammer hat der Aussage des Zeugen W. keinen Glauben geschenkt.

Die Berufungsbegründung zeigt keine Umstände auf, die Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts begründen könnten. Bei Würdigung des Vortrags und der Prozessführung der Beklagten sowie der Umstände, zu denen der Zeuge W. bekundet hat, ist der Beweis, dass der Beklagte sich im April 2000 mit dem Schreiben Bl. 171 GA an die Klägerin gewandt haben soll, nicht geführt.

Die Beklagten haben zunächst unter Beweisantritt vorgetragen, sämtliche Wertpapiergeschäfte seien allein durch die beklagte Ehefrau getätigt worden (Bl. 41 GA), der beklagte Ehemann habe nicht in einem einzigen Fall der Klägerin Weisungen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren erteilt (Bl. 80 GA). Auf das Schreiben vom 18.04.2000 haben sie sich erst spät im Laufe des Rechtsstreits berufen (Schriftsatz vom 06.05.2004). Die Beklagte haben nicht aufgezeigt, dass sie der Klägerin - vor Beginn des Rechtsstreits - wegen der Nichtbeachtung der in diesem Schreiben enthaltenen Weisungen Vorhaltungen gemacht hätten. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den handschriftlichen Schreiben, die der Beklagte im Jahre 2002 an die Klägerin gerichtet haben will (Anlagen M 7, Bl. 135 ff. GA).

Die von dem Zeugen W. bezeugten Umstände erscheinen auch dem Senat nicht ausreichend, einen Zugang des Schreibens für bewiesen zu erachten. Weshalb der Beklagte nach Verfassen des Schreibens 2 Tage zugewartet haben soll, bevor er es am Abend des Gründonnerstag einwarf, ist nicht plausibel erklärt; gerade, wenn es dem Beklagten darum ging, die eilige Sache "vom Tisch" zu bekommen, hätte sich eine andere Art der Zustellung angeboten, als die zu einem Datum, das für den Zeugen W. markant war, das aber unmittelbar vor einer Folge von Feiertagen liegt.

II.

Schließlich spricht gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen W. die Bekundung des Zeugen D., er habe das Beschwerdeschreiben des Beklagten vom 18.04.2000 vor Weiterleitung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gesehen. Der Zeuge D. war seinerzeit Geschäftsstellenleiter. Bei Einwurf des Schreibens in den Briefkasten der Bank wäre es dem Zeugen vorgelegt worden.

Soweit die Beklagten auf die Verpfändung ihres Depots zur Besicherung des Effektenkredits verweisen und damit ein Interesse der Klägerin belegen wollen, ihre Verkauforder zu ignorieren, verhilft dies ihrer Berufung nicht zum Erfolg. Da sich bereits die Verkauforder, die die Beklagten ausgesprochen haben wollen, nicht feststellen lassen, kommt es auf Motive der Klägerin nicht an.

Die Beklagten haben die weiteren Feststellungen des Landgerichts, etwa dazu, dass sie eine umfassende Verkaufsorder vom 20.03.2000 oder vom 21.12.2000 nicht bewiesen haben, nicht konkret angegriffen.

4) Der Ausspruch des Landgerichts zur Verzinsung seit Rechtshängigkeit verstößt nicht gegen das Zinseszinsverbot.

Der Gläubiger kann als Schadensersatz nach §§ 286 ff. BGB Zinsen von Verzugszinsen verlangen, wenn er den Schuldner wegen rückständiger Verzugszinsbeträge wirksam in Verzug gesetzt hat (BGH, Urteil vom 09.02.1993 - XI ZR 88/92, NJW 1993, 1260 f.). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat die Beklagten vor Rechtshängigkeit auch wegen der Zinsansprüche gemahnt.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 117.109,23 EUR (Klagforderung) + 90.000,00 EUR (Hilfsaufrechnung wg. missachteter Order 10.02.2000) + 98.489,99 EUR (Hilfsaufrechnung wg. Missachtung Order 18.04.2000 = 305.599,22 EUR festgesetzt.

Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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