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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.06.2004
Aktenzeichen: I-17 U 180/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 128
ZPO § 156
ZPO § 156 Abs. 2
ZPO § 156 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 296 a
ZPO § 356
ZPO § 373
ZPO § 520 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 520 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 538 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 387
BGB § 406
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. August 2003 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach - der Sache nach ein Schlussurteil - wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte durch das angefochtene Urteil verurteilt worden ist, an die Klägerin 498,41 EUR (974,81 DM) nebst 5 % Zinsen seit dem 21. Dezember 1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird das vorgenannte Schlussurteil insoweit aufgehoben, als die Beklagte aufgrund der Zurückweisung ihres erstinstanzlich erhobenen Aufrechnungseinwands verurteilt worden ist, über den durch das Teil-Anerkenntnisurteil vom 10. Februar 2003 ausgeurteilten Betrag von 11.218,84 EUR hinaus an die Klägerin weitere 17.309,50 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 21. Dezember 1999 zu zahlen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Die Klägerin, die Betonfertigteile herstellt, macht gegen die Beklagte Forderungen geltend, die sie zum Teil aus einer direkten Geschäfts- und Lieferbeziehung zur Beklagten und zum Teil aus abgetretenem Recht des unter der Firma B. handelnden Kaufmanns M. S. herleitet, der als Zwischenhändler der Klägerin ebenfalls die Beklagte beliefert hat. Die Beklagte wendet ein, die Forderungen des Kaufmanns M. S. seien von ihr größtenteils ausgeglichen worden und im übrigen durch die von ihr erklärte Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen erloschen, die sie daraus herleitet, dass einigen von ihr - der Beklagten - beglichenen Rechnungen der Firma B. M. S. keine entsprechende Lieferungen zugrunde gelegen hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 07.05.2003 hat das Landgericht Termin zur Güteverhandlung und zur mündlichen Verhandlung auf den 21.07.2003 bestimmt und vorbereitend die Ladung der von der Beklagten benannten Zeugen M. S. und U. R. angeordnet, wobei der Beklagten bezüglich des letztgenannten Zeugen zugleich aufgegeben worden ist, dessen ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Nachdem in Bezug auf den Zeugen S. eine Rückbriefnachricht eingegangen war, hat das Landgericht dies der Beklagten mit Verfügung vom 03.06.2003 mitgeteilt und aufgegeben, binnen einer Woche bezüglich beider Zeugen eine ladungsfähige Anschrift anzugeben, wobei diese Frist anschließend um eine weitere Woche verlängert worden ist. Mit Schriftsatz vom 14.07.2003 hat die Beklagte sodann eine neue Anschrift des Zeugen S. mitgeteilt, die ihr auf eine entsprechende Anfrage von der Gemeinde Elz genannt worden war (vgl. Bl. 302, 303 GA). Die dorthin übermittelte Ladung konnte indes nicht zugestellt werden, weil auch diese Anschrift sich laut dem bei Gericht am 19.07.2003 eingegangenen Rückbrief erneut als unrichtig herausstellte. In der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2003 hat die Einzelrichterin dies der Beklagten mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass über die Aufrechnungsforderungen mangels ladungsfähiger Anschriften der genannten Zeugen kein Beweis erhoben werden könne und diese deshalb für unberechtigt gehalten würden.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 31.07.2003 hat die Beklagte die Anschrift des Zeugen U. R. mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass diese Mitteilung telefonisch bereits am 22.05.2003 erfolgt sei. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass jedenfalls der im Verhandlungstermin präsente Zeuge G. habe vernommen werden müssen, der zu einem Teil der behaupteten Doppelzahlungen benannt worden sei. Mit Schriftsatz vom 04.08.2003 hat die Beklagte zudem den Zeugen V. R. zu den von ihr behaupteten Doppelberechnungen benannt, von dessen entscheidungsrelevanten Kenntnissen die Klägerin durch die schriftliche Bestätigung des Zeugen R. am 02.08.2003 erfahren hatte.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil - der Sache nach ein im Anschluss an das Teil-Anerkenntnisurteil vom 10.02.2003 ergangenes Schlussurteil - der Klage teilweise, nämlich in Höhe eines Betrages von 17.807,81 EUR, stattgegeben, wobei es die von der Beklagten erklärte Aufrechnung für unbegründet erachtet hat. Hierzu hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagten stünden die zur Aufrechnung gestellten Rückzahlungsansprüche nicht zu, weil sie - die Beklagte - nicht bewiesen habe, dass sie Zahlungen auf von dem Kaufmann S. unberechtigt erteilte Rechnungen erbracht habe, denen entweder keine Lieferungen zugrunde lagen oder durch die einzelne Lieferungen doppelt berechnet worden seien. Durch die vorgelegten Unterlagen werde die Behauptung nicht belegt. Den diesbezüglich erfolgten Beweisantritten müsse nicht nachgegangen werden, weil die Klägerin die ladungsfähigen Anschriften der Zeugen teils unzureichend und teils verspätet mitgeteilt habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte in ihrer Berufung, mit der sie allerdings ausschließlich ihren Aufrechnungseinwand weiterverfolgt. Sie vertritt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Auffassung, dass das Landgericht ihre Beweisangebote nicht habe zurückweisen dürfen und jedenfalls aufgrund ihrer Ausführungen in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 31.07.2003 und 04.08.2003 die mündliche Verhandlung habe wiedereröffnen müssen.

Die Beklagte, die in der Sache unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die vollständige Abweisung des vom Teil-Anerkenntnisurteil nicht erfassten Teils der Klage erstrebt, beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil gegen die Berufungsangriffe der Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden und Unterlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet. Keinen Erfolg hat sie allerdings, soweit die Beklagte durch das angefochtene Urteil verurteilt worden ist, an die Klägerin 498,41 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 21.12.1999 zu zahlen (I.).

Im Übrigen hat das Rechtsmittel der Beklagten dahin Erfolg, dass das angefochtene Urteil nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in dem im Tenor genannten Umfang aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen wird (II.).

I.

Zum Gegenstand des Berufungsverfahrens hat die Beklagte ausweislich ihrer Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 ZPO ausschließlich ihren - in erster Instanz teilweise hilfsweise geltend gemachten - Aufrechnungseinwand gemacht. Diesen stützt sie darauf, dass ihr gegenüber dem Zedenten, dem Zeugen S., Gegenforderungen zustehen, die sie, nachdem dieser seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten habe, gemäß § 406 BGB auch der Klägerin als neuer Gläubigerin entgegenhalten könne.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin jedoch Ansprüche sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht des Zeugen S. geltend gemacht. Durch das angefochtene Schlussurteil wird dabei der Klägerin aus eigenem Recht ein Betrag in Höhe von 498,41 EUR (974,08 DM) und aus abgetretenem Recht ein Anspruch in Höhe von 17.309,50 EUR (33.854,43 DM), insgesamt also ein Betrag von 17.807,91 EUR zugesprochen, wobei im Tenor des angefochtenen Urteils allerdings fälschlicherweise ein Betrag von 17.807,81 EUR angegeben wird.

Aus diesen Gegebenheiten folgt, dass die allein auf den Aufrechnungseinwand gestützte Berufung der Beklagten insoweit keinen Erfolg haben kann, als der Klägerin ein aus eigenem Recht geltend gemachter Zahlungsanspruch in Höhe von 498,41 EUR zuerkannt worden ist. Denn gegenüber dieser Forderung ist der von der Beklagten erhobene Aufrechnungseinwand nicht begründet.

Gemäß § 387 BGB kann grundsätzlich nur mit einer gegenseitigen Forderung, also einer Forderung aufgerechnet werden, die dem aufrechnenden Schuldner gegenüber dem Gläubiger zusteht. Dies ist hier nicht der Fall, da die zur Aufrechnung gestellten angeblichen Gegenforderungen der Beklagten sich unstreitig gegen den Zeugen S. richten. Mit einer derartigen gegen einen Dritten gerichteten Forderung kann hingegen allenfalls unter den Voraussetzungen des § 406 BGB dann aufgerechnet werden, wenn der Gläubiger seinerseits einen Anspruch aus abgetretenem Recht dieses Dritten, des Zedenten, geltend macht. Auch dies ist jedoch bei dem in Rede stehenden Anspruch in Höhe von 498,41 EUR nicht der Fall, so dass diesbezüglich der Aufrechnungseinwand an Gegenseitigkeitserfordernis scheitert und ins Leere geht.

II.

Im Übrigen ist das angefochtene Schlussurteil nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in dem im Tenor genannten Umfang aufzuheben und insoweit die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Nach der vorgenannten Vorschrift darf das Berufungsgericht auf Antrag einer Partei die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn und soweit das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

1.

Die zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils führenden Verfahrensmängel im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind hier zum einen in der Handhabung der Präklusionsvorschriften (a.) und zum anderen in der Art und Weise der Behandlung des Sachvortrags der Beklagten (b.) sowie ihres nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (c.) zu erblicken.

a.

Artikel 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418, 429; BVerfG NJW 1994, 1274 m. w. Nachw.) sowie Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen (vgl. BVerfGE 36, 85, 87, BVerfGE 64, 135, 143 m. w. Nachw.). Zum Inhalt des sich daraus für das Gericht ergebenden Pflichtenkreises gehört es namentlich, dass das Gericht die Ausführungen einer Partei zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen hat (vgl. BVerfGE 65, 293, 297 m. w. Nachw.; BVerfG NJW 1992, 679; BVerfG NJW 2000, 945, 946; BGH NJW-RR 1990, 1500, 1501; BGH NJW 1993, 538, 539 m. w. Nachw.). Gegen diesen Grundsatz wird zwangsläufig verstoßen, wenn das Gericht Präklusionsvorschriften fehlerhaft anwendet und deshalb eine Partei mit einem bestimmten Angriffs- oder Verteidigungsmittel ausschließt (vgl. DRFGE 62, 249, 255; BVerfGE 69, 145, 149; BVerfG NJW 1989, 3212; BVerfG NJW 2000, 945, 946; BGHZ 86, 218, 221; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Auflage, § 538 ZPO, Rdnr. 22).

Gemessen an diesen Grundsätzen hält die verfahrensrechtliche Handhabung des Landgerichts einer Überprüfung nicht Stand. Das Landgericht hat vielmehr durch seine Vorgehensweise das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, was zugleich einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO darstellt.

Wie das angefochtene Urteil deutlich erkennen lässt, hat das Landgericht aufgrund seiner materiell-rechtlichen Beurteilung des Falles, die hier maßgebend zugrunde zu legen ist (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1289; BGH NJW 2001, 1500; BGH NJW 2001, 2550), die Beweisangebote der Beklagten insbesondere auf Vernehmung der Zeugen M. S. und U. R. für erheblich gehalten, ist ihnen aber gleichwohl nicht nachgegangen, weil die Zeugen wegen des Fehlens korrekter ladungsfähiger Anschriften nicht zum Verhandlungstermin vom 21.07.2003 geladen werden konnten. Der Sache nach hat das Landgericht deshalb diese Beweisantritte unter Anwendung von - nicht näher bezeichneten - Präklusionsvorschriften zurückweisen wollen, ohne jedoch selbst die dafür maßgebenden Verfahrensvorschriften eingehalten zu haben.

Das Landgericht hat verkannt, dass die individualisierte Benennung eines Zeugen auch ohne die Angabe der ladungsfähigen Anschrift einen den Anforderungen des § 373 ZPO genügenden beachtlichen Beweisantritt darstellt. Ist dieser rechtzeitig erfolgt, kann ihm aber wegen eines behebbaren Hindernisses, wozu auch das Fehlen der ladungsfähigen Anschrift eines Zeugen gehört, nicht ohne weiteres nachgegangen werden, so darf er nur unter den Voraussetzungen des § 356 ZPO unberücksichtigt bleiben. Danach ist das Gericht erst dann berechtigt, von einer Beweiserhebung abzusehen, wenn es zur Behebung des Hindernisses durch einen entsprechenden Beschluss fruchtlos eine Frist gesetzt hat und nach seiner freien Überzeugung die später mögliche Berücksichtigung des Beweismittels das Verfahren verzögern würde. Dies gilt unabhängig davon, ob die Partei die ladungsfähige Anschrift des Zeugen unverschuldet oder verschuldet nicht früher angegeben hat (vgl. BGH NJW 1974, 188; BGH NJW 1993, 1926, 1927 f.; BGH NJW 2000, 945, 946).

Einen derartigen Beschluss hat das Landgericht jedenfalls in Bezug auf die Benennung des Zeugen S. nicht gefasst. Aus dem zweiten, am 19.07.2003 eingegangenen Rückbrief war erkennbar, dass der Zeuge an der von der Beklagten bei der zuständigen Gemeinde ermittelten Anschrift deshalb nicht geladen werden konnte, weil er zwischenzeitlich bereits wiederum verzogen war. In der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2003 war deshalb aller Anlass gegeben, der Beklagten durch eine entsprechende Beschlussfassung nach § 356 ZPO Gelegenheit zu geben, innerhalb einer ausreichend bemessenen Frist die neue Anschrift des Zeugen zu ermitteln und beizubringen. Erst nach fruchtlosem Ablauf einer derartigen Frist hätte das Landgericht von einer Vernehmung des Zeugen absehen dürfen, sofern hierdurch eine Verfahrensverzögerung zu besorgen gewesen wäre.

b.

Ein weiterer gravierender Verfahrensmangel ist dahin zu sehen, dass das Landgericht den Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen G. abgelehnt hat. Dies hat das Landgericht damit begründet, dass der Zeuge G. im Schriftsatz vom 10.04.2002 nicht zu der beweiserheblichen Frage der Doppelzahlung, sondern lediglich dazu benannt worden sei, dass die Rechnungen bezahlt worden seien. Diese Auffassung des Landgerichts war und ist unzutreffend. Das Landgericht hat nämlich dabei erkennbar das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 03.07.2003 übersehen, in dem der Zeuge G. dafür benannt worden ist, dass sie - die Beklagte - durch die Begleichung der Rechnung Nr. 931 vom 17.03.1999 (Bl. 109 GA) sowie der Rechnung Nr. 949 vom 31.03.1999 (Bl. 110 GA) eine "Doppelzahlung" erbracht habe, weil der Kaufmann S. mit seiner Rechnung Nr. 949 Lieferungen abgerechnet habe, die er teilweise bereits zum Gegenstand der Rechnung Nr. 931 gemacht habe. Das Landgericht hat damit unter Zugrundelegung seines Rechtsstandpunktes erhebliches Vorbringen und einen sich darauf beziehenden erheblichen Beweisantritt der Beklagten übergangen und bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Hierin liegt nach den oben beschriebenen Grundsätzen ein Verstoß gegen das in Artikel 103 Abs. 1 GG normierte Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs, welches dem Gericht unter anderem die Pflicht auferlegt, die Ausführungen der Parteien vollständig zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364, 367; BVerfGE 60, 250, 262; BVerfG NJW 1992, 679; BGH NJW 1993, 538, 539 m. w. Nachw.).

c.

Schließlich ist ein gravierender Verfahrensmangel in der Art und Weise zu sehen, in der das Landgericht den Antrag der Beklagten auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung behandelt hat. Wie bereits oben in anderem Zusammenhang erwähnt worden ist, liegt ein Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO namentlich dann vor, wenn das Eingangsgericht verfahrensleitende Normen verletzt hat (vgl. BGH NJW 1993, 538). Dazu gehört auch die Vorschrift des § 156 ZPO, der die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung behandelt und diese - abgesehen von dem in § 156 Abs. 2 ZPO genannten Fällen - in das Ermessen des Gerichts stellt.

Wie sich sowohl aus der Verhandlungsmaxime als auch aus dem Grundsatz der Mündlichkeit, die ihren Niederschlag unter anderem in den §§ 128, 296 a ZPO gefunden haben, ergibt, kann bei einer gerichtlichen Entscheidung nur das Vorbringen berücksichtigt werden, das von den Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist. Nachträglich können hingegen Angriffs- und Verteidigungsmittel grundsätzlich nicht mehr in den Prozess eingeführt werden. Geschieht dies doch, so hat das Gericht allerdings die Pflicht, auch diese Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Kenntnis zu nehmen und darüber zu befinden, ob es die neu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel zum Anlass nimmt, die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wiederzueröffnen.

Daraus folgt, dass die Anwendung des § 156 ZPO zur verfahrensmäßigen Gestaltung des Prozesses gehört und seine Verletzung deshalb als wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anzusehen ist, wenn eine rechtlich gebotene Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgelehnt wird (vgl. OLG Köln NJW-RR 1990, 1342, 1343; OLG Zweibrücken NJW-RR 1989, 221, 222; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.1998 - 6 U 147/97 -).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz eingereicht, in dem sie die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt und gleichzeitig Ausführungen unter anderem dazu gemacht hat, dass und aus welchen Gründen die Vernehmung des Zeugen G. notwendig sei. Dieses Vorbringen hat das Landgericht zwar - wie das Urteil erkennen lässt - nicht gänzlich übersehen; es hat jedoch die Ausführungen und die daran zu knüpfenden Konsequenzen nicht vollständig erfasst und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Vielmehr hätte die Einzelrichterin jedenfalls nunmehr feststellen müssen, dass die Nichtberücksichtigung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen G. verfahrensfehlerhaft war und es deshalb nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zwingend erforderlich war, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

2.

Aus den vorstehenden Überlegungen folgt zugleich, dass die vorbeschriebenen wesentlichen Verfahrensmängel für das Urteil auch ursächlich geworden sind. Denn der Rechtsstreit war - unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Landgerichts - nicht entscheidungsreif. Das Landgericht hätte vielmehr den Sachverhalt hinsichtlich der oben angesprochenen Punkte aufklären müssen.

3.

Die vorbeschriebenen Verfahrensmängel machen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlich.

In der rechtlichen Beurteilung folgt der Senat dem Landgericht, das die Sache im Hinblick auf die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche, die ihre Rechtsgrundlage in § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB finden, für aufklärungsbedürftig gehalten hat. Durch die notwendige Beweisaufnahme muss geklärt werden, ob der Zedent, der Zeuge S., tatsächlich - wie die Beklagte behauptet - einzelne von ihm erbrachte Lieferungen doppelt berechnet bzw. in einem Fall eine Rechnung erteilt hat, der keine Lieferung zugrunde lag. Trifft dies zu, so wäre der Zedent in Folge der Begleichung dieser Rechnungen durch die Beklagte ungerechtfertigt bereichert worden. Da die sich daraus ergebenden Rückzahlungsansprüche gegebenenfalls entstanden wären, bevor die Beklagte von der Abtretung der streitgegenständlichen Forderungen des Zedenten an die Klägerin erfahren hat, könnte die Beklagte ihren Aufrechnungseinwand § 406 BGB auch der Klägerin als neuer Gläubigerin gegenüber geltend machen.

Im Rahmen der somit notwendigen Beweisaufnahme sind die von der Beklagten benannten Zeugen R., G., R. und S. zu vernehmen, wobei der letztgenannte Zeuge gegenbeweislich auch von der Klägerin benannt worden ist. Dieses Erfordernis ergibt sich bezüglich der Zeugen S. und G. unmittelbar daraus, dass das Landgericht deren Vernehmung verfahrensfehlerhaft unterlassen hat, und bezüglich der Zeugen R. und R. jedenfalls aus § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, da die Beklagte insofern dargetan hat, dass sowohl die Benennung des Zeugen R. als auch die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Zeugen R., die im ersten Rechtszug erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt sind, nicht auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruhten. Daraus folgt zugleich, dass die nunmehr erforderliche Beweisaufnahme durch die vorgenommenen Verfahrensmängel veranlasst ist. Denn auch das Landgericht hätte bei verfahrensrechtlich korrekter Handhabung alle vier Zeugen vernehmen müssen. Eine Beschlussfassung nach § 356 ZPO bezüglich des Zeugen S. und eine Beweisanordnung des Zeugen G., wie sie erforderlich gewesen wären, hätte nämlich zur Folge gehabt, dass auch den weiteren Beweisantritten hätte nachgegangen werden müssen, weil sie weder schuldhaft verspätet waren noch eine weitere Verzögerung des erstinstanzlichen Rechtsstreits zu besorgen war (vgl. § 356 ZPO und § 296 ZPO).

Die notwendigerweise nachzuholende Beweisaufnahme ist auch umfangreich und aufwändig. Dies folgt daraus, dass insgesamt vier Zeugen zu einem insgesamt komplexen Beweisthema zu vernehmen sind. Der sich daraus ergebende Umfang und Zeitaufwand ist erheblich und erfordert die Bestimmung eines oder sogar mehrerer gesonderter Beweistermine.

4.

Aus diesen Umständen folgt zugleich, dass eine eigene Sachentscheidung des Senats im Rahmen des nach § 538 Abs. 2 ZPO auszuübenden Ermessens nicht als sachdienlich angesehen werden kann.

Die insgesamt notwendige Aufklärung der tatsächlichen Gegebenheiten hat grundsätzlich bereits durch das erstinstanzliche Gericht zu erfolgen. Zwar kann dies auch durch das Berufungsgericht als weiterer Tatsacheninstanz nachgeholt werden (vgl. BGH NJW 1993, 2318, 2319). Hier entspricht dies jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände weder der Prozesswirtschaftlichkeit noch dem Interesse der Parteien. Die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen der durch die Zurückweisung der Sache eintretenden Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits einerseits und dem Interesse der Parteien an der Wahrung des vollen Instanzenzuges andererseits (vgl. BGH NJW 2000, 2024, 2025) führt hier dazu, dass es weder als prozessökonomisch noch als sonst sachdienlich betrachtet werden kann, die aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Verfahrens erstinstanzlich nicht geschaffenen Entscheidungsgrundlagen im zweiten Rechtszug zu erarbeiten. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Tatsachenstreit der Parteien den Kern des noch anhängigen Teils des Rechtsstreits ausmacht, so dass den Parteien hinsichtlich der wesentlichen Fragen des Prozesses eine Tatsacheninstanz verloren ginge.

III.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 17.309,50 EUR und für die Beklagte 17.807,81 EUR.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 17.807,81 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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