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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.10.2003
Aktenzeichen: I-17 U 197/02
Rechtsgebiete: DuG, BGB, ZPO, WPHG


Vorschriften:

DuG § 1
BGB § 607 Abs. 1 a.F.
ZPO § 531 Abs. 2
WPHG § 31 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 31. Oktober 2002 wird zurückgewiesen, soweit die Klage nicht zurückgenommen worden ist.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

I. Die Klägerin ist eine Discountbank. Sie bietet ihren Kunden ein sogenanntes Anlagedepot an, dabei können die Kunden per Computer oder telefonisch Wertpapiergeschäfte von diesem Depot tätigen. In Ziffer 5 des Eröffnungsantrages, den der Beklagte unterschrieben hat (Bl. 65 d.A.) heißt es: "Ich bin mir bewusst, dass die Direktanlagebank im Interesse besserer Konditionen auf jede Form der Beratung verzichtet, sowie darüber hinaus keinerlei Empfehlungen für den Verkauf und Kauf von Wertpapieren gibt. Des Weiteren stellt die Direktanlagebank keine Hintergrundinformationen über Geld- und Kapitalanlagen zur Verfügung und wertet diese auch nicht im Kundeninteresse aus." Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin seit 1998 ein Depotkonto und tätigte dort Aktienkäufe und -verkäufe. Mit einem Effektenkreditvertrag vom 17. März 1999 (Bl. 18 ff. d.A.) nahm der Beklagte einen Kontokorrentkredit bei der Klägerin auf, um auf diese Weise Aktienkäufe zu finanzieren. Die Höchstgrenze des Kreditrahmens wurde mit 150.000 DM vereinbart. In Ziffer 4 des Vertrages war vereinbart, dass die jeweilige Kreditinanspruchnahme den Beleihungsrahmen nicht überschreiten dürfe. Der Beleihungsrahmen wurde gebildet aus dem Beleihungswert der Wertpapiere, der 50 % des aktuellen Kurswertes betrug. Am 6. März 2000 verkaufte der Beklagte telefonisch seine US-Amerikanischen F. Aktien. Er erzielte dafür 238.476,71 DM. Dadurch konnte er zum einen den Sollstand seines Kontokorrentkreditkontos, der 201.620,43 DM zu diesem Tag betragen hatte, ausgleichen und hatte darüber hinaus ein Guthaben von 30.797,29 DM. Gleichzeitig orderte der Beklagte jedoch 8.410 Stück N.-Aktien. Hierfür wendete er 255.685,34 DM auf, d.h. 17.208,63 DM, mehr als er durch den Verkauf der F. Aktien erlöst hatte. Damit überstieg das Kontokorrentkreditkonto deutlich das Kreditlimit. Der Kurswert der gekauften N.-Aktien nahm in der Folgezeit kontinuierlich ab. Die Klägerin trägt vor, dass die Parteien sich vorläufig über eine monatliche Rückführung des Kontokorrentkredites in Höhe von 1.500 DM geeinigt haben. In der Folgezeit zahlte der Beklagte auch monatlich 1.500 DM an die Klägerin, mit Ausnahme der Monate Februar bis April 2000. Die N.-Aktien verloren weiter kontinuierlich an Wert. Mit Schreiben vom 10. Mai 2000 (Bl. 28 d.A.) stellte die Klägerin den damals vorhandenen Sollstand des Kontokorrentkontos mit 221.053,67 DM fällig. Sie forderte den Beklagten auf, die Summe bis zum 24. Mai 2000 zu überweisen. Sie kündigte darüber hinaus an, von ihrem Recht der zwangsweisen Verwertung der ihr verpfändeten Wertpapiere Gebrauch zu machen. Am 29. November 2000 und 30. November 2000 verwertete die Klägerin die N.-Aktien und verkaufte sie. Sie erlöste dafür 23.707,57 DM. Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Mönchengladbach Bezug genommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Rückzahlung des Kontokorrentkredites in Höhe von 103.158,10 EUR (201.759,71 DM) nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz verurteilt. Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte die Klagabweisung. Die Klägerin hat im Senatstermin die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 448,66 EUR (877,50 DM) zurückgenommen. Der Beklagte hat dieser Rücknahme zugestimmt. Im übrigen beantragt der Beklagte, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt im übrigen, die Berufung zurückzuweisen. Beide Parteien wiederholen und ergänzen ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug. II. Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Forderung der Klägerin ist in dem nach Teilrücknahme der Klage verbliebenen Umfang von 102.710,04 EUR (201.311,05 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäss § 1 DuG seit 01.10.2001 begründet. Sie hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des ihm eingeräumten, bzw. später des geduldeten Kontokorrentkredits gemäß § 607 Abs. 1 BGB a.F.. Der Sollstand des Kontokorrentkontos am 30. September 2001 mit 201.759,21 DM ist von dem Beklagten in erster Instanz ausdrücklich unstreitig gestellt worden (Bl. 72 d.A.). Soweit der Beklagte in der Berufung die Richtigkeit des Sollstandes bestreitet, ist dieser Vortrag neu. Die Voraussetzungen für die Zulassung dieses neuen Vortrages, wie sie in § 531 Abs. 2 ZPO geregelt sind, liegen nicht vor. Zu berücksichtigen ist lediglich ein Abzug von 448,66 EUR (877,50 DM) im Hinblick auf die im Senatstermin insoweit erfolgte Teilrücknahme der Klage. Der Beklagte kann sich - wie das Landgericht bereits zutreffend festgestellt hat - nicht erfolgreich auf eine Aufrechnung mit einem zumindest gleich hohen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin berufen. Der Beklagte wirft der Klägerin Verletzung von Pflichten aus einem zwischen den Parteien zumindest stillschweigend zustande gekommenen Beratungsverhältnis vor. a) Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Beklagten eine individuelle Beratung und Aufklärung nicht schuldete. Der Beklagte wusste durch den Kontoeröffnungsantrag, dass er von der Klägerin nicht beraten werden würde. Die Klägerin ist ein sogenannter Discountbroker. Diese unterliegen nur deutlich reduzierten Aufklärungspflichten, die sie grundsätzlich durch Übermittlung standardisierter Informationen bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung erfüllen können. Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen (BGH vom 05.10.1999, BGHZ 142, 345 ff;). Der Anleger, der trotz der Erklärung der Bank, sie sei zu keiner individuellen Beratung bereit, Geschäftsbeziehungen mit dieser Bank aufnimmt, erklärt damit konkludent, dass er weitere Informationen durch die Bank nicht benötige, also nicht aufklärungsbedürftig sei (BGH a.a.O.). In diesem Zusammenhang kann sich der Beklagte nicht auf die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes berufen. Zwar sind nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WPHG Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Diese Vorschrift ist in erster Linie aufsichtsrechtlicher Natur, sie hat jedoch auch anlegerschützende Funktionen (BGH a.a.O.). Die Aufklärung ist dann aber nicht erforderlich, wenn der Anleger nicht aufklärungsbedürftig ist, vor allem dann, wenn er zum Ausdruck bringt, dass er keine Informationen benötigt. Darauf darf die Bank grundsätzlich vertrauen und weitere Informationen für entbehrlich halten. § 31 Abs. 2 Nr. 2 WPHG hat nicht den Zweck, Anleger vor sich selbst zu schützen (BGH a.a.O.;). Den Anforderungen zur Übermittlung standardisierter Informationen bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung ist die Klägerin durch Übersendung ihrer standardisierten Basisinformationen zu Beginn der Geschäftsbeziehung mit dem Beklagten unstreitig nachgekommen. Der Beklagte beruft sich in der Berufungsinstanz im Zusammenhang mit der fehlenden Aufklärung nunmehr vor allen Dingen darauf, dass die Klägerin ihm eine Änderung seiner Einstufung in Risikoklassen nicht mitgeteilt habe. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag in der Berufung neu ist, ist er weder erheblich noch hinreichend substantiiert. Bei fehlender Beratungspflicht kommt eine Einstufung des Bankkunden in verschiedene Risikoklassen nicht in Betracht. Denn diese Einstufung dient dem Zweck, den Umfang der Beratungs- und Aufklärungspflicht individuell an die Wünsche und das Anlageziel des Kunden anzupassen. Bestehen solche Beratungs- und Aufklärungspflichten jedoch nicht, hat die Einstufung in Risikoklassen keinen Sinn. b) Der Beklagte rügt mit der Berufung, bei der Auftragserteilung über den Erwerb der N.-Aktien am 6. März 2000 habe die Klägerin keine Plausibilitätsprüfung des Auftrages durchgeführt. Dabei versteht der Beklagte unter Plausibilitätsprüfung, dass die Klägerin nicht beachtet habe, dass jener Auftrag das ihm eingeräumte Kreditlimit bei weitem überschritten habe. Abgesehen davon, dass das bei Einräumung des Kontokorrentkredits vereinbarte Kreditlimit bereits vorher überschritten war und nicht erst bei dem hier in Rede stehenden Wertpapierauftrag, ist eine Bank nicht verpflichtet, einen Auftrag zurück zu weisen, wenn dadurch das dem Kunden eingeräumte Kreditlimit überschritten wird (vgl. OLG München vom 14.02.2000, ZIP, 2001, 1492 ff.;). Aus den Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Kreditvertrages ergibt sich, dass die Klägerin eine Überschreitung des Kreditrahmens dulden kann (Ziffer 15 des Kreditvertrages). In Ziffer 14 des Kreditvertrages werden die Rechtsfolgen bei Überschreitung des Beleihungsrahmens geregelt. Danach hat die Klägerin das Recht - also nicht die Pflicht - den Kreditnehmer über die Überschreitung des Beleihungsrahmens zu informieren und ihn aufzufordern, die Überziehung zu beseitigen. Sie hat weiterhin das Recht nach entsprechender schriftlicher Aufforderung zur Zahlung, die Vermögenswerte bis zur Wiedererreichung des Beleihungsrahmens unter der gebotenen Rücksichtnahme auf den Kreditnehmer zu verwerten. Aus diesen Vorschriften ergeben sich Rechte der Klägerin, weil die vereinbarten Verpfändungen der Wertpapiere allein dem Sicherungsinteresse der Klägerin dienten, nicht aber dem Schutz des Beklagten. Dem Beklagten war das ihm eingeräumte Kreditlimit von 150.000 DM bekannt. Er konnte auch bei der vereinbarten 50 % Regel leicht den Beleihungswert seines jeweiligen Aktiendepots ausrechnen. Ein besonderer Hinweis der Klägerin darauf, dass der Beleihungswert seines Aktiendepots angesichts einer Order über 225.000 DM überschritten wurde, war nicht erforderlich, um den Beklagten, der auf jede individuelle Beratung verzichtet hatte, zu warnen. Es ist selbstverständlich und bedarf keines aufklärenden Hinweises, dass mit der Aktienspekulation auf Kredit erhebliche Gefahren verbunden sind. Der Kreditnehmer muss das Risiko einer zwangsweisen Verwertung seines Depots bei Absinken des Wertes unter die vereinbarte maximal Beleihungsgrenze von sich aus berücksichtigen und in seine Überlegungen einbeziehen (BGH WM 1991, S. 982 f.). Die Klägerin trifft auch keine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung, weil sie mit der Verwertung der ihr als Sicherheit verpfändeten Wertpapiere zu lange zugewartet hat. Das mit der Verpfändung des Aktiendepots der Klägerin eingeräumte Verwertungsrecht diente den Vermögensinteressen der Klägerin. Sie durfte deshalb aus ihrer Interessenlage heraus den Zeitpunkt der Verwertung bestimmen. Wenn sie ebenso wie der Beklagte lange Zeit darauf hoffte, dass der Kurs der vom Beklagten gehaltenen Aktien wieder ansteigen würde, ist ihr daraus kein Vorwurf zu machen. Dies könnte allenfalls dann anders gesehen werden, wenn der Beklagte die Klägerin vergeblich aufgefordert hätte, die in seinem Depot befindlichen Aktien früher zu verwerten. Das ist indes nicht der Fall. Das vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben vom 17. Oktober 2000 enthält keine Aufforderung, das verpfändete Aktiendepot zu verwerten und damit den ihm eingeräumten Kredit zurückzuführen. Der Beklagte schlägt vielmehr vor, die im Wert stark gesunkenen N.-Aktien gegen andere Aktien, die er jedoch nicht nennt, auszutauschen. Der Beklagte beabsichtigte also auch in diesem Stadium, nach dem bereits erhebliche Aktienverluste eingetreten waren, seine Aktienspekulationen fortzusetzen. Die Klägerin war nicht verpflichtet, sich darauf einzulassen. Insgesamt können der Klägerin keine Verstöße gegen die ihr gegenüber dem Beklagten obliegenden vertraglichen Pflichten vorgeworfen werden, so dass der Beklagte verpflichtet bleibt, den ihm eingeräumten Effektenkredit an die Klägerin zurück zu zahlen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO besteht kein gerechtfertigter Anlass. Streitwert der Berufung: a) bis zum 10.07.2003: 103.158,10 EUR b) ab dem 11.07.2003: 102.710,04 EUR. Die Beschwer des Beklagten entspricht dem letztgenannten Wert.

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