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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: I-18 U 115/06
Rechtsgebiete: HGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 407 Abs. 2
HGB § 425 Abs. 1
HGB § 435
BGB § 634
BGB § 638
BGB § 675
BGB §§ 662 ff.
BGB § 670
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.05.2006 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (36 O 69/04) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 8.593,81 € nebst Zinsen verurteilt.

Gründe:

I.

Die Beklagte schuldet der Klägerin den zugesprochenen Gesamtbetrag als Frachtlohn, Standgeld und Auslagenersatz.

1.

Die Klägerin hat gem. § 407 Abs. 2 HGB Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 3.300 € für den Hintransport von der Schweiz nach Russland.

Das gilt unabhängig davon, ob der Beklagten wegen des Ankunftstermins in K. Gegenrechte zustehen. Das verspätete Eintreffen eines CMR-Transports vermag lediglich Schadensersatzpflichten des Frachtführers auszulösen, führt aber nicht zum automatischen, von einer Aufrechnung mit den Schadensersatzansprüchen unabhängigen Erlöschen oder Reduzieren seines Vergütungsanspruchs.

a)

Es kann offen bleiben, ob die Parteien durch den Hinweis auf den Veranstaltungsbeginn am 12. April in der E-Mail-Anfrage der Beklagten vom 26.03.2003 (Anl. B 4, Bl. 77 GA) in Verbindung mit der Angabe des Eintrefftermins am - so übereinstimmend gemeint und verstanden - 10. April 2003 Arbeitsbeginn in der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 26.03.2003 (Anl. K 1, Bl. 5/6 GA) den 10.04.2003 als absoluten oder relativen Fixtermin im Sinne des deutschen allgemeinen Schuldrechts vereinbaren wollten, mit der Folge, dass bei Nichteinhaltung dieses Fixtermins die Vergütungspflicht der Beklagten ohne weiteres weggefallen wäre (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB, absolutes Fixgeschäft), durch eine Rücktrittserklärung der Beklagten zum Wegfall gebracht werden konnte (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB, relatives Fixgeschäft) oder zum Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 2 BGB) berechtigen und bei dessen Berechnung anhand der Differenzmethode untergehen würde. Eine solche Fixabrede wäre nach Art. 41 CMR unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des Senats trifft die CMR mit der Anordnung von (einfachem) Schadensersatz als Rechtsfolge einer Lieferfristüberschreitung eine abschließende und erschöpfende Spezialregelung, neben der die nationalen Vorschriften über Leistungsstörungen nicht zur Anwendung kommen und der insbesondere die dem Fixgeschäft nach deutschem Recht innewohnenden Gedanken fremd sind; wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil vom 09.03.1995, NJW-RR 1995, 1120 = TranspR 1995, 288, Bezug genommen. Abweichende Auffassungen anderer Gerichte bestehen, soweit ersichtlich, nicht. Die in der Literatur geäußerte Kritik, dass eine Fixgeschäftsabsprache nur die Abgrenzung zwischen (zwingend geregelter) Verspätung und (nicht bzw. nur teilweise geregelter) Unmöglichkeit bestimme und deshalb der Parteivereinbarung überlassen sei (MüKo HGB-Basedow, Art. 17 CMR Rz. 97), überzeugt den Senat nicht. Wenn ein Lebenssachverhalt - hier: Ablieferung am 12. statt am 10. April - objektiv unter einen bestimmten Tatbestand der CMR fällt - hier: Überschreitung der Lieferfrist i.S.d. Art. 19 CMR -, dann ist eine Parteiabrede dahingehend, dass es sich um etwas anderes als den objektiv gegebenen CMR-Tatbestand handeln solle, eine zumindest mittelbare Abweichung von den Bestimmungen der CMR im Sinne ihres Art. 41 Abs. 1 Satz 1.

Hieran ändert es nichts, dass Schadensersatz statt der Leistung gemäß ergänzend anwendbarem deutschem Recht dann in Betracht kommen mag, wenn der Frachtführer - wie in dem der Entscheidung BGH 08.05.1985, NJW 1985, 2405 zugrunde liegenden Fall - nach einer Teilstrecke die Weiterbeförderung des Gutes ablehnt. Dieser Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden, in dem das Gut bis zum Bestimmungsort transportiert wurde, nicht vergleichbar (so schon OLG Düsseldorf 09.03.1995, NJW 1995, 1120, 1121 zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 326 BGB a.F.). Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob der Umstand, dass der russische Empfänger (wie von der Beklagten in der Berufungsinstanz erstmals klar vorgetragen und von der Klägerin nicht bestritten) die Zeitmessanlage nicht in seinen unmittelbaren Besitz übernahm, sondern sie im Zolllager beließ, während er sich um ihre Wieder-Ausfuhr kümmerte, als eine Verweigerung der Annahme anzusehen ist. Indem der Empfänger die Annahme des ihm - bis auf die Lieferfristüberschreitung - vertragsgemäß zur Verfügung gestellten Gutes ablehnt, kann er doch nicht erreichen, dass diese Überschreitung nach anderen Regeln als den einschlägigen Bestimmungen der CMR zu beurteilen ist (vgl. Art. 30 Abs. 3 CMR).

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang schließlich, ob der Klägerin ein qualifiziertes Verschulden i.S.d. Art. 29 CMR zur Last fällt. Dass die Rechtsfolge einer Lieferfristüberschreitung nach Art. 17 Abs. 1 "Haftung", d.h. die Verpflichtung zum Schadensersatz und, infolge des abschließenden Charakters der CMR, nur diese ist, ist kein Ausschluss und keine Begrenzung der so erst statuierten Haftung i.S.d. Art. 29 CMR (vgl. MüKo-Basedow, Art. 29 CMR Rz. 30). Im übrigen liegt kein qualifiziertes Verschulden vor, wie unten II. 2. im Einzelnen ausgeführt wird.

b)

Wegen der abschließenden Anordnung von Schadensersatz bei Lieferfristüberschreitungen durch die CMR kann die Beklagte auch keine Minderung des Werklohns (Fracht) gem. §§ 634, 638 BGB verlangen, zumal eine solche nach § 425 Abs. 1 HGB nicht einmal bei Anwendbarkeit des deutschen Frachtvertragsrechts stattfände (OLG Düsseldorf 09.10.1986, TranspR 1986, 429, 430/431 zu § 429 HGB a.F.; OLG Düsseldorf 09.03.1995, NJW-RR 1995, 1120, 1121).

2.

Die Klägerin hat weiter Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 2.200 € für den Rücktransport von Russland in die Schweiz.

Die Frage nach einer automatischen Beseitigung oder Minderung dieses Anspruchs durch die verspätete Ablieferung auf dem Hintransport stellt sich von vorn herein nicht. Es handelt sich um einen anderen, rechtlich unabhängigen Frachtvertrag, der erst durch die Auftragsbestätigung der Klägerin vom 17.04.2003 (Anl. K 2, Bl. 7 GA) zustande kam. Die Klägerin war auch nicht wegen der vorangegangenen Lieferfristüberschreitung verpflichtet, die Anlage unentgeltlich zurückzubefördern.

3.

Die vom Landgericht zugesprochenen 743,81 € (entsprechend 900 US-$) für die von den Parteien sogenannten Konvoivermeidungskosten stehen der Klägerin ebenfalls zu (§§ 675, 670 BGB).

a)

Mit E-mail vom 07.04.2003 schrieb die Beklagte der Klägerin: "bitte veranlassen Sie die Zahlung der 900,- USD" (Anl. K 9, Bl. 57 GA). Es kann offen bleiben, ob darin mit dem Landgericht ein Auftrag i.S.d. §§ 675, 662 ff. lag, oder vielmehr eine Weisung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 CMR.

aa)

Im Falle eines Auftrags folgt der Anspruch der Klägerin auf Erstattung des demgemäss gezahlten Betrages aus § 670 BGB.

Die E-Mail-Erklärung der Beklagten war auch nicht in der Weise bedingt, dass eine Erstattungspflicht nur für den Fall begründet wurde, dass der Transport seinen Bestimmungsort noch fristgerecht erreichte. Vielmehr heißt es: "... damit das Fahrzeug ... sich weiterbewegt und hoffentlich noch pünktlich in K. eintrifft, ..." Das erhoffte pünktliche Eintreffen war Motiv für die Zahlung, aber nicht Voraussetzung für ihre Übernahme.

bb)

Im Fall einer Weisung folgt der Erstattungsanspruch aus Art. 16 Abs. 1 CMR.

Die Klägerin hat die Konvoivermeidungskosten auch nicht verschuldet im Sinne dieser Bestimmung.

Unstreitig kommt es häufig vor, dass für den LKW-Transit durch osteuropäische Staaten die Grenzbehörden die Einweisung in einen Konvoi fordern. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass diese Forderung hier auf ein Verhalten der Klägerin oder ihres Subunternehmers zurückging.

Die mit der Konvoiproblematik verbundenen Kosten fallen auch nicht in den Risikobereich der Klägerin. Vielmehr haben die Parteien in ihrem Vertrag vereinbart: "Konvoikosten ... sind im oben genannten Frachtpreis nicht enthalten und werden gemäß Auslagen weiterbelastet" (Auftragsbestätigung vom 26.03.2003). Nach dem Sinn und Zweck dieser Vereinbarung gilt dasselbe für Kosten, die im Einvernehmen mit der Beklagten als Auftraggeber zur Vermeidung eines anderenfalls vorgeschriebenen Konvois aufgewendet werden.

b)

Der Senat kann ohne Beweisaufnahme zu der Überzeugung kommen, dass die Klägerin die 900 $ tatsächlich an ukrainische Zollbeamte zahlte. Das folgt aus den unstreitigen Eckdaten des Zeitablaufs.

Die E-Mail der Beklagten stammt vom Montag, dem 07.04.2003, um 11:48 Uhr. Anschließend wurden die Dokumente geändert. Das war als solches von Anfang an unstreitig; nach der Vorlage der "Packliste-Rechnung" mit einer verringerten Wertangabe über 185.682,27 $ anstelle der ursprünglichen 256.000 $ auf einem Formular der Beklagten (Anl. K 13, Bl. 116 GA) hat die Beklagte auch nicht mehr bestritten, dass sie selbst an den Änderungen mitwirkte. Diese Änderungen wären unsinnig gewesen, wenn die 900 $ nicht geflossen wären und den Sinneswandel des Zolls herbeigeführt hätten. Zudem traf der LKW am 12.04.2003 um 13 Uhr in K. ein. Während dieser insgesamt fünf Tage musste die Grenzabfertigung Slowakei-Ukraine zu Ende abgewickelt werden, sodann die gesamte Strecke gefahren und schließlich die Grenzabfertigung Ukraine-Russland durchgeführt werden. Das zeigt, dass keine nennenswerten Standzeiten mehr entstanden, was angesichts der zuvor unstreitig aufgetretenen Schwierigkeiten ebenfalls den Rückschluss auf eine bestimmungsgemäße Verwendung der 900 $ zulässt.

4.

Schließlich hat das Landgericht zu Recht die Standgeldforderung der Klägerin gemäß ihren Rechnungen vom 28.07.2003 (Anl. K 6, Bl. 11 GA) und 30.04.2003 (Anl. K 7, Bl. 12 GA) in Höhe von insgesamt 2.350 € als begründet angesehen.

Die Beklagte hat in erster Instanz nicht in erheblicher Weise bestritten, dass die berechneten Standgelder mit ihrem Herrn M. abgesprochen sind. Auf die nicht näher erläuterte Vorlage der Rechnungen mit der Klageschrift hin hat sie in der Klageerwiderung erklärt, das behauptete Standgeld werde sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten. Daraufhin hat die Klägerin vorgetragen, das Standgeld sei berechnet nach Absprache mit Herrn M. auf Seiten der Beklagten. Anschließend ist die Beklagte auf das Thema nicht mehr zurückgekommen. Das wäre nach ihrem nur ergebnishaften Bestreiten aus der Klageerwiderung aber erforderlich gewesen, wenn sie auch der nunmehr erfolgten Substantiierung entgegentreten wollte (§ 138 Abs. 3 ZPO). Ohne ein Bestreiten durch die Beklagte brauchte die Klägerin auch keine näheren Einzelheiten der Absprache darzulegen.

Das in der Berufungsbegründung erklärte Bestreiten einer Absprache nebst Beweisangebot durch Zeugnis "M." (richtig sein dürfte "M.", s. Zitat eines Mitarbeiters dieses Namens der Beklagten in dem Zeitungsartikel vom 20.03.2004, Anl. K 12, Bl. 115 GA) kann nicht zugelassen werden. Ein Fall des § 531 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.

II.

Gegenüber diesen Forderungen der Klägerin kann die Beklagte nicht mit ihrem etwaigen Anspruch auf Schadensersatz wegen Lieferfristüberschreitung (Art. 17 Abs. 1, Art. 19 CMR) aufrechnen.

Das folgt aus Ziff. 19 ADSp, deren Einbeziehung in den Vertrag der Parteien in der Berufung nicht mehr streitig ist, zumal beide Seiten auf ihren Schriftstücken standardmäßig darauf hinweisen, dass sie ausschließlich auf der Grundlage der ADSp arbeiten (s. auf Seiten der Beklagten z.B. e-mail vom 07.04.2003). Ein Ausnahmetatbestand, dessentwegen das so vereinbarte Aufrechnungsverbot hier nicht eingreifen würde, ist nicht gegeben.

1.

Der etwaige Gegenanspruch der Beklagten ist nicht entscheidungsreif. Vielmehr ist beim derzeitigen Sach- und Streitstand ungeklärt, ob der Beklagten ein Schaden entstanden ist.

a)

Dass die in der Vertragskette Vorangehenden es unter Bezugnahme auf den überschrittenen Liefertermin ablehnen mögen, das jeweils vereinbarte Entgelt zu zahlen - also der russische Veranstalter an S. T., S. T. an die S. S. AG (im folgenden: S. S.) und S. S. an die Beklagte -, ist als solches unerheblich. Eine unberechtigte Zahlungsunwilligkeit wäre kein Schaden, sondern die Beklagte und ihre Vordermänner müssten ihre jeweiligen Ansprüche erforderlichenfalls gerichtlich durchsetzen (Senat 09.10.1986, TranspR 1986, 429, 430). Für eine ausnahmsweise Unzumutbarkeit gerichtlicher Inanspruchnahme ist nichts vorgetragen.

b)

Ob die Zahlungen zu Recht abgelehnt werden, lässt sich derzeit nicht feststellen.

Im Verhältnis der Beklagten zu ihrem Auftraggeber S. S. setzt eine berechtigte Zahlungsverweigerung durch letztere einen dieser entstandenen Schaden voraus, denn auch dieses Vertragsverhältnis unterliegt der CMR. Ebenso wie Russland, ist auch die Schweiz Mitgliedstaat dieses Übereinkommens. Der Vertrag zwischen der Beklagten und S. S. ist ein Vertrag über die Beförderung von Gütern i.S.d. Art. 1 Abs. 1 CMR. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Beklagte zunächst Wert darauf gelegt hat, dass sie einen bloßen Speditionsauftrag zur Besorgung des Transports erhalten habe und keinen Frachtauftrag, bevor sie später von einer "Frachtvergütung" spricht und sich als "Frachtführer" bezeichnet. Es kommt auch nicht darauf an, ob insoweit, wie Raum für nationales Recht ist, auf den Vertrag wirklich, wie die Beklagte ohne Begründung, jedoch auch ohne konkreten Widerspruch durch die Klägerin behauptet, Schweizer Recht Anwendung findet. Jedenfalls hatte die Beklagte mit S. S. eine feste Vergütung vereinbart, nämlich 4.600 € für den Hin- und 3.700 € für den Rücktransport. Damit haftet sie nach deutschem Recht wie ein Frachtführer (§ 459 HGB) und folglich auch als ein solcher im Rahmen der CMR (Koller, Transportrecht, Art. 1 CMR Rz. 3). Nach Schweizer Recht steht ohnehin jeder Spediteur "in bezug auf den Transport der Güter unter den Bestimmungen über den Frachtvertrag" (Art. 439 OR).

Auch zwischen S. S. und S. T. gelten die Bestimmungen der CMR mit der Folge, dass eine Lieferfristüberschreitung nur dann den Anspruch auf die Fracht entfallen lässt, wenn dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist und er mit dem entsprechenden Schadensersatzanspruch zulässigerweise aufrechnet. Die auch bei diesem Vertragsverhältnis bestehende Unklarheit im Beklagtenvortrag hinsichtlich des Vertragstyps (Speditions- oder Frachtvertrag) ist wiederum wegen Art. 439 OR ohne Belang.

Ob S. T. ein Schaden entstanden ist, weil ihr gegenüber der russische Veranstalter zu Recht die Zahlung des vereinbarten (Miet-) Entgelts ablehnt, ist bisher nicht entscheidbar. Zu den vertraglichen Grundlagen ist noch überhaupt nichts vorgetragen. Das auf diesen Vertrag anwendbare Recht wäre bei objektiver Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB das der Schweiz, doch liegt bei einer staatlichen Organisation als Vertragspartner nahe, dass diese entweder auf der Vereinbarung des Rechts ihres Landes besteht, oder dass die Parteien sich auf ein drittes "neutrales" Recht einigen. Unbekannt ist auch, welche Vereinbarung die Parteien zur Zeitfrage getroffen haben und wer, gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen, das Verspätungsrisiko übernommen hat. Ebenso unbekannt ist der einschlägige Inhalt des anwendbaren - sei es Schweizer, sei es russischen oder sonstigen - nationalen Rechts.

2.

Ob qualifiziertes Verschulden des Frachtführers i.S.d. Art. 29 CMR, § 435 HGB zur Folge hat, dass der Frachtführer sich auf das vereinbarte Aufrechnungsverbot nicht berufen kann, braucht nicht entschieden zu werden. Der Schaden, dessen Ersatz die Beklagte begehrt, geht nicht auf ein qualifiziertes Verschulden der Klägerin zurück.

a)

Die Verzögerung über das Wochenende 29./30.03.2003 deshalb, weil der LKW wegen des am 29.03. geschlossenen Grenzbüros erst am 02.04.2003 abgefertigt wurde, wurde allerdings in qualifiziert schuldhafter Weise durch den Grenzspediteur K. & W. verursacht, den die Klägerin (über die U. E. AG) selbst eingeschaltet hatte und für den sie daher nach Art. 3 CMR einzustehen hat. Wenn ein Grenzbüro an einem Wochentag, an dem es normalerweise geöffnet hat, ausnahmsweise schließt, ohne dies seinen Vertragspartnern auch nur vorher mitzuteilen, dann liegen Verzögerungen für LKWs, die an diesem Tag die Dienste des Grenzbüros in Anspruch zu nehmen beabsichtigten, auf der Hand.

Diese Verzögerung war jedoch nicht kausal für den Schaden. Sie betrug genau zwei Tage. Wäre der LKW statt - wie unstreitig ist - am 12.04.2003 um 13 Uhr zwei Tage früher eingetroffen, dann wäre das am 10.04.2003 um 13 Uhr gewesen und damit auch außerhalb der nur bis zum Arbeitsbeginn am 10.04. vereinbarten Lieferfrist. Es ist auch nicht etwa ersichtlich, dass die Verzögerung zwischen Arbeitsbeginn und 13 Uhr durch größere Eile beim Aufbau usw. aufgefangen worden wäre.

b)

Die Verzögerung an der slowakisch-ukrainischen Grenze (04.04. - 08.04.2003) geht auf kein qualifiziertes Verschulden der Klägerin oder ihres Unterfrachtführers zurück.

So, wie die Klägerin die Vorgänge an jener Grenze schildert, fand dort kein qualifiziert schuldhaftes oder auch nur objektiv falsches Verhalten der Frachtführerseite statt. Nach dem Klägervortrag nahm man, nachdem sich gegen 22 Uhr am 03.04.2003 die Konvoiproblematik gezeigt hatte, um 9 Uhr am Freitag, dem 04.04.2003, Kontakt mit der Beklagten auf und versuchte, mittels jeweils abgestimmter Zahlbeträge die Problematik zu vermeiden, was am 07.04.2003 schließlich gelang; anschließend wurden gemäß der gefundenen Lösung die Papiere geändert bzw. neu erstellt, nämlich die "Rechnung/Packliste" durch die Beklagte selbst und die übrigen Dokumente vor Ort durch die Klägerin bzw. von ihr beauftragte Personen oder den Zoll. Es ist nichts ersichtlich, was die Klägerin in dieser Situation hätte anders und besser machen können, um diese Verzögerung zu vermeiden oder auch nur um den halben Tag abzukürzen, dessen es bedurft hätte, damit ohne den qualifiziert verschuldeten Zeitverlust an der Schweizer Grenze (s.o. a)) die Lieferfrist eingehalten worden wäre.

Es ist auch davon auszugehen, dass es sich tatsächlich so verhielt, wie die Klägerin vorträgt. Die Beklagte bestreitet dies nur pauschal, wobei sie angesichts ihrer E-Mail vom 07.04.2003 zugestehen muss, sich mit einer Konvoivermeidungszahlung von 900 $ einverstanden erklärt zu haben, und auf die vorgelegte "Rechnung/Packliste" auf ihrem eigenen Formular überhaupt nicht eingeht. Nachdem die Beklagte unbestritten jedenfalls in die Angelegenheit einbezogen war, hätte sie aber der detaillierten Schilderung der Klägerin ebenso detailliert und konkret entgegentreten müssen.

c)

Andere qualifiziert schuldhafte Handlungen oder Unterlassungen der Klägerseite sind nicht feststellbar.

Ihrer Darlegungsobliegenheit ist die Klägerin nachgekommen. Nach Abzug der beiden von ihr vorgetragenen Verzögerungen - 29./30.03. an der schweizerisch-deutschen Grenze und 04. bis 08.04.2003 an der slowakisch-ukrainischen Grenze - verbleiben an reiner Fahrzeit 8 1/2 Tage, nämlich der 28.03. zur Hälfte, 31.03. - 03.04., der 08.04. zur Hälfte, 09. - 11.04. und der 12.04. zur Hälfte. Dass die Fahrt bei ordnungsgemäßem Verlauf noch weniger als 8 1/2 Tage in Anspruch genommen hätte, behauptet auch die Beklagte nicht. Die beiden genannten Verzögerungen stehen auch im Tatsächlichen fest. Die Verzögerung an der Grenze Schweiz-Deutschland ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Carnet TIR nebst Souches mit den Schweizer und deutschen Zollstempeln vom 31.03. und einem österreichischen Zollstempel vom 01.04.2003 (Anl. K 8, Bl. 53/54); auch das von der Beklagten eingereichte unvollständige Carnet TIR (Anl. B 2, Bl. 29 GA) trägt als Fax-Absendedatum erst den 31.03.2003. Wegen der Verzögerung an der slowakisch-ukrainischen Grenze wird auf oben b) Bezug genommen.

Die weiteren Vorwürfe der Beklagten tragen nicht. So ist nicht ersichtlich, weshalb die behauptete Verwendung eines Zollversandscheins T 1 an der schweizerisch-deutschen Grenze anstelle eines Carnet TIR zu einer weiteren Verzögerung als der an dieser Grenze ohnehin eingetretenen geführt haben soll. Im übrigen trifft es zwar zu, dass in dem am 07./08.04.2003 neu erstellten Frachtbrief (Anl. B 3, Bl. 30 GA) die Angaben aus Spalte 30 des ursprünglichen Frachtbriefs (Anl. B 1, Bl. 28 GA) nicht übernommen wurden, denn sie sind dort nicht vorhanden. Dieser eventuelle Fehler hat sich aber nicht ausgewirkt. Die fraglichen Angaben sind von Bedeutung für die temporäre Eingangsverzollung in Russland, bei der keinerlei Probleme ersichtlich sind; es besteht auch keine zeitliche Lücke im festgestellten Geschehensablauf, die auch nur möglicherweise auf Probleme bei der russischen Eingangsverzollung zurückgeht. Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin die Beklagte über die Änderung der LKW-Nummer von 1 A. auf 1 W in Kenntnis setzte und der russische Empfänger den LKW wegen der geänderten Nummer und/oder der fehlenden Eintragung in der Frachtbrief-Spalte 30 nicht an der Grenze ausfindig machen konnte, denn es ist nicht nachvollziehbar, wie der Empfänger auch bei zügigem Auffinden des LKWs dessen Abfertigung so hätte beschleunigen können, dass er noch rechtzeitig am Veranstaltungsort eingetroffen wäre. Der generelle Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe sich um die ordnungsgemäße Transportorganisation und -abwicklung überhaupt nicht gekümmert, sondern alles ihrem offensichtlich überforderten Unterfrachtführer vor Ort überlassen, ist angesichts des festgestellten Geschehensablaufs ebenfalls unzutreffend.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt (s.o. I. 1. a)).

Streitwert für die Berufungsinstanz: 8.593,81 €

Ende der Entscheidung

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