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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.01.2008
Aktenzeichen: I-18 U 200/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 2 Satz 1
BGB § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. November 2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg (24 O 21/04) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 144.368,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin ist Transportversicherer der C. D. AG in Linden (im folgenden C-GmbH genannt). Im November 2003 beauftragte die C-GmbH die S. Deutschland AG mit der Beförderung einer auf 9 Paletten gepackten Warensendung von Linden zur S. S.A. in Madrid. Die S. AG gab diesen Transportauftrag am 19. November 2003 an die Beklagte weiter. Die Beklagte beauftragte ihrerseits die E. A. S.L. mit der Beförderung. Die E. A. S.L. setzte für diesen Transport eine Sattelzugmaschine mit Planenauflieger ein. Deren Fahrer brachte am 21. November 2003 ein Formular eines CMR-Frachtbriefs zur Ladestelle mit, das er nach den Angaben eines Mitarbeiters der C-GmbH ausfüllte. In der Rubrik über die Art der Warensendung trug er zunächst "PC-Ware" ein. Nach Verladung der neun in schwarze Folie eingeschweißten, 2.780 kg schweren Paletten strich er die Buchstaben "PC" auf dem Frachtbrief durch.

Während des Transports ging die gesamte Warensendung verloren. Als der Fahrer am 25. November 2003 auf dem Speditionsgelände der S. S.A. eintraf und der Planauflieger geöffnet wurde, war der Laderaum des LKW leer. Auf dem Boden des Aufliegers befanden sich Schleifspuren.

Wegen dieses Warenverlusts nimmt die Klägerin die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht der S. Deutschland AG auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin hat behauptet:

Auf den neun Paletten hätten sich 563 TFT - Computerflachbildschirme im Wert von 144.368,- € befunden. Die S. Deutschland AG habe der Beklagten bei Auftragserteilung mitgeteilt, dass es sich bei der Warensendung um Computerkomponenten gehandelt habe.

Die Warensendung sei während des Transports unter Beteiligung des Fahrers gestohlen worden. Nachdem der Fahrer bei der Spedition S. S.A erschienen sei, habe er sofort unter Vorlage einer Diebstahlsanzeige behauptet, die Warensendung sei gestohlen worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 144.368,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet:

Nachdem der Fahrer der E. A. S.L. die Warensendung übernommen habe, sei er zunächst nach Dillenburg gefahren, um dort weitere Ware, nämlich ein Coil im Gewicht von 21.097 kg, aufzunehmen. Am Montag, den 24. November 2003 sei der Fahrer dann gegen 12.45 Uhr an der Entladestelle des Coils in Barcelona eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich die neun Paletten noch auf dem LKW befunden. Auf der Weiterfahrt habe der Fahrer dann von 17.30 Uhr bis 18.15 Uhr in Zaragossa eine Pause eingelegt. Während dieser Rast habe sich der Fahrer in unmittelbarer Nähe zum LKW aufgehalten und habe diesen ständig unter Beobachtung gehabt. Sodann sei er zum unbewachten Parkplatz "Z." bei San Fernando de Henares weitergefahren. Dieser Parkplatz sei beleuchtet gewesen. Auf diesem Parkplatz habe der Fahrer die vorgeschriebene Ruhepause von 23.30 Uhr bis 7.30 Uhr schlafend im LKW verbracht. Während dieser Ruhepause sei die Warensendung aus dem Laderaum des LKW gestohlen worden. Nachdem der Fahrer aufgewacht sei, habe der Fahrer starke Kopfschmerzen verspürt. Deshalb sei zu vermuten, dass der Fahrer von den Dieben durch Einleitung eines Betäubungsgases in die Fahrerkabine außer Gefecht gesetzt worden sei.

Vor der Weiterfahrt habe der Fahrer das Fahrzeug am 25. November 2003 gegen 7.30 Uhr kontrolliert; hierbei sei ihm jedoch nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Gegen 8.00 Uhr sei der LKW auf dem Speditionsgelände der S. S.A. eingetroffen; zu diesem Zeitpunkt sei das Lager noch geschlossen gewesen. Erst als gegen 12.30 Uhr der Laderaum des LKW zwecks Entladung geöffnet wurde, sei der Diebstahl der Warensendung bemerkt worden.

Ihr, der Beklagten, sei der Wert der Warensendung nicht bekannt gewesen, weil die S. AG bei Auftragserteilung hierzu keinerlei Angaben gemacht habe. Hätte sie, die Beklagte, gewusst, um welche Ware es sich handele, hätte sie den Transportauftrag entweder gar nicht angenommen oder sie hätte - gegen Vereinbarung einer höheren Transportvergütung - einen Kofferauflieger mit zwei Fahrern für diesen Transport eingesetzt.

Das Landgericht ist der Auffassung gewesen, der Klägerin stünde nur die Höchstbetragshaftung nach der CMR (8,33 SZR x 2.780 kg) zu. Die Beklage habe den Warenverlust nicht leichtfertig verursacht; dass der Fahrer am Diebstahl der Warensendung beteiligt gewesen sei, stehe nicht fest. Die Klägerin habe auch nicht beweisen können, dass die Beklagte bei Auftragserteilung gewusst habe, dass die zu befördernde Warensendung besonders diebstahlsgefährdet gewesen sei. Diesen Anspruch hat es mit 38.371,81 € berechnet und hat daraufhin der Klage in dieser Höhe nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen.

Hiergegen richten sich die Berufung der Klägerin sowie die Anschlussberufung der Beklagten.

Die Klägerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter.

Sie ist der Auffassung, der Beklagten sei bereits deshalb bekannt gewesen, dass sie eine diebstahlsgefährdete Warensendung zu transportieren habe, weil dem Fahrer gesagt worden sei, dass es sich um PC-Ware handele. Damit ergebe sich bereits aus der Schadensdarstellung der Beklagten, dass sie den Diebstahl leichtfertig verursacht habe, weil der Planen-LKW über Nacht auf einem unbewachten frei zugänglichen Parkplatz ohne Bewachung abgestellt worden sei.

Außerdem sei der von der Beklagten behauptete Schadenshergang nicht bewiesen, so dass auch aus diesem Grund davon ausgegangen werden müsse, dass die Beklagte den Warenverlust leichtfertig verursacht habe.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, weitere 105.996,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils sie, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.783,85 € nebst 5 % Zinsen seit dem 18. Dezember 2003 zu zahlen und die weitergehende Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht sich den Inhalt des landgerichtlichen Urteils zu eigen und tritt der Rechtsauffassung der Klägerin entgegen, wonach ein LKW, in dem der Fahrer schlafe, einem unbewachten LKW gleichzustellen sei.

Weil die S. Deutschland AG sie, die Beklagte, nicht über den hohen Wert der Warensendung aufgeklärt habe, treffe sie ein Mitverschulden an der Schadensentstehung.

Ihre Anschlussberufung stützt die Beklagte darauf, dass das Landgericht die Haftungshöchstgrenze zum maßgeblichen Stichtag (Tag der Urteilsverkündung) falsch berechnet habe. Das Sonderziehungsrecht habe sich an diesem Tag auf 1,1566 € belaufen, so dass das Landgericht lediglich 26.783,85 € hätte zusprechen dürfen; außerdem sei der der Klägerin zustehende Zinsanspruch gemäß Art. 27 Abs. 1CMR auf 5 % beschränkt.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Demgegenüber ist die Anschlussberufung der Beklagten unbegründet. Im Einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte der S. Deutschland AG für den hier in Rede stehenden Warenverlust nach Art. 17 CMR Schadensersatz leisten muss und dieser Schadensersatzanspruch im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen ist.

I.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist jedoch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Beklagte sich nicht auf die in der CMR vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen kann, sondern vielmehr gemäß Art. 29 CMR vollen Schadensersatz leisten muss, weil sie den Warenverlust leichtfertig verursacht hat.

Mithin ist das Klagebegehren in voller Höhe gerechtfertigt.

Gemäß Art. 29 CMR ist von einer leichtfertigen Schadensverursachung des Frachtführers auszugehen, wenn Schadensursache und Schadenshergang im Dunkeln liegen, weil der Frachtführer seiner sogenannten Einlassungsobliegenheit nicht nachgekommen ist.

So liegt im Ergebnis der vorliegende Fall. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Beklagte mit dem von ihr behaupteten Diebstahl der Paletten ihrer Einlassungsobliegenheit genügt hat, obwohl sie es zeitnah nach Aufdeckung des Verlusts unterlassen hat, durch Befragung des Fahrers die Fahrt von der Entladestelle in Barcelona zum Parkplatz bei San Fernando de Henares zu rekonstruieren und sie deshalb nicht plausibel und nachvollziehbar darlegen kann, dass die Warensendung nicht schon auf diesem Streckenabschnitt verloren gegangen sein kann.

Denn im vorliegenden Fall hat die Klägerin sich zu diesem Diebstahl - zulässigerweise - mit Nichtwissen erklärt. Ist - wie hier - der vom Frachtführer geschilderte Schadenshergang streitig, obliegt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats dem Frachtführer, den Schadenshergang zu beweisen, weil er im Streitfall beweisen muss, dass er seiner Einlassungsobliegenheit nachgekommen ist (BGH VersR 1997, 725). Diesen Beweis vermag die Beklagte nicht zu erbringen, weil der von ihr als Zeuge benannte Fahrer unbekannten Aufenthalts ist und daher für eine Aussage nicht zur Verfügung steht. Der Inhalt der vom Fahrer erstatteten Diebstahlsanzeige reicht nicht aus, um dem Senat die sichere Überzeugung zu vermitteln, dass die Warensendung tatsächlich gestohlen worden ist. Vielmehr verbleiben trotz der polizeilichen Anzeige erhebliche Zweifel daran, dass der Fahrer Opfer eines Diebstahls geworden ist. Jede der neun Paletten hatte ein Gewicht von über 300 kg. Die Schleifspuren auf dem Boden des Aufliegers belegen, dass die Paletten über den Boden des Aufliegers bis zu einem Rand des Aufliegers geschoben wurden. Dies muss zwangsläufig so viel Geräusch verursacht haben, dass dem Fahrer diese Aktion selbst dann hätte auffallen müssen, wenn er zu Beginn dieses Verschiebens der Ladung noch im Fahrzeug geschlafen haben sollte. Außerdem ist es nur schwer vorstellbar, dass es den Tätern ohne den Einsatz von Ladehilfsmitteln nur mit Körperkraft gelungen sein könnte, die Paletten vom LKW herunterzuheben und auf die Ladefläche des Täterfahrzeugs zu hieven. Daher verbleiben Zweifel, ob sich nicht der Fahrer am Diebstahl der Warensendung beteiligt hat. Damit bleibt es letztendlich im Dunkeln, wie es während des Transports zum Verlust der neun Paletten gekommen ist.

II.

Schließlich muss sich die Klägerin auch kein Mitverschulden der S. Deutschland AG an der Entstehung des Schadens anrechnen lassen.

Unstreitig hat die S. Deutschland AG der Beklagten bis zum Eintritt des Schadens nicht mitgeteilt, welchen Wert die Warensendung hatte. Damit stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob sich die Klägerin nicht ein Mitverschulden wegen unterlassenen Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden gemäß § 254 Abs. 2 BGB zurechnen lassen muss, denn auch auf Schadensersatzansprüche aus Art. 17 CMR ist § 254 Abs. 2 BGB anzuwenden, sofern - wie hier - die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen, weil sich dann die Schadensersatzansprüche nach dem nationalen, also nach dem deutschen allgemeinen Schadensrecht richten.

Den Versender trifft gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB die allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen, um dem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber Kenntnis davon hatte oder hätte wissen müssen, dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Ein Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) setzt auch nicht die Feststellung voraus, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH, Urteil vom 1.12.2005, Az. I ZR 265/03).

Die Voraussetzung einer ungewöhnlichen Höhe des Schadens lässt sich nicht in einem bestimmten Betrag oder in einer bestimmten Wertrelation angeben. Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, welche Höhe Schäden erfahrungsgemäß - also nicht nur selten - erreichen. Weil die Sicht des Schädigers maßgeblich ist, ist namentlich zu berücksichtigen, in welcher Höhe dieser, soweit für ihn die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition besteht, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und andererseits von vornherein auszuschließen bemüht ist.

Obwohl der Bundesgerichtshof diese Rechtsgrundsätze in erster Linie anhand von Fällen aufgestellt hat, in denen der Frachtführer ein Paketdienst gewesen ist, können sie nicht auf derartige Frachtführer beschränkt bleiben. Hiergegen spricht zum einen der Umstand, dass es kein Sonderfrachtrecht für Paketdienste gibt. Zum anderen ist § 254 Abs. 2 BGB eine Norm des allgemeinen deutschen Schadensrechts, woraus sich ebenfalls zwingend ergibt, dass sich im Schadensfall grundsätzlich jeder Frachtführer auf ein Mitverschulden des Versenders wegen unterlassenen Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden berufen kann.

Demgemäss stellt sich die Frage, ab wann ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, ob also im vorliegenden Fall von einer Hinweispflicht der Versenderin auszugehen ist. Der Senat ist der Auffassung, dass im Rahmen eines Frachtvertrages eine Hinweispflicht des Versenders anzunehmen ist, wenn der Warenwert den 10fachen Schadensersatzbetrag überschreitet, der im Verlustfall nach der gesetzlich vorgesehenen Höchstbetragshaftung beziehungsweise nach der in den Beförderungsbedingungen des Frachtführers ausbedungenen Haftungsbegrenzung geschuldet ist. Diese Wertgrenze beruht auf folgenden Überlegungen:

Bei der Ermittlung der Wertgrenze ist - wie dargelegt - maßgeblich auf die Sicht des Schädigers, mithin auf die Sicht des Frachtführers abzustellen. Sofern der Frachtführer in seinen Beförderungsbedingungen keine Haftungshöchstgrenze vorgesehen hat, muss er demgemäss in jedem Schadensfall damit rechnen, bis zur gesetzlich normierten Haftungshöchstgrenze für den eingetretenen Schaden einstehen zu müssen. Der Senat sieht die Wertgrenze für die Hinweispflicht beim 10fachen Betrag dieser Haftungshöchstgrenze.

Hierfür spricht zum einen, dass auch der Bundesgerichtshof für den eingangs erwähnten Paketdienst eine Hinweispflicht angenommen hat, wenn der Warenwert 5.000,- € überschreitet, wobei er diese Wertgrenze maßgeblich daraus hergeleitet hat, dass der besagte Paketdienst in seinen Beförderungsbedingungen eine Haftungshöchstgrenze von 510,- € vorsieht, sofern nicht die gesetzliche Höchstbetragshaftung über diesem Betrag liegt.

Zum anderen knüpft auch die ADSp in Ziffer 3.6 die Hinweispflicht an den 10fachen Betrag der in Ziffer 23 Nr. 1 ADSp vorgesehenen Haftungshöchstgrenze von 5,- € je kg Rohgewicht. Dieser Regelungszusammenhang lässt zugleich vermuten, dass im Speditionsgewerbe ein Warenwert von etwa dem 10fachen des Haftungshöchstbetrages als ungewöhnlich wertvolle Fracht angesehen wird, so dass davon auszugehen ist, dass aus der Sicht der Frachtführer und Spediteure Transportschäden wegen Warenverlusts regelmäßig nicht höher sind als der 10fache Betrag der gesetzlichen Haftungsbegrenzung.

Ausgehend von diesen Regelungsgrundsätzen bestand im vorliegenden Fall keine Hinweispflicht der Versenderin. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten, in denen eine Haftungshöchstgrenze vorgesehen sein könnte, sind in den zwischen der Beklagten und der S. AG abgeschlossen Frachtvertrag nicht einbezogen worden, so dass im vorliegenden Fall eine Hinweispflicht nach § 254 Abs. 2 BGB erst bestanden hätte, wenn der Wert der Warensendung den 10fachen Haftungshöchstbetrag überschritten hätte, der in der CMR vorgesehen ist. Tatsächlich belief sich der Wert der Warensendung jedoch nur etwa auf das Vierfache dieses Betrages.

III.

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist mit der Schadensregulierung in Verzug geraten, als sie mit Schreiben vom 27. November 2003 ihre Einstandspflicht für den eingetretenen Schaden ernsthaft und endgültig verneint hat.

Der Verzugszinssatz ist nicht gemäß Art. 27 CMR auf 5 % beschränkt, weil diese Regelung gemäß Art. 29 CMR ebenfalls nicht gilt, wenn der Frachtführer den eingetretenen Schaden leichtfertig verursacht hat.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Mit Rücksicht darauf, dass der Bundesgerichtshof bislang noch nicht entschieden hat, wo die Wertgrenze für einen ungewöhnlich hohen Schaden anzusetzen ist, wenn der Frachtführer in seinen Beförderungsbedingungen keine Haftungshöchstgrenze festgesetzt hat, wird die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, weil diese Rechtsfrage für die gesamte Branche von grundsätzlicher Bedeutung ist. Das Speditionsgewerbe wie auch die Versender sind darauf angewiesen, möglichst bald Klarheit darüber zu haben, wann im Regelfall von einem drohenden ungewöhnlich hohen Schaden auszugehen ist und demgemäss dem Frachtführer gemäß § 254 Abs. 2 BGB der tatsächliche Warenwert der Fracht bekannt gegeben werden muss.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 117.584,15 €.

Ende der Entscheidung

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