Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: I-18 U 69/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 167
ZPO § 513 Abs. 2
ZPO § 1070
ZPO § 1070 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.03.2006 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (35 O 68/02) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Firma R., von der die Klägerin ihren Anspruch herleitet, kaufte von der K. in O. M./Niederlande (im folgenden: K.) gemäß deren Rechnung vom 01.05.2000 (Anlage K 3, Bl. 19 GA) 307 Speichererweiterungen zum Preis von 58.766,00 US-$ entsprechend 126.348,90 DM oder 64.600,14 €.

Am 01.05.2000 übergab K. der Beklagten gemäß Luftfrachtbrief Nr. 400.7179 1042 (Anlage K 4, Bl. 20 GA) ein Paket zwecks Transport zur Firma R. in W. Wie immer bei der Beklagten, wurde der Luftfrachtbrief in einer geschlossenen Plastikhülle auf das Paket aufgeklebt; zudem enthielt die Hülle die Rechnung der K. vom 01.05.2000. Ein Paket mit dieser aufgeklebten Plasthülle reiste über die "Station" der Beklagten in O. M. am Flughafen S. von diesem Flughafen aus per Flugzeug bis F. und weiter per Lkw über die "Station" der Beklagten am Flughafen D. zur Firma R., wo es am 02.05.2000 eintraf. Beim Öffnen enthielt es nur 43 Tulpenprospekte einer "H. B. F.". Ebenfalls am 01.05.2000 brachte der niederländische Agent der US-amerikanischen "H. B. F." ein Paket ihrer Prospekte mit der Beklagten auf den Weg vom niederländischen S. nach T./P. Nach den durch Scannung des Paketaufklebers entstandenen Daten im Computersystem der Beklagten traf dieses Paket um 12.04 Uhr in der Station O. M. ein, um 17.01 Uhr wurde ein "Manifest" erstellt, und um 21.13 Uhr verließ das Paket die Station wieder; sein weiterer Verbleib ist nicht bekannt.

Die Beklagte hat ihren Betrieb so organisiert, dass nach menschlichem Ermessen nur Mitarbeiter mit entsprechenden Ausweisen ihre Lager und Stationen betreten können.

Die Klägerin hat behauptet, in dem am 01.05.2000 durch K. übergebenen Paket hätten sich die 307 Speichererweiterungen befunden, die den berechneten Preis wert gewesen seien. Die "Häkchen" auf der Rechnung hinter den Stückzahlen der verschiedenen Artikel habe die Packerin, D. L., angebracht, als sie anhand der Rechnung die Ware verpackt habe. Die Beklagte bzw. ihre Leute hätten durch eine absichtliche oder leichtfertige Handlung den Verlust der Speichererweiterungen herbeigeführt, indem entweder ein Mitarbeiter bei den beiden Paketen den Inhalt der Plastikhüllen ausgetauscht und das Paket mit den Speichererweiterungen an sich genommen habe, oder durch einen groben Verstoß der Beklagten gegen ihre Bewachungspflicht bzw. durch allgemeine Nachlässigkeit und Sorglosigkeit, schließlich auch dann, falls bei unbeabsichtigtem Abreißen, Aufreißen oder Abfallen der Plastikhülle diese ohne Abgleich der Adressen auf das falsche Paket wieder aufgeklebt worden sein sollten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 64.600,14 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13.12.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf gerügt.

Die Beklagte hat behauptet, sie verfüge über ein lückenloses System von Schnittstellenkontrollen, in dem bei der Abholung, dem Ein- und Ausgang in jedem Umschlagslager, zusätzlich innerhalb der Umschlagslager und bei der Auslieferung die Sendungen gescannt würden; mit dem Ausladen von Sendungen aus den anliefernden LKWs seien grundsätzlich mindestens zwei Mitarbeiter befasst; innerhalb der Umschlagslager würden die Sendungen in der Regel in verschließbaren Gitterkäfigen zu und von den Sortierbändern verbracht; die Hallen würden mit Alarmanlagen oder durch Sicherheitsdienste, teilweise zusätzlich per Video, rund um die Uhr bewacht.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 28 Abs. 1 WA 1955, denn die vereinbarte letzte Destination und damit Bestimmungsort i.S. von Art. 1 WA sei ausweislich des Frachtbriefs Düsseldorf, so dass das Landgericht Düsseldorf auch örtlich zuständig sei. Die am 02.05.2000 endende Klagefrist gemäß Art. 29 WA sei durch die Einreichung der Klageschrift an diesem Tag und ihre "demnächst" erfolgte Zustellung gewahrt. Die Klägerin habe durch Vorlage der Lieferrechnung vom 01.05.2000 in Verbindung mit dem Luftfrachtbrief bewiesen, dass sich in der Sendung 307 Speichererweiterungen befanden. Dass kein Lieferschein existiert, sei unschädlich, sondern die Lieferrechnung nebst weiteren Anhaltspunkten für den behaupteten Inhalt genüge. Abgesehen davon, dass es gänzlich gegen die allgemeine Lebenserfahrung sprechen würde, ein Paket statt mit EDV-Zubehör mit Tulpenprospekten zu versenden, ergäben sich solche Anhaltspunkte hier aus dem Gewicht laut Luftfrachtbrief und daraus, dass angesichts der handschriftlichen Häkchen auf der Rechnung diese offenbar mit dem Inhalt der Sendung abgeglichen worden sei. Weil die Beklagte nur allgemein ihre Betriebsabläufe vorgetragen habe, aber nicht die konkreten Abläufe und Kontrollen gerade zum Verlauf der hier interessierenden Sendung, sei davon auszugehen, dass deren Verlust leichtfertig i.S.d. Art. 25 WA verursacht wurde. Der Schaden entspreche dem Betrag der Rechnung vom 01.05.2000.

Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass die Klagefrist des Art. 29 WA nicht gewahrt sei. Das Landgericht habe zu Unrecht den Inhalt der Sendung als erwiesen angesehen, hierfür bestehe mangels eines Lieferscheins kein Anscheinsbeweis. Sie, die Beklagte, habe konkret genug zu ihrer Organisation und zum konkreten Transportverlauf vorgetragen; bei anderer Auffassung habe das Landgericht ihr zumindest einen Hinweis erteilen müssen. Das Landgericht habe die Schadenshöhe nicht aus der Rechnung vom 01.05.2000 entnehmen dürfen, da der Bezug dieses Dokuments auf den fraglichen Transport bestritten gewesen sei und vom Landgericht auch nicht erläutert werde.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und beruft sich zum Paketinhalt nochmals auf das Zeugnis J. L.

Wegen des Sachverhalts im übrigen und der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf das angefochtene Urteil verwiesen sowie auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht als verpflichtet angesehen, der Klägerin für den Verlust des Pakets gemäß Luftfrachtbrief 400-7179 1042 in der zugesprochenen Höhe Schadensersatz zu leisten.

1.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Klagefrist nach Art. 29 WA gewahrt.

a)

Die Einreichung der Klageschrift am 02.05.2002 als dem letzten Tag der Frist war nicht wegen fehlender Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ungenügend.

aa)

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nach Art. 28 Abs. 1 WA gegeben. Der Bestimmungsort, d.h. der vertraglich vorgesehene letzte Landeflughafen, lag in der Bundesrepublik. Die Parteien streiten lediglich darum, ob Frankfurt/Main oder Düsseldorf dieser vertragliche Bestimmungsort war.

bb)

Ob das Landgericht Düsseldorf seine örtliche Zuständigkeit zu Recht oder zu Unrecht bejaht hat, muss dahinstehen. Gemäß § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe.

Diese Bestimmung erfasst nach ihrem Wortlaut die vorliegende Konstellation. Sie muss auch nach ihrem Sinn und Zweck darauf angewendet werden. Hätte das Landgericht Düsseldorf sich für unzuständig gehalten und die Sache gemäß dem hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin an ein anderes deutsches Gericht des ersten Rechtszugs verwiesen oder auch nur formlos dorthin abgegeben, dann hätte die Rückwirkung nach § 167 ZPO (inhaltsgleich schon § 270 Abs. 3 ZPO a.F.) eintreten können (BGH 06.02.1961, BGHZ 34, 230, 234/235; BGH NJW 22.02.1978, NJW 1978, 1058; Stein/Jonas/Roth, § 167 Rdziff. 8; vgl. auch Koller, Transportrecht, Art. 29 WA 1955 Rdziff. 9). Eine solche Verweisung oder Abgabe ist in der Berufungsinstanz nicht mehr möglich. Daher muss es hier auch für die Frage des § 167 ZPO bei der vom Gericht des ersten Rechtszugs angenommenen örtlichen Zuständigkeit bleiben.

b)

Ebenso wenig war die Zustellung der Klage deshalb mit einem Mangel behaftet, weil ihr nicht der Hinweis nach § 1070 Satz 3 ZPO beigefügt war. § 1070 ZPO wurde erst mit Wirkung ab dem 01.01.2004 durch das EG-BeweisaufnahmedurchführungsG eingeführt (BGBl. 2003 I, S. 2166). Die Zustellung an die Beklagte erfolgte aber bereits am 16.08.2002. Das damals für Zustellungen im EG-Ausland geltende EG-ZustellungsdurchführungsG vom 09.07.2001 (BGBl. I, S. 1536) enthielt keine § 1070 Satz 3 ZPO entsprechende Bestimmung. Auch der den deutschen Regelungen zugrunde liegende Art. 8 EGZustellVO (Verordnung (EG) Nr. 1348/2000) verlangt derartiges nicht.

c)

Die Zustellung erfolgte demnächst i.S.d. § 167 ZPO. Insofern kommt es auf die absolute Dauer nicht an (BGH 05.02.2003, VersR 2003, 489; für eine Auslandszustellung schon BGH 07.04.1983, VersR 1983, 831). Entscheidend ist allein, dass der Kläger nicht selbst mehr als nur unwesentliche Verzögerungen verursacht hat, die er bzw. sein Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätte vermeiden können (BGH a a.O. m.w.N.; BGH 01.12.1993, NJW 1994, 1073, 1074). Solche Verzögerungen sind hier überhaupt nicht entstanden.

In diesem Zusammenhang kann der Klägerin zunächst nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie die Klage erst am letzten Tag der Frist einreichte. Dies erlaubt § 167 ZPO gerade. Es kommt auch nicht darauf an, ob die auf den 19.04.2002 datierte Klageschrift an diesem Tag schon fertiggestellt war und hätte eingereicht werden können, oder ob daran noch weiter gearbeitet und nur das Datum nicht aktualisiert wurde (so die Klägerin in erster Instanz) bzw. ob und warum die Abtretungserklärung der Firma R. noch ausstand (so die Klägerin in zweiter Instanz). § 167 ZPO setzt nicht voraus, dass einer früheren Einreichung objektive Hindernisse entgegenstanden.

Eines speziellen Hinweises der Klägerin auf die Notwendigkeit der Auslandszustellung bedurfte es nicht. Diese Notwendigkeit ergab sich ohne weiteres aus der in der Klageschrift angegebenen Adresse der Beklagten. Auch Übersetzungen oder ein Vorschuss dafür waren nicht erforderlich; die Beklagte hat die Zustellung auch ohne dies entgegengenommen.

Weshalb eine Nachfrage der Klägerin zur Beschleunigung beigetragen haben sollte, ist nicht ersichtlich. Ausweislich der Gerichtsakte war die Angelegenheit zu keinem Zeitpunkt in Vergessenheit geraten, sondern wurde Schritt für Schritt bearbeitet.

d)

Schließlich ist am Vorgehen der Klägerin nichts Rechtsmissbräuchliches. Es handelt sich um einen normalen Fall des Gebrauchmachens von der Möglichkeit, die § 167 ZPO einräumt. Insofern besteht insbesondere nicht der von der Beklagten angenommene Unterschied in der ratio zwischen Art. 29 WA und den - von § 167 ZPO ohnehin nicht allein erfassten - deutschen Verjährungsvorschriften. Auch die Verjährung soll den Schuldner vor Beweisproblemen schützen (für alle Palandt-Heinrichs, Überbl v § 194 Rdziff. 8), und das Interesse des Zustellungsadressaten, eine durch Fristablauf erlangte Rechtsposition nicht zeitlich unbegrenzt wieder verlieren zu können, liegt dem "demnächst"-Kriterium allgemein zugrunde (für alle Zöller-Greger, § 167 Rdziff. 1, 10).

2.

Die Berufung wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Landgericht es als erwiesen angesehen hat, dass das Paket bei seiner Übergabe von K. an die Beklagte die in der Rechnung vom 01.05.2000 aufgelisteten 307 Speichererweiterungen enthielt. Das folgt im Wege des nicht erschütterten Anscheinsbeweises aus dem Umstand, dass ein Kaufmann an seinen gewerblichen Abnehmer genau die bestellten und berechneten Waren zu versenden pflegt (für alle BGH 20.07.2006 - I ZR 9/05 -), in Zusammenschau mit den vorhandenen Unterlagen.

a)

Die Situation ist für die Frage des Paketinhalts vergleichbar mit derjenigen, in der eine Sendung ihren Empfänger überhaupt nicht erreicht, und nicht mit derjenigen, in der das aufgegebene Paket seinen Empfänger zwar erreicht, aber nicht den von diesem erwarteten Inhalt hat.

Das bei R. abgelieferte Paket mit den Tulpenprospekten und entsprechendem Aufdruck auch auf dem Außenkarton (s. Foto Anlage K 5, Bl. 21 GA) ist nicht identisch mit dem durch K. aufgegebenen.

Das ist bereits als unstreitig zu betrachten. Die Beklagte hat in erster Instanz zwar von einem etwaigen Verlust der Sendung bzw. einer von der Klägerin geltend gemachten Fehlauslieferung gesprochen, und in der Berufung formuliert sie, die Klägerin habe ein Vertauschen der Sendung behauptet. Ungeachtet dieser vage angedeuteten Zweifel hat sie jedoch klar bestätigt, dass es im vorliegenden Fall zu einem Verlust der streitgegenständlichen Sendung kam, da es offenbar zuvor zu einer Vertauschung der Transportdokumente auf den jeweiligen Packungen kam, um sich sodann ausführlich mit den denkbaren Ursachen eines solchen Vertauschens zu befassen (Klageerwiderung vom 08.10.2002, S. 15 - 17, Bl. 66 - 68 GA).

Im übrigen folgt es zur Überzeugung des Senats aus dem seinerseits unstreitigen Umstand, dass am selben Tag wie das Paket der K. ein Paket eben mit Prospekten der "H. B. F." gleichfalls in die Station O. M. der Beklagten eingeliefert wurde, dessen Spur sich anschließend verliert.

b)

Unter diesen Umständen begründet die als Anlage K 3 (Bl. 19 GA) vorliegende Rechnung vom 01.05.2000 einen Anscheinsbeweis für einen entsprechenden Sendungsinhalt.

aa)

Der Bezug dieser Rechnung gerade zu dem hier interessierenden Paket wurde dadurch hergestellt, dass sie unstreitig zusammen mit dem Luftfrachtbrief in die Plastikhülle eingelegt und auf den Karton geklebt wurde.

Abgesehen davon ergibt sich der Zusammenhang bereits aus dem maschinengeschriebenen Rechnungstext. Die Rechnung stammt von dem selben 01.05.2000, an welchem die Beklagte das Paket übernahm, und sie ist von dem selben Absender (K.) an den selben Empfänger (R.) gerichtet wie dieses. Mehr ist nicht erforderlich. Darüber hinaus findet sich in der rechten Spalte des Rechnungskopfes unter "Via" die Bezeichnung der Beklagten sowie die Nr. 135050644, welche letztere auch links unten im Frachtbrief eingetragen ist.

bb)

Diese Rechnung allein genügt für den Anscheinsbeweis, ohne dass es eines weiteren Dokuments, insbesondere eines Lieferscheins, bedürfte. Es handelt sich nicht um ein rein buchhalterisch erstelltes Papier ohne Verbindung zum Versandvorgang. Vielmehr erfüllte die Rechnung zugleich sämtliche Funktionen eines Lieferscheines.

Alle Angaben, die ein Lieferschein enthalten muss, sind in der Rechnung vorhanden. Ob die handschriftlichen "Häkchen" hinter den Stückzahlen der einzelnen Artikel im Zusammenhang mit dem Packvorgang oder aber erst nachträglich angebracht wurden, ist dabei unerheblich. Auch ein herkömmlicher, als gesondertes Papier ausgefertigter Lieferschein muss nicht zwingend "Häkchen" oder ähnliches enthalten.

Die Rechnung wurde auch unstreitig zusammen mit dem Paket, in einer darauf aufgeklebten Plastikhülle, auf den Weg gebracht.

3.

Der Betrag der Rechnung vom 01.05.2000 ist zugleich ein hinreichendes Indiz für einen damit übereinstimmenden Wert der Ware. Die Beklagte wendet sich hiergegen nur mit dem Argument, dass diese Rechnung nicht auf den fraglichen Transport bezogen werden könne. Das ist aber der Fall, wie oben 2. b) aa) im einzelnen ausgeführt ist.

4.

Dem Landgericht ist schließlich darin zuzustimmen, dass die Beklagte gemäß Art. 25 WA unbeschränkt haftet.

a)

Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Schadensursache zumindest objektiv leichtfertig gesetzt wurde.

aa)

Die Beklagte trägt die sogenannte sekundäre Darlegungslast für die Aufklärung des in ihrem Bereich entstandenen Schadens. Die Annahme einer solchen Darlegungslast des Luftfrachtführers ist kein Zirkelschluss und keine Missachtung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Art. 22 gegenüber Art. 25 WA, sondern die billige Schlussfolgerung aus der anderenfalls bestehenden Beweisnot des Absenders, der in die fraglichen Abläufe keinen Einblick hat (BGH 21.09.2000, TranspR 2001, 29, 33). Offen bleiben kann, ob diese Darlegungslast voraussetzt, dass ein grobes Verschulden des Luftfrachtführers bzw. seiner Leute mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nahe liegt, denn diese Wahrscheinlichkeit ist hier gegeben.

Ein erster Anhaltspunkt liegt bereits in dem Vertauschen der Dokumente auf den beiden Paketen als solchem (s. o. 2. a). Dass dies - versehentlich - schon beim erstmaligen Aufkleben der Hüllen bei der Abholung bzw. Einlieferung geschehen sein könnte, erscheint fernliegend angesichts der weit auseinanderliegenden Zeitpunkte (Eintreffen Speichererweiterungen ca. 16 Uhr, Tulpenprospekte ca. 12 Uhr). Ein ungewolltes Abfallen oder Ab-/Aufreißen beider Versandtaschen, noch dazu ohne auffällige Spuren zu hinterlassen, hält die Beklagte selbst für äußerst unwahrscheinlich. Es bleibt ein absichtliches Vertauschen, was bei entsprechender Sorgfalt auch die Abwesenheit von Spuren zu erklären vermag, in - ein anderer Beweggrund ist nicht ersichtlich - böser Absicht.

Gegen ein bloßes Versehen spricht weiter der Umstand, dass anschließend die beiden Pakete nicht dem jeweils falschen Empfänger zugestellt wurden, sondern das eine (wertvollere) von ihnen vollständig verschwand. Schließlich deuten auch die unstimmigen Scandaten des Speichererweiterungspakets bzw. seines Aufklebers, nach denen dieses um 16.12 Uhr in der Station O. M. angekommen wäre und sie um 16.05 Uhr verlassen hätte, auf eine Manipulation hin.

bb)

Ihre Darlegungslast hat die Beklagte nicht mit ausreichendem Ergebnis erfüllt.

Wie das Landgericht zutreffend festgehalten hat, fehlt es an konkretem Vortrag zu dem betroffenen Paket. Zu seinem Weg und Schicksal hat die Beklagte nichts weiter beigetragen als die in ihrem System gespeicherten Scandaten, die ohnehin schon seit der Klageschrift bekannt waren (Anlage K 8, Bl. 28 GA). Dabei hat sie nicht einmal die unstimmigen Uhrzeiten erläutert oder auch nur plausible Erläuterungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Auf die abstrakte Schilderung der allgemeinen Betriebsorganisation bei der Beklagten kommt es damit nicht mehr an.

b)

Die subjektiven Voraussetzungen des Art. 25 WA sind ebenfalls erfüllt. Auch wenn es sich nicht um einen Diebstahl und damit eine absichtliche Schadenszufügung gehandelt haben sollte, muss doch aus der objektiv leichtfertigen Organisation der Beklagten mit ihrer Unfähigkeit, trotz unstimmiger Daten, die ihr Computersystem offenbar unbeanstandet hingenommen hat, das Schicksal des hier interessierenden Pakets näher aufzuklären, auf ein Bewusstsein vom wahrscheinlichen Schadenseintritt geschlossen werden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 64.600,14 €

Ende der Entscheidung

Zurück