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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: I-2 U 9/05
Rechtsgebiete: StrWG NW, BGB


Vorschriften:

StrWG NW § 9a
StrWG NW § 9a Abs. 1
StrWG NW § 9a Abs. 2
BGB § 286 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 29. November 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer (Einzelrichterin) des Landgerichts Krefeld teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.786,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.763,00 € seit dem 19. März 2003 und aus weiteren 23,00 € seit dem 22. Oktober 2003 zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle zukünftig aus dem Sturz der Klägerin am 16. Januar 2003 vor dem Hause H. S. in K. entstehenden Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche der Klägerin auf dem Ersatz dieser Schäden nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.786,00 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen eines Unfalls vom 16. Januar 2003 in Anspruch.

Sie hat geltend gemacht:

Sie habe an dem genannten Tage gegen 21.30 Uhr aus ihrem Pkw Unterlagen holen und in ihr Haus H. S. in K. bringen wollen. Der Pkw sei vor dem Nachbarhaus H. S. geparkt gewesen. Vor diesem Hause sei der aus Steinplatten bestehende Belag des Bürgersteiges schadhaft gewesen; eine der Bürgersteigplatten habe sich um etwa 3 bis 4 cm über die anderen Platten nach oben verschoben gehabt. Wegen der Dunkelheit und der auf dem Bürgersteig stehenden Pfützen habe sie diese Gefahrenstelle nicht bemerken können. Sie sei daher mit ihrem Schuh an der hochstehenden Platte hängengeblieben und dadurch zu Fall gekommen, wobei sie sich nicht nur eine Platzwunde am Kinn zugezogen habe, sondern auch noch einen komplizierten Bruch des rechten kleinen Fingers. Wegen der erlittenen Verletzungen sei sie in der Zeit bis zum 28. Februar 2003 arbeitsunfähig gewesen. Ihr rechter kleiner Finger sei verdrahtet und ihre rechte Hand sei mit einer Gipsschiene ruhiggestellt worden. Trotz längerer Behandlung einschließlich intensiver krankengymnastischer Übungen sei eine dauernde Funktionsbeeinträchtigung des rechten kleinen Fingers verblieben; deswegen müssten zukünftig weitere Schäden befürchtet werden.

Sie habe wegen ihres Unfalls eine mit der Firma I. I. GmbH vereinbarte Tätigkeit als freie Mitarbeiterin im Zusammenhang mit der Düsseldorfer Messe cpd während des Monats Februar 2003 nicht ausführen können und deswegen eines Verdienstausfall von 3.240,00 € (180 Arbeitsstunden zu je 18,00 €) erlitten. Außerdem habe sie an die chirurgische Praxisklinik Dr. F. und Dr. K. in K., wo sie nach einer Erstversorgung im Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld wegen ihrer Verletzungen behandelt worden sei, für zwei fachärztliche Bescheinigungen je 23,00 € gezahlt.

Ersatzpflichtig für ihre durch den Unfall erlittenen Schäden sei die Beklagte, weil sie es schuldhaft unterlassen habe, den Bürgersteig vor dem Hause H. S. in K. in einen verkehrssicheren Zustand zu versetzen, obwohl sie durch die im Hause H. S. wohnende Zeugin S. in der Zeit vorher mehrfach - zuletzt einige Tage vor dem 16. Januar 2003 - auf die Gefahrenstelle hingewiesen worden sei.

Die - in der ersten Zeit sehr schmerzhaften - Verletzungen, die sie - die Klägerin - bei dem Unfall erlitten habe, und der Umstand, dass ein Dauerschaden an ihrem rechten kleinen Finger verbleiben werde, rechtfertigten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.500,00 €.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie

a) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.500,00 €,

b) einen Betrag von 3.240,00 €

und

c) einen weiteren Betrag von 46,00 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2003 zu zahlen sowie

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die ihr in Zukunft aus ihrem Sturz vom 16. Januar 2003 vor dem Hause H. S. in K. entstehen würden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergingen.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und eingewendet:

Bei von ihr veranlassten mehrfachen Begehungen der H. S. - zuletzt am 8. Januar 2003 - sei ein gefährlicher Zustand vor dem Hause H. S. nicht festgestellt worden; sollte sich dort, wie die Klägerin behaupte, eine Bodenplatte um etwa 3 bis 4 cm gehoben haben, so könne dies ohne weiteres ganz kurz vor dem Unfall durch die Witterung ("Hochfrieren") verursacht worden sein. Im Übrigen sei der behauptete Zustand für die Klägerin bei Anwendung der von ihr zu fordernden Sorgfalt jedenfalls erkennbar gewesen, so dass sie selbst das Verschulden an dem behaupteten Sturz treffe.

Vorsorglich hat die Beklagte auch die Angaben der Klägerin zur Schadenshöhe bestritten.

Das Landgericht - Einzelrichterin - hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil vom 29. November 2004 wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge weiterverfolgt, während die Beklagte um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 22. März 2005 (Bl. 103 f. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 23. Juni 2005 (Bl. 127 bis 134 GA) sowie auf die Niederschrift des Amtsgerichts Krefeld vom 2. September 2005 (Bl. 20 bis 24 des Sonderheftes Rechtshilfe) Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat überwiegend Erfolg, denn die Klage ist bis auf einen kleinen Teil der Zinsforderung begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass diese ihr die Schäden ersetzt, die sie - die Klägerin - aufgrund des Unfalls vom 16. Januar 2003 erlitten hat (§ 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG).

Wie aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht, ist die Klägerin am Abend des 16. Januar 2003 auf dem Bürgersteig vor dem Hause H. S. in K. gestürzt und hat sich dabei verletzt. Dieser Unfall beruhte darauf, dass die Beklagte die ihr gemäß § 9a Abs. 2 StrWG NW obliegende Pflicht verletzt hat, an dieser Stelle den Bürgersteig - als Teil der H. S. - in einem Zustand zu halten, der den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung genügte; die genannte Pflicht obliegt der Beklagten gemäß § 9a Abs. 1 StrWG NW als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit.

Dass die Klägerin unmittelbar vor dem 17. Januar 2003 einen Unfall erlitten hat, bei dem sie sich u.a. einen Bruch des rechten kleinen Fingers zugezogen hat, der zuerst im Krankenhaus M.-H. in K. und anschließend in der chirurgischen Praxisklinik Dr. F. und Dr. K. behandelt worden ist, hat sie durch Vorlage der - hinsichtlich des Datums "17.01.2005" berichtigten - fachärztlichen Bescheinigung des Arztes Dr. K. vom 12. März 2003 (Bl. 44 GA) nachgewiesen.

Der Zeuge L. hat bei seiner Vernehmung vor dem Gericht glaubhaft geschildert, der Unfall habe sich am Abend des 16. Januar 2003 ereignet, als die Klägerin irgendwelche Dinge aus ihrem etwa in Höhe des Hauses H. S. geparkten Auto habe holen wollen. Er - der Zeuge - habe, während er in der Küche Geschirr abgetrocknet habe, durch das Küchenfenster gesehen, wie die Klägerin auf ihrem Rückweg vom Auto in Höhe der Garageneinfahrt zum Hause H. S. gestürzt sei. Er sei dann sofort zur Unfallstelle gegangen und sei dort angekommen, als die Klägerin sich gerade wieder aufgerappelt habe; dabei habe er gesehen, dass sie eine blutige Wunde am Kinn gehabt habe und dass außerdem der rechte kleine Finger erheblich verletzt gewesen sei. Am Tage nach dem Unfall habe er die Unfallstelle noch einmal in Augenschein genommen und die in der Hülle Bl. 16 GA befindlichen Lichtbilder (die die Klägerin mit der Klageschrift überreicht hat) aufgenommen.

Auf diesen Bildern ist anhand des mit abgebildeten Gliedermaßstabes klar zu sehen, dass an einer Stelle, an welcher sich statt einer Bürgersteigplatte eine Füllung aus Bitumenkies befindet, eine der angrenzenden Platten mit ihrer Kante etwa 3,5 cm über die Schicht aus Bitumenkies herausragt, so dass sich eine gefährliche Stolperkante ergibt.

Die Aussage des Zeugen L. ist glaubhaft. Sie deckt sich, was die Art der geschilderten Verletzungen angeht, weitgehend mit dem Inhalt der fachärztlichen Bescheinigung des Arztes Dr. K. vom 12. März 2003 (Bl. 44 GA); soweit es die Schilderung des Zustandes des Bürgersteiges angeht, sprechen für die Richtigkeit seiner Aussage nicht nur die von der Klägerin mit der Klage überreichten Lichtbilder, sondern auch die Aussage der Zeugin S. vor dem Amtsgericht Krefeld. Nach der Schilderung, die der Zeuge L. gegeben hat, erscheint es auch durchaus plausibel, dass er vom Küchenfenster im Hochparterre des Hauses der Klägerin aus - an welchem er zum Zwecke des Geschirrspülens und -abtrocknens stand - über die an der Grundstücksgrenze befindliche, damals etwa 1,50 m hohe Hecke, die durch eine Straßenlaterne (deren Mast auf einem der von der Klägerin überreichten Lichtbilder zu erkennen ist) erleuchtete Unfallstelle beobachten konnte.

An der Glaubwürdigkeit des Zeugen L. bestehen keine Zweifel, auch wenn bei ihm, der nach dem Inhalt seiner Aussage bis etwa November 2002 der Lebensgefährte der Klägerin war und es inzwischen wieder ist, ein persönliches Interesse am Obsiegen der Klägerin bestehen dürfte. Er hat sich aber ersichtlich um eine wahre Aussage bemüht, wie daran erkennbar wird, dass er etwa die Entfernung vom Küchenfenster zur Unfallstelle zuerst deutlich zu hoch (nämlich mit etwa 100 m) angegeben hat, obwohl er eher ein Interesse daran hätte haben müssen, diese Entfernung als möglichst klein zu schildern, weil dann eher zu erwarten war, dass man den Angaben des Zeugen zu seinen Beobachtungen folgen würde. Wie der Zeuge erst später auf Vorhalt des Gerichts (nachdem er die Skizze Bl. 135 GA angefertigt hatte) bekundet hat, beträgt die genannte Entfernung tatsächlich nur etwa 20 bis 30 m, wofür auch die von der Klägerin als Anlage 1 zu ihrem Schriftsatz vom 14. Oktober 2005 überreichten Fotos (Bl. 191 GA) sprechen.

Entsprechend dem Antrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 8. Oktober 2005 die Unfallstelle in Augenschein zu nehmen, um auf diese Weise - so die Beklagte - festzustellen, dass der Bürgersteig vor dem Hause H. S. nicht als besonders gefährlich angesehen werden könne, kommt nicht mehr in Betracht, weil die Beklagte, wie sie nicht bestritten hat, etwa im Oktober 2005 den Bürgersteig in diesem Bereich grundlegend saniert hat, so dass der Zustand der Unfallstelle am Unfalltage durch gerichtlichen Augenschein jetzt nicht mehr feststellbar ist.

Dass am Unfalltag der Bürgersteig an der Stelle, wo die Klägerin gestürzt ist, eine Stolperkante von etwa 3,5 cm aufwies, beruhte auf dem Verschulden der Beklagten. Deren aus § 9a StrWG NW folgende Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. dazu BGH, VersR 1979, 1055 m.w.N.). Zwar erforderte es die genannte Pflicht der Beklagten nicht, den Bürgersteig in einem Zustand zu erhalten, der völlig eben gewesen wäre und damit jegliche Gefährdung ausgeschlossen hätte; zu bedenken ist auch, dass Fußgänger im eigenen Interesse gehalten sind, aufmerksam zu sein und auf die Beschaffenheit des Weges zu achten. Sie brauchen aber nicht mit einer so großen Stolperkante zu rechnen, wie sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 16. Januar 2003 vor dem Hause H. S. bestand; eine Stolperkante von dieser Größe ist deshalb nicht mehr hinnehmbar.

Es ist anerkannt, dass plötzliche Niveauunterschiede von mehr als 2 cm auf Bürgersteigen als so gefährlich anzusehen sind, dass sie nicht mehr zugunsten des Verkehrssicherungspflichtigen toleriert werden können (vgl. etwa OLG Köln, VersR 1992, 355; OLG Hamm, VersR 1988, 467 f.). Grundsätzlich entspricht das auch der Rechtsprechung des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf, der in seiner in VersR 1997, 314 abgedruckten Entscheidung einen um 2,5 bis 2,7 cm nach oben ragenden Verbundpflasterstein ersichtlich nur deswegen nicht als "gefährliche Stelle" (die zum Schadensersatz verpflichtet hätte) angesehen hat, weil der Bürgersteig an der zu beurteilenden Stelle im größeren Umfang diverse Unebenheiten aufgewiesen habe, die für Passanten eine besondere Veranlassung hätten bilden müssen, das vor ihnen liegende Wegestück sehr viel sorgfältiger als sonst in Augenschein zu nehmen. Eine Stolperkante von etwa 3,5 cm, wie sie vorliegend gegeben war, ist danach keinesfalls hinnehmbar.

Es kann auch nicht gesagt werden, der Klägerin als Anwohnerin habe die gefährliche Stelle bekannt sein müssen, so dass sie den Sturz hätte vermeiden können. Es ist nämlich zu bedenken, dass die Klägerin, die nach der Aussage des Zeugen L. am Unfalltage ihr Auto nicht an der gewohnten Stelle abgestellt hatte, sondern verhältnismäßig weit davon entfernt in der Nähe des Hauses H. S., normalerweise auf einem anderen Wege in ihr Haus gelangt ist und daher keine Gelegenheit hatte, die Unfallstelle vorher in Augenschein zu nehmen. Zu bedenken ist des weiteren, dass es zum Unfallzeitpunkt nicht nur dunkel war, sondern dass sich auf der Straße auch Pfützen befanden, die ein Erkennen der Stolperkante zusätzlich erschwerten.

Schließlich steht auch fest, dass die Beklagte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bereits längere Zeit vor dem Unfall der Klägerin die Gefährlichkeit der Stolperkante an der Unfallstelle hätte erkennen und diese Gefahrenstelle hätte beseitigen können und müssen.

Zwar hat der damals als Straßenbegeher für die Beklagte tätige Zeuge D. bei seiner Vernehmung angegeben, er müsse wohl am 8. Januar 2003 die H. S. begangen haben, weil das von der Beklagten vorgelegte Begehungsprotokoll von diesem Tage seinen - des Zeugen - Namen trage; der Umstand, dass in diesem Protokoll ein Mangel der hier in Rede stehenden Art nicht vermerkt sei, spreche dafür, dass er - der Zeuge - einen solchen nicht festgestellt habe. Der Zeuge D. hat aber hinzugefügt, das müsse nicht bedeuten, der Mangel sei bei der von ihm protokollierten Begehung nicht vorhanden gewesen, sondern könne auch darauf zurückzuführen sein, dass der Mangel, obzwar vorhanden, lediglich nicht bemerkt worden sei, weil z.B. ein Auto über der Stelle gestanden habe.

Die von der Klägerin mit ihrer Klage überreichten, nach der glaubhaften Aussage des Zeugen L. am Tage nach dem Unfall, also am 17. Januar 2003 aufgenommenen Fotos sprechen dafür, dass die genannte Stolperkante schon älter war, also nicht erst unmittelbar vor dem 16. Januar 2003 entstanden ist, z.B. durch "Hochfrieren" (wobei die Beklagte selbst nicht vorträgt, in den Tagen kurz vor dem 16. Januar 2003 habe es nennenswert gefroren).

Wie die Zeugin S. glaubhaft bekundet hat, so dass das Gericht ihr folgt, hat sie das Tiefbauamt und auch das Grünflächenamt der Beklagten in der Zeit vor dem Unfall der Klägerin wiederholt darauf aufmerksam gemacht, an der genannten Stelle - vor dem Hause der Zeugin - befänden sich gefährliche Stolperstellen auf dem Bürgersteig, ohne dass die Beklagte ernsthaft Abhilfe geschaffen habe. Die Zeugin S. hat erklärt, das Ausbessern mit "Teer" habe jeweils nur kurzfristig die Stolperstellen beseitigt. Sie - die Zeugin - habe auch "in den Weihnachtsferien" unmittelbar vor dem Unfall der Klägerin - also um die Jahreswende 2002/2003 - bei der Beklagten angerufen und darauf hingewiesen, vor ihrem Hause stünden wieder Bürgersteigplatten hoch; Anlass für dieses Telefonat sei gewesen, dass sie beim Schneeschieben nach dem ersten Schneefall an den Kanten der Platten hängen geblieben sei.

Dann aber wusste die Beklagte nicht nur allgemein, dass der Bürgersteig an der in Rede stehenden Stelle immer wieder gefährliche Stolperkanten aufwies, sondern auch im besonderen, dass ein solcher Zustand Anfang Januar 2003 bestand. Dass sie gleichwohl bis zum 16. Januar 2003 die Gefahrenstelle nicht beseitigt hat, beruhte daher auf ihrem Verschulden.

Angesichts dessen ist die Beklagte der Klägerin zum Ersatz der von dieser aufgrund des Unfalls erlittenen Schäden verpflichtet.

Zu diesen Schäden gehört der Verdienstausfall in Höhe von 3.240,00 €, den die Klägerin dadurch erlitten hat, dass sie im Februar 2003 krankgeschrieben war und daher die bereits vereinbarte Tätigkeit bei der I. I. GmbH in D. (180 Arbeitsstunden zu je 18,00 €) nicht ausüben konnte.

Dass dies so war, hat die Klägerin durch die Bescheinigung der Firma I. I. GmbH vom 10. Februar 2004 (Bl. 18 GA) nachgewiesen. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass ein seriöses Unternehmen wie die Firma I. I. GmbH eine bloße Gefälligkeitsbescheinigung ausgestellt hätte, die inhaltlich unzutreffend gewesen wäre.

Des weiteren umfasst der von der Beklagten zu ersetzende Schaden der Klägerin die Beträge von 2 x 23,00 €, welche die Klägerin an die Praxis Dr. F. und Dr. K. für die von ihr vorgelegten fachärztlichen Bescheinigungen vom 12. März 2003 (Bl. 44 GA) und vom 24. Oktober 2003 (Bl. 10 GA) bezahlt hat, und zwar, wie sich aus den vorgelegten Quittungen ergibt, am 17. März 2003 und am 22. Oktober 2003.

Schließlich kann die Klägerin von der Beklagten auch ein Schmerzensgeld wegen der von dieser schuldhaft verursachten Verletzung ihres - der Klägerin - Körpers und ihrer Gesundheit verlangen (§ 253 Abs. 2 BGB).

Wie die Klägerin durch die Aussage des Zeugen L., durch die Bescheinigungen des Arztes Dr. K. vom 12. März 2003 und vom 24. Oktober 2003 (Bl. 10 und Bl. 44 GA) sowie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg vom 18. Februar 2004 (Bl. 11 GA) nachgewiesen hat, hat sie nicht nur durch den Unfall erhebliche Schmerzen erlitten, sondern vor allem einen Dauerschaden an ihrem rechten kleinen Finger, der, wie das Gericht anlässlich des Beweisaufnahmetermins vom 23. Juni 2005 selbst gesehen hat, deutlich nach oben absteht, so dass die Klägerin ihn allenfalls noch eingeschränkt benutzen kann. Insbesondere kann sie wegen dieser Stellung des Fingers, wie das Gericht von sich aus beurteilen kann, nicht mehr Querflöte und Klavier spielen. Sie hat glaubhaft erklärt, sie habe bis zum Unfalltage beide Instrumente gespielt, und zwar in einem Orchester.

Die genannten Beeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigen ein Schmerzensgeld in der zugesprochenen Höhe von 2.500,00 €.

Damit schuldet die Beklagte der Klägerin folgende Beträge:

 Verdienstausfall: 3.240,00 €
Kosten für ärztliche Bescheinigungen (zusammen): 46,00 €
Schmerzensgeld: 2.500,00 €
 5.786,00 €.

Zinsen aus diesen Beträgen stehen der Klägerin allerdings noch nicht, wie beantragt, ab 20. Februar 2003 zu, sondern erst für eine spätere Zeit.

Die Beklagte ist nicht bereits mit dem Ablauf der in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 7. Februar 2003 (Bl. 13 f. GA) gesetzten Frist (19. Februar 2003) in Verzug geraten. Das Schreiben, mit welchem die Klägerin die Beklagte lediglich aufgefordert hat, ihre Verantwortlichkeit für den Unfallschaden anzuerkennen, ohne aber irgendwelche bezifferten Forderungen zu erheben, kann noch nicht als Mahnung i.S.d. § 286 Abs. 1 BGB angesehen werden.

Verzug ist vielmehr erst am 19. März 2003 eingetreten, dem Tage des Zugangs des Schreibens der Beklagten vom 14. März 2003 (Bl. 15 GA), mit welchem die Beklagte sich ernsthaft und endgültig geweigert hat, den Schaden der Klägerin zu ersetzen (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Erst von diesem Tage an schuldet die Beklagte der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB). Eine Verzinsung des zweiten Betrages von 23,00 € für eine ärztliche Bescheinigung kann die Klägerin allerdings erst ab dem 22. Oktober 2003 verlangen, weil sie, wie sich aus der von ihr vorgelegten Quittung ergibt, ihrerseits den genannten Betrag erst an diesem Tage bezahlt, also erst an diesem Tage insoweit einen Schaden erlitten hat.

Schließlich war auch antragsgemäß die Schadensersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden festzustellen, soweit die entsprechenden Ansprüche der Klägerin nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Klägerin hat an einer solchen Feststellung ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil einerseits angesichts des Zustandes ihres rechten kleinen Fingers mit Folgeschäden zu rechnen ist, andererseits Ansprüche der Klägerin auf Ersatz derartiger Schäden ohne die gerichtliche Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten bereits im Jahre 2006 zu verjähren drohten (§ 195 BGB).

Wie sich aus den Ausführungen zu den Zahlungsanträgen der Klägerin ergibt, ist der Feststellungsantrag begründet, denn die Klägerin kann auch den Ersatz etwaiger Folgeschäden von der Beklagten verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind:

Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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