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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: I-2 U 97/05
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Juli 2005 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,-- Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 500.000,-- Euro.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichen europäischen Patentes 0 538 xxx (Klagepatent, Anlage K 1) betreffend ein Kappaggregat zum Abtrennen von Kantenmaterialüberständen; nachdem sie ihre in der Klagepatentschrift angegebene Firma "H- Maschinenbau GmbH" wie aus dem Rubrum dieses Urteils ersichtlich geändert hatte, ist das Patentregister am 5. April 2004 entsprechend berichtigt worden (vgl. Anlage K 2 S. 2). Aus diesem Schutzrecht nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung der angegriffenen Erzeugnisse und Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und zum Schadenersatz in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist am 24. Oktober 1991 eingereicht und am 28. April 1993 im Patentblatt veröffentlicht worden. Der Hinweis auf die Erteilung des Klageschutzrechtes ist am 21. Juni 1995 im Patentblatt bekannt gemacht worden. Die in diesem Rechtsstreit interessierenden von der Klägerin in Kombination geltend gemachten Patentansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:

1. Kappgerät für Maschinen zur Bearbeitung von geradlinig und fortlaufend bewegten plattenförmigen Werkstücken (W) zum Abtrennen von über die vorderen und hinteren, im wesentlichen quer zur Bewegungsrichtung der Werkstücke verlaufenden Schmalflächen (26, 27) der Werkstücke hinausstehenden Überständen (3, 4) von Kantenmaterial (2), welches an parallel zur Bewegungsrichtung verlaufenden Schmalflächen der Werkstücke angebracht, vorzugsweise angeleimt ist,

- mit jeweils einer mit einem angetriebenen Kappsägeblatt (16 bzw. 17) ausgestatteten Sägeeinheit (28 bzw. 29) für den vorderen (3) und den hinteren Kantenmaterialüberstand,

- je einem Anschlag (20 bzw. 21) für jedes Kappsägeblatt (16 bzw. 17), dessen Anschlagfläche (22 bzw. 23) mit einer Schnittebene des jeweiligen Kappsägeblattes (16 bzw. 17) fluchtet und an der vorderen bzw. hinteren Schmalfläche (26 bzw. 27) der plattenförmigen Werkstücke anlegbar ist,

- einer Schrägführungsanordnung, mit der die Sägeeinheiten (28 bzw. 29) zur Durchführung der Trennschnitte mit dem wirksamen Bereich ihrer Kappsägeblätter von einer Stellung über bzw. unter dem Kantenmaterial

(2) entlang einer schräg zur Werkstückdurchlaufebene verlaufenden Ebene in eine Stellung unter bzw. über dem Kantenmaterial (2) und zurück verfahrbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Schrägführungsanordnung eine einzige Führungsbahn (5) aufweist, an der beide Sägeeinheiten (28 und 29) verfahrbar gelagert sind.

2. Kappaggregat nach Anspruch 1, mit jeweils auf einer Antriebswelle eines Elektromotors (14 bzw. 15) unmittelbar angeordnetem Kappsägeblatt (16 bzw. 17), dadurch gekennzeichnet, dass die Sägeeinheiten (28 und 29) derart an der einzigen Führungsbahn (5) gelagert sind, dass die Kappsägeblätter (16 und 17) dicht aneinander fahrbar und die Elektromotoren (14 und 15) jeweils auf den einander abgewandten Seiten der Sägeblätter angeordnet sind.

Wegen des Wortlauts der nur "insbesondere" geltend gemachten Unteransprüche 3 bis 5 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.

Die nachstehend wiedergegebenen Zeichnungen erläutern die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels; Figur 1 zeigt die Führungsbahn mit den beiden darauf angeordneten Sägeeinheiten und ein durch die Vorrichtung hindurchlaufendes Werkstück mit abzutrennendem Kantenüberstand in Seitenansicht, die Figuren 3 bis 5 das Kappen des vorderen Kantenüberstandes durch die untere und die Figuren 6 bis 8 das Kappen des hinteren Kantenüberstandes durch die obere Sägeeinheit.

In einem von dritter Seite betriebenen Einspruchsverfahren hat das Europäische Patentamt das Klagepatent in vollem Umfang aufrecht erhalten (vgl. die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 4. Dezember 2001, Anlage K 3). Die Klage der Beklagten mit dem Ziel, den deutschen Teil des Klagepatentes für nichtig zu erklären, hat das Bundespatentgericht durch Urteil vom 6. Dezember 2005 (Anlage B&B 2) abgewiesen; gegen diese Entscheidung haben die Beklagten am 20. März 2006 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 19. Juli 2006 (Anl. BB 2) begründet, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht noch aus.

Die in Italien ansässige Beklagte zu 1. stellte dort automatische Kantenleimmaschinen her und lieferte diese an die Beklagte zu 2., die sie in der Bundesrepublik Deutschland anbot und vertrieb; hierzu gehörten Maschinen mit den Bezeichnungen "B1, B2, B3, B4", deren Ausgestaltung sich in den hier interessierenden Einzelheiten aus dem Prospekt der Beklagten zu 1. (Anlage K 6) und den daraus entnommenen nachstehend wiedergegebenen vergrößerten und von der Klägerin mit Bezugsbezeichnungen versehenen Abbildungen gemäß Anlagen K 7 und K 8 ergibt; diese Vorrichtungen entsprechen unstreitig der in den Klagepatentansprüchen 1 und 2 unter Schutz gestellten technischen Lehre.

Die Beklagten haben sich gegenüber dem Vorwurf der Klägerin, das Angebot und der Vertrieb der genannten Kantenleimmaschinen in der Bundesrepublik Deutschland verletze das Klagepatent, auf ein privates Vorbenutzungsrecht der Beklagten zu 1. berufen und zur Begründung ausgeführt, die seit 1990 mit letzterer fusionierte O-Gesellschaft SpA - eine vormalige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. - habe seit 1982 Kappgeräte der Bezeichnung "N 2" (Fotos gemäß Anlagen GKS 6 bis 16 zur Anlage B 3) und ab 1990 solche mit den Bezeichnungen "N 11" und "N 23" hergestellt und vertrieben, von denen jede die Merkmale sämtlicher Klagepatentansprüche verwirklicht habe. Dass beide Sägeeinheiten entsprechend der nachstehend wiedergegebenen Explosionszeichnung (Anlage B 2) von einem gemeinsamen Elektromotor angetrieben worden seien, werde von der Lehre des Klagepatentanspruches 1 mit umfasst. Die O-Gesellschaft SpA habe das Gerät "N 23" im Jahre 1985 auf der Messe LIGNA in Hannover beworben; dabei sei der als Anlage B 7 vorgelegte Katalog verteilt und das Gerät mündlich vorgestellt und erläutert worden.

Durch Urteil vom 12. Juli 2005 hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt und wie folgt erkannt:

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht bei jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an den gesetzlich vertretungsberechtigten Personen der Beklagten, zu unterlassen, ein Kappgerät für Maschinen zur Bearbeitung von geradlinig und fortlaufend bewegten plattenförmigen Werkstücken zum Abtrennen von über die vorderen und hinteren, im wesentlichen quer zur Bewegungsrichtung der Werkstücke verlaufende Schmalflächen der Werkstücke hinaus stehenden Überstände von Kantenmaterial, welches an parallel zur Bewegungsrichtung verlaufenden Schmalflächen der Werkstücke angebracht, vorzugsweise geleimt ist, mit jeweils einer mit einem angetriebenen Kappsägeblatt ausgestatteten Sägeeinheit für den vorderen und den hinteren Kantenmaterialüberstand, je einem Anschlag für jedes Kappsägeblatt, dessen Anschlagfläche mit einer Schnittebene des jeweiligen Kappsägeblattes fluchtet und an der vorderen bzw. hinteren Schmalfläche der plattenförmigen Werkstücke anlegbar ist, einer Schrägführungsanordnung, mit der die Sägeeinheiten zur Durchführung der Trennschnitte mit dem wirksamen Bereich ihrer Kappsägeblätter von einer Stellung über bzw. unter dem Kantenmaterial entlang einer schräg zur Werkstückdurchlaufebene verlaufenden Ebene in eine Stellung unter bzw. über dem Kantenmaterial und zurück verfahrbar sind, anzubieten, zu veräußern, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei der die Schrägführungsanordnung eine einzige Führungsbahn aufweist, an der beide Sägeeinheiten verfahrbar gelagert sind und bei der jeweils auf einer Antriebswelle eines Elektromotors unmittelbar ein Kappsägeblatt angeordnet ist, wenn die Sägeeinheiten derart an der einzigen Führungsbahn gelagert sind, dass die Kappsägeblätter dicht aneinander fahrbar und die Elektromotoren jeweils auf den einander abgewandten Seiten der Sägeblätter angeordnet sind;

2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter I. 1 bezeichneten Handlungen für die Zeit seit dem 28. Mai 1993 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der Angabe a) der Mengen der erhaltenen oder bestellten Kappaggregate sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der vorstehend unter I.1 beschriebenen Erzeugnisse, b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen nebst Produktbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen nebst Produktbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, d) der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, e) des durch die in I.1 beschriebenen Handlungen erzielten Gewinns unter Aufschlüsselung der Gestehungskosten sowie sonstiger Kostenfaktoren, wobei diese Angaben nur für die Zeit ab dem 21. Juli 1995 zu machen sind. 3. die in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter I.1 beschriebenen Kappaggregate auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden und zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt, das die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen verpflichtet sind,

1. an die Klägerin für die unter I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 28. Mai 1993 bis zum 20. Juli 1995 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen; 2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser seit dem 21. Juli 1995 durch die in I.1. bezeichneten und begangenen Handlungen entstanden ist und zukünftig entstehen wird.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die gewerbliche Nutzung der angegriffenen Kappgeräte sei nicht durch ein privates Vorbenutzungsrecht gerechtfertigt. Zum einen sei weder erkennbar noch hinreichend substantiiert dargelegt, dass ein etwaiger Erfindungsbesitz im Inland betätigt worden sei. Ob der Prospekt gemäß Anlage B 7 in Deutschland auf der Messe LIGNA verteilt worden sei, gehe aus dessen Inhalt nicht hervor; auch hätten die Beklagten nicht ausreichend substantiiert - und im übrigen ohne Beweisantritt - vorgetragen, welche N-Maschinen in welcher Anzahl ausgestellt gewesen seien, welche Mitarbeiter auf der Messe anwesend gewesen und beispielhaft, welche Angebots- oder Verkaufsgespräche mit wem dort geführt worden seien. Abgesehen davon habe die angebliche Vorbenutzungsform einen gemeinsamen Antriebsmotor für beide Sägeblätter aufgewiesen, während die in der Kombination der Ansprüche 1 und 2 unter Schutz gestellte Vorrichtung für jede der beiden Sägeeinheiten einen eigenen Elektromotor vorsehe. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie führen zur Begründung aus, die im Geltungsbereich des deutschen Patentgesetzes stattgefundenen Vorbenutzungshandlungen seien zwar nicht näher belegbar, die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage rechtfertigten aber in jedem Fall die Aussetzung der Verhandlung. Auch die Kombination der Patentansprüche 1 und 2 durch eine Verbindung der auch offenkundig vorbenutzten N-Maschinen insbesondere mit der aus der deutschen Offenlegungsschrift 27 21 xxx (Entgegenhaltung D 3 im Nichtigkeitsverfahren = Anlage GKSS 31) bekannten Vorrichtung habe nahe gelegen. Das habe das Bundespatentgericht verkannt.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten zu 1. erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten und den Aussetzungsantrag zurückzuweisen.

Im übrigen verteidigt sie das landgerichtliche Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht sie antragsgemäß wegen Verletzung des Klagepatentes verurteilt, weil sie die angegriffenen und unstreitig der in den Patentansprüchen 1 und 2 unter Schutz gestellten technischen Lehre entsprechenden Kantenleimgeräte in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben haben, ohne dazu berechtigt zu sein. Eine Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeit des deutschen Teils des Klagepatentes kommt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Nichtigkeitsberufung nicht in Betracht.

1. Das Klagepatent betrifft ein Kappgerät zum Abtrennen von Kantenmaterialüberständen, das die den Oberbegriff des Klagepatentanspruches 1 bildenden Merkmale 1, 1a und b, 2, 3, 3a und b und 4 der nachstehenden Merkmalsgliederung aufweist.

Kappaggregate der hier in Rede stehenden Art trennen Überstände auf die Schmalseiten rechteckiger Holzplatten aufgebrachten Kantenmaterials an der Plattenvorder- und/oder Hinterkante ab. Die "beschichteten" Holzplatten werden hierzu eben auf ein Förderorgan aufgelegt und so an dem Kappgerät vorbeigeführt, dass der Überstand zunächst an der Vorder- und sodann an der Hinterkante abgetrennt wird. Das Abtrennen erfolgt mit Hilfe zweier Kreissägen, deren jeweilige Schnittebene senkrecht bzw. quer zur Förderrichtung ausgerichtet ist. Zur Bearbeitung der Vorder- und der Hinterkante ist jeweils eine besondere Kreissäge vorgesehen. Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt (Spalte 1, Zeilen 33 bis 51), bestehen die Schrägführungsanordnungen für die Sägeeinheiten bekannter Kappaggregate aus zwei separaten, meist sogar voneinander getrennten Führungseinheiten für jede der beiden Sägeeinheiten. Die bekannten Führungseinheiten in Form von Säulenführungen laufen entweder nach oben aufeinander zu (sog. Spitz-Anordnungen), nach oben auseinander (sog. V-Anordnungen) oder parallel zueinander (sog. Parallel-Anordnungen); zu letzterer Gruppe gehört auch die im Nichtigkeitsverfahren erörterte aus der deutschen Offenlegungsschrift 27 21 xxx (Anl. GKSS 31 zur Anl. BB 1) bekannte Vorrichtung (vgl. BPatG, a.a.O., S. 8 bis 10), deren Figur 3 nachstehend wiedergegeben ist.

Weiterhin sind Führungsanordnungen bekannt, die als Parallelogrammführung (hierzu gehört die in der Klagepatentbeschreibung einleitend erwähnte aus dem deutschen Gebrauchsmuster 73 15 xxx [Anlage K 4] bekannte Vorrichtung) oder als sog. Waagerecht-Doppelstangenführungen ausgebildet sind. Diese bekannten Kappaggregate haben je zwei Sägeeinheiten mit jeweils einem eigenen Motor (vgl. BPatG, a.a.O., S. 6 Abs. 1).

An diesen bekannten Schrägführungsanordnungen bemängelt die Klagepatentbeschreibung, sie benötigten aufgrund der Unterteilung in getrennte Führungseinheiten verhältnismäßig viel Platz, was technisch aufwendig und fertigungstechnisch teuer sei (Spalte 1, Zeilen 52 bis 58).

Die Aufgabe (das technische Problem) der Erfindung besteht darin, ein Kappaggregat der eingangs beschriebenen Art so weiter zu bilden, dass ohne funktionelle Nachteile bei technisch einfachem Aufbau eine kompaktere Konstruktion erzielt wird (Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 1 bis 5; BPatG, a.a.O., S. 6 Abs. 3; Technische Beschwerdekammer, a.a.O., S. 5, Abs. 1).

Zur Lösung dieser Aufgabe soll das in den kombiniert geltend gemachten Patentansprüchen 1 und 2 umschriebene Kappgerät folgende Merkmale aufweisen:

1) Es ist bestimmt für Maschinen zur Bearbeitung geradlinig und fortlaufend bewegter plattenförmiger Werkstücke (W), und zwar

a) zum Abtrennen über die vorderen und hinteren, im wesentlichen quer zur Bewegungsrichtung der Werkstücke verlaufende Schmalflächen (26, 27) der Werkstücke hinaus stehender Überstände (3, 4) von Kantenmaterial (2),

b) welches an parallel zur Bewegungsrichtung verlaufenden Schmalflächen der Werkstücke angebracht, vorzugsweise angeleimt ist;

2) es ist versehen mit jeweils einer mit einem angetriebenen Kappsägeblatt (16 bzw. 17) ausgestatteten Sägeeinheit (28 bzw. 29) für den vorderen (3) und den hinteren (4) Kantenmaterialüberstand,

a) wobei die Kappsägeblätter unmittelbar jeweils auf einer Antriebswelle eines Elektromotors (14 bzw. 15) angeordnet und

b) die Sägeeinheiten derart an der an der einzigen Führungsbahn (5) gelagert sind, dass die Kappsägeblätter dicht aneinander fahrbar und die Elektromotoren jeweils auf den einander abgewandten Seiten der Sägeblätter angeordnet sind;

3) es ist weiterhin versehen mit je einem Anschlag (20 bzw. 21) für jedes Kappsägeblatt,

a) dessen Anschlagfläche (22 bzw. 23) mit einer Schnittebene des jeweiligen Kappsägeblattes fluchtet

b) und an der vorderen bzw. hinteren Schmalfläche der plattenförmigen Werkstücke anlegbar ist.

4) Das Kappgerät weist einer Schrägführungsanordnung auf, mit der die Sägeeinheiten zur Durchführung der Trennschnitte mit dem wirksamen Bereich ihrer Kappsägeblätter von einer Stellung über bzw. unter dem Kantenmaterial entlang einer schräg zur Werkstückdurchlaufebene verlaufenden Ebene in eine Stellung unter bzw. über dem Kantenmaterial und zurück verfahrbar sind;

5) die Schrägführungsanordnung weist eine einzige Führungsbahn (5) auf, an der beide Sägeeinheiten verfahrbar gelagert sind.

Wesentlich für die in dieser Merkmalskombination beschriebene Erfindung ist es nicht nur, anstelle der bisher benötigten zwei Führungseinheiten eine einzige vorzusehen, sondern auch, beide Sägeeinheiten derart zu gestalten, dass sie ohne funktionelle Beeinträchtigung an der einzigen Führungsbahn verfahrbar sind (Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 12 bis 18; BPatG, a.a.O., S. 6 Abs. 4). Vorhanden sein müssen also eine Führungsbahn und zwei Sägeeinheiten, nämlich eine für den Vorderkanten- und eine weitere für den Hinterkantenschnitt (vgl. Technische Beschwerdekammer, a.a.O., S. 5 Abschnitt 3.3; BPatG, a.a.O., S. 9 Abs. 4 am Ende). Diese aus dem Stand der Technik bekannte Verwendung zweier Sägeeinheiten will das Klagepatent ersichtlich beibehalten. Das ist nicht nur Gegenstand des Merkmals 5 der vorstehenden Merkmalsgliederung, das den kennzeichnenden Teil des Klagepatentanspruches 1 wiedergibt, sondern auch der Oberbegriff des Anspruches 1 setzt zwei Sägeeinheiten voraus, indem das Merkmal 2 jeweils eine Sägeeinheit für den vorderen und dem hinteren Kantenmaterialüberstand vorgibt und Merkmal 4 eine Schrägführungsanordnung verlangt, an der die Sägeeinheiten (Plural) verfahrbar sein sollen.

Ob aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmanns - eines Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Maschinenbau, der über Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion von Holz- und Kunststoffbearbeitungsmaschinen verfügt (vgl. BPatG, a.a.O., S. 6 Abs. 5; Technische Beschwerdekammer, a.a.O., S. 5 Abs. 3.2) - schon Anspruch 1 die Lehre enthält, dass die an einer einzigen Führungsbahn angeordneten Sägeeinheiten mit jeweils einem eigenen Antriebsmotor für das jeweilige Kappsägeblatt sowie einem daran angepassten Anschlag ausgestattet sein müssen und unabhängig voneinander fahrbar gelagert sind, wie das Bundespatentgericht meint (Anlage B&B 2, S. 6/7), kann hier auf sich beruhen. Denn die von der Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Kombination der Klagepatentansprüche 1 und 2 lehrt in den Merkmalen 2a und 2b zweifellos und unstreitig eine solche Ausgestaltung. Maschinen, die nur eine einzige Sägeeinheit mit zwei stets gemeinsam verfahrbaren und von einem gemeinsamen Motor angetriebenen Kappsägeblättern aufweisen, entsprechen dieser technischen Lehre nicht. Jedes Kappsägeblatt muss erfindungsgemäß ohne funktionelle Beeinträchtigung der anderen Einheit verfahrbar sein, nämlich dann und nur dann, wenn es gerade benötigt wird. Insoweit betreffen die Erläuterungen der Klagepatentbeschreibung in Spalte 4, Zeilen 32 bis 44 und in Spalte 5 Zeile 10 bis Spalte 6, Zeile 10 nicht nur Besonderheiten des Ausführungsbeispiels, sondern beziehen sich auch allgemein auf dasjenige, was die Klagepatentschrift mit Verfahrbarkeit ohne funktionelle Beeinträchtigung meint. Zwei nur gemeinsam verfahrbare Kappsägeblätter beeinträchtigen sich gegenseitig dadurch, dass beide stets zusammen bewegt werden müssen, auch wenn nur eines von ihnen in Funktion treten soll, und beide Kappsägeblätter, wenn ein Kantenschnitt absolviert ist, aus ihrer normalen Arbeitsbahn ausgerückt, nach oben verbracht und wieder eingerückt werden müssen. Die jeweils nicht benötigte Sägeeinheit muss stets mitfahren und steht während dieser Bewegung für einen Schnitt nicht zur Verfügung.

2. Dass die angegriffenen Kappaggregate der von der Klägerin geltend gemachten Anspruchskombination wortsinngemäß entsprechen, ist auch in der Berufungsinstanz nicht in Abrede gestellt worden, und ein privates Vorbenutzungsrecht haben die Beklagten im Berufungsverfahren nicht mehr für sich in Anspruch genommen, so dass sich insoweit nähere Ausführungen erübrigen.

3. Nachdem das Bundespatentgericht in seinem Urteil vom 6. Dezember 2005 das Klagepatent in vollem Umfang aufrecht erhalten hat, besteht keine Veranlassung, die Verhandlung im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit auszusetzen und das Ergebnis des Nichtigkeitsberufungsverfahrens abzuwarten. Die Berufungsbegründung der Beklagten enthält nichts, was abweichend von der Einschätzung des Landgerichtes die Prognose einer ausreichend hohen Erfolgswahrscheinlichkeit stützen könnte. Anlass zu einer Aussetzung könnte nur dann bestehen, wenn die Nichtigerklärung des deutschen Teils des Klagepatentes im Umfang der Kombination der geltend gemachten Patentansprüche 1 und 2 nicht nur möglich erscheint, sondern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Auslegung der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre und die Würdigung des entgegengehaltenen Standes der Technik durch das Bundespatentgericht lassen nicht nur keine offensichtlichen Mängel erkennen, sondern erscheinen dem Senat zutreffend.

a) Dass die Neuheit der hier schutzbeanspruchten Merkmalskombination in Abrede gestellt werden soll, ist der Berufungsbegründung im Nichtigkeitsverfahren nicht zu entnehmen (vgl. Anlage BB 2, S. 25 ff.). Die nach dem streitigen Vorbringen der Beklagten offenkundig vorbenutzten N-Maschinen haben statt zweier Sägeeinheiten nur eine einzige mit zwei von einem gemeinsamen Motor angetriebenen Kappsägeblättern, wovon auch die Nichtigkeitsberufung ausgeht (Anlage BB 2, S. 25). Die bereits erwähnte Offenlegungsschrift 27 21 918 offenbart für jede der beiden Sägeeinheiten eine eigene Führungseinheit, was der dortige Anspruch 1 mit der Vorgabe einer separaten Halterung auf einem gemeinsamen (beide Führungseinheiten enthaltenden, vgl. a. Fig. 3 in Verbindung mit S. 8, 11 und 12 [handschr.]) Gestell zum Ausdruck bringt. Zwar lässt Anspruch 1 die Art und Weise, wie die Sägeeinheiten geführt werden, offen; dass aber nur an jeweils eine eigene Führungseinheit für jede Sägeeinheit und nicht an eine einzige Führungsbahn für beide Einheiten gedacht ist, zeigt neben der Vorgabe "separat" in Anspruch 1 auch die Beschreibung S. 15 (handschr.) in Absatz 2, wo als weitere Ausführungsmöglichkeiten ausschließlich solche mit zwei Führungseinheiten in Erwägung gezogen werden. Auch das stellen die Beklagten nicht in Abrede.

Die deutsche Offenlegungsschrift 20 12 xxx (Anlage GKSS 32 zur Anlage BB 1) ist vom Bundespatentgericht ebenfalls zutreffend, auf keinen Fall aber offensichtlich fehlerhaft gewürdigt worden. In der Tat offenbart sie zwar eine einzige Führungseinheit für beide Sägeeinheiten, aber diese Führungseinheit ist keine Schrägführung, wie sie das Klagepatent lehrt, sondern eine Waagerecht-Doppelstangenführung. Zu einer ähnlichen Bewertung der beiden entgegen gehaltenen Druckschriften ist auch bereits die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in ihrer im Einspruchsverfahren ergangenen Entscheidung vom 4. Dezember 2001 (Anlage K 3, S. 5 bis 7, Abschnitte 3.3 bis 3.6) gelangt.

b) Die zur Erkennung der für einen Patentschutz erforderlichen Erfindungshöhe beruht auf einer wertenden Entscheidung, die grundsätzlich nicht in der Kompetenz der Verletzungsgerichte liegt. Auch wenn es darum geht, eine solche von den zuständigen fachkundigen Stellen getroffene Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie voraussichtlich vom zuständigen Rechtsmittelgericht bestätigt wird oder nicht und ob mit Rücksicht auf das zu erwartende Ergebnis die Verhandlung im Verletzungsrechtsstreit ausgesetzt werden muss, hat sich der Verletzungsrichter Zurückhaltung aufzuerlegen. Insbesondere muss vermieden werden, dass im Rahmen der Entscheidung über die Aussetzung die Erfindungshöhe aufgrund einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der patentierten technischen Lehre in Zweifel gezogen wird. Das gilt insbesondere dann, wenn diejenigen fachkundigen Instanzen, denen im Erteilungs-, Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren die Beurteilung der Erfindungshöhe obliegt, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen sind, es lasse sich nicht eindeutig feststellen, dass der Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann die angegriffene technische Lehre dargelegt habe.

So verhalten sich die Dinge auch hier.

Die aus der deutschen Offenlegungsschrift 27 21 xxx bekannte Vorrichtung mit der nach dem Vorbringen der Beklagten offenkundig vorgenutzten N-Maschine zu kombinieren, ergibt für den Durchschnittsfachmann keinen Sinn, weil er dann eine Vorrichtung erhielte, die nur eine Sägeeinheit mit zwei Sägeblättern, dafür aber zwei Führungseinrichtungen aufwiese, von denen eine überflüssig ist. Der auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von den Beklagten vorgetragene Gedanke, die beiden Sägeeinheiten der aus der Offenlegungsschrift bekannten Vorrichtung auf der einen Führungseinheit der N-Anlagen so anzubringen, dass die Sägeblätter einander zu- und die Motoren voneinander abgewandt sind, und die nicht benötigte Schrägführungseinrichtung wegzulassen, erfordert, wie nicht zuletzt auch die Berufungsbegründung im Nichtigkeitsverfahren zeigt, eine erhebliche Anzahl konstruktiver Schritte und lässt sich nur bei einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis des Klagepatentes mit der Entgegenhaltung in Verbindung bringen. Der entgegen gehaltene Stand der Technik enthält für den Durchschnittsfachmann keine entsprechenden Hinweise. Eine Kombination der aus der deutschen Offenlegungsschrift 20 12 115 bekannten Vorrichtung mit der N-Maschine oder dem Gegenstand der erwähnten Offenlegungsschrift 27 21 xxx lag, wie das Bundespatentgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat (a.a.O., S. 10/11) am Prioritätstag nicht nahe und beruht wiederum auf einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung.

Schließlich lässt sich eine Aussetzung auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, sofern der vorliegende Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelange, sei ohnehin zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof mit Rücksicht auf das dort schwebende Nichtigkeitsberufungsverfahren eine Aussetzung anordne. Die Entscheidung des erkennenden Senats über die Aussetzung muss auch berücksichtigen, dass der ohnehin zeitlich begrenzt verliehene patentrechtliche Ausschließlichkeitsschutz nicht durch eine großzügige Aussetzungspraxis entwertet werden darf und dass die Ausschließlichkeitsrechte des Patentinhabers grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse des als Verletzer in Anspruch Genommenen und Verurteilten haben, nicht durch ein nichtiges Patent in seiner gewerblichen Tätigkeit behindert zu werden, solange sich die Möglichkeit einer Nichtigerklärung nicht zu einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit konkretisiert hat. Das gilt in besonderem Maße, wenn - wie hier - die Übereinstimmung des angegriffenen Gegenstandes mit der patentgeschützten Lehre eindeutig feststeht und das Klageschutzrecht bereits mehreren Rechtsbehelfen standgehalten hat. Auch wenn die Klägerin bereits vor dem Landgericht einen vollstreckbaren Titel erstritten hat, geht in solchen Fällen ihr Interesse vor, diesen Titel im Berufungsverfahren bestätigen zu lassen und daraus unter den für ein Berufungsurteil geltenden erleichterten Voraussetzungen vollstrecken zu können.

Ende der Entscheidung

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