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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: I-22 U 115/06
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB, HGB


Vorschriften:

VOB/B § 17
VOB/B § 17 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B § 17 Nr. 8
VOB/B § 17 Nr. 8 Ziff. 2
BGB § 242
BGB § 291
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 631 Abs. 1
HGB § 355
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.9.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um die Auszahlung von Sicherheitseinbehalten für vier Projekte. Die Klägerin führte über mehrere Jahre für die Beklagte in größerem Umfang Rohbauarbeiten an verschiedenen Bauvorhaben aus. Die Beklagte leistete dabei für die jeweiligen Bauvorhaben Akontozahlungen. Nach Beendigung eines Bauvorhabens erstellte die Beklagte eine als "Anerkennung der Schlusszahlung" bezeichnete Abrechnung. Die zu den Akten gereichten Abrechnungen weisen teilweise als Gegenrechnungen bezeichnete Abzugspositionen auf. Sie benennen weiter den jeweils einbehaltenen Sicherheitsbetrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Abrechnungen (GA 50-57) Bezug genommen. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin für vier dieser Bauvorhaben die Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes. Es handelt sich dabei um die Bauvorhaben W.-W., PN 495, Q., PN 513, Bauvorhaben KITA, PN 738 und Bauvorhaben K.-P., PN 740 (GA 50, 51, 53, 55). Die Klägerin berechnet dabei ihre Forderung in der Weise, dass sie einen in den Rechnungen als von ihr auszuzahlenden Restbetrag von dem einbehaltenen Sicherheitsbetrag abzieht. Daraus ergeben sich für die genannten Bauvorhaben Einzelbeträge von 41.401,47 DM, 4.135,45 DM, 7.966,04 DM und 45.565,61 DM, insgesamt somit 99.068,57 DM (= 50.652,96 €). Das ist der Betrag der Klageforderung, der vom Rechenwerk her zwischen den Parteien unstreitig ist.

Die Parteien haben bereits unter dem Aktenzeichen 10 O 67/04 vor dem Landgericht Mönchengladbach einen Prozess geführt, in dem die Klägerin für das Bauvorhaben K.-P., Projekt-Nr. 737, die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts begehrt hat. Die Parteien schlossen dort einen Vergleich und vereinbarten, hinsichtlich der weiteren Sicherheitseinbehalte eine außergerichtliche Einigung zu versuchen. Sie verhandelten in der Folgezeit über die Auszahlung von Sicherheitseinbehalten aus insgesamt acht Bauvorhaben (vgl. GA 50 ff.). Für alle Bauvorhaben ist die Gewährleistungsfrist abgelaufen. Die Beklagte hat für keines dieser Bauvorhaben, auch wenn zu ihren Gunsten aufgrund von Gegenrechnungen ein Zahlungsbetrag ausgewiesen war, diesen - abgesehen von der Erteilung der Abrechnung selbst - eingefordert. Ebensowenig hatte die Klägerin, abgesehen von der nunmehrigen Verfolgung der Auszahlung des Sicherheitseinbehalts, versucht, die sich ohne Berücksichtigung der Gegenrechnung der Beklagten ergebenden Restbeträge ihres Werklohnanspruches durchzusetzen. Dabei handelt es sich nach der Berechnung der Klägerin um einen Betrag in Höhe von insgesamt 136.308,03 € (vgl. GA 39). Nach der Berechnung der Beklagten ergibt sich bei Berücksichtigung aller acht Bauvorhaben zu ihren Gunsten ein Guthaben in Höhe von 5.038,52 € (vgl. GA 46). Die vorprozessualen Verhandlungen der Parteien führten zu keinem Ergebnis.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, sie könne nunmehr die Sicherheitseinbehalte entsprechend ihrer Abrechnung für die vier Bauvorhaben verlangen. Die Beklagte könne gegen diese Forderung nicht mit Forderungen aus anderen Bauvorhaben aufrechnen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.652,96 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Aufrechnung mit angeblichen Gegenansprüchen in Höhe von 108.863,72 DM erklärt (GA 30). Sie berechnet diesen Betrag aus den Bauvorhaben Burscheid, Projekt-Nr. 512, P., Projekt-Nr. 739, P., Projekt-Nr. 740 4. Bauabschnitt sowie Bauvorhaben R.-Straße, Projekt-Nr. 527 (vgl. die Abrechnungen GA 54), in der Weise, dass sie den in den dortigen Abrechnungen zu ihren Gunsten ausgewiesenen Restbetrag unter Abzug der jeweiligen Sicherheitseinbehalte zugrundelegt. Daraus ergibt sich der zur Aufrechnung gestellte Betrag. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin könne nicht isoliert die Auszahlung der Sicherheitseinbehalte für die Bauprojekte verlangen, für die sich unter Abzug der Gegenrechnungen ein Guthaben ergibt. Aus den restlichen Bauvorhaben ergebe sich eine Überzahlung der Klägerin, so dass eine Gesamtschau und Aufrechnung sämtlicher Gegenforderungen aus den diversen Bauvorhaben erforderlich sei. Die Beklagte hat behauptet, dass die gesamte Geschäftsverbindung der Parteien von der Vereinbarung getragen gewesen sei, dass nach Ablauf der Gewährleistungsfrist zu den jeweiligen Bauvorhaben eine Verrechnung erfolgen sollte. Die Verrechnung sollte die Forderungen der Klägerin einerseits und die Gegenforderungen der Beklagten andererseits vollständig erfassen. Sie sei nicht auf bestimmte Bauvorhaben beschränkt gewesen. Sie ist der Ansicht, dies ergebe sich indiziell daraus, dass sie die Rückforderung der nach ihrer Abrechnung überbezahlten Beträge nicht sofort nach Anerkennung der Schlusszahlung geltend gemacht habe.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin und eines Geschäftsführers der Beklagten, Herrn W. O.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28.8.2006 (GA 90 ff.) Bezug genommen.

Mit seinem am 14.9.2006 verkündeten Urteil hat das Landgericht Mönchengladbach - Einzelrichterin - der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 50.652,96 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2005 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Das Bestehen und die Höhe der geltend gemachten Ansprüche sei zwischen den Parteien unstreitig, ebenso, dass die Gewährleistungsfrist von fünf Jahren abgelaufen sei und die Ansprüche auf Auszahlungen des Sicherheitseinbehalts zum jetzigen Zeitpunkt fällig seien.

Die Beklagte könne jedoch nicht in zulässiger Weise mit angeblichen Gegenansprüchen aus den übrigen Bauvorhaben gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin aufrechnen. Bei den Sicherungseinbehalten handele es sich um solche i.S. des § 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B. Derartige Einbehalte dienten dem Auftraggeber als Sicherheit während der Gewährleistungsdauer, so dass die Sicherungsabrede in der Regel einem konkreten Sicherungsobjekt zugeteilt sei. Auch aus den vorgelegten "Anerkennungen der Schlussrechnung" für die jeweiligen Projekte sei ersichtlich, dass eine Beschränkung der Berechnung und Verrechnung der jeweiligen Ansprüche und Gegenansprüche auf die jeweiligen Bauvorhaben Grundlage gewesen sei. Es sei von dem Regelfall auszugehen, dass der Gewährleistungseinbehalt der Sicherung der Gewährleistungsansprüche aus einem bestimmten Bauvorhaben dienen solle. Aus diesem Grunde sei die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass zwischen den Parteien eine Vereinbarung dahingehend bestanden habe, dass nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine vollumfängliche Verrechnung aller Sicherheitseinbehalte und sonstiger Forderungen und Gegenforderungen vorzunehmen sei. Dieser Beweis sei ihr nicht gelungen. Der Geschäftsführer N. habe bekundet, er habe von einer entsprechenden Kontokorrentenvereinbarung nichts gehört. Der Geschäftsführer O. habe im Rahmen seiner Vernehmung zwar bekundet, dass die Beklagte es mit der Klägerin im Rahmen ihrer langjährigen Geschäftsbeziehungen immer so gehandhabt habe, dass die jeweiligen Sicherheitseinbehalte aufgrund einer Kontokorrentenvereinbarung verrechnet würden. Diese Aussage sei aber in sich nicht schlüssig. Eine entsprechende Kontokorrentenvereinbarung ergebe sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, die fehlende Geltendmachung überzahlter Beträge spreche für eine umfassende Verrechnung. Dafür könne es auch andere Gründe geben.

Gegen dieses der Beklagten am 28.9.2006 zugestellte Urteil hat sie mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 19.10.2006 eingegangenen Schriftsatz die Berufung eingelegt und sie mit einem am 21.11.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klageziel, gerichtet auf Klageabweisung, weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ist die Beklagte der Auffassung, das Urteil des Landgerichts leide an Rechtsfehlern. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestehe ein Aufrechnungsverbot nicht. Die Zuordnung von geleisteten Zahlungen und Gegenrechnungen zu den jeweiligen Bauvorhaben sei bereits aus rein buchhalterischer Sicht sinnvoll, sie lasse nicht den Rückschluss zu, dass eine Verrechnung nur innerhalb des jeweiligen Projektes habe stattfinden sollen. Das Landgericht habe auch verkannt, dass die Beweislast für eine fehlende Verrechnungsvereinbarung nicht bei ihr, sondern bei der Klägerin liege. Die Möglichkeit einer Aufrechnung sei der Regelfall, so dass die Klägerin für das Vorliegen eines Aufrechnungsverbotes beweisbelastet sei. Aus der vom Landgericht vorgenommenen Beweisaufnahme ergebe sich jedoch nicht, dass eine fehlende Verrechnungsvereinbarung als erwiesen anzusehen sei. Ein Aufrechnungsverbot ergebe sich insbesondere nicht aus Treu und Glauben, vielmehr sei es der Klägerin gem. § 242 BGB verwehrt, sich auf eine etwaiges Aufrechnungsverbot zu berufen. Sie habe sich treuwidrig verhalten, weil sie die Beklagte in dem Glauben gelassen habe, sie habe keine Bedenken gegen eine projektübergreifenden Verrechnung, sich aber nunmehr darauf berufe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 14.9.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach als zutreffend. Insbesondere ist sie der Ansicht, die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass eine Verrechnungsvereinbarung bestehe, da diese für sie günstig sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 17.11.2006 (GA 117 ff.) sowie auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 15.12.2006 (GA 133 ff.) Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht aus § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. der Sicherungsabrede ein Zahlungsanspruch für Sicherungseinbehalte in Höhe von 50.652,96 € aus den Projekten W.-W., PN 495, Q., PN 513, KITA, PN 738 und K.-P., Bauabschnitt 1, PN 740 zu.

I. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der klägerische Anspruch der Höhe nach richtig berechnet ist und sich aus den vier genannten Bauprojekten ergibt. Ebenso ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Gewährleistungsfrist von fünf Jahren mittlerweile abgelaufen ist und die Ansprüche auf Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes grundsätzlich zum jetzigen Zeitpunkt fällig sind.

II. Die Beklagte kann gegen diesen Auszahlungsanspruch nicht mit angeblichen Forderungen in Höhe von 108.863,72 DM aus den Bauvorhaben Burscheid, Projekt-Nr. 512, P., K-Straße, Projekt-Nr. 739, P., K-Straße, Projekt-Nr. 740 4. Bauabschnitt und Bauvorhaben R.-Straße, Projekt-Nr. 527 aufrechnen.

1. Die sich aus den genannten Bauvorhaben nach den Abrechnungen zugunsten der Beklagten ergebenden Restbeträge sind nicht unstreitig. Der von der Beklagten berechnete, zu ihren Gunsten anfallende Restbetrag beruht zu einem ganz erheblichen Teil auf "Gegenrechnungen", die nicht näher spezifiziert sind und bei denen es sich vermutlich auch um Gewährleistungsansprüche handeln soll. Dabei sind die Abrechnungen der Beklagten in gewisser Weise irreführend. Die als auszuzahlender Restbetrag bezeichnete Summe ergibt sich nur, wenn der Sicherungseinbehalt hinzugesetzt wird. Die Berechnung der Beklagten ist allerdings rechnerisch zutreffend, da sie den Sicherheitseinbehalt von dem auszuzahlenden Restbetrag wieder in Abzug bringt. Ihre so berechnete Forderung beruht daher zum einen auf tatsächlich rechnerisch gegebenen Überzahlungen, die beispielsweise bei der Abrechnung des Bauvorhabens K.-P., K-Straße, Bauabschnitt 2, PN 739 den Betrag von 10.199,72 DM beinhaltet (Abrechnungssumme abzügl. Skontoabzug, abzügl. der weiteren Abzüge 5 bzw. 5,5 % auf die Finanzamtszahlung, daraus resultiert ein Betrag von 357.170,28 DM als rechnerisch geschuldeter Betrag, der somit die geleisteten Zahlungen überschreitet). Überzahlungen aus den genannten Bauprojekten können daher allenfalls insoweit als unstreitig angesehen werden, als sie nicht auf Gegenrechnungen, sondern als auf tatsächlich zuviel geleisteten Zahlungen beruhen. Die Überzahlungen erreichen jedoch in keinem Fall die jeweils einbehaltenen Sicherheitsbeträge. Bei der Abrechnung Bauvorhaben R.-Straße, PN 527 besteht rechnerisch - ohne Berücksichtigung der Gegenrechnungen - keine Überzahlung, sondern ein offener Rechnungsbetrag in Höhe von 13.702,02 DM.

2. Die Beklagte kann mit den aus den genannten Bauvorhaben von ihr so errechneten, zu ihren Gunsten ausfallenden Forderungen nicht gegen Ansprüche aus Sicherheitseinbehalten der Klägerin aus anderen Bauvorhaben aufrechnen. Das gilt sowohl, soweit die Beklagte ihre Forderung materiell mit Ansprüchen aus Gegenrechnungen begründet als auch für Zahlungsansprüche, die sich aus rechnerisch feststehenden Überzahlungen ergeben. Die Auffassung des Landgerichts, vorliegend sei eine Berücksichtigung der Sicherheitseinbehalte nur innerhalb der jeweiligen Projekte möglich, ist zutreffend.

a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Sicherungsabrede bei einem Gewährleistungseinbehalt regelmäßig nur die Sicherung des konkreten Bauvorhabens beinhaltet. Dabei sind sich die Parteien einig, dass vorliegend ein Sicherheitseinbehalt nach § 17 VOB/B erfolgt ist. Bereits die Formulierung des § 17 Nr. 8 VOB/B legt nahe, dass Sicherheitseinbehalte grundsätzlich zunächst nur innerhalb eines Bauprojektes verwertbar sind. Da der Sicherungseinbehalt im Rahmen der Abrechnung der Bauprojekte erfolgt ist, handelt es sich um einen Gewährleistungseinbehalt i.S. des § 17 Nr. 8 Ziff. 2 VOB/B in der Fassung von 2002. Die Neufassung ist dabei mit der alten Fassung des § 17 Nr. 8 VOB/B, der auf die vorliegenden Verträge Anwendung findet, vergleichbar. Danach war eine Sicherheit zum vereinbarten Zeitpunkt, jedoch spätestens nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Gewährleistung zurückzugeben. Damit war die Pflicht zur Rückgabe der Sicherheit an die Verjährungsfrist des jeweiligen Bauvorhabens geknüpft. Eine Änderung im Rahmen der neuen VOB/B ist nur deshalb erfolgt, weil die Gewährleistungsfrist auf vier Jahre verlängert wurde und die Auffassung des Gesetzgebers war, dass ein derart langer Einbehalt wirtschaftlich eine zu starke Belastung für den Auftragnehmer darstellt. Insbesondere aus der alten Fassung des § 17 Nr. 8 VOB/B ergibt sich daher, dass die Regelung grundsätzlich davon ausgeht, dass nach Ablauf der Gewährleistungsfrist für das jeweilige Bauprojekt die Sicherheit zurückzugeben bzw. der Sicherungseinbehalt auszuzahlen ist. Damit ist sie vom Grundsatz her projektbezogen angelegt. Aus diesem Grunde wird auch in der Literatur davon ausgegangen, dass die Sicherheitsleistung grundsätzlich nur Ansprüche abdeckt, die sich auf Mängel des Bauwerkes beziehen (vgl. W./Pastor, Bauprozess, 11. Aufl., Rdnr. 1254 für die Gewährleistungsbürgschaft), mithin nicht zur Zurückhaltung wegen anderer Ansprüche berechtigen (so ausdrücklich unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Dresden - IBR 2002, 252 - Ingenstau/Korbion/Joussen, 15. A., § 17 Nr. 1 VOB/B Rdnr. 7). Deutlich wird dieser Grundsatz auch bei den Kommentierungen zur Erfüllungsbürgschaft ausgesprochen (vgl. Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, § 17 Rdnr. 225; W./Pastor, Bauprozess, 11. Aufl., Rdnr. 1253). Der zugrundeliegende Gedanke ist in beiden Fällen, dass die Belastung für den Auftragnehmer, der die Sicherheit zu stellen hat, insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Dauer der Inanspruchnahme aus der Sicherheit, begrenzt werden soll. Diese Überlegung gilt gleichermaßen für die Vertragserfüllungssicherheit wie auch für die Gewährleistungssicherheit, die letztlich eine Ergänzung für solche Mängelansprüche, die nach Abnahme auftreten, darstellt, im übrigen aber vergleichbare Sicherungsaspekte verfolgt.

Auch der Bundesgerichtshof hat, allerdings für die Erfüllungsbürgschaft, ausgeführt, dass die Aufrechnung nur im Rahmen der Sicherungsabrede zulässig ist. Dabei hat er insbesondere betont, dass die ursprüngliche Sicherungsabrede in ihrer Wirkung nicht durch einseitige Erklärung erweitert werden darf (BGH NJW 1999, 55, 57).

Das Oberlandesgericht Dresden hat entschieden, dass der Gewährleistungseinbehalt ausschließlich auf die Sicherung der Gewährleistungsansprüche desselben Bauvertrages beschränkt ist und daher eine Aufrechnung des Sicherungsnehmers mit Ansprüchen aus anderen Bauvorhaben nicht möglich ist (OLG Dresden, IBR 2002, 252; offengelassen: Thüringer Oberlandesgericht, IBR 2006, 392).

Die vom Oberlandesgerichts Dresden vertretene Rechtsansicht ist zutreffend. Der Senat schließt sich ihr an. Für eine entsprechende Auslegung der Abrede eines Gewährleistungseinbehalts spricht dabei insbesondere, dass diese vorliegend und auch regelmäßig für jedes einzelne Projekt gesondert vereinbart wird. Der Umstand, dass eine solche Sicherheit, soweit sie nicht durch Einbehalt geleistet wird, häufig durch Bürgschaft erfolgt, die dann konkret auf das Bauprojekt bezogen ist, zeigt, dass auch die Baupraxis davon ausgeht, dass eine solche Sicherheit regelmäßig nur für Ansprüche aus dem konkreten Bauprojekt dient. Das legt auch, wie bereits dargelegt, die Formulierung des § 17 Nr. 8 VOB/B nahe. Für den Auftragnehmer ist dabei zu berücksichtigen, dass er insbesondere im Falle sich ausweitender Vertragsbeziehungen nicht mehr überblicken kann, zu welchem Zeitpunkt ein Sicherheitseinbehalt tatsächlich zur Auszahlung gelangen wird. Dadurch wird, anders als vorgesehen, der Gewährleistungseinbehalt dann nicht mehr mit Ablauf der Gewährleistungsfrist bzw. nach VOB/B nach Ablauf von zwei Jahren zur Auszahlung fällig, sondern zu einem unbestimmten Zeitpunkt. Letztlich wird dadurch für den Auftraggeber auch, jedenfalls dann, wenn seine Gewährleistungsansprüche niedriger ausfallen als durch die jeweilige Bürgschaft abgesichert, insgesamt eine Erhöhung des Sicherheitseinbehalts erreicht für die verbleibenden Projekte und Abrechnungen. Das zeigt, dass regelmäßig die Sicherungsabrede dahin geht, dass von dem Einbehalt nur im Rahmen des jeweiligen Bauprojektes Gebrauch gemacht werden kann.

b) Es bestehen keine Gesichtspunkte, die vorliegend gegen die so regelmäßig bestehende Sicherungsabrede beim Gewährleistungseinbehalt sprechen. Insbesondere spricht der Umstand, dass die Beklagte für einzelne Projekte nicht auf Auszahlung des ihr nach ihrer Berechnung zustehenden Betrages aus der Abrechnung gedrungen oder ggf. geklagt hat, nicht für eine anderweitige Abrede oder ggf. sogar eine Kontokorrentenvereinbarung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gegenrechnungen der Beklagten nicht unstreitig waren. Das hat auch der Geschäftsführer der Klägerin in seiner Vernehmung bestätigt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass tatsächlich geleistete Überzahlungen - ohne Berücksichtigung der Gegenrechnungen - und auch Beträge darüber hinaus durch den jeweiligen Sicherheitseinbehalt abgedeckt waren. Die Beklagte wusste daher, dass sie in diesem Umfang von dem Sicherheitseinbehalt Gebrauch machen konnte, mithin echte Überzahlungen abgesichert waren. Beide Parteien waren sicherlich auch an einer unbelasteten Fortführung der Geschäftsbeziehung interessiert. Insoweit ist nicht fernliegend, dass beide Parteien es hinnahmen, dass - abhängig von der jeweiligen Sichtweise - ihnen noch Zahlungen aus den jeweiligen Bauvorhaben zustanden, sie diese aber nicht einfordern wollten. Es ist eine Möglichkeit, dass die Beklagte auf einer Auszahlung einzelner, nach ihrer Meinung ihr zustehenden Guthaben verzichtet hat, weil sie wusste, dass die "Überzahlungen" im wesentlichen auf ihren Gegenrechnungen beruhten und sie hinsichtlich tatsächlich geleisteter Zahlungen ausreichend gesichert war. Gerade bei solchen "Gegenrechnungen" sind oft Zweifel an ihrer vollständigen Berechtigung angebracht oder werden jedenfalls von der anderen Partei erhoben. Die Beklagte hat insoweit auch nicht im einzelnen dargelegt, welchen Inhalt denn die "Gegenrechnungen" haben. Auch das spricht dafür, dass sie selbst insoweit von einer schwachen Position hinsichtlich der Berechtigung dieser Rechnungen, jedenfalls in vollem Umfang, ausging. Dabei hat auch die Klägerin Restwerklohnforderungen aus einzelnen Abrechnungen verjähren lassen, was nahe legt, dass beide Parteien insoweit keine vollständige Abrechnung vornehmen wollten.

Das lässt allerdings nicht den Schluss zu, dass die Parteien von einer umfassenden Möglichkeit der Verrechnung der Sicherheitseinbehalte ausgegangen sind. Die Abrechnungen der Beklagten nehmen, soweit sie Nachforderungen ausschließen, den Sicherheitseinbehalt ausdrücklich aus der Vereinbarung heraus. Die Beklagte wusste daher, dass der Sicherheitseinbehalt nach Ablauf der Gewährleistungsfrist zurückgefordert werden kann. Auch das Argument der Beklagten, die Klägerin könne sich insoweit die "Rosinen" herauspicken, ist bei einer Gesamtbetrachtung nicht stichhaltig. Wie dargelegt, bestanden grundsätzlich auch einzelne Abrechnungsverhältnisse, die nach klägerischer Ansicht zu weiteren Werklohnforderungen berechtigt hätten (vgl. GA 39). Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei, dass die als "Anerkennung der Schlusszahlung" bezeichneten Schreiben der Beklagten recht detailliert eine Abrechnung vornehmen und dabei insbesondere sich auch zum Sicherheitseinbehalt äußern, gleichwohl einen Hinweis auf eine umfassende Aufrechnungsmöglichkeit oder eine Kontokorrentabrede nicht enthalten. Es wäre jedenfalls nicht fernliegend gewesen, im Zusammenhang mit dem Sicherheitseinbehalt auf eine solche Abrede hinzuweisen, insbesondere dann, wenn dies der regelmäßigen, ggf. auch gegenüber anderen Firmen vorgenommenen Handhabung entspricht. Der Text ist insoweit formularmäßig, so dass ohne weiteres eine grundsätzliche Ergänzung um eine solche Klausel hätte aufgenommen werden können. Weniger aussagekräftig ist jedoch die Argumentation des Landgerichts, für die einzelnen Projekte seien Abrechnungen erfolgt. Auch im Rahmen einer Kontokorrentvereinbarung oder umfassenden Sicherungsabrede ist es zweckmäßig, solche Einzelabrechnungen zu erstellen, um nicht den Überblick zu verlieren. Insgesamt jedoch ist die Wertung des Landgerichts, vorliegend sei eine Aufrechnung mit Ansprüchen aus anderen Bauvorhaben nicht möglich, zutreffend.

3. Die Beklagte hat eine anderweitige Sicherungsabrede, insbesondere auch eine Kontokorrentvereinbarung nach § 355 HGB, nicht bewiesen.

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beweislast insoweit bei der Beklagten liegt. Dabei ist die Ausgangsüberlegung der Beklagten, grundsätzlich sei bei Schuldverhältnissen die Möglichkeit einer Aufrechnung gegeben, zutreffend. Dementsprechend liegt im Rahmen gesetzlicher Aufrechnungsverbote regelmäßig die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der entsprechenden Tatbestände bei demjenigen, der sich auf den Aufrechnungsausschluss beruft (vgl. Palandt/Grüneberg, 66. Aufl., § 393 Rdnr. 5; BGH NJW 1994, 252, 253). Dabei trägt auch im Rahmen der Verteidigung mit einem sich aus Treu und Glauben resultierenden Einwand grundsätzlich der Begünstigte für die abweichende Rechtsfolge die Beweislast (MüKo Roth, 4. Aufl., § 242 Rdnr. 69). Davon zu unterscheiden ist jedoch der vorliegende Fall. Da regelmäßig der Gewährleistungseinbehalt auf das Objekt bezogen ist, muss der Auftraggeber, will er von diesem Grundsatz Abweichendes geltend machen, eine entsprechende andere Sicherungsabrede oder sonstige Vereinbarung darlegen und ggf. hinweisen.

b) Gegen die Feststellung des Landgerichts, getroffen auf der Grundlage der vorgenommenen Beweisaufnahme, dass eine solche gesonderte Abrede oder Kontokorrentvereinbarung nicht bewiesen wurde, bestehen keine Bedenken. Das Landgericht hat die Aussagen der beiden Geschäftsführer umfassend gewürdigt und die Bewertung auch unter Einbeziehung der feststehenden Tatsachen vorgenommen. Es hat dabei durchaus erkannt, dass die Aussage des Geschäftsführers der Klägerin zwar insoweit auch nur begrenzt ergiebig war, als dieser nicht genau schildern konnte, bei welchen Bauvorhaben Auszahlungen des Einbehaltes erfolgt waren. Auf der anderen Seite hat der Geschäftsführer eindeutig die Frage nach einer Kontokorrentvereinbarung verneint und auch durchaus nachvollziehbar erläutert, dass bei ein oder zwei einzelnen Bauvorhaben der Sicherheitseinbehalt bereits vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zur Hälfte ausgezahlt wurde (GA 95). Daher steht nach Auffassung des Senats sogar positiv fest, dass eine Kontokorrentvereinbarung nicht getroffen wurde und die Parteien letztlich von einer projektbezogenen Abrechnung ausgingen. Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich das Beweisergebnis im Hinblick auf die von ihm für maßgeblich gehaltene Beweislastverteilung dahinstehen lassen. Es hat dabei insbesondere die Aussage des Geschäftsführers der Beklagten als nicht schlüssig bzw. nicht überzeugend bezeichnet. Diese Wertung ist nachvollziehbar, weil der Geschäftsführer der Beklagten insbesondere keine plausible Erklärung dafür abgeben konnte, dass er zwar einerseits ausgesagt hat, dass mit Firmen, mit denen längere Zeit zusammengearbeitet wurde, es üblich war, eine solche Kontokorrentvereinbarung zu schließen (GA 92). Andererseits konnte er keine Erklärung dafür geben, dass dieses Argument nicht bereits im Vorprozess eingeführt worden war. Auch im übrigen war seine Erinnerung an die wichtige Kontokorrentvereinbarung nur sehr schwach. So konnte er nicht sagen, von wem die Vereinbarung ausgegangen ist (GA 93). Im Hinblick auf die Ausführlichkeit der Schlussrechnungsprüfung, verbunden mit eigener Berechnung, ist auch sein Einwand, man habe eine ganze Menge nicht schriftlich fixiert, nicht nachvollziehbar.

4. Es ist nicht treuwidrig, dass die Klägerin sich auf die Sicherungsabrede beruft. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sie im Glauben ließ, sie habe keine Bedenken an einer projektübergreifenden Verrechnung. Dabei ist bereits der Ausgangspunkt, die Klägerin habe während der Geschäftsbeziehung erhebliche Vorteile aus dieser Handhabung gehabt (GA 127), so nicht zutreffend. Wie dargestellt, konnte auch die Klägerin der Auffassung sein, dass ihr aus den von der Beklagten getätigten Abrechnungen noch Ansprüche zustehen. Die Beklagte musste damit rechnen, dass die Klägerin nach Ablauf der Gewährleistungsfristen die Sicherheitseinbehalte verlangt, zumal diese ausdrücklich auf den Schreiben der Beklagten als ausgenommen von einer Nachforderung bezeichnet wurden. Nach diesen Schreiben musste zwar die Klägerin ggf. bei vorbehaltsloser Annahme der Schlusszahlungen davon ausgehen, keine Nachforderungen erheben zu können, gleichermaßen durfte sie aber davon ausgehen, die Sicherheitsleistung einfordern zu können. Das war der Beklagten, die die Schreiben selbst verfasst hat, bekannt. Insbesondere sind die Zeitabläufe auch nicht so, dass die Klägerin längere Zeit von einer Rückforderung der Sicherheitsbeträge abgesehen hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zunächst die Gewährleistungszeit von fünf Jahren ablaufen musste. Die Schlussrechnungen, die Gegenstand der Klage sind, beziehen sich auf Abrechnungen Ende 1998 bzw. bis Mai 1999. Vor Ende 2003 war daher ohnehin keiner der Sicherheitseinbehalte zur Auszahlung fällig. Bereits 2004 hat die Klägerin dann in einem Verfahren den Anspruch auf Auszahlung erhoben, wobei das weitere Abwarten darauf zurückzuführen ist, dass die Parteien außergerichtliche Vergleichsverhandlungen führten.

5. Der Zinsanspruch ist aus den §§ 291, 288 Abs. 2 BGB begründet. Die Zustellung der Klage erfolgte am 12.12.2005 (GA 18).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.652,96 €.

Ende der Entscheidung

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