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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.11.2005
Aktenzeichen: I-22 U 80/05
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B, BGB


Vorschriften:

ZPO § 139
VOB/B § 13 Ziff. 7 Nr. 1
VOB/B § 17 Nr. 8 Abs. 2
BGB § 273
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 19.4.2005 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung eines für die Behebung von Baumängeln erbrachten Kostenvorschusses.

Die Parteien schlossen mit Datum vom 1. Mai 1992 einen Bauvertrag, der die Herstellung eines Industriefußbodens für das Bauvorhaben "Einkaufszentrum C., Baumarkt" zum Gegenstand hat (Bl. 51 f. GA). Die Parteien haben die Geltung der VOB/B vereinbart. Die Beklagte war an diesem Vorhaben als Generalunternehmerin für eine R. R. D. GmbH & Co. C. Liegenschafts KG (im folgenden: R. R.) tätig. Nach Abnahme des Bauvorhabens im August 1992 rügte die Beklagte Mängel des Industriefußbodens. Auf ihren Antrag hin wurde ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt. Im Anschluss an das selbständige Beweisverfahren erhob die Beklagte im April 1998 Klage auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der Mängel des Bodens (11 O 48/98, LG Cottbus). Das Verfahren wurde in die Berufung geführt, am 3.9.2002 erging ein Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, das rechtskräftig ist (Bl. 19 ff. GA). Durch das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts wurde die Klägerin verurteilt, 43.510,94 € nebst 5 % Zinsen seit dem 18.4.1998 zu zahlen. Weiter wurde festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten die Aufwendungen zu ersetzen, die durch die fachgerechte Beseitigung der am Bodenbelag des Baumarkts im Einkaufszentrum H.-J.-A., C., festgestellten Mängel (Risse in der Bodenplatte - ausgenommen sog. Craquelérisse, Kantenausbrüche im Bereich von Fugen und Rissen, an der Oberfläche liegenden Stahlfasern der Bewährung, Löcher infolge von sog. Fremdeinschlüssen durch Holz- und Kohlestücke im Beton) sowie eine Imprägnierung der gesamten instandgesetzten Fußbodenfläche mit Epoxidharz und deren Versiegelung - ebenfalls mit Epoxidharz - unter Zusatz einer Pigmentpaste künftig entstehen werden.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf das zu den Akten gereichte Urteil (Bl. 19 ff. GA) Bezug genommen. Die Beklagte hatte bereits auf der Grundlage des erstinstanzlichen Urteils im Wege der Pfändung von der Klägerin insgesamt 80.503,55 € erhalten. Aufgrund des Urteils des Brandenburgischen Oberlandesgerichts erfolgte eine Abrechnung, der Beklagten verblieben an Vorschuss und den daraus anfallenden Zinsen entsprechend der Entscheidung des Oberlandesgerichts 52.430,69 €.

Die Bauherrin, die R. R., nahm ihrerseits im Juli 1998 im Klagewege die Beklagte wegen der Mängel des Fußbodenbelages sowie weiterer, nicht mit der Leistung der Klägerin in Zusammenhang stehenden Werkmängel in Anspruch. Die Klage, die zunächst jedenfalls auch auf Zahlung eines Kostenvorschusses gerichtet war, ist vor dem Landgericht Wuppertal anhängig (Az. 12 O 96/98, LG Wuppertal). Mit Beschluss vom 10.12.1998 setzte das Landgericht Wuppertal im Hinblick auf den vor dem Landgericht Cottbus geführten Rechtsstreit die Verhandlung wegen Vorgreiflichkeit aus (Bl. 53 GA). Mit Datum vom 14.1.2003 beantragten die Prozessbevollmächtigten der R. R. eine Wiederaufnahme des Verfahrens, verbunden mit einem Beweisantrag im selbständigen Beweisverfahren (Bl. 72 GA). Das Landgericht Wuppertal nahm daraufhin das Verfahren wieder auf und erließ einen Beweisbeschluss, der jedoch keine Mängel betrifft, die Gegenstand der im Verfahren vor dem Landgericht Cottbus behandelten Werkmängel der Klägerin sind (Bl. 75 f. GA).

Der Klägerin dieses Verfahrens wurde in dem Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal der Streit verkündet. Eine Entscheidung des Landgerichts Wuppertal ist bisher nicht ergangen.

Die Beklagte verfügt neben dem Kostenvorschuss noch über eine Bürgschaftsurkunde vom 28.9.1992. Wegen der Einzelheiten der Bürgschaftserklärung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 7 GA) Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, die Beklagte habe eine Mängelbeseitigung ungebührlich verzögert. Aus diesem Grunde sei der Kostenvorschuss an sie zurückzuzahlen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch die Gewährleistungsbürgschaft herauszugeben. Insoweit macht sie geltend, dass wegen anderer eventueller Mängel Gewährleistungsansprüche, die nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens vor dem Landgericht Cottbus waren, Verjährung eingetreten sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr die Bürgschaftsurkunde Nr. 284.671 der H. Kreditversicherungs AG vom 28.9.1992 über 14.606,18 DM betreffend Absicherung der vertragsgemäßen Erfüllung ihrer Gewährleistungsverpflichtung gegenüber der Beklagten, betreffend den Auftrag Erstellung Industrieboden ... in C., herauszugeben,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die vorerwähnte Bürgschaft an die H. Kreditversicherungs AG, F. ..., H., herauszugeben

und die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie 52.430,69 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht gewesen, es stehe noch nicht fest, auf welche Art und Weise die den Kostenvorschuss verwenden müsse. Dies könne abschließend erst festgestellt werden, wenn der Rechtsstreit zwischen ihr und der R. R. entschieden sei. Erst nach rechtskräftiger Entscheidung des Rechtsstreits sei klar, ob und in welchem Umfang sie überhaupt zur Mängelbeseitigung berechtigt sei und in welchem Umfang sie zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sei. Soweit sie Schadensersatz zahlen müsse, hätte sie ihrerseits einen Anspruch gegen die Klägerin auf Schadensersatz, mit dem dann gegenüber einem Anspruch auf Rückzahlung des Kostenvorschusses aufgerechnet werden könne.

Mit Urteil vom 19.4.2005, auf das wegen der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 103 ff. GA) hat das Landgericht Wuppertal - Kammer für Handelssachen - der Klage mit der Maßgabe, dass die Gewährleistungsbürgschaft an die H. Kreditversicherungs AG herauszugeben sei, stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe sowohl einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde entsprechend dem Hilfsantrag an die H. Kreditversicherungs AG als auch einen Zahlungsanspruch in Höhe von 52.430,69 €. Die Klägerin könne Rückzahlung des Vorschusses verlangen, da der Zeitraum abgelaufen sei, innerhalb dessen die Beklagte den Vorschuss gemäß seiner Zweckbindung zur Mängelbeseitigung hätte verwenden müssen. Die Beklagte habe keinerlei Anstalten gemacht, die Mängel zu beseitigen oder beseitigen zu lassen, oder mit ihrer eigenen Auftraggeberin, der R. R., zu einer Regelung der Gewährleistungsfragen zu gelangen. Die Klägerin müsse sich nicht auf das in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht ungewisse Ergebnis des Rechtsstreits vor dem Landgericht Wuppertal vertrösten lassen. Das Vorbringen der Beklagten zu einem eigenen Schadensersatzanspruch sei nicht ausreichend. Die Beklagte habe zu den Tatbestandsmerkmalen, die für einen Schadensersatzanspruch erfüllt sein müssten, nichts dargelegt.

Daneben stehe der Klägerin auch ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde zu. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass ihr auch jetzt noch Gewährleistungsansprüche gegenüber der Klägerin zustehen könnten.

Gegen dieses der Beklagten vom 28.4.2005 zugestellte Urteil hat sie mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 13.5.2005 eingegangenen Berufungsschriftsatz die Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.7.2005 mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufungsbegründung begehrt die Beklagte die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und Abweisung der Klage. Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht habe zu Unrecht ihr Vorbringen, sie könne mit einem Schadensersatzanspruch gegenüber der Klägerin aufrechnen, als unerheblich zurückgewiesen. Das Landgericht sei gehalten gewesen, ihr aufgrund des erteilten Hinweises ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit seiner Verfahrensweise habe das Landgericht gegen § 139 ZPO verstoßen.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, der Klägerin stehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Rückzahlung des Kostenvorschusses zu. Eine Abrechnung sei erst möglich, wenn der Rechtsstreit vor dem Landgericht Wuppertal abgeschlossen sei.

Auch soweit ein Anspruch auf Rückzahlung des Kostenvorschusses bestehen sollte, sei dieser Anspruch mittlerweile durch Aufrechnung erloschen (Bl. 154 GA). Ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gem. § 13 Ziff. 7 Nr. 1 VOB/B gegenüber der Klägerin aufgrund der mangelhaften Werkleistung zu. Jedenfalls sei sie aber berechtigt, im Hinblick auf einen möglichen Rückzahlungsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB geltend zu machen. Ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaft bestehe zudem nicht, da durch das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts festgestellt wurde, dass die Klägerin zu weiterem Aufwendungsersatz verpflichtet sei. Der Ablauf der Gewährleistungszeit sei insoweit nicht von Bedeutung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 19.4.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie die landgerichtliche Entscheidung als zutreffend. Sie ist der Ansicht, das Urteil des Landgerichts sei weder verfahrensfehlerhaft noch habe die Beklagte ausreichend zum Vorliegen eines Schadensersatzanspruches vorgetragen. Sie ist weiter der Ansicht, sie könne mit ihrem Rückzahlungsanspruch nicht auf das Ende der Rechtsstreitigkeiten der Beklagten mit der R. R. verwiesen werden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte zunächst einen weit höheren Mängelbeseitigungsanspruch geltend gemacht habe, als er letzlich zuerkannt worden sei. Sie ist der Ansicht , aus diesem Grunde zur Ablehnung der Mängelbeseitigung berechtigt gewesen zu sein. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beweisaufnahme im Prozess vor dem Landgericht Wupptertal hinsichtlich der hier maßgeblichen Mängel abgeschlossen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 28.7.2005 (Bl. 148 ff. GA), ihren Schriftsatz vom 18.10.2005 (Bl. 188 ff. GA) sowie auf die Berufungserwiderung der Klägerin vom 13.9.2005 (Bl. 173 ff. GA) und den Schriftsatz vom 2.11.2005 (Bl. 195 ff. GA) Bezug genommen.

B.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und in der Sache auch begründet. Die Klägerin kann zum derzeitigen Zeitpunkt weder die Rückzahlung des Kostenvorschusses noch die Aushändigung der Bürgschaft an die H. Kreditversicherungs AG verlangen.

1. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Vorschussanspruch Billigkeitsüberlegungen zugrundeliegen. Der Auftraggeber soll von der Last der Vorfinanzierung befreit werden (Kapellmann/Weyer, VOB/B, § 13 Rdnr. 264). Der Vorschussanspruch, folgerichtig auch der Anspruch auf Rückzahlung, ist wesentlich von den Gesichtspunkten von Treu und Glauben geprägt (OLG Düsseldorf, 5. Zivilsenat, BauR 2004, 1630, 1631). Aus diesem Grunde kommt eine Rückzahlung in Betracht, wenn eine zunächst vorhandene Mängelbeseitigungsbereitschaft später wieder wegfällt (vgl. BGH BauR 1984, 406, 408). Für einen solchen Wegfall der Mängelbeseitigungsbereitschaft kann insbesondere auch der Zeitablauf sprechen, ohne dass dabei allgemein eine bestimmte Frist bestimmt werden kann (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. A. 2004, 6. Teil Rn. 196). Entscheidend dafür, ob die weitere Einbehaltung des Vorschussbetrages nach Treu und Glauben noch gerechtfertigt ist, sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Allein aus einem längeren Einbehalt erfolgt noch keine Treuwidrigkeit (vgl. BGH BauR 1984, 406, 408).

a) Im Ausgangspunkt ist anerkannt, dass im Verhältnis von Hauptunternehmer zu Subunternehmer dem Hauptunternehmer ein Kostenvorschussanspruch auch dann zustehen kann, wenn er seinerseits dem Bauherrn einen entsprechenden Vorschuss noch zu leisten hat (BGH NJW 1990, 1475). Ist das Werk des Nachunternehmers mangelhaft, so entspricht es dem Gebot der Billigkeit, dass letztlich der Nachunternehmer die Kosten für die Beseitigung der Mängel seinem Vertragspartner und damit dem Hauptunternehmer vorzuschießen hat. Aus diesem Grunde berührt der Umstand, dass sie selber gegenüber dem Bauherrn vorschusspflichtig sein kann und aus diesem Grunde ggf. nicht nachbessern will oder auch aus Rechtsgründen nicht mehr nachbessern kann, den Vorschussanspruch zur Subunternehmerin nicht (vgl. BGH NJW 1999, 1475). Der Subunternehmer kann sich in einer solchen Situation nicht darauf berufen, der Hauptunternehmer sei selber zur Nachbesserung nicht bereit. Dies ergibt sich letztlich aus dem Umstand, dass der Vorschussanspruch dazu dient, eine Vorfinanzierung des Auftraggebers zu verhindern. Dieser Zweck wird aber auch dann erreicht, wenn der Hauptunternehmer den an ihn gezahlten Vorschuss dazu verwendet, seinerseits den Vorschussanspruch des Bauherrn zu erfüllen. Insoweit handelt es sich nur um eine andere Art der Ersatzvornahme, nämlich nicht unmittelbar durch den Hauptunternehmer, sondern mittelbar durch den Bauherrn. Der Zweck des Vorschussanspruchs, Ersatz für Aufwendungen für die Mängelbeseitigung zu leisten, wird auch erreicht, wenn der Vorschuss vom Hauptunternehmer an den Bauherrn weitergeleitet wird (BGH NJW 1990, 1475).

Soweit die Beklagte durch eigene Beauftragung von Unternehmen zur Mängelbeseitigung Ansprüche des Bauherrn erfüllt hat oder noch erfüllte sollte, stellt dies ohnehin eine übliche und unmittelbare Verwendung des Kostenvorschusses dar.

b) Aus dem Zeitablauf ergibt sich vorliegend kein Indiz dafür, dass die Beklagte nicht gewillt ist, den Vorschuss sachgerecht zu verwenden. Regelmäßig kann der Vorschussanspruch bei mehrstufigen Vertragsverhältnissen hinsichtlich des Subunternehmers erst dann abgerechnet werden, wenn der Hauptauftraggeber die Mängel hat beseitigen lassen und mit dem Hauptunternehmer seinerseits abgerechnet hat (vergl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. A. 2004, 6. Teil, Rn. 197.

Entscheidend ist dabei, dass die Inanspruchnahme der Beklagten, die durch die R. R. bereits im Jahre 1998 im Wege des Klageverfahrens erfolgte, darauf beruht, dass die Klägerin nicht bereit war, die gerügten Mängel zu beseitigen. Die Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Möglichkeit, den Bauherrn anders als aus eigenen Mitteln zu befriedigen. Dazu war sie aber nicht verpflichtet.

Gleichermaßen ist sie nicht verpflichtet, nunmehr im laufenden Prozess die Ansprüche der Bauherrin zu befriedigen, um auf diese Weise eine vorzeitige Abrechnung zu ermöglichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Verwendung des Vorschussanspruchs vorliegend darauf konkretisiert hat, dass ihrerseits die Beklagte den geschuldeten Vorschuss an die Bauherrin leistet. In welchem Umfang der Bauherrin gegenüber der Beklagten Ansprüche zustehen, ist jedoch noch nicht abschließend und rechtskräftig entschieden. Will die Beklagte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, überobligatorisch Ansprüche der Bauherrin befriedigt zu haben, bleibt ihr nur die Möglichkeit, den Prozess zu Ende zu führen. Durch eine rechtskräftige Entscheidung in dem Verfahren zwischen der R. R. und der Beklagten steht dann zugleich nach Abrechnung des dortigen Kostenvorschusses auch fest, in welchem Umfang ihrerseits die Klägerin für die Mängelbeseitigung zu leisten hat.

Dieses Zuwarten ist der Klägerin in mehrfacher Hinsicht nach Treu und Glauben zuzumuten.

Zum einen hat sie selbst die Länge des Verfahrens vor dem Landgericht Wuppertal mitbestimmt. Die Aussetzung erfolgte im Hinblick auf das zwischen ihr und der Beklagten geführte Verfahren. Dieses Verfahren wiederum hat seinen Ursprung aber darin, dass die Klägerin zur Mängelbeseitigung nicht bereit war. Daran ändert auch der Umstand, dass die Beklagte zunächst mit 506.647,40 DM einen deutlich höheren Mängelbeseitigungsanspruch geltend gemacht hat, als ihr mit 43.510,94 € als Kostenvorschuss schließlich zugesprochen wurde, nichts. Zum einen beruhte die Abweichung ausweislich der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zu einem erheblichen Anteil darauf, dass die von der Klägerin bevorzugte Sanierung nach dem DISA-floor-Beschichtungsverfahren nicht als geschuldet angesehen wurde (Bl. 27 GA, S. 9 des Urteils vom 3.9.2002). In der Art der Mängelbeseitigung ist der Werkunternehmer aber frei, so dass die Rüge im Schreiben der Klägerin vom 15.7.1997 Anlaß geboten hat, die tatsächlich vorlie genden Mängel zu beseitigen. Darauf, dass die Beklagte der ihr obliegenden Mängelbeseitigungspflicht nicht nachkam, beruht im übrigen auch materiell-rechtlich die Zuerkennung des hier streitgegenständlichen Kostenvorschusses durch die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts.

Zum anderen hatte die Beklagte über die von ihr zu verantwortenden Mängel durch das selbständige Beweisverfahren des Landgerichts Cottbus und die sich daran anschließenden Verfahren vor dem Landgericht Cottbus und dem Brandenburgischen Oberlandesgericht Kenntnis. Auch dies hat sie nicht zum Anlass genommen, eine Mängelbeseitigung anzubieten.

Darüber hinaus sind für die Frage der Treuwidrigkeit die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dabei kann zwar ein Zeitraum von einem Jahr bereits den Rückschluss zulassen, dass eine sachgerechte Verwendung des Vorschusses nicht mehr beabsichtigt ist (vgl. OLG Köln, BauR 1988, 483, 484). Das setzt aber voraus, dass der Vorschussempfänger überhaupt in der Lage ist, die Ersatzvornahme ohne Verlust eigener Rechtspositionen durchzuführen. Daran fehlt es hier aufgrund des gestuften Verhältnisses zum Bauherrn. So hat auch der Bundesgerichtshof unter besonderen Umständen einen Zeitraum von fünf Jahren einem Vorschussanspruch nicht entgegenstehend angesehen (vgl. BauR 1984, 406, 408). Vorliegend ist von Bedeutung, dass die Beklagte berechtigt ist, zur Wahrnehmung ihrer Interessen sich gegen die Klage der Bauherrin zu verteidigen. Dies liegt auch im Interesse der Klägerin, da der von ihr zu zahlende Betrag vom Ausgang des Rechtsstreits vor dem Landgericht Wuppertal abhängt. Der Zeitablauf beruht auf dem Prozessverlauf, ohne dass erkennbar ist, dass die Beklagte diesen in ungebührlicher Weise verzögert hätte. Das allgemeine Risiko der Prozessdauer muss aber die Klägerin, die durch ihre mangelhafte Arbeit und fehlende Mangelbeseitigungsbereitschaft das Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal erst ermöglicht hat, tragen. Die Beklagte konnte bisher keine klaren Abrechnungsverhältnisse schaffen, zu einer eigenen (Feststellungs-)Klage war sie nicht verpflichtet, da sie ihrerseits bereits vom Bauherrn verklagt worden war. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Urteil durch das Landgericht Wuppertal und diesem folgend dann eine Rechtskraft eintritt, hat sie nicht zu Lasten der Klägerin beeinflusst.

2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaft aus § 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B noch nicht zu. Ansprüche, die Gegenstand der Sicherheit sind, sind noch nicht erfüllt. Die Bürgschaft wurde ausweislich des Bürgschaftstextes für die vertragsgemäße Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtungen für fertiggestellte, förmlich und mängelfrei abgenommene Arbeiten abgegeben (Bl. 7 GA). Damit bezieht sich die Sicherheit (auch) auf die Mängel, die Gegenstand der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts sind. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat dabei nicht nur den Zahlungsanspruch der Beklagten, der Gegenstand des gezahlten Kostenvorschusses ist, festgestellt. Durch das Urteil ist weiter ein Feststellungsanspruch der Beklagten bejaht worden, der sich auf die Aufwendungen bezieht, die durch die fachgerechte Beseitigung der festgestellten Mängel zu erwarten sind. Die Ansprüche, die Gegenstand dieses Feststellungsanspruchs sind, sind jedoch aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung nicht verjährt. Die Bürgschaft erstreckt sich dem Inhalt nach auch auf solche Aufwendungen, da sie auf der nicht vertragsgemäß erstellten Werkleistung der Klägerin beruhen. Dabei ist insbesondere auch eine Übersicherung der Beklagten nicht feststellbar. Die Bürgschaft geht über einen Betrag von 14.606,18 DM. Es ist davon auszugehen, dass die weiteren Kosten deutlich über diesem Betrag liegen. Das ergibt sich bereits aus der Streitwertfestsetzung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, die für den Klageantrag zu 2) auf 10.225,84 € lautet. Es ist daher davon auszugehen, dass weitere Kosten, die die Bürgschaftssumme überschreiten, anfallen werden. Eine unbillige Belastung der Klägerin wird dadurch nicht hervorgerufen, da andernfalls der Kostenvorschussanspruch der Beklagten zu erhöhen wäre.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 54.297,69 €.

Der Streitwert für die Klage auf Herausgabe der Bürgschaft ist unter Anwendung von § 3 Halbs. 1 ZPO nur mit einem Bruchteil zu berechnen, da eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft jedenfalls derzeit nicht bevorsteht.

Ende der Entscheidung

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