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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: I-22 W 36/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 96
ZPO § 494a
ZPO § 494a Abs. 1
ZPO § 494a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 24.10.2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin (Beschwerdeführerin) als Generalunternehmerin mit der Errichtung eines Autohauses beauftragt. In der Ausstellungshalle waren durch einen Subunternehmer der Antragsgegnerin Estrich aufgebracht und Fliesen verlegt worden. In dem von der Antragstellerin eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren hat der Sachverständige B. festgestellt, dass der Estrich mangelhaft war und nicht der einschlägigen DIN-Norm entsprach. Er hat ermittelt, dass etwa 7% der verlegten Fliesen hohl lägen oder beschädigt seien. In der Folgezeit hat die Antragsgegnerin Mängelbeseitigungsarbeiten durchgeführt, nachdem die Parteien zuvor die grundsätzliche Bereitschaft der Antragsgegnerin zur Durchführung der Sanierung erörtert sowie die Art und Weise der Arbeiten während des laufenden Geschäftsbetriebes des Autohauses abgesprochen und in einem Aktenvermerk vom 26.1.2005 (Akte Landgericht Krefeld, 12 O 78/05, Anlagenheft, Anlage K17) festgehalten haben.

Am 30.6.2005 hat die Antragstellerin Klage erhoben (Landgericht Krefeld, Az. 12 O 78/05), mit der sie die im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten verlangt. Mit dieser Klage begehrt sie ferner Ersatz verauslagter Architektenkosten, die zur Feststellung des Schadens und zur Überwachung der Mängelbeseitigungsarbeiten erforderlich gewesen seien, sowie Ersatz von Kosten, die für eine Mitarbeiterin der Antragstellerin im Rahmen der Mängelbeseitigung angefallen seien.

Mittlerweile hat die Antragstellerin ein weiteres selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet, weil sie der Auffassung ist, dass die von der Antragsgegnerin durchgeführten Nachbesserungsarbeiten mangelhaft seien (Landgericht Krefeld, Az. 2/05). Der erneut beauftragte Sachverständige B. hat in seinem Gutachten vom 7.11.2005 (Blatt 414 GA) festgestellt, dass die Nachbesserung teilweise fehlerhaft ausgeführt worden ist.

Die Antragsgegnerin hat in dem vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 13.9.2005 (Blatt 256 GA) beantragt, der Antragstellerin eine Klagefrist gemäß § 494a Abs. 1 ZPO zu setzen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.10.2005 (Blatt 292 GA) und Nichtabhilfebeschluss vom 10.11.2005 (Blatt 310 GA) den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Parteien hätten sich nach Abschluss des ersten selbstständigen Beweisverfahrens im Wege des Vergleichs darauf geeinigt, dass die Antragsgegnerin Nachbesserungsarbeiten durchführe. Dieser Vergleich stehe einer Anordnung zur Klageerhebung im Sinne des § 494a ZPO entgegen.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 9.11.2005 Beschwerde eingelegt (Blatt 296 GA).

Sie ist der Auffassung, dass die im Verfahren Az. 12 O 78/05 erhobene Klage zur Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruches keine Klageerhebung im Sinne des § 494a Abs. 1 ZPO sei. Die Antragstellerin müsse Feststellungsklage erheben, um den Anforderungen des § 494a ZPO zu genügen. Die Parteien hätten keinen Vergleich geschlossen. Eine Vereinbarung darüber, wer die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens trage, sei nicht getroffen worden. Vielmehr habe die Antragsgegnerin nur die Mängelbeseitigung durchgeführt.

Die Antragstellerin ist hingegen der Auffassung, dass auch die klageweise Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs als Klageerhebung im Sinne des § 494a Abs. 1 ZPO genüge. Im Übrigen habe sie Mangelfolgeschäden eingeklagt, so dass schon deshalb von einer Hauptsacheklage im Sinne des § 494a Abs. 1 ZPO auszugehen sei.

II.

Das Landgericht hat den Antrag der Antragsgegnerin, der Antragstellerin eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage im Sinne des § 494a Abs. 1 ZPO zu setzen, zu Recht abgelehnt. Der Antrag ist unzulässig.

1. Es ist anerkannt, dass eine Anordnung gemäß § 494a Abs. 1 ZPO nicht ergeht, wenn der Hauptsacheanspruch durch eine Handlung des Antragsgegners gegenstandslos geworden ist (BGH, BauR 2003, 575; OLG Düsseldorf, BauR 2005, 1222; OLG Braunschweig, BauR 2004, 1820; vgl. Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 494a, Rdnr. 5; Kniffka/Koeble, Privates Baurecht und Bauprozess, 2. Auflage, 13. Teil, Rdnr. 91; Musielak, ZPO, 4. Auflage, § 494a, Rdnr. 2, 7; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage, Rdnr. 128 a. E., 129; anderer Ansicht: OLG Düsseldorf, BauR 1995, 279). Dies ist etwa dann der Fall, wenn in einem selbstständigen Beweisverfahren festgestellte Mängel beseitigt werden oder sich ein Hauptsacheverfahren aus anderen Gründen erledigt hat (Kniffka/Koeble, a. a. O., Rdnr. 91). Es ist dann einem Antragsteller nicht zuzumuten, eine Hauptsacheklage zu erheben, da der Streitgegenstand sich zwischenzeitlich verändert hat oder in der ursprünglichen Form nicht mehr besteht. § 494a ZPO liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass einem Antragsteller nur dann die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens auferlegt werden sollen, wenn er es ohne Hinzutreten weiterer Umstände - unterlässt, den Hauptanspruch durchzusetzen, der mit dem selbstständigen Beweisverfahren vorbereitet werden sollte (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1240). § 494a ZPO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Der Norm kann insbesondere nicht entnommen werden, dass ein Antragsgegner grundsätzlich einen Anspruch auf eine Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 ZPO habe, wenn ein Hauptverfahren nicht durchgeführt wird (so aber OLG Braunschweig, BauR 2004, 1820).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier eine Fristsetzung zur Klageerhebung nicht anzuordnen. Die Antragsgegnerin hat Mängelbeseitigungsarbeiten durchgeführt und der Streitgegenstand hat sich maßgeblich verändert. Es ist nicht erkennbar, weshalb der Antragstellerin deshalb eine Klageerhebung hinsichtlich der ursprünglich bestehenden Mängel zugemutet werden sollte.

Nach der Erstellung des Gutachtens B. in diesem selbständigen Beweisverfahren sind erhebliche Nachbesserungsarbeiten von Seiten der Antragsgegnerin durchgeführt worden, so dass die Situation vor Ort nicht mehr der ursprünglichen entspricht. Nach ihrem Sachvortrag will sie die Mängel umfassend und ordnungsgemäß beseitigt haben, so dass nicht plausibel ist, warum aus Sicht der Antragsgegnerin eine Fristsetzung zur Klageerhebung noch erforderlich sein sollte. Auch hat sich der mögliche Streitgegenstand einer Hauptsacheklage durch die Nachbesserungsarbeiten wesentlich verändert. Der Antragstellerin geht es nunmehr nicht mehr darum, die Mangelhaftigkeit der ursprünglichen Werkleistung klären zu lassen, sondern - wie sich aus dem weiteren selbständigen Beweisverfahren, Az. 12 OH 2/05 ergibt - im Wesentlichen die Mangelhaftigkeit der später durchgeführten Nachbesserungsarbeiten.

Die Antragsgegnerin kann eine Fristsetzung zur Erhebung der Klage auch nicht mit dem Ziel verlangen, ggfs. eine Teilkostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 ZPO zu erlangen.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass im Rahmen des § 494a ZPO Abs. 2 eine Teilkostenentscheidung nicht ergehen kann (BGH, BauR 2004, 1485 mit zahlreichen Nachweisen zum Streitstand; so schon der Senat: OLG Düsseldorf, BauR 1993, 370; siehe auch: OLG Düsseldorf, BauR 2001, 1950; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage, Rdnr. 133). Die Gegenauffassung (OLG Düsseldorf, BauR 2003, 289; OLG Düsseldorf, BauR 2003, 1769; Musielak, ZPO, 4. Auflage, § 494a, Rdnr. 5), die eine Teilkostenentscheidung für möglich hält, ist abzulehnen.

Gegen eine Teilkostenentscheidung spricht der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung. Ferner ist § 494a ZPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen, so dass Kostengrundsätze für Hauptsacheverfahren nicht in das selbständige Beweisverfahren übertragen werden können (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 1005). Außerdem bestünde die Gefahr widersprüchlicher gerichtlicher Entscheidungen, weshalb eine Entscheidung über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahren grundsätzlich im Hauptsachestreit erfolgen soll (BGH, MDR 2004, 1372; BGH, NJW-RR 2003, 1240; vgl. zur Kostenentscheidung bei der Rücknahme eines Antrages auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens: BGH, NJW-RR 2005, 1015; bei übereinstimmender Erledigungserklärung: OLG Düsseldorf, BauR 2005, 1222; a. A.: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage, Rdnr. 134 ff; OLG München, MDR 2001, 1011). Da sich im weiteren Verlauf der Beweisaufnahme des Hauptverfahrens Änderungen ergeben können, etwa hinsichtlich der Bewertung von Mängeln oder erforderlicher Sanierungskosten, kann es zu abweichenden Kostenentscheidungen kommen. So erfolgt eine Teilkostenentscheidung regelmäßig vor einer abschließenden Kostenentscheidung in einem späteren Hauptsacheverfahren. Es ist daher sachgerecht, einheitlich über die Kosten zu entscheiden und Abweichungen der Streitgegenstände zwischen selbständigem Beweisverfahren und Hauptsacheverfahren über eine entsprechende Anwendung des § 96 ZPO zu lösen (vgl. BGH, BauR 2004, 1485). Auch im vorliegenden Fall ist keineswegs sicher, dass eine Verteilung der Kosten aus dem selbstständigen Beweisverfahren im Verhältnis 93% zu 7% zu erfolgen hat. So hat die Antragstellerin nunmehr ein weiteres selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet, um zu klären, ob die durchgeführte Nachbesserung mangelhaft gewesen und möglicherweise weitere Schäden aufgetreten sind. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sich herausstellen könnte, dass weit mehr Bodenbereiche mangelhaft sein und sich künftig weitere Schäden ergeben könnten, als vom Sachverständigen bislang festgestellt. Soweit ersichtlich, verfügt der Estrich nicht über die notwendige Festigkeit (vgl. das Gutachten B., Blatt 103, 105, 126 GA und seine Anhörung Blatt 209, 215 GA). Der Sachverständige hat die Mangelhaftigkeit des Bodenbelages bei zwei von drei Proben festgestellt.

Es ist einem Antragsteller regelmäßig auch nicht zuzumuten, eine Feststellungsklage zu erheben.

Soweit in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 1.7.2004 (BGH, NJW-RR 2004, 1580) diese Möglichkeit in Erwägung gezogen worden ist, lag der Entscheidung ein von dem vorliegenden Fall grundsätzlich abweichender Sachverhalt zugrunde. So war, anders als im vorliegenden Fall, eine Frist zur Klageerhebung gemäß § 494a Abs. 1 ZPO von dem Gericht bereits unanfechtbar festgesetzt worden. Über die Frage der Zulässigkeit eines entsprechenden Antrages war daher nicht mehr zu entscheiden (vgl. die Entscheidungsgründe Ziffer III. 1. in NJW-RR 2004, 1580). Der Antragsteller war bereits rechtskräftig verpflichtet, eine Hauptsacheklage zu erheben. Vor diesem Hintergrund, einerseits die Voraussetzungen des § 494a Abs. 1 ZPO zu beachten, andererseits eine sachgerechte Entscheidung zu finden, war der Verweis auf eine Feststellungsklage nachvollziehbar.

2. Darüber hinaus sprechen erhebliche Indizien dafür, dass die Parteien sich nach der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens vergleichsweise auf eine Mängelbeseitigung geeinigt haben und auch deshalb eine Entscheidung gemäß § 494a ZPO nicht zu ergehen hat (vgl. OLG Koblenz, MDR 2005, 232; Musielak, ZPO, 4. Auflage, § 494a, Rdnr. 2).

Aus den im Rechtsstreit 12 O 78/05 vorgelegten Unterlagen (Anlagenheft) ergibt sich, dass die Parteien über mehrere Monate darüber verhandelt haben, ob und wie eine Mängelbeseitigung erfolgen solle. Am 26.1.2005 haben sie sich dann auf eine detaillierte Vorgehensweise geeinigt (Akte 12 O 78/05, Anlagenheft, Anlage K17). Eine vergleichsweise Regelung ist auch nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil die Parteien nicht über eine Verteilung der Kosten gesprochen haben.

3. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die von der Antragstellerin mittlerweile erhobene Klage (Az. 12 O 78/05), mit der u. a. die im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten eingefordert werden, als Klageerhebung im Sinne des § 494a ZPO anzusehen ist (vgl. zu dieser Frage: BGH, NJW-RR 2004, 1580; OLG Nürnberg, DAR 1993, 277; OLG Braunschweig, BauR 2004, 1820; Musielak, ZPO, 4. Auflage, § 494a, Rdnr. 5, Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage, Rdnr. 131; zur Aufrechnung als "Klageerhebung": BGH, BauR 2005, 1799).

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 6.000 €

Ende der Entscheidung

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