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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.01.2005
Aktenzeichen: I-23 U 150/04
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO, InsO, BGB


Vorschriften:

VOB/B § 13 Nr. 6
VOB/B § 13 Nr. 6 Satz 1
VOB/B § 13 Nr. 6 Satz 2
ZPO § 513
ZPO § 529
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
InsO § 103 Abs. 1
BGB § 634
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Juli 2004 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe: A. Der klagende Insolvenzverwalter macht einen Anspruch auf Minderung von Werklohn geltend, den die Insolvenzschuldnerin an die Beklagte gezahlt hatte. Die Insolvenzschuldnerin war Generalunternehmerin für die Neuerrichtung eines Warenhauses und beauftragte die Beklagte mit Nachunternehmerarbeiten, die sich nach Abnahme als teilweise mangelhaft herausstellten. Die Beklagte hat einen Teil der vom Kläger behaupteten Mängel anerkannt, im übrigen ist die Mangelhaftigkeit zwischen den Parteien streitig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 257 ff. GA) Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen eines Minderungsanspruchs aus § 13 Nr. 6 VOB/B lägen ungeachtet der Mangelhaftigkeit der Werkleistung nicht vor. Dagegen wendet der Kläger sich mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er vertritt weiter die Ansicht, als Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die Beseitigung der Mängel unmöglich im Sinne des § 13 Nr. 6 VOB/B. Die Nachbesserung durch die Beklagte habe nämlich eine vollständige Befriedigung des Auftraggebers als einem Gläubiger der Insolvenzschuldnerin zur Folge. Dieser würde dadurch gegenüber den übrigen Insolvenzgläubigern ungerechtfertigt bevorzugt. Die im Insolvenzverfahren gebotene gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger finde auf diese Weise nicht statt. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.9.2003 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie ist nach wie vor zur Nachbesserung des von ihr anerkannten Teils der vom Kläger behaupteten Mängel bereit und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie meint insbesondere, die Voraussetzungen eines Minderungsanspruch lägen mit Blick auf ihre Nachbesserungsbereitschaft auch insoweit nicht vor, als sie Mängel anerkenne. B. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Soweit es auf die Anwendung bürgerlichen Rechts ankommt, ist das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB. I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des gezahlten Werklohns als Folge eines Anspruchs auf Minderung. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Minderungsanspruch aus § 13 Nr. 6 VOB/B, deren Geltung die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte vereinbart hatten, liegen nicht vor. Nach Satz 1 der Bestimmung kann der Auftraggeber Minderung der Vergütung nur dann verlangen, wenn die Beseitigung des Mangels unmöglich ist oder einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde und deshalb vom Auftragnehmer verweigert wird. Gemäß § 13 Nr. 6 Satz 2 VOB/B kann der Auftraggeber Minderung ausnahmsweise auch bei Unzumutbarkeit der Mangelbeseitigung verlangen. Von diesen drei Fällen des § 13 Nr. 6 VOB/B kommt hier einzig die (rechtliche) Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ernsthaft in Betracht, ist aber im Ergebnis mit dem Landgericht zu verneinen. 1. Allerdings ist die von der Beklagten erbrachte Werkleistung mangelhaft, wenn auch der genaue Umfang zwischen den Parteien streitig und bislang nicht aufgeklärt ist. Der Kläger macht insgesamt 26 Mängel geltend (im einzelnen Bl. 295 f. GA), von denen die Beklagte 14 einräumt (im einzelnen Bl. 324 f. GA). Die restlichen Mängel sind zwischen den Parteien streitig. 2. Die Entgegennahme einer Mangelbeseitigung, die die Beklagte von Anfang an angeboten hatte, lehnt der Kläger zu Unrecht ab. Die Mangelbeseitigung ist nicht unmöglich. a) Eine Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Bauherrin/Auftraggeberin die Entgegennahme der Mangelbeseitigung verweigert oder letztere inzwischen im Wege der Ersatzvornahme selbst vorgenommen hätte. Entsprechendes behauptet der Kläger selbst nicht. b) Die Mangelbeseitigung ist auch nicht wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Generalunternehmerin rechtlich unmöglich geworden. aa) Für die Beurteilung der Unmöglichkeit im Sinne des § 13 Nr. 6 Satz 1 VOB/B ist ausschließlich das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien maßgeblich sein. Die beiden Vertragsverhältnisse Auftraggeber - Generalunternehmer einerseits und Generalunternehmer - Nachunternehmer andererseits sind nämlich unabhängig von einander zu beurteilen. Die Rechte, Pflichten und Ansprüche aus dem Bauleistungsvertrag zwischen General- und Nachunternehmer bestehen unabhängig davon, welche Ansprüche der Bauherr gegen den Generalunternehmer besitzt und in welchem Umfang er davon Gebrauch macht (BGH BauR 1981, 383; BGH NJW 1990, 1475; NJW 1994, 49, 50; Urteil des Senats vom 30.7.2004 - I - 23 U 103/02; Ingenstau/Korbion, VOB, 15. Auflage, Anhang 3 Rn. 219 mit weiteren Nachweisen; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Auflage, Rn. 1057, 1058). Im Verhältnis Insolvenzschuldnerin = Generalunternehmerin zu der Beklagten = Nachunternehmerin bleibt die Nachbesserung durch die Beklagte auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich. Es bestand bei Insolvenzeröffnung kein Wahlrecht des Klägers gemäß § 103 Abs. 1 InsO, weil jedenfalls die Insolvenzschuldnerin zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig erfüllt, also die Vergütung gezahlt hatte. Das geschuldete Werk war auch bereits vor längerer Zeit abgenommen worden. So verbleibt lediglich der Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Beseitigung der inzwischen aufgetretenen Mängel, den der Kläger als Insolvenzverwalter geltend machen kann. Weitere Auswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diesen Anspruch bzw. seine Geltendmachung sind nicht ersichtlich. bb) Welche Folgen eine Nachbesserung durch die Beklagte für das weitere Vertragsverhältnis der Insolvenzschuldnerin als Generalunternehmerin zur Bauherrin/Auftraggeberin hat, kann entgegen der Auffassung der Berufung für den Nachunternehmervertrag keine Rolle spielen. Insbesondere folgt aus den weiteren Vertragsbeziehungen der Insolvenzschuldnerin keine rechtliche Unmöglichkeit der Nachbesserung im Nachunternehmerverhältnis. Das hat der 21. Zivilsenat des OLG Düsseldorf in dem auch von den Parteien bereits zitierten Urteil vom 6.11.2001 (21 U 36/01 - NZI 2002, 317 = NZBau 2002, 671) zur GesO bereits entschieden. Der Senat schließt sich dem auch für die vorliegende, nach der InsO zu beurteilende Fallkonstellation an und nimmt auf die dortigen Ausführungen Bezug. Die abweichende Entscheidung des AG München (ZIP 1998, 1884 = BauR 1999, 175 = NJW-RR 1999, 1034) überzeugt nicht. Die Berufung und das AG München meinen zu Unrecht, dass mit der Vornahme der Nachbesserung durch die Beklagte die durch die InsO gebotene gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt sei. Der Umstand, dass die Nachbesserung durch die Beklagte sich rein tatsächlich (auch) in einem anderen Vertragsverhältnis auswirkt, hat mit der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger aus der Masse nichts zu tun. Der Kläger wendet nicht mit der Entgegennahme der Nachbesserung einem Gläubiger unter Übergehung der übrigen aus der Masse etwas zu, sondern zieht lediglich eine zur Masse gehörende Forderung ein. Dass diese Forderung nach materiellem Recht nicht auf eine Geldzahlung, sondern auf eine Nachbesserung gerichtet ist, die der Kläger gleichzeitig einem Dritten schuldet, ist eine andere Frage. Die Berufungserwiderung verweist zu Recht darauf, dass jede Bestrebung, diese Nachbesserungsforderung in eine Geldforderung "umzuwandeln", letztlich umgekehrt eine Bereicherung der Masse bedeutete, die einseitig zu Lasten der Beklagten ginge. Das Nachbesserungsrecht besteht nämlich auch in deren Interesse. Die für die Berechnung der Minderung heranzuziehenden Kosten der Nachbesserung durch Dritte liegen nämlich regelmäßig über den Kosten, die eine Nachbesserung für den betroffenen Unternehmer mit sich bringen. Auch deshalb bestimmt die VOB/B den Vorrang der Vertragsdurchführung, also der Nachbesserung. Aus diesen Gründen kommt es auch nicht weiter darauf an, ob im Verhältnis der Auftraggeberin zur Insolvenzschuldnerin überhaupt ein Wahlrecht des Klägers gemäß § 103 Abs. 1 InsO bestand. Der Kläger stellt dies jetzt mit seiner Behauptung in Abrede, die Auftraggeberin habe die Vergütung bereits vor Insolvenzeröffnung vollständig gezahlt. Zwar hat der 21. Zivilsenat wesentlich auf diese Wahlmöglichkeit des Insolvenzverwalters abgehoben. Besteht letztere, so ist das Ergebnis noch deutlicher. Wegen der erforderlichen Trennung der beiden Vertragsverhältnisse und aus den soeben ausgeführten Gründen kann aber auch dann nichts anderes gelten, wenn die Wahlmöglichkeit aus § 103 Abs. 1 InsO für den Kläger nicht bestand. Soweit die Berufung darauf verweist, die Entscheidung des 21. Zivilsenats sei deshalb nicht heranzuziehen, weil sie noch von der früheren "Erlöschenstheorie" des Bundesgerichtshofs ausgegangen sei, trifft diese Folgerung nicht zu. Es ist zwar richtig, dass der 21. Zivilsenat eingangs der Entscheidung darauf verweist, dass die Ansprüche aus dem Bauvertrag mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erloschen seien. Das sieht der Bundesgerichtshof jetzt in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung anders (BGHZ 150, 353 = NZBau 2002, 439 = BauR 2002, 1264 = NJW 2002, 2783). Danach bewirkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung. Vielmehr verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Dieser Gesichtspunkt war aber für den 21. Zivilsenat nicht entscheidungserheblich, der davon ausgegangen ist, dass mit der Erfüllungswahl durch den Verwalter die Ansprüche wieder auflebten. Er rechtfertigt keine abweichende Entscheidung im vorliegenden Fall. 3. Dieses Ergebnis gilt auch hinsichtlich der von der Beklagten bestrittenen Mängel. Anders als nach § 634 BGB, dem zufolge eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung als unnötige Förmelei bei einem Bestreiten der Mängel entbehrlich sein kann, kommt es hierauf nach § 13 Nr. 6 VOB/B nicht an. Hier sind allein die o. g. Voraussetzungen des Minderungsanspruchs maßgeblich. II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO mit Blick auf die bislang in der Rechtsprechung nicht geklärte, weil unterschiedlich beantwortete Frage zu, welche Auswirkungen die Insolvenz des Generalunternehmers auf dessen Nachbesserungsansprüche gegenüber Nachunternehmern hat. Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.000,-- EUR.

Ende der Entscheidung

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