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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: I-23 U 201/04
Rechtsgebiete: NRW KiStG, ZPO, EGBGB, EStG, BGB


Vorschriften:

NRW KiStG § 3 Abs. 2
ZPO § 287
ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 529
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
EStG § 36 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3
BGB § 249 Satz 1 a.F.
BGB § 282 a.F.
BGB § 288 Abs. 1 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 14 d Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5.8.2004 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 14 d Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5.8.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 17.858,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.6.2003 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des 1. Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des 2. Rechtszuges fallen dem Beklagten zur Last.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

A. Die klagenden Eheleute nehmen den Beklagten wegen positiver Verletzung des Steuerberatervertrages auf Ersatz von Kirchensteuern in Anspruch, die das Finanzamt gegen sie für das Veranlagungsjahr 2001 festsetzte. Der Beklagte war bereits mehrere Jahre umfassend mit der steuerlichen Beratung der Kläger und mehrerer Kapital- und Personengesellschaften, an denen der klagende Ehemann beteiligt war, darunter die S und F GmbH, beauftragt, als am 23.10.2000 der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung -StSenkG- beschloss. Durch dieses Gesetz wurde u.a. das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren (§§ 27 f KStG a.F., § 20 I Nr. 3, § 36 II Nr. 3, §§ 36 a ff EStG) abgeschafft, allerdings mit einer Übergangsregelung für Ausschüttungen aus Wirtschaftsjahren vor dem 1.1.2002. An seine Stelle trat auf der Ebene der Kapitalgesellschaft eine Definitivbesteuerung einbehaltener und ausgeschütteter Gewinne und auf der Ebene der einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner (natürliche Personen) das Halbeinkünfteverfahren. Das StSenkG wurde im BStBl. Teil I vom 14.11.2000 veröffentlicht. Bei der S und F GmbH waren seit 1991 in beträchtlichem Umfang Gewinne thesauriert worden, die zum 31.12.2000 DM 1.926.203,23 betrugen. Anlässlich der Besprechung vom 10.12.2001 riet der Beklagte zu einer Ausschüttung der thesaurierten Gewinne noch im Dezember 2001. Er gab bei dieser Gelegenheit dem klagenden Ehemann die Information, dass die mit der Ausschüttung verbundene Einkommensteuerbelastung durch die anrechenbaren Körperschaft- und Kapitalertragsteuern im wesentlichen kompensiert würde. Die mit der Ausschüttung verbundene Kirchensteuer erwähnte der Beklagte nicht. Auf den Rat des Beklagten nahm die GmbH noch im Dezember 2001 eine Ausschüttung vor; auf den klagenden Ehemann entfiel ein Ausschüttungsbetrag von 1.625.000 DM. Dieser Ausschüttungsbetrag wurde im Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Soest vom 22.5.2003 für das Veranlagungsjahr 2001 dem zu versteuernden Einkommen der zusammen veranlagten Kläger hinzugerechnet. Die festgesetzte Einkommensteuer von 975.957 DM wurde um anzurechnende Steuerabzugsbeträge (u.a. 287.511 DM Kapitalertragsteuer und 492.826 DM Körperschaftsteuer) auf 58.138 DM vermindert. Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer war eine Einkommensteuer von 966.231 DM. Es wurden evangelische Kirchensteuern von 22.231,28 Euro und katholische Kirchensteuern von 22.231,17 Euro festgesetzt. Nach Abzug der bereits vom Lohn der Kläger abgezogenen Kirchensteuer wurden Kirchensteuern in Höhe von insgesamt 38.601,06 Euro festgesetzt. Nachdem die Kläger im Dezember 2002 im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Entwurfs ihrer Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2001 vom Beklagten über die mit der Gewinnausschüttung verbundene Kirchensteuer informiert worden waren, erklärten sie am 19.12.2002 gegenüber der zuständigen Geschäftsstelle des Amtsgerichts Soest den Austritt aus der katholischen bzw. evangelischen Kirche. In 1. Instanz haben die Kläger von dem Beklagten Erstattung von (38.601,06 Euro abzüglich 3.412,32 Euro von den Kirchen bereits zurückerstatteter Kappungsbeträge=) 35.188,74 Euro und hilfsweise die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten verlangt. Das Landgericht hat dem Hilfsantrag stattgegeben und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, jeden durch die unterbliebene steuerliche Beratung bezüglich eines möglichen Kirchenaustritts entstandenen Schaden in den Jahren 2000 / 2002 zu ersetzen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Leistungsklage sei derzeit unbegründet, da noch nicht feststehe, welchen Vorteil die Kläger durch die Zahlung der Kirchensteuer im Jahre 2003 in Verbindung mit dem damit möglichen Sonderausgabenabzug zu erwarten hätten. Die Feststellungklage sei begründet. Der Beklagte sei ihm obliegenden Beratungspflichten nicht nachgekommen. Er hätte bereits im Herbst 2000 den Klägern zur Vorbereitung der notwendigen Gewinnausschüttung der GmbH den Hinweis geben können und müssen, dass ein Kirchenaustritt in wirtschaftlicher Hinsicht zu erwägen sei. Seine Hinweise am 10.12.2001 hätten den Eindruck erweckt, dass bei einer Gewinnausschüttung keine steuerliche Mehrbelastung zu erwarten sei. Bei rechtzeitiger Aufklärung über Anfall und Ausmaß der Kirchensteuer hätten die Kläger sich bereits im Herbst 2000 für einen Kirchenaustritt entschieden. Dies ergebe sich aus ihrem Verhalten im Dezember 2002. Der Beklagte hat Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Seine Beratung am 10.12.2001 habe sich ausdrücklich auf die mit der Ausschüttung verbundene Einkommensteuer beschränkt. Als langjährigen Kirchensteuerzahlern sei den Klägern der Zusammenhang zwischen Einkommen- und Kirchensteuern hinlänglich bekannt gewesen, so dass insoweit kein Belehrungsbedarf bestanden habe. Die Annahme einer Pflichtverletzung bereits im Jahre 2000 scheide aus, weil das StSenkG erst am 23.10.2000 beschlossen und am 14.11.2000 im BStBl veröffentlicht worden sei. Ihm stehe als Steuerberater eine angemessene Zeit zu, von neuen und geänderten Rechtsnormen Kenntnis zu nehmen und die Tragweite der Gesetzesänderungen für seine Mandanten zu beurteilen. Eine verlässliche Aussage zu der Frage, ob eine Ausschüttung noch unter Geltung des Anrechnungsverfahrens erfolgen sollte oder nicht, habe er erst nach Kenntnis des voraussichtlichen Jahresergebnisses der GmbH im Jahre 2001 treffen können. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Entstehung der Kirchensteuer kaum mehr verhindert werden können. Selbst ein Kirchenaustritt noch im November 2001 hätte überhaupt nichts genutzt, da § 3 Abs. 2 KiStG NRW das Wirksamwerden des Kirchenaustritts erst mit Ablauf des Monats vorsehe, der auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens folgt. Bei einem Kirchenaustritt während des Kalenderjahres werde die Einkommenssteuer als Maßstabsteuer lediglich für jeden Monat, in dem die Kirchensteuerpflicht nicht bestand, anteilig gekürzt. Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie gehen zur Leistungsklage über und beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an sie 17.858,43 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz aus 34.687,35 Euro für die Zeit vom 27.6.2003 bis zum 23.10.2004 und aus 17.858,43 Euro für die Zeit ab 24.10.2004 zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung der Kläger zurückzuweisen. Die Kläger kürzen nach einem Hinweis den erstinstanzlich errechneten Schadensbetrag von 35.188,74 Euro um 501,30 Euro auf 34.687,35 Euro und legen den inzwischen erlassenen Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Soest vom 24.9.2004 für das Veranlagungsjahr 2003 vor. Hierin ist die von ihnen im Jahre 2003 gezahlte Kirchensteuer durch Sonderausgabenabzug einkommensteuermindernd berücksichtigt worden. Die Kläger berechnen den Einkommensteuervorteil für 2003 mit (17.021,26 - 192,34=) 16.828,92 Euro und lassen sich diesen Vorteil auf den Schadensbetrag von 34.687,35 Euro anrechnen. Im übrigen wiederholen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen ergänzende Ausführungen. Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen. B. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Aufgrund des in 2. Instanz zulässigen Übergangs der Kläger von der Feststellungsklage zur Leistungsklage wirkt sich nicht mehr aus, dass der Feststellungstenor des Landgerichts rechtsfehlerhaft nicht auf Schäden begrenzt ist, deren Vermeidung die vom Beklagten verletzte Pflicht bezweckt. Im übrigen beruht die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Rechtsverletzung; die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Die Kläger haben mit der Berufungserwiderung innerhalb der Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) konkludent Anschlussberufung eingelegt, indem sie ihrerseits eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung und -wie schon mit ihrem erstinstanzlichen Hauptantrag- eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung beantragt haben. Die Anschlussberufung ist begründet. Der Übergang von der Schadenersatzfeststellung des Landgerichts zur Leistungsklage ist gerechtfertigt, da der Schaden der Kläger nach Erlass des Einkommensteuerbescheides für 2003 abschließend berechnet werden kann. So weit es auf die Anwendung bürgerlichen Rechts ankommt, ist das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229, § 5 Satz 1 EGBGB. I. Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch in der zuerkannten Höhe aus positiver Vertragsverletzung zu, weil der Beklagte sie nicht über die kirchensteuerlichen Auswirkungen der auf seinen Rat hin im Dezember 2001 durchgeführten Gewinnausschüttung der S und F GmbH belehrt hat. 1. Pflichtverletzung: Der Beklagte war auch ohne gesonderten Auftrag auf Grund seines Dauerschuldverhältnisses mit den Klägern verpflichtet, diese spätestes in der 1. Hälfte Dezember 2000 auf die für sie bei einer Gewinnausschüttung der Schlieper und Feldt GmbH anfallende erhebliche Kirchensteuerbelastung hinzuweisen. a. Ein Steuerberater, der -wie der Beklagte- umfassend mit der Steuerberatung beauftragt ist, hat seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Dabei hat er grundsätzlich davon auszugehen, dass seine -regelmäßig sachunkundigen- Mandanten belehrungsbedürftig sind. Darüber hinaus muss der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren, deswegen muss er den nach den Umständen sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreiten. Hierbei hat er den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung zu vermeiden (BGH NJW 1995, 958; NJW 1995, 2108/2110; NJW 1998, 1488/1489/1491; NJW 2001, 3477/3478; Senat, Urteil vom 20.12.2002 - 23 U 39/02 = OLGR 2003, 106 und GI 2003, 60; Zugehör DStR 2003, Seiten 1124 f und 1171 f - Anm. 1.2.). b. Eine Beratungspflicht im Zusammenhang mit dem Anfall von Kirchensteuer ist nicht grundsätzlich deshalb ausgeschlossen, weil die Kirchensteuer die automatische Folge der Mitgliedschaft in einer Kirche ist und diese Mitgliedschaft auf einer persönlichen Gewissensentscheidung beruht. Im Einzelfall mag die Belastung des Mandanten mit Kirchensteuer für diesen erkennbar nachrangig und unerheblich sein. Hiervon kann der Berater in der Regel dann nicht ausgehen, wenn er besonders beauftragt ist, den Mandanten über die steuerlichen Folgen einer beabsichtigten Maßnahme zu unterrichten (Senat, a.a.O.; Zugehör a.a.O.), und zwar unabhängig davon, ob die Bereitschaft des Mandanten zu einem Kirchenaustritt für den Berater erkennbar ist. Denn nur bei Kenntnis aller anfallenden Steuern ist der Mandant in der Lage, die eigenverantwortliche Entscheidung über sein weiteres Verhalten zu treffen. Ohne Sonderauftrag schuldet der Steuerberater die Beratung über den Anfall von Kirchensteuern jedenfalls dann, wenn Änderungen des Steuerrechts Maßnahmen des Mandanten zur Abwehr drohender Nachteile gebieten, zur Vorbereitung der Entscheidung die Abwägung der steuerlichen Vor- und Nachteile erforderlich ist und der zu erwartende Anfall der Kirchensteuer beträchtlich ist. Ein solcher Fall war hier mit Erlass des StSenkG eingetreten. Die Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens hatte erhebliche Auswirkungen auf die Einkommensteuer der Kläger. Bei Gewinnausschüttungen der S und F GmbH an den klagenden Ehemann nach dem 31.12.2001 hätte nicht mehr die Möglichkeit bestanden, auf die mit der Ausschüttung verbundene Einkommensteuer der gemeinsam veranlagten Kläger gemäß § 36 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 EStG das bei der S und F GmbH angesammelte Körperschaftsteuerguthaben anzurechnen. Dieses Guthaben war beträchtlich, da die thesaurierten Gewinne der GmbH bereits zum 31.12.1999 1.825.734,87 DM betragen hatten und im Jahre 2000 weiter angewachsen waren. Bereits auf Grund der bekannten Zahlen aus dem Jahre 1999 bestand nach Erlass des StSenkG dringender Anlass, über eine Gewinnausschüttung nachzudenken. Ob Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile geboten waren, konnte der als Anteilseigner betroffene klagende Ehemann erst nach umfassender Information über die steuerlichen Vor- und Nachteile einer Ausschüttung vor bzw. nach dem 31.12.2001 treffen. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang geschuldete Information über die steuerlichen Folgen einer Ausschüttung erfasste auch die Kirchensteuer. c. Der Beklagte durfte nicht davon ausgehen, dass bei den Klägern als langjährigen Kirchensteuerzahlern insoweit kein Belehrungsbedarf bestand. Die bei Kirchensteuerzahlern in der Regel bestehende allgemeine Kenntnis des Zusammenhangs zwischen der Einkommen- und der Kirchensteuer reichte nicht aus, um die Kirchensteuerbelastung auch nur annähernd einzuschätzen. Diese vage Vorstellung war im Gegenteil sogar geeignet, die Kirchensteuerbelastung bei einer Gewinnausschüttung unter Geltung des früheren körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens erheblich zu unterschätzen oder sogar als nicht vorhanden anzusehen. Ohne Belehrung durch den Steuerberater kommt ein fachunkundiger Kirchensteuerzahler wohl kaum auf die Idee, dass die Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens der GmbH auf die Einkommensteuer für die Kirchensteuer folgenlos bleibt und die Kirchensteuer nach der ungekürzten Einkommensteuer bemessen wird. Dies wird im vorliegenden Fall, in dem die Einkommensteuer allein durch das Anrechnungsverfahren von 975.957 DM um 492.826 Körperschaftsteuer und ca. 280.000 DM Kapitalertragsteuer gekürzt, die Kirchensteuer aber nach einer Einkommensteuer von 966.231 DM bemessen wurde, besonders deutlich. Der Beklagte hatte auch keinen Anlass davon auszugehen, dass die Kläger an einer Information über den Anfall von Kirchensteuer nicht interessiert seien, weil sie für sich bereits die höchstpersönliche Gewissensentscheidung, unter keinen Umständen aus der Kirche auszutreten, getroffen hätten. d. Die Parteien gehen übereinstimmend zutreffend davon aus, dass die Kirchensteuer für das Veranlagungsjahr 2001 nicht mehr vermeidbar war, als der Beklagte den klagenden Ehemann am 10.12.2001 auf Grund eines Sonderauftrags über die steuerlichen Folgen der von ihm empfohlenen Gewinnausschüttung beriet. Gemäß § 3 Abs. 2 NRW KiStG endet die Kirchensteuerpflicht bei einem nach Maßgabe der geltenden staatlichen Vorschriften erklärten Kirchenaustritt "mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Erklärung des Kirchenaustritts wirksam geworden ist". Wirksam wird die Kirchenaustrittserklärung mit Ablauf des Tages, an dem sie beim zuständigen Amtgericht erklärt wird, wie sich aus den von den Klägern vorgelegten Bescheinigungen des Amtsgerichts Soest vom 19.12.2002 ergibt. Eine Kirchenaustrittserklärung der Kläger im Dezember 2001 hätte also erst zum 31.12.2001, d.h. nach Ablauf des Veranlagungsjahres, in dem die Gewinnausschüttung zu versteuern war, das Ende ihrer Kirchensteuerpflicht bewirkt. Daher kommt es entscheidend darauf an, ob der Beklagte auch ohne Sonderauftrag spätestens in der ersten Hälfte des Dezember 2000 verpflichtet war, die Kläger auf den Anfall von Kirchensteuer im Zusammenhang mit einer Gewinnausschüttung der S und F GmbH hinzuweisen. (Nur) bei einer Belehrung zu diesem Zeitpunkt hätten die Kläger genügend Zeit gehabt, durch Erklärung des Kirchenaustritts vor Ablauf des Dezember 2000 gemäß § 3 Abs. 2 NRW KiStG ihre Kirchensteuerpflicht für das gesamte Veranlagungsjahr 2001 zu vermeiden. Der Senat geht von einer Belehrungspflicht des Beklagten spätestens in der ersten Hälfte des Dezember 2000 aus. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte er sich ausreichend Kenntnisse vom genauen Inhalt des am 23.10.2000 verabschiedeten und am 14.11.2000 im BStBl. Teil I Seite 1428 f veröffentlichten StSenkG verschaffen können und müssen. Überlegungen dazu, ob und welche Auswirkungen das StSenkG für die Kläger haben werde, hätte er schon vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens anstellen müssen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung stammt vom 9.2.2000 und beinhaltete bereits die für die Kläger bedeutsamen Vorschriften über die Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens für Gewinnausschüttungen an Anteilseigner nach dem 31.12.2001. Dieser Entwurf wurde im Verlaufe des Jahres 2000 ausführlich in von Steuerberatern zu beachtenden Fachzeitschriften kommentiert, u.a. in: Der Betrieb, Beilage Nr. 4/2000 zu Heft Nr. 11 vom 17.3.2000; GmbHRundschau 2000 Seite 205 f und Seite 901 f; Deutsches Steuerrecht Heft 9/2000, Seite 353 f und Heft 11/2000, Seite 445 f) und war als Anhang zur 19. Auflage 2000 des Kommentars von Schmidt zum EStG beigefügt. Auf Grund der erheblichen Bedeutung des StSenkG für die Unternehmensbesteuerung war jeder Steuerberater seit der Verabschiedung des Entwurfs vom 9.2.2000 gehalten, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt zu unterrichten, um danach rechtzeitig klären zu können, ob es geboten war, den Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten (BGH NJW 2004, 3487 zur Steuerberaterpflichten bei möglicher bevorstehender Gesetzesänderung). Hätte der Beklagte sich bereits im Verlaufe des Jahres 2000 über den Entwurf des StSenkG informiert, wäre für ihn die Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens mit einer Übergangsregelung für Ausschüttungen aus Wirtschaftsjahren vor dem 1.1.2002 nicht so überraschend gewesen, dass er danach längere Zeit zur Überprüfung der Folgen des Gesetzes für seine Mandanten benötigte. Die Verabschiedung des Gesetzes hätte er bereits Ende Oktober 2000 Pressemitteilungen entnehmen können. Bis Ende November 2000 hätte er sich den genauen Wortlaut des Gesetzes beschaffen können, so dass er Anfang Dezember 2000 in der Lage gewesen wäre, mit den Klägern zu erörtern, ob Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile noch im Jahre 2000 geboten waren. Auf Grund der ihm bekannten Gewinnthesaurierung bei der S und FGmbH hätte sich ihm ohne längere Überlegungszeit aufdrängen müssen, dass Handlungsbedarf bestand. Unerheblich ist, dass Anfang Dezember 2000 der Gewinn der GmbH im Jahre 2000 noch nicht abschießend ermittelt werden konnte und die Gewinnentwicklung für 2001 noch nicht absehbar war. Bereits der damals bekannte Bestand der thesaurierten Gewinne der GmbH zum 31.12.1999 in Höhe von über 1,7 Mio DM gab dringend Anlass, mit dem klagenden Ehemann eine Gewinnausschüttung der GmbH vor dem 31.12.2001 und die damit für die Kläger verbundenen steuerlichen Vor- und Nachteile zu erörtern. Der Beklagte durfte die Erörterung nicht deswegen auf Dezember 2001 verschieben, weil das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren für Gewinnausschüttungen bis 31.12.2001 anwendbar blieb. Abgesehen davon, dass er von einem grundsätzlichen Interesse seiner Mandanten an einer möglichst frühen Information über die für sie relevanten Folgen des StSenkG ausgehen musste, um ihnen die Möglichkeit zu geben, möglichst bald Maßnahmen zur Abwehr von Nachteilen zu treffen, war hier der spezielle Hinweis auf den Anfall beträchtlicher Kirchensteuer noch im Dezember 2000 notwendig, damit die Kläger Gelegenheit hatten, die Kirchensteuer für das Veranlagungsjahr, in dem die Ausschüttung erfolgte, durch Austritt aus der Kirche vollständig zu vermeiden. Der Beklagte war verpflichtet, die Kläger auf § 3 Abs. 2 NRW KiStG, wonach die Kirchensteuerpflicht nur für die Zukunft und erst mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Erklärung des Kirchenaustritts wirksam geworden ist, endet, hinzuweisen. Damit ist nicht gesagt, dass ein Steuerberater seine Mandanten stets darauf hinweisen muss, sie könnten die Kirchensteuer durch Austritt aus der Kirche vermeiden. Etwas anderes hat der Senat auch nicht in seinem Urteil vom 20.12.2002 (a.a.O.) angenommen. Selbstverständlich darf ein Steuerberater insoweit grundsätzlich von der fehlenden Belehrungsbedürftigkeit seines Mandanten ausgehen. Im Dezember 2000 ergab sich jedoch die Besonderheit, dass der Kirchenaustritt von den Klägern noch in diesem Monat erklärt werden musste, wenn sie die beträchtliche Kirchensteuer im Zusammenhang mit einer Gewinnausschüttung im Veranlagungsjahr 2001 vermeiden wollten. Offen bleiben kann, ob der Beklagte ungefragt auf § 3 Abs. 2 NRW KiStG hätte hinweisen müssen. Der Senat geht, wie unter 3. näher ausgeführt wird, davon aus, dass der beklagte Ehemann ihm nach Belehrung über den Anfall beträchtlicher Kirchensteuern zu erkennen gegeben hätte, dass er einen Austritt aus der Kirche erwäge. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte auf § 3 Abs. 2 NRW KiStG hinweisen, da er nicht erwarten konnte, dass dem klagenden Ehemann die genauen Voraussetzungen für den Wegfall der Kirchensteuerpflicht bekannt waren. 2. Verschulden Das Verschulden des pflichtwidrig handelnden Steuerberaters ist entsprechend § 282 a.F. BGB zu vermuten mit der Folge, dass sich dieser entlasten muss. Das ist dem Beklagten nicht gelungen. 3. Haftungsausfüllende Kausalität Die Pflichtverletzung des Beklagten war ursächlich für die Belastung der Kläger mit der festgesetzten Kirchensteuer. Die entsprechende Feststellung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei und wird mit der Berufung des Beklagten auch nicht beanstandet. Gemäß § 249 Satz 1 BGB a.F. hat ein ersatzpflichtiger Berater den Zustand herzustellen, der ohne seine Pflichtverletzung bestünde. Deswegen ist gemäß § 287 ZPO festzustellen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters genommen hätten, insbesondere, wie der Auftraggeber darauf reagiert hätte, und wie dessen Vermögenslage dann wäre (BGH NJW 2002, 593/594; Zugehör, a.a.O. Seite 1171 f, Anm. 1.4.). Auf Grund der urkundlich belegten Kirchenaustrittserklärungen der Kläger am 19.12.2002, kurz nach Kenntnisnahme der vom Beklagten für das Veranlagungsjahr 2001 errechneten Kirchensteuern ist mit der gemäß § 287 ZPO ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der klagende Ehemann, wäre er bereits im Dezember 2000 vom Beklagten über den Anfall beträchtiger Kirchensteuer bei Gewinnausschüttung der GmbH informiert worden, zu erkennen gegeben hätte, dass jedenfalls er einen Kirchenaustritt in Erwägung ziehe. Des Weiteren ist gemäß § 287 ZPO anzunehmen, dass beide Kläger nach weiterer Beratung über die Voraussetzung der Beendigung der Kirchensteuerpflicht gemäß § 3 Abs. 2 NRW KiStG noch im Dezember 2000 den Austritt aus ihren Kirchen erklärt und dafür gesorgt hätten, dass hierauf abgestimmt die Gewinnausschüttung der GmbH erst -wie tatsächlich geschehen- im Jahre 2001 vorgenommen wird. Diese Entscheidung hätten die Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch dann getroffen, wenn sie vom Beklagten -ordnungsgemäß- auch darüber belehrt worden wären, dass die Kirchensteuer im Veranlagungsjahr der Zahlung als Sonderausgabe einkommensteuermindernd geltend gemacht werden könne. 4. Schaden Auf der Grundlage der Rspr. des BGH (NJW-RR 2003, 1035), wonach für das Vertragsrecht anerkannt ist, dass eine Pflichtverletzung nur zum Ersatz der Schäden führen kann, deren Vermeidung die verletzte Pflicht bezweckt, kommt eine Haftung des Beklagten nur für die durch die Gewinnausschüttung verursachte Kirchensteuerbelastung der Kläger in Betracht. Hierauf anzurechnen sind die Vorteile, die den Klägern durch den Abzug dieser im Jahre 2003 nachentrichteten Kirchensteuer als Sonderausgaben für dieses Veranlagungsjahr erwachsen sind. Die im Verlaufe der 2. Instanz korrigierte Schadensberechnung der Kläger wird den Anforderungen des BGH gerecht. Der Beklagte hat die Berechnungen in den Schriftsätzen der Kläger vom 4.1.2005 und 24.2.2005 nicht beanstandet. II. Der zuerkannte Zinsanspruch ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB n.F. gerechtfertigt. Soweit die Kläger für die Zeit vom 27.6.2003 bis 23.10.2004 Zinsen aus einem Hauptbetrag von mehr als 17.858,43 Euro geltend machen, ist ihre Klage unbegründet. Dass sie in dieser Höhe einen Zinsschaden etwa durch entgangene Kapitalerträge oder durch die Notwendigkeit der Aufnahme eines Bankkredits zur Finanzierung der Steuernachforderung aus dem Jahre 2003 erlitten haben, tragen sie nicht vor. Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB können sie nur aus dem Betrag von 17.858,43 Euro beanspruchen, denn nur in dieser Höhe ist ihnen ein Schaden entstanden. Bei der Berechnung des Schadens ist die gesamte Schadensentwicklung bis zum prozessual spätest möglichen Zeitpunkt, nämlich dem der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen, einzubeziehen (BGH NJW 2004,445). Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1,2, § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird zugelassen. Streitwert für die 2. Instanz (Berufung und Anschlussberufung): bis 28.2.2005: 18.167,48 Euro ab 1.3.2005: 17.858,43 Euro

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