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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.01.2004
Aktenzeichen: I-23 U 28/03
Rechtsgebiete: EGBGB, EStG, ZPO, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 229 § 1 Satz 1
EGBGB Art. 229 § 1 Satz 3
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
EStG § 16
EStG § 34
ZPO § 513
BGB § 288
BGB § 284 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 10. Februar 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerinnen 333.040,19 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 20.9.2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe:

A.

Die Klägerinnen machen als Erbinnen des Herrn E........ B....... einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten als die steuerlichen Berater des Erblassers geltend. Betroffen ist eine Beratung des Erblassers durch die Beklagten zu der steuerrechtlichen Behandlung einer Veräußerung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen. Der Erblasser war Kommanditist einer GmbH & Co. KG und veräußerte mit Vertrag vom 27.8.1996 (Bl. 115 ff. GA) eine Teilkommanditeinlage von 20 % an einen Mitarbeiter. Weiter wurde auch ein Anteil von 20 % an der Komplementär-GmbH übertragen. Die Klägerinnen werfen den Beklagten vor, durch eine unzureichende Beratung eine unnötig hohe Versteuerung des Veräußerungsgewinns bewirkt zu haben. Der auf die Hälfte ermäßigte Steuersatz gemäß §§ 16, 34 EStG konnte nämlich deshalb nicht angewendet werden, weil der Mitunternehmeranteil des Erblassers auch Sonderbetriebsvermögen umfasste, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu rechnen war, das aber nicht mit einem entsprechender Bruchteil mit veräußert wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 254 ff. GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, den Beklagten sei eine Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen. Die Klägerinnen hätten darüber hinaus nicht ausreichend substantiiert zur Kausalität vorgetragen und den ihnen entstandenen Schaden nicht schlüssig dargelegt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihre Schadensersatzansprüche weiter verfolgen. Zur Begründung vertreten sie die Ansicht, die Beklagten hätten sich bei der Beratung im Jahre 1996 nur unzureichend mit der damaligen Rechtsprechung und Literatur auseinandergesetzt. Wären die Beklagten ihren Verpflichtungen zur Prüfung der Rechtslage nachgekommen, hätten sie bereits Ansätze für die spätere Entwicklung der Rechtsprechung des BFH erkennen können. Sie hätten dann Anlass gehabt, eine Bindung des zuständigen Finanzamts an die dem Erblasser günstige Handhabung der Finanzämter des Jahres 1996 im Wege einer verbindlichen Auskunft des zuständigen Finanzamts zu erzielen. Jedenfalls hätten sie den Erblasser auf die Risiken einer Veräußerung der Gesellschaftsanteile ohne zugehöriges Betriebsvermögen hinweisen müssen. Dann hätte der Erblasser sicherheitshalber auch das Betriebsvermögen mit übertragen, was eine sichere Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zur Folge gehabt hätte.

Die Klägerinnen beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 333.040,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.9.2001 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag und sind der Ansicht, die Rechtslage ausreichend geprüft zu haben. Die spätere BFH-Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen bei einer Anteilsveräußerung der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei, habe von ihnen nicht vorausgesehen werden können. Sie behaupten, weder wäre der Erblasser bereit gewesen, einen entsprechenden Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück mit zu übertragen, noch wäre der Erwerber zum Erwerb finanziell in der Lage gewesen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache ganz überwiegend mit Ausnahme nur eines Teils des Zinsanspruchs Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Im Umfang der Abänderung beruht die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), § 513 ZPO.

Soweit es auf die Anwendung bürgerlichen Rechts ankommt, ist das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.

I.

Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 330.040,19 EUR wegen positiver Verletzung des zwischen dem Erblasser als Rechtsvorgänger der Klägerinnen und den Beklagten bestehenden Steuerberatervertrages.

1. Der die Beratung vornehmende Beklagte zu 1. hat eine Pflicht aus dem Steuerberatervertrag dadurch verletzt, dass er den Erblasser nicht auf die im Beratungszeitraum bestehende steuerrechtliche Unsicherheit hinwies und eine Klärung nicht dadurch herbeiführte, dass er beim zuständigen Finanzamt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft beantragte.

a) Im Rahmen seines Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren; deswegen muss der Steuerberater den sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreiten. Er hat den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (BGH NJW 1995, 2108 m. w. Nachw.). Welche konkreten Pflichten aus diesen allgemeinen Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Falles. Die Hinweise und Belehrungen des rechtlichen Beraters haben sich an der jeweils aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten, dies sogar dann, wenn er selbst deren Ansicht nicht teilt (BGH NJW 1993, 2799 m. w. Nachw.; Senat, Urteil vom 20.11.2001 - 23 U 20/01, GI 2002, 114). Der rechtliche Berater darf in der Regel auf ihren Fortbestand vertrauen (Senat a.a. O.). Gleichwohl gibt es Grenzen des Vertrauens auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Steuerberater hat abweichende Stimmen im Schrifttum und bei Gerichten der unteren Instanzen zu beachten, wenn sie evident auf eine neue Rechtsentwicklung hinweisen und eine neue Antwort auf bisher nicht entschiedene Fragen nahe legen (Senat a.a.O.; zur Anwaltshaftung: BGH NJW 1993, 3323 f.).

Nach der heutigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist, wenn ein Mitunternehmeranteil auch Sonderbetriebsvermögen umfasst, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu rechnen ist, bei Veräußerung eines Teilanteils der dabei entstehende Gewinn nur dann ermäßigt zu besteuern, wenn auch ein entsprechender Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens veräußert wird (so die von den Parteien immer wieder zitierte Entscheidung des IV. Senats des BFH vom 24.8.2000, Bl. 328 ff. GA, veröffentlicht in BFHE 192, 534 = DStR 2000, 1768; so auch bereits zuvor der XI. Senat des BFH mit Urteil vom 12.4.2000, BFHE 192, 419 = NJW 2001, 534). Hier gehörte zu der KG auch Grundeigentum als Betriebsvermögen, das nicht mit veräußert wurde. Aus diesem Grunde wurde letztlich die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von der Finanzverwaltung verweigert.

Der Beklagte zu 1. hat eine vertragliche Pflicht nicht dadurch verletzt, dass er bei der Beratung des Erblassers diese höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet hätte. Das war nicht möglich, weil der Bundesfinanzhof die hier maßgebliche Frage der ermäßigten Besteuerung einer Anteilsveräußerung erstmals im Jahre 2000 entschied, während die Beratung des Beklagten zu 1. im Vorfeld des Vertragsschlusses (August 1996) stattfand. Diese Rechtsprechung musste der Beklagte zu 1. nicht voraussehen. Im Beratungszeitpunkt gab es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der hier maßgeblichen steuerrechtlichen Frage.

b) Fehlt - wie im vorliegenden Fall im Beratungszeitraum - eine höchstrichterliche Rechtsprechung, so ist ein Steuerberater auch verpflichtet, weitere Quellen für die Rechtsprüfung auszuschöpfen, wie vor allem die Rechtsprechung der Untergerichte und das einschlägige Schrifttum (Zugehör, DStR 2001, 1613, 1615). Eine Rechtsprechung der Finanzgerichte existierte im Jahre 1996 - soweit ersichtlich - noch nicht, so dass der Beklagte zu 1. sich im wesentlichen auf die Literatur und auf die bis dahin veröffentlichte höchstrichterliche Rechtsprechung zu ähnlichen Fragen, aus denen Hinweise auf eine künftige Entwicklung der Rechtsprechung zu entnehmen waren, stützen musste. Darüber hinaus hat der Steuerberater auch eine feste Verwaltungsübung der zuständigen Finanzbehörden zu berücksichtigen (BGH NJW 1995, 3248). Die Intensität der gebotenen Prüfung der Rechtslage und der Beratung wird schließlich auch durch die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten mit bestimmt.

Wäre der Beklagte zu 1. diesen Anforderungen hinsichtlich der Prüfung der Rechtslage und der Verwaltungspraxis im Jahre 1996 nachgekommen, so hätten sich ihm auch bereits zum damaligen Zeitpunkt Zweifel bei der Beantwortung der Frage aufdrängen müssen, ob zur Vermeidung steuerlicher Nachteile für den Erblasser auch ein entsprechender Anteil am Betriebsvermögen auf den Mitarbeiter S........ hätte übertragen werden müssen.

Aus der 1996 vorliegenden steuerrechtlichen Literatur war kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich der Beantwortung dieser steuerrechtlichen Frage und erst recht nicht hinsichtlich der künftigen voraussichtlichen Entscheidung der Finanzverwaltung oder der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zu gewinnen. Das folgt aus dem damaligen uneinheitlichen Meinungsstand, wie er beispielsweise in dem im April 1996 veröffentlichten Aufsatz von Patt/Rasche, DStR 1996, 645 wiedergegeben ist. Ergänzend kann auf die Nachweise in dem Gutachten des Des vom Oktober 2001 zur Rechtslage des Jahres 1996 Bezug genommen werden (Bl. 52 ff. GA), das der Kläger vorgelegt hat. Ein Teil der damaligen steuerrechtlichen Literatur sprach sich mit unterschiedlichen Nuancen in der Begründung dafür aus, die Steuerermäßigung des § 34 EStG auch dann zu gewähren, wenn nur ein Teil des Gesellschaftsanteils ohne zugehöriges Sonderbetriebsvermögen veräußert wird (z. B. der bereits vom Landgericht zitierte Standardkommentar Schmidt, EStG, 15. Aufl., § 16 Randnr. 410, und andere). Dagegen traten andere Autoren dafür ein, die Tarifvergünstigung nur zu gewähren, wenn alle wesentlichen stillen Reserven des Mitunternehmeranteils aufgedeckt werden. Werden danach wesentliche Betriebsgrundlagen zurückgehalten, so war dieser Auffassung zufolge die Veräußerung eines Teils des Gesellschaftsanteils nicht steuerlich begünstigt (z. B. Wollny, FR 1989, 713; Weber, DB 1991, 2560; Althans, BB 1993, 1060). Zu diesen Autoren gehörte mit Herrn Wollny immerhin ein Richter am Bundesfinanzhof. Offen bleiben kann, in welchem Umfang im einzelnen ein Studium dieser Literatur von einem Steuerberater erwartet werden kann. Die Anforderungen an einen in der Praxis tätigen Steuerberater dürfen insoweit nicht überspannt werden - auch nicht bei Fehlen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung. Jedenfalls musste sich bereits bei einem flüchtigen Blick in einen der Standardkommentare für den Beklagten zu 1. der soeben angerissene Meinungsstand zeigen, der eine eindeutige Antwort auf die maßgebliche Frage nicht zuließ.

Die Unsicherheit des Jahres 1996 darüber, ob die bloße Übertragung eines ideellen Teils des Gesellschaftsanteils für die Steuerbegünstigung ausreicht, wurde noch durch eine in diesem Zeitpunkt bereits vorliegende Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 19.3.1991 bestärkt (BFHE 164, 260 = BStBl. II 1991, 635 = DStR 1991, 872). Danach findet nämlich die Tarifvergünstigung der §§ 16, 34 EStG bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils keine Anwendung, wenn gleichzeitig Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zum Buchwert in einen anderen Betrieb des Mitunternehmers überführt werden. Zwar war in diesem Fall der gesamte Anteil veräußert worden. Grund der Nichtgewährung der Steuerbegünstigung war aber auch hier der Umstand, dass nicht die stillen Reserven aller wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt wurden. Mit dieser Begründung leitet der BFH seine im Jahre 2000 entwickelte Rechtsprechung zur Veräußerung eines Mitunternehmeranteils auch ausdrücklich aus der älteren Entscheidung ab (BFH NJW 2001, 534, 535). Außerdem umfasste auch nach der im Jahre 1996 bereits bestehenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Mitunternehmeranteil den Gesellschaftsanteil und das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen (s. die Nachweise bei BFH a.a.O.). Der damalige Kommentar von Schmidt zum EStG (§ 16 Rdnr. 410), der die spätere Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht teilte und die Mitübertragung des Betriebsvermögens nicht für erforderlich hielt, wies auch ausdrücklich auf diese gegen seine Auffassung sprechende Rechtsprechung hin ("...obwohl der Mitunternehmeranteil eines Gesellschafters grundsätzlich sein Betriebsvermögen umfasst ...").

Diese beiden, im Jahre 1996 bereits vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fragen mussten den Beklagten zwar nicht in die Lage versetzen, die Rechtsprechung des Jahres 2000 vorauszusehen. Immerhin vertraten in der Literatur in Kenntnis dieser Rechtsprechung weiterhin gewichtige Stimmen die von der späteren BFH-Rechtsprechung abweichende Auffassung. Auch entschied das FG Münster noch im Jahre 1998 im Sinne der Auffassung der Beklagten (DStRE 1999, 138). Es kann auch offen bleiben, ob ein Steuerberater zu einer derartigen Analyse der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs überhaupt verpflichtet ist. Im vorliegenden Zusammenhang genügt die Feststellung, dass es damals eine Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs noch nicht gab und aus den seinerzeit vorliegenden Entscheidungen eine eindeutige Prognose zugunsten der Auffassung des Beklagten zu 1. nicht gewonnen werden konnte, sondern sich daraus eher die gegenteilige Auffassung des Bundesfinanzhofs andeutete.

Die Praxis der Finanzverwaltung war im Jahre 1996 bundesweit nicht einheitlich (Märkle, DStR 2001, 685, 686), wenngleich zwischen den Parteien nicht streitig ist, dass im hier maßgeblichen Bezirk der OFD Düsseldorf damals noch einheitlich eine anteilige Mitübertragung des Betriebsvermögens nicht verlangt wurde. Letzteres ergibt sich auch aus der Einkommensteuer-Gruppenbesprechung bei der OFD Düsseldorf im Dezember 1996 (Bl. 234 f. GA). Das Besprechungsprotokoll vom 20.12.1996 verweist auf die bereits erwähnte Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1991 und folgert daraus, dass sich seither die bisher h. M. nicht mehr aufrechterhalten lasse. Der Sinn der Besprechung kann nur dahin verstanden werden, dass damit für die Zukunft, also frühestens ab 1997, eine Handhabung im Bezirk der OFD Düsseldorf dahin erreicht werden sollte, dass eine Mitübertragung des Betriebsvermögens erforderlich ist. Das ergibt nur Sinn vor dem Hintergrund einer bis dahin bestehenden entgegengesetzten Übung. Unerheblich ist, dass die Beklagten bestritten haben, dass die von den Klägerinnen vorgelegte Kopie den Inhalt der Besprechung korrekt wiedergibt. Die oben gezogene Schlussfolgerung entspricht nämlich ganz dem Vortrag der Beklagten zu der entsprechenden Übung des Jahres 1996.

Trotz dieser Übung im Bezirk der OFD Düsseldorf mussten sich dem Beklagten zu 1. nach der gebotenen Prüfung Zweifel zeigen, die ein Vertrauen auf den Fortbestand der Verwaltungspraxis ausschlossen. Die Übung beruhte nämlich weder auf irgendeiner, schon gar nicht auf einer gefestigten Rechtsprechung noch auf einer allgemeinen Verwaltungsanweisung noch entsprach sie einer einhelligen Auffassung in der Literatur. Ob allgemein angesichts einer bestehenden Verwaltungspraxis Gegenstimmen in der Literatur und das Fehlen einer Rechtsprechung allein ausreichen, um zu weiterer Beratung Anlass gebende Zweifel bei dem Steuerberater zu wecken, kann offen bleiben. Das gilt aber jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um erhebliche wirtschaftliche Folgen für den Mandanten geht. Hier stand eine Steuerermäßigung in einer Höhe von über 333.000,-- EUR auf dem Spiel. Gerade dann bestehen bei zweifelhaftem rechtlichen Hintergrund erhöhte Anforderungen an eine Beratung, die den Mandanten in die Lage versetzen muss, eigenverantwortlich in Kenntnis sämtlicher steuerrechtlicher Risiken eine sachgerechte Entscheidung zu treffen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts genügt nicht, dass der Steuerberater sich eine vertretbare Lösung aus mehreren denkbaren Möglichkeiten heraussucht. Es kommt bei unsicherer Rechtslage nicht auf die Vertretbarkeit einer bestimmten Entscheidung aus der Sicht des Steuerberaters an. Die Entscheidung selbst muss letztlich der umfassend, gerade auch hinsichtlich der Risiken zutreffend und vollständig beratene Mandant treffen.

Der Beklagte zu 1. hätte den Erblasser aber nicht nur über die Risiken aufklären müssen, um ihm dann letztlich die Entscheidung zu überlassen, ob er das Risiko in Kauf nehmen oder durch Mitübertragung des Grundstücksanteils vermeiden will. Vielmehr hätte der Beklagte zu 1. darüber hinaus und sogar in erster Linie versuchen müssen, diese Unsicherheit zu vermeiden, indem er sich um eine verbindliche Auskunft des Finanzamts bemühte. Der Steuerberater ist nämlich in erster Linie verpflichtet, dem Anliegen des Mandanten soweit wie möglich und steuerrechtlich zulässig Rechnung zu tragen und zu versuchen, die Vorstellungen des Mandanten umzusetzen. Diese gingen hier zunächst dahin, den Anteil ohne zugehörigen Grundstücksanteil auf den Mitarbeiter zu übertragen. Dieses Ziel hätte der Beklagte zu 1. in bereits vor Vertragsschluss "abgesicherter" Weise erreichen können, wenn er eine entsprechende verbindliche Auskunft des Finanzamts erreicht hätte. Dann wäre nämlich eine Mitübertragung des Grundstücksanteils überhaupt nicht notwendig gewesen, auch nicht "sicherheitshalber" zur Vermeidung eines restlichen Risikos aus einer künftigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. An die entsprechende verbindliche Auskunft wäre die Finanzverwaltung nämlich gebunden gewesen.

2. Hätte der Beklagte zu 1. pflichtgemäß vor der Anteilsübertragung im August 1996 eine verbindliche Auskunft des Finanzamts beantragt, so wäre diese nach Auffassung des Senats zum damaligen Zeitpunkt, also in der ersten Jahreshälfte 1996, mutmaßlich noch in der Weise erteilt worden, dass die Mitübertragung eines Grundstücksanteils für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nicht erforderlich ist.

Bei der Beurteilung, ob dem Mandanten aus fehlerhafter Beratung ein Schaden entstanden ist, hat das für den Regressprozess zuständige Gericht grundsätzlich nicht darauf abzustellen, wie die zuständige Verwaltungsbehörde oder das damals angerufene Gericht ohne die Pflichtverletzung tatsächlich entschieden hätte, sondern aufgrund der gesamten Sach- und Rechtslage selbständig darüber zu befinden, wie das betreffende Verfahren ohne den dem Berater zur Last fallenden Fehler richtigerweise hätte ausgehen müssen. Dieser Grundsatz der selbständigen Rechtsprüfung durch das Regressgericht beruht auf der Wertung, dass dem Kläger im Wege des Schadensersatzes nichts zugesprochen werden darf, worauf er keinen Anspruch hat. Sie erfährt aber dann eine Ausnahme, wenn der Verwaltungsbehörde ein Ermessensspielraum zustand oder eine Bindung aufgrund allgemeiner Verwaltungsübung eingetreten war. In solchen Fällen ist die mutmaßliche Behördenentscheidung festzustellen und jedenfalls dann maßgeblich, wenn sie sich nicht als Fehlgebrauch des Ermessens darstellen würde oder - in den Fällen, in denen sich eine ständige Verwaltungspraxis herausgebildet hatte - die Gesetzwidrigkeit dieser Praxis weder offensichtlich war noch öffentlich diskutiert wurde und daher ihr Fortbestand nicht gewährleistet war (BGH NJW 1993, 2799; NJW 1995, 3248/3249; Ganter NJW 1996, 1310/1313/1314 m. w. Nachw.).

Letztgenannter Fall liegt hier vor. Die Erteilung der verbindlichen Auskunft liegt im Ermessen der Finanzbehörde. Sie wird nach den näheren Maßgaben des Schreibens des BMF vom 24.6.1987 (BStBl. I 474, Bl. 340 GA) erteilt. Im vorliegenden Fall wäre dies mutmaßlich in der ersten Hälfte des Jahres 1996 dahin geschehen, dass die Mitübertragung eines Grundstücksteils nicht erforderlich ist zur Inanspruchnahme der Tarifermäßigung. Zum damaligen Zeitpunkt bestand nämlich - wie bereits ausgeführt - noch eine entsprechende Praxis der Finanzämter im Bezirk der OFD Düsseldorf, deren Gesetzwidrigkeit weder offensichtlich noch öffentlich diskutiert worden war und die frühestens als Folge der Besprechung im Dezember 1996 beendet wurde. Auch die Beklagten behaupten nichts Abweichendes. Ergänzend kann noch auf den Bericht über die Betriebsprüfung vom 2.8.1999 (Bl. 43 ff. GA) hingewiesen werden. Dieser nennt zur Begründung der dort vertretenen Auffassung die "neuere Rechtsprechung", was für eine früher entgegengesetzte Übung der Finanzämter spricht. Schließlich ist auch darauf zu verweisen, dass sogar der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom 26.1.1999 fast drei Jahre nach der Beratung durch die Beklagten die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes noch vorsah, wenn er auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging. Erst die nachfolgende Betriebsprüfung vertrat eine abweichende Auffassung.

Die verbindliche Auskunft hätte von dem Finanzamt auch nicht verweigert werden können. Insbesondere lag ein steuerliches Interesse des Erblassers zur Beantwortung einer konkreten Rechtsfrage vor. Anders als vom Landgericht erwogen hätte die Auskunft auch nicht deshalb verweigert werden können, weil die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund gestanden hätte. Der vorliegende Fall ist mit den in der maßgeblichen Verwaltungsanweisung genannten Beispielen (Steuersparmodelle. Prüfung von Gestaltungsmissbrauch) nicht vergleichbar. Es ging vielmehr um die Frage, wie die Anteilsübertragung konkret auszugestalten war. Dass dabei steuerliche Auswirkungen eine Rolle spielen, ist bei jeder Bitte um eine verbindliche Auskunft selbstverständlich.

3. Hätte das Finanzamt - wie anzunehmen - die Auskunft verbindlich in dem Sinne erteilt, dass eine Mitübertragung des Grundstücks nicht erforderlich ist, um die Tarifermäßigung in Anspruch zu nehmen, so wäre die Belastung des Erblassers mit der Steuernachzahlung einschließlich der Nachzahlungszinsen in geltend gemachter, nicht streitiger und vom Landgericht festgestellter Höhe nicht entstanden. Ein Schaden in dieser Höhe liegt dann vor. Ein Gesamtvermögensvergleich ist nicht vorzunehmen, weil der Erblasser diesen Vorteil nicht durch eine alternative Gestaltung der Anteilsübertragung, sondern ohne anteilmäßige Übertragung des Grundstücks allein aufgrund der Bindungswirkung der Auskunft erlangt hätte.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB. Für die Höhe ist allerdings entgegen dem Antrag und der Auffassung der Klägerinnen die bis zum 30.4.2000 geltende Fassung der Vorschrift maßgeblich, weil der Schadensersatzanspruch spätestens mit dem Zugang des belastenden, die Steuernachzahlung festsetzenden Steuerbescheids vom 5.1.2000 erstmals fällig wurde. Dieser nach Art. 229 § 1 Satz 3 EGBGB maßgebliche Zeitpunkt der ersten Fälligkeit lag vor dem 1.5.2000. Der Beginn des Zinslaufs entspricht dagegen dem Antrag der Klägerinnen, den sie zu Recht mit dem Ablauf von 30 Tagen nach dem Zugang der Forderungsaufstellung vom 20.8.2001 (Bl. 49 GA) annehmen. Das ergibt sich aus § 284 Abs. 3 BGB in der seit dem 1.5.2000 geltenden Fassung, die hier wegen Art. 229 § 1 Satz 1 EGBGB anzuwenden ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 333.040,19 EUR.

Ende der Entscheidung

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