Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.01.2004
Aktenzeichen: I-23 U 34/03
Rechtsgebiete: AO, ZPO, StBerG, EGBGB, BGB, BRAO


Vorschriften:

AO § 162
AO § 240
AO § 240 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 286
ZPO § 287
ZPO § 448
ZPO § 540 I Nr. 1
StBerG § 68
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
BGB § 254 Abs. 1
BRAO § 51 b
BRAO § 51 b Fall 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Teilurteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Teilbetrag von 37.558,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27.3.2002 abzüglich am 6.12.2002 erstatteter 4.132,27 Euro zu zahlen.

2. In Höhe von 4.132,27 Euro ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

3. Die Zahlungsklage wird in Höhe eines weiteren Teilbetrages von 5.412,85 Euro als unbegründet abgewiesen.

4. Der Antrag, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern jedweden weiteren Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist oder noch entstehen wird, dass die Kläger durch das Finanzamt N.. für die Steuerjahre 1994 und 1995 auf Säumniszuschläge zur Einkommenssteuer und zum Solidaritätszuschlag in Anspruch genommen worden sind, wird als unzulässig abgewiesen.

II. Die Entscheidung über die Kosten des 1. Rechtszuges bleibt dem Landgericht im Schlussurteil vorbehalten.

Die Kosten des 2. Rechtszuges fallen zu 80 % dem Beklagten und zu 20 % den Klägern zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe: A. Die Kläger nehmen den beklagten Steuerberater auf Schadensersatz wegen Verletzung mehrerer Pflichten aus dem 1982 geschlossenen und 2002 beendeten Steuerberatervertrag in Anspruch. Gegenstand des angefochtenen Teilurteils des Landgerichts und dieses Berufungsverfahrens ist ein Anspruch auf Erstattung gezahlter Säumniszuschläge, die das Finanzamt N.. zu Lasten der Kläger gemäß § 240 AO auf durch die Schätzungsbescheide vom 8.7.1997 und 13.11.1997 gemäß § 162 AO festgesetzte Einkommenssteuern und Solidaritätszuschläge für 1994 und 1995 wegen nicht rechtzeitiger Entrichtung der geschätzten Steuern erhoben hat, und außerdem ein Anspruch auf Ersatz entgangener Anlagezinsen. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage wegen Verjährung abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die 3-jährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG habe mit dem Ablauf der in den Schätzungsbescheiden genannten Zahlungsfristen, also am 13.8.1997 für das Jahr 1994 und am 17.12.1997 für das Jahr 1995, begonnen und sei am 13.8.2000 bzw. am 17.12.2000, also vor Klageeinreichung, die erst am 5.3.2002 erfolgt ist, abgelaufen. Eine Sekundärhaftung des Beklagten scheide aus, weil die Kläger rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung im Jahre 1999 ihren erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt J......... mit der Prüfung und Geltendmachung etwaiger Regressansprüche gegen den Beklagten beauftragt hätten. Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie rügen fehlerhafte Rechtsanwendung und beanstanden die Beweiswürdigung des Landgerichts. Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen ergänzend vor. Sie beantragen, unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts vom 27.2.2003 den Beklagten zu verurteilen, an sie 42.971,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit abzüglich am 6.12.2002 erstatteter 4.132,27 Euro zu zahlen, festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe der 4.132,27 Euro in der Hauptsache erledigt ist, und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen jedweden weiteren Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist oder noch entstehen wird, dass sie durch das Finanzamt N.. für die Steuerjahre 1994 und 1995 auf Säumniszuschläge zur Einkommenssteuer und zum Solidaritätszuschlag in Anspruch genommen worden sind. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er meint, die Berufung überspanne die Anforderungen an den Wegfall der Sekundärpflichten eines Steuerberaters und mache keine erheblichen Verstöße der Beweiswürdigung des Landgerichts gegen Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze geltend. Außerdem beanstandet er die Zulässigkeit des Feststellungsantrags und verweist wegen seiner weiteren Einwendungen gegen die Schadensersatzforderung der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen. Der Senat hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Berichterstattervermerk vom 19.12.2003. B. Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache überwiegend Erfolg. Das Landgericht hat die Zahlungsklage in Höhe eines Teilbetrages von 37.558,48 Euro nebst Zinsen abzüglich am 6.12.2002 erstatteter 4.132,27 Euro sowie den Erledigungsfeststellungsantrag zu Unrecht abgewiesen. Wegen eines weiter gehenden Teilbetrages von 5.412,85 Euro nebst Zinsen ist die Abweisung der Zahlungsklage als unbegründet im Ergebnis zu Recht erfolgt. Das Feststellungsbegehren, dass sich auf die Steuerjahre 1994 und 1995 bezieht, ist bereits unzulässig. So weit es auf die Anwendung bürgerlichen Rechts ankommt, ist das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB. I. Den Klägern steht aus positiver Verletzung des mit dem Beklagten geschlossenen Steuerberatervertrages ein Anspruch auf Erstattung gezahlter Säumniszuschläge zu, die das Finanzamt N.. gemäß § 240 AO zu Lasten der Kläger auf Einkommenssteuern und Solidaritätszuschläge für 1994 und 1995 erhoben hat. Der Umfang der erhobenen Säumniszuschläge ist unstreitig. Er beträgt insgesamt 37.558,48 Euro. Der Schadensersatzanspruch der Kläger vermindert sich um den Betrag von 4.132,27 Euro, der unstreitig nach Rechtshängigkeit der Klage am 6.12.2002 vom Finanzamt erstattet wurde. Insoweit haben die Kläger zu Recht den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. 1. Der Beklagte hat seine Pflicht, die pünktliche Abgabe der Steuererklärungen für 1994 und 1995 mit Rat und Tat zu fördern und den Sachverhalt von sich aus durch Einsichtnahme in Belege oder notfalls durch Rückfrage bei den Mandanten aufzuklären, verletzt. Seine Einlassung, es sei ihm unmöglich gewesen, die Steuererklärungen rechtzeitig abzugeben, weil er von den Klägern nicht rechtzeitig die Unterlagen zur Berechnung der Höhe der Sondergebietsabschreibungen für deren Bauvorhaben in B........ erhalten habe, ist unerheblich, da er nicht gleichzeitig vorgetragen hat, was er zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat (BGH NJW-RR 1991, 794,795; NJW 1992, 307/309; NJW 1998, 1486/1488; Senat 23 U 22/01 = GI 2002,197 f = OLGR 2003, 52 f). Die Kläger konnten darauf vertrauen, dass der wegen seiner besonderen Sachkunde von ihnen eingeschaltete Beklagte die ihm übertragenen Aufgaben sach- und fristgerecht erfüllen und ggf. mit präziser Fragestellung rechtzeitig um Information und Nachweise ersuchen werde, wenn die ihm überreichten Unterlagen lückenhaft waren oder Unstimmigkeiten aufwiesen. Im übrigen verfügte der Beklagte als Treuhänder der Kläger auch über eigene Unterlagen, aus denen sich jedenfalls ein Teil der Zahlungen der Kläger für ihr Bauvorhaben in B........ ergaben. Dieser Treuhandauftrag wurde erst mit Schreiben des Zeugen J......... vom 12.9.1997 gekündigt. Zu dieser Zeit waren die Abgabefristen für die Steuererklärungen betreffend die Jahre 1994 und 1995 längst abgelaufen, der Schätzungsbescheid des Finanzamts N.. für 1994 vom 8.7.1997 bereits erlassen und der Erlass des Schätzungsbescheids für 1995 vom 13.11.1997 stand kurz bevor. So weit der Beklagte die Verzögerung der Abgabe der Steuererklärungen darauf zurückführt, dass die Kläger nicht in der Lage gewesen seien, dringend erforderliche Entscheidungen für ihr Bauvorhaben zu treffen (z.B. zur beabsichtigten Nutzung einer Gewerbeeinheit) ist der Kausalzusammenhang nicht nachvollziehbar. 2. Hätte der Beklagte rechtzeitig bis zum Ablauf der verlängerten Fristen den zur Abgabe der Steuererklärungen maßgeblichen Sachverhalt aufgeklärt und die Steuererklärungen ordnungsgemäß erstellt, wären sie vermutlich unter Mitwirkung der Kläger rechtzeitig, jedenfalls vor der Steuerschätzung, beim Finanzamt eingereicht worden. Dann wären die Steuerschätzung sicher und die Säumniszuschläge mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vermieden worden. Die Kläger hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die antragsgemäß festgesetzten Steuern und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch etwaige höhere Steuern rechtzeitig bezahlt. Bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden (sog. haftungsausfüllende Kausalität) gelten nicht die strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Zur Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität genügt vielmehr nach Maßganbe des § 287 ZPO je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung; deshalb kann es ausreichen, dass für die Kausalität eine überwiegende (und nicht notwendig eine an Sicherheit grenzende) Wahrscheinlichkeit spricht (BGH NJW 1992, 3298/3299). Die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Vermeidung von Säumniszuschlägen entnimmt der Senat daraus, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kläger in der Vergangenheit jemals außerhalb von Steuerschätzungen Säumniszuschläge verwirkt haben. Der Beklagte war von ihnen im Rahmen des umfassenden Steuerberatervertrages grundsätzlich auch beauftragt, etwaige Säumniszuschläge durch Anträge auf Stundung und Aussetzung der Vollziehung zu vermeiden. 3. Keinen Erfolg hat der Versuch des insoweit beweispflichtigen Beklagten, den Klägern ein Mitverschulden (§ 254 BGB) an der Verwirkung der Säumniszuschläge anzulasten. Nach dem Vortrag der Kläger hat der Beklagte ihnen nach Kenntnisnahme von den Steuerschätzungen für 1994 und 1995 geraten, nichts weiteres zu veranlassen, insbesondere keine Zahlungen zu leisten, wobei er zur Begründung angegeben haben soll, Säumniszuschläge könnten nicht erhoben werden, da die Kläger wegen der Sondergebietsabschreibung keine Steuern schuldeten; er werde die Aussetzung der Vollziehung der Schätzungsbescheide herbeiführen. Nach diesem Vorwurf hat der Beklagte seine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag sogar ein 2. Mal verletzt, weil er die Rechtslage zur Erhebung von Säumniszuschlägen nicht richtig dargestellt, die Kläger nicht vor dem hohen Risiko der Verwirkung der Säumniszuschläge von 1 % für jeden angefangenen Monat bei verspäteter Zahlung gewarnt und nicht darauf hingewiesen hat, dass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur i.V.m. der Vorlage einer ordnungsgemäßen Steuererklärung wegen der zu hoch geschätzten Steuern und dann auch möglicherweise nur für die Zukunft Erfolg haben kann. Weder der Einspruch gegen einen Steuerbescheid noch die Klage vor dem Finanzgericht können Säumniszuschläge verhindern, weil hierdurch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides nicht gehemmt wird (§§ 361 AO, 69 FGO). § 240 Abs. 1 Satz 4 AO lässt sogar bei Aufhebung der festgesetzten Steuern die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass eine falsche und beschwichtigende Auskunft des Steuerberaters, wie sie die Kläger geschildert haben, dazu führt, dass der Mandant trotz Kenntnisnahme der Belehrung des Finanzamtes die Steuerschuld zunächst nicht tilgt, wenn ihm nicht zugleich ausdrücklich vom Steuerberater geraten wird, wegen der schwer wiegenden Folgen verspäteter Zahlung vorsorglich die festgesetzten Steuern zu entrichten (BGH NJW-RR 1991, 794f). Die Kläger bestreiten, vom Beklagten einen solchen vorsorglichen Ratschlag erhalten zu haben. Allein der Umstand, dass sie sich fahrlässig über die Belehrung des Finanzamtes hinweggesetzt haben, ist nicht geeignet, ihre Ersatzpflicht gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu mindern (BGH a.a.O.). Der Beklagte hat seine vom Sachvortrag der Kläger abweichende Darstellung, insbesondere seine Behauptung, die Kläger darauf hingewiesen zu haben, er könne nicht ausschließen, dass das Finanzamt trotz der eingelegten Rechtsmittel Säumniszuschläge erheben werde, nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellt. Es kann daher offen bleiben, ob sein Sachvortrag geeignet ist, ein Mitverschulden der Kläger zu begründen. 4. Auch der vom Beklagten zu beweisende Einwand der Vorteilsausgleichung durch Ersparnis von Kreditzinsen hat keinen Erfolg. Es ist nämlich nicht feststellbar, dass die Kläger durch Nichtbezahlung der geschätzten Steuern Kreditzinsen erspart haben. Hätte der Beklagte pflichtgemäß die Steuererklärungen bis zum Ablauf der Abgabefristen erstellt, wären Steuern in wesentlich niedrigerem Umfang festgesetzt worden. Angesichts des unstreitigen vorhandenen Kapitalvermögens der Kläger ist trotz der zeitweise Inanspruchnahme von Kontokorrentkredit nicht auszuschließen, dass die Kläger die geringere Steuerlast ohne Kreditaufnahme getilgt hätten. 5. Der Schadensersatzanspruch der Kläger ist nicht verjährt. a. Unstreitig ist die 3-Jahresfrist des § 68 StBerG abgelaufen. Sie begann -entgegen der Auffassung des Landgerichts- nicht erst mit dem jeweiligen Ablauf der in den Schätzungsbescheiden genannten Zahlungsfristen, sondern -unabhängig von der Kenntnisnahme der Kläger- bereits mit der Bekanntgabe der Schätungsbescheide (§ 122 II AO, Senat 23 U 18/01 = GI 2002, 293 f = OLGR 2002, 213), also Mitte Juli bzw. Mitte November 1997. Es handelt sich um eine einheitliche Verjährungsfrist, die sowohl den durch die Steuerschätzung bereits eingetretenen und auf der Pflichtverletzung des Beklagten beruhenden 1. Teilschaden, also auch die zu diesem Zeitpunkt bereits vorhersehbaren, jedoch erst später eingetretenen, aber ebenfalls durch die vor der Steuerschätung liegende Pflichtverletzung des Beklagten adäquat verursachten Nachteile, darunter alle unselbstständigen steuerlichen Nebenkosten, erfasst (BGH NJW 1996, 1895 und Senat 23 U 208/02, Urteil vom 14.10.2003 zu Aussetzungszinsen; Senat 23 U 22/01 a.a.O. zu Säumniszuschlägen, Verspätungszuschlägen und Nachzahlungszinsen). Unerheblich ist, ob der Beklagte in der Folgezeit, z.B. im Zusammenhang mit der Erörterung der Steuerschätzungen und der Säumniszuschläge gegenüber den Klägern eine weitere Pflichtverletzung begangen hat. Hierbei handelt es sich nicht um eine selbstständige schadensursächliche Pflichtverletzung, die die vorangegangene vor Erlass der Schätzungsbescheide liegende schadensauslösende Pflichtverletzung gleichsam aufhob und wegen ihrer Dauerwirkung eine neue Verjährung beginnen ließ. Das 2. Fehlverhalten des Beklagten hängt vielmehr mit der allgemeinen Vertragspflicht des Steuerberaters zusammen, von ihm verursachte Nachteile seiner Mandanten abzuwenden oder wenigstens zu mindern, und ändert nichts an der einheitlichen Verjährungsfrist für sämtliche Folgeschäden (BGH NJW 1998, 1488/1499; Senat 23 U 22/01 a.a.O.; Senat 23 U 240/01 = GI 2003, 140 f = OLGR 2003, 94 f). Die Primärverjährung lief daher Mitte Juli 2000 bzw. Mitte November 2000 ab, also vor Klageeinreichung (15.3.2002) und nach dem umstrittenen Zeitpunkt der Einschaltung eines Anwalts durch die Kläger in der Haftungsfrage (1999). b. Dem Beklagten ist es aber nach den Grundsätzen über die sog. Sekundärhaftung verwehrt, sich mit Erfolg auf den Eintritt der Primärverjährung zu berufen. aa. Der sog. "sekundäre" Ersatzanspruch gegen einen Steuerberater setzt eine neue schuldhafte Pflichtverletzung voraus, die über das den Primäranspruch auslösende Verhalten hinausgeht; allein die Pflichtwidrigkeit, die den Schaden des Mandanten verursacht hat, löst die Sekundärhaftung nicht aus. Eine solche erneute Pflichtverletzung kann nur angenommen werden, wenn der Steuerberater vor Ablauf der Verjährung des Primäranspruchs und vor Ende des Mandats begründeten Anlass hatte zu prüfen, ob er dem Mandanten durch eine frühere Pflichtverletzung einen Schaden zugefügt hat (BGH NJW 2002, 1048/1050; Senat a.a.O. und 23 U 222/02 Urteil vom 14.10.2003). Ein derartiger Anlass, die Pflichtwidrigkeit der eigenen Versäumnisse vor der Schätzung der Einkommenssteuern 1994 und 1995 zu erkennen und die Kläger auf den drohenden Ablauf der Verjährungsfrist hinzuweisen, entstand für den Beklagten spätestens im Zusammenahng mit der Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Schätzungsbescheide und auch im Zusammenhang mit dem Versuch, die Säumniszuschläge abzuwenden. Dies hat der Beklagte auch klar erkannt, was sich aus seinem Schreiben vom 13.9.1999 ergibt, mit dem er die Kläger sogar darauf hingewiesen hat, dass sie gegen ihn möglicherweise Schadensersatzansprüche geltend machen könnten. Trotz dieses Hinweises unterliegt er weiterhin der Sekundärhaftung, weil er es unterlassen hat, auch auf die kurze Verjährungsfrist des § 68 StBerG hinzuweisen. bb. Die sekundäre Hinweispflicht des Steuerberaters entfällt allerdings dann, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung wegen der Haftungsfrage einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat. Diesen haftungsausschließenden Umstand muss der in Anspruch genommene Berater beweisen. Es reicht nicht aus, dass die anwaltliche Vertretung des Mandanten nachgewiesen wird, vielmehr muss nachgewiesen werden, dass der Mandant durch seinen Anwalt gerade wegen der Frage, ob der Berater ihm durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat, beraten wurde (BGH NJW 1999, 2187/2188 für den Fall der Einschaltung von Berufungsanwälten, deren Tätigkeit allein den erstinstanzlichen Anwalt noch nicht von der Pflicht zur Belehrung über eigen Fehler entbindet). Diesen Nachweis hat der Beklagte nicht erbracht. Die anderweitige Beweiswürdigung des Landgerichts beruht auf einer unzulässigen Parteivernehmung des Beklagten und auf Verstößen gegen Denkgesetze und allgemein anerkannte Erfahrungssätze. Der Senat ist nach erneuter Vernehmung des Zeugen J......... und nach informatorischer Anhörung der Parteien zu der Überzeugung gelangt, dass die Kläger dem Zeugen erst nach Ablauf der Primärverjährung im Verlaufe des Jahres 2001 den Auftrag erteilt haben, Regressansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen, und dass der Zeuge von ihnen vorher, insbesondere im Jahre 1999, lediglich beauftragt war, die Rechtsgrundlagen für den Erlass der erhobenen Säumniszuschläge zu prüfen. Letzteres ergibt sich aus den glaubhaften eindeutigen und widerspruchslosen erst- und zweitinstanzlichen Aussagen des Zeugen J......... und der Kläger, die entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Beklagten weder durch die Aussage des Beklagten noch dessen Schreiben vom 13.9.1999 noch durch das Schreiben des Zeugen J......... vom 22.9.1999 in Zweifel gestellt oder gar widerlegt werden. Vor allem die Kläger haben dem Senat anschaulich und detailliert geschildert, wie es dazu gekommen ist, dass sich der Zeuge J......... in ihrem Auftrag mit dem in seinem Schreiben vom 22.9.1999 erwähnten Erlass der erhobenen Säumniszuschläge befasst hat und dass dieser Auftrag nicht auch die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Beklagten umfasst hat. Die Angaben des Zeugen J......... decken sich in vollem Umfang mit den Angaben der Kläger. Es ist verständlich, dass sich der Zeuge J......... 2 bzw. 3 Jahre nach den umstrittenen Gesprächen im September 1999 nicht mehr an Einzelheiten erinnern kann und sich deswegen weitgehend an seinem Schreiben vom 22.9.1999 orientiert hat. Dieses Schreiben enthält nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge mit der Verfolgung von Regressansprüchen gegen den Beklagten befasst war. Im Gegenteil: Der Umstand, dass Regressansprüche in diesem Schreiben nicht erwähnt sind, lässt nach der Lebenserfahrung sogar eher den Schluss zu, dass diese vom Zeugen auch nicht zu überprüfen waren. Jedenfalls durfte das Landgericht diesem Schreiben nicht einen "Anbeweis" für eine entsprechende Beauftragung des Zeugen durch die Kläger entnehmen und auf dieser Grundlage den Beklagten gemäß § 448 ZPO als Partei vernehmen. Tatsächlich ist das Landgericht im Beweisaufnahmetermin auch nur von einem "Anbeweis" "für die Behauptung des Beklagten, er habe mit J......... bereits im September 1999 über die Regressfrage in welcher Art auch immer kommuniziert" ausgegangen (Seite 8 des Protokolls vom 13.12.2002). Dies erweckt den Eindruck, dass das Landgericht nicht nur die erhobenen Beweise falsch gewürdigt, sondern auch von falschen rechtlichen Voraussetzungen für den Wegfall der Sekundärhaftung ausgegangen ist. Die Sekundärhaftung entfällt nicht bereits dann, wenn der beauftragte Anwalt mit Steuerproblemen befasst ist, aus denen sich eine Schadensersatzpflicht des Steuerberaters ergeben könnte, und er in diesem Zusammenhang von sich aus ohne Auftrag des Mandanten die Möglichkeit der Haftung des Steuerberaters andeutet. Es reicht auch nicht aus, dass der Steuerberater dem Verhalten des Anwalts irrig entnimmt, dieser sei von dem Mandanten in der Regressfrage beauftragt worden. Die sekundäre Hinweispflicht entfällt vielmehr nur dann, wenn der Mandant tatsächlich gerade in der Haftungsfrage anwaltlich beraten wird (BGH NJW 2003, 822 f). Dies folgt aus dem Schutzzweck der Sekundärhaftung. Nach §§ 51 b Fall 1 BRAO und 68 StBerG ist der Beginnn der -mit 3 Jahren recht kurzen- Verjährung allein an die objektiven Voraussetzugen des Entstehens des Schadensersatzanspruchs geknüpft; er ist unabhängig davon, ob der geschädigte Auftraggeber die Pflichtverletzung und den dadurch entstandenen Schaden erkennt. Der Anspruch kann deshalb bereits verjährt sein, bevor er diese Kenntnis erlangt. Eine wortgetreue Anwendung der §§ 51 b BRAO, 68 StBerG unter Außerachtlassung der schutzwürdigen Belange des Mandanten würde diesen vielfach rechtlos stellen. Er ist in der Regel rechtsunkundig, hat seine rechtlichen / steuerlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und muss davor geschützt werden, dass er dessen etwaige Fehlleistungen nicht erkennt und deshalb nicht dem Eintritt der Verjährung des Regressanspruchs vorbeugen kann. Um die Abhängigkeit des Mandanten von seinem Ratgeber zu kompensieren, muss jenem durch die Sekundärhaftung des Beraters eine "faire Chance" gewährt werden, seinen Regressanpruch durchsetzen zu können. Dieses Schutzes bedarf der Mandant nur dann nicht, wenn er rechtzeitig einen Anwalt in der Regressfrage zu Rate gezogen hat, um den erkannten oder für möglich gehaltenen Regressanspruch gegen den Regressschuldner zu verfolgen (BGH a.a.O.). Es kann offen bleiben, ob der Fehler des Landgerichts dazu führt, dass die erstinstanzliche Aussage des Beklagten nicht verwertet werden darf. Die Berücksichtigung dieser Aussage verhilft nämlich dem Einwand des Beklagten, seine Sekundärhaftung sei entfallen, nicht zum Erfolg. Die vom Landgericht protokollierte Kernaussage des Beklagten, der Zeuge J......... habe ihm im September 1999 telefonisch gesagt: "Es kann jedem einmal passieren, dass Säumniszuschläge verwirkt werden. Ich würde das an Ihrer Stelle der Haftpflichtversicherung melden." reicht nach der vorzitierten Rspr. des BGH eben nicht aus, um die Sekundärhaftung entfallen zu lassen, da ihr nicht entnommen werden kann, dass der Zeuge J......... von den Klägern tatsächlich wegen der Verfolgung von Regressansprüchen gegen den Beklagten zu Rate gezogen worden war. Die ergänzende Aussage des Beklagten vor dem Senat, die Kläger hätten ihm nach der telefonisch übermittelten Information über die ablehnende Haltung seiner Haftpflichtversicherung erklärt, sie wollten ihn persönlich nicht in Anspruch nehmen, bestätigt sogar eher die Behauptung der Kläger, im Jahre 1999 den Zeugen J......... noch nicht in der Regressfrage zu Rate gezogen zu haben. Hiermit im Einklang steht auch das nachfolgende tatsächliche Verhalten der Kläger, die bis zum Steuerstrafverfahren im Jahre 2001 zu keinem Zeitpunkt mündlich oder schriftlich, auch nicht über den Zeugen J........., gegenüber dem Beklagten die Geltendmachung von Regressansprüchen auch nur angedeutet haben. II. Der weitergehende Anspruch auf Erstattung entgangener Anlagezinsen ist unbegründet. Der Feststellung gemäß § 287 ZPO, dass die Kläger, wären sie nicht mit Säumniszuschlägen belastet worden, die dann ersparten Geldbeträge in festverzinsliche Wertpapiere angelegt hätten, steht der von dem Beklagten belegte Kontokorrentkredit der Kläger in dem maßgeblichen Zeitraum entgegen. III.

Die Feststellungklage ist bereits unzulässig, da ein Feststellungsinteresse der Kläger nicht erkennbar ist. IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 284, 288 BGB, 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. V.

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz des Beklagten vom 23. 12.2003 gibt keinen Anlass, gemäß § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und dem Antrag auf Urkendenvorlage stattzugeben. Abgesehen davon, dass die Frage, wann der Zeuge J......... das Schreiben des Beklagten vom 13.9.1999 an den G...... erhalten hat, bereits im Beweisaufnahmetermin des Landgerichts vom 13.12.2002 erörtert worden ist (Seite 3 unten des Protokolls), würde die vom Beklagten vermutete Faxkennung aufgrund des oben gewürdigten Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht zwingend den Schluss zulassen, dass der Zeuge J......... bereits im September 1999 mit der Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Beklagten beauftragt war. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Streitwert für die 2. Instanz: bis 45.000 Euro.

Ende der Entscheidung

Zurück