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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.12.2008
Aktenzeichen: I-23 U 48/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 249 ff.
BGB § 280
BGB § 313 Abs. 1
1. Bei Schriftformregelungen in Satzungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und in mit ihnen geschlossenen Verträgen handelt es sich um materielle Kompetenzvorschriften, die Schutz vor rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen gewähren, vor den Bindungswirkungen unbedachter und übereilter Verpflichtungserklärungen bewahren und nicht durch die Regeln der Duldungs- und Anscheinsvollmacht sowie der unzulässigen Rechtsausübung außer Kraft gesetzt werden können.

2. Ein Bundesministerialerlass, in dem es ausdrücklich heißt, dass nach Eröffnungstermin die dortigen Regelungen zu Stoffpreisgleitklauseln für neue Ausschreibungen nicht gelten, enthält keine planwidrige zeitliche Lücke, so dass seine entsprechende Anwendung auf bereits eröffnete Angebote nicht in Betracht kommt.

3. In der Vereinbarung eines Festpreises liegt eine stillschweigende Übernahme des Risikos von Leistungserschwerungen durch Erhöhungen der Selbstkosten im Sinne einer Preisgarantie, die einen Anspruch des Auftragnehmers aus § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Vertrages regelmäßig ausschließt.

4. Ein Anspruch des Auftragnehmers auf Erstattung erhöhter Selbstkosten aus §§ 280, 249 ff. BGB bzw. wegen Verletzung einer bauvertraglicher Kooperationspflicht scheidet aus, wenn der Auftraggeber bei einer überwiegend öffentlich finanzierten Baumaßnahme lediglich zusichert, sich um eine Refinanzierung der Mehrkosten zu bemühen, und er den Auftragnehmer über den Stand dieser Bemühungen zeitnah und inhaltlich zutreffend informiert.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Januar 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten als Restvergütung aus einem Bauvertrag über Stahlbeton- und Maurerarbeiten am Krantor, Pegelhaus und Steiger des Bauvorhabens Hochwasserschutz R E Bezahlung von Mehrkosten, die ihr dadurch entstanden sind, dass sie im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ihr Angebot vom 21.02.2004, das der Beklagte unter dem 19.04.2004 annahm, auf der Grundlage eines freibleibenden Angebots ihrer Lieferantin einen Stahlpreis von 450 Euro/t kalkuliert hatte und sie nach Auftragserteilung 600 Euro/t Stahl an ihre Lieferantin zahlen musste.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Fehlkalkulationen des Angebotspreises gingen auf Grund der Festpreisabrede grundsätzlich zu Lasten der Klägerin. Ein Anspruch auf Vergütung der Mehrkosten der Stahlpreiserhöhung ergebe sich nicht aus einer etwaigen nach Vertragsschluss vereinbarten Vertragsanpassung bzw. Kostenübernahmezusage seitens des Beklagten. Selbst wenn man den klägerischen Vortrag zu den Gesprächen vom 12.01.2005 und 12.02.2005 als wahr unterstelle, folgten daraus lediglich Absichtserklärungen des Zeugen V, sich für eine Kostenübernahme gegenüber der Bezirksregierung D im Wege der Hilfestellung einzusetzen. Zudem sei eine etwaige mündliche Kostenübernahmezusage von rund 175.000 EUR gemäß §§ 126, 127 BGB formnichtig, da von einer konkludenten Aufhebung der vereinbarten Schriftform nicht auszugehen sei. Auch aus dem angeblichen Schweigen des Beklagten auf das Kostenübernahmebegehren der Klägerin folge keine verbindliche Einigung. Der Beklagte verhalte sich nicht widersprüchlich und habe für den Hauptauftrag die Stahlpreiserhöhung nicht dadurch akzeptiert, dass er im Rahmen des Nachtrags einen noch höheren Stahlpreis akzeptiert habe. Aus dem Bundesministerialerlass vom 23.03.2004 folge kein Anspruch der Klägerin auf nachträgliche Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel in den Vertrag, da der Erlass weder sachlich noch persönlich unmittelbar, analog oder im Wege "doppelter Analogie" anwendbar sei. Jedenfalls sei der Erlass gemäß Ziff. 2/3 nicht auf einen Vertrag anwendbar, bei dem - wie hier - am 24.02.2004 das Angebot bereits eröffnet und am 19.04.2004 der Zuschlag erteilt worden sei. Ziffer 1. enthalte im Hinblick auf Ziffer 3 des Erlasses keine Regelungslücke in zeitlicher Hinsicht. Zudem sei eine unzumutbare Härte im Sinne des Erlasses nicht ersichtlich, da die von der Bezirksregierung D im Schreiben vom 05.08.2004 genannte drohende Gefahr einer Insolvenz bereits nach dem Vortrag der Klägerin nicht erkennbar sei. Ein Anspruch folge auch nicht aus § 313 Abs. 1 BGB. Zwar sei die Kalkulation der Klägerin mit 430 EUR pro Tonne für die Stahlspundbohlen Vertragsgrundlage geworden, da dem Beklagten bewusst gewesen sein müsse, dass die Klägerin das spezifische Stahlmaterial allein von T-K beziehen konnte. Es liege jedoch kein Fall der Leistungserschwerung vor, denn auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen bleibe die Klägerin an die gegebene Festpreiszusage gebunden, wenn - wie hier - ihr Risikobereich mit Mehrkosten von lediglich 4 % des Auftragvolumens nicht unzumutbar überschritten werde. Aus § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B und 15 VOB/A ergebe sich nichts anderes. Der Beklagte schulde die Mehrkosten auch nicht aus §§ 280, 249 ff. BGB, da er lediglich zugesichert habe, sich für eine Refinanzierung der Mehrkosten gegenüber der Bezirksregierung einzusetzen und demnach nur eine bedingte Übernahme erklärt habe. Aus der klägerischen Behauptung, der Beklagte habe sie über die gesamte Bauzeit hinweg "vertröstet", folge keine Pflichtverletzung, da - ausweislich des Protokolls zur Baubesprechung vom 09.09.2004 - die Klägerin die Beklagte nicht gänzlich im Unklaren über das Ergebnis ihrer Bemühungen gelassen und einen falschen Anschein erweckt oder aufrechterhalten habe. Selbst wenn dies so gewesen sei, sei der Klagevortrag nicht schlüssig, da für die Klägerin rechtlich keine Möglichkeit bestanden habe, sich von dem Werkvertrag zu lösen. Dass die Kosten eines solchen vertragsbrüchigen Verhaltens der Klägerin geringer gewesen wären als der Verlust durch die Stahlpreiserhöhung, sei von der Klägerin nicht dargetan worden; jedenfalls habe keine Hinweispflicht des Beklagten auf ein solches Vorgehen der Klägerin bestanden.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt und diese unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen wie folgt begründet:

Das Verfahren des Landgerichts, das zunächst als originäre Einzelrichtersache angelegt und geführt worden sei, sei verfahrensfehlerhaft ohne Verweisungsbeschluss von der Kammer entschieden worden.

In der Sache habe das Landgericht den klägerischen Sachvortrag zu den Gesprächen mit Vertretern des Beklagten und des vom Beklagten beauftragten Ingenieurbüros G und P GmbH nicht vollständig berücksichtigt. Sie habe bereits in erster Instanz vorgetragen, der Mitarbeiter des Beklagten Herr V habe anlässlich der Gespräche vom 12.01.2005 und 10.02.2005 verbindlich zugesagt, dass der Beklagte die Mehrkosten aufgrund der Stahlpreiserhöhung definitiv übernehme, selbst wenn er das für den Fall ausbleibender Förderung durch die Bezirksregierung durch geringe Umlagenerhöhung im Deichverband "das auf seine Kappe nehme", wobei ein Anteil von 30 % (in Höhe des vom Beklagten selbst finanzierten Anteils) von der Klägerin schon einmal vorab in Rechnung gestellt werden könne. Diesen Vortrag habe der Beklagte nicht hinreichend bestritten; zumindest hätte das Landgericht hierüber Beweis durch Vernehmung der angebotenen Zeugen erheben müssen. Der Zeuge V sei auch vertretungsbefugt gewesen, was die Klägerin niemals hinreichend bestritten habe und sich jedenfalls nach den Grundsätzen der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht ergebe. Er sei bei allen Besprechungen als maßgeblicher Mann auf Beklagtenseite aufgetreten und sei auch an den Vertragsverhandlungen am 16.03.2004 und der Besprechung am 09.09.2004 beteiligt gewesen. Der Deichgräf habe lediglich den Vertrag unterzeichnet, sei aber an den sonstigen Gesprächen und Nachträgen (insbes. Nr. 13) nicht beteiligt gewesen. Auf eine fehlende Schriftform könne sich der Beklagte nach Treu und Glauben nicht berufen, da das förmliche Mittagessen vom 12.01.2005 gerade das Ziel gehabt habe, die Anpassung des Vertrages im Hinblick auf die gestiegenen Stahlpreise zu klären, wobei sich der Umfang der Anpassung von rund 175.000 EUR im Hinblick auf das Gesamtauftragsvolumen von über 4 Mio. EUR (d.h. nur rund 4 %) relativiere.

Im übrigen habe der Beklagte durch sein monate-/jahrelanges Hinhalten, die Vorenthaltung des Schreibens der Bezirksregierung vom 05.08.2004 und den Nachtrag Nr. 13 (mit Akzeptanz nochmals gestiegener Stahlpreise) ihr schützenswertes Vertrauen auf Übernahme der Mehrkosten erweckt.

Sie habe auch Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung der Stoffpreisgleitklausel in den Vertrag. Entgegen der Annahme des Landgerichts liege der Ermittlung des Angebotspreises keine "Fehlkalkulation" zugrunde, da die Stahlpreise erst nach Angebotsabgabe bis zur Auftragserteilung unvorhersehbar von 430 auf 600 EUR pro Tonne gestiegen seien. Bis zur Auftragserteilung sei ihr der Bundesministerialerlass zur "Stoffpreisgleitklausel" vom 23.03.2004 nicht bekannt gewesen, sonst hätte sie ihn zum Vertragsbestandteil gemacht. Der Erlass des Bundesministeriums vom 23.03.2004 sei auch für den Beklagten (als Zusammenschluss von Anliegern einer Bundeswasserstraße und Körperschaft öffentlichen Rechts Teil der Landesverwaltung) bindend, jedenfalls aber über die vom Landgericht angesprochene doppelte Analogie. Auch wenn der Erlass den vorliegenden Fall nicht unmittelbar erfasse, sei er - unabhängig von der Kenntnis bzw. Kenntnismöglichkeit beider Parteien - anwendbar, da er lückenlos neue und laufende Ausschreibungen erfasse, auch wenn hier die Angebotseröffnung bereits erfolgt gewesen sei. Um einen "bestehenden Vertrag" i.S.v. Nr. 3 (Anlage K 11, Seite 4) handele es sich nicht, da der Vertrag erst durch Zuschlag vom 19.04.2004 zustande gekommen sei. Zudem habe der Beklagte bei anderen laufenden Vergabeverfahren (z.B. Los 8) auf die Stoffpreisgleitklausel hingewiesen und die Bieter zur Abgabe eines Nebenangebots aufgefordert; dies zeige, dass er sich durchaus als Adressat des Bundeserlasses gesehen habe. Das Landgericht habe fehlerhaft auf die im Schreiben der Bezirksregierung D vom 05.08.2004 enthaltene Auffassung, wonach die Stoffpreisgleitklausel nur dann eingreifen dürfe, wenn andernfalls die Insolvenz des Bieters drohe, abgestellt. Diese Auffassung finde im Erlass keine Stütze und würde zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung wirtschaftlich schwacher Bieter führen. Zudem drohe bei Unterliegen der Klägerin im vorliegenden Verfahren tatsächlich die Schließung ihrer Niederlassung in E.

Der Klageanspruch sei auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gerechtfertigt. Das Landgericht habe fehlerhaft auf das Verhältnis zwischen Stahlpreiserhöhung und Gesamtauftragsvolumen von rund 4 % abgestellt. Die Geschäftsgrundlage sei durch den Anstieg des Stahlpreises von 430 auf 600 EUR pro Tonne, somit um knapp 40 %, gravierend gestört. Dabei sei auch entscheidend, dass der klägerischen Kalkulation eine Gewinnmarge von 1 % zu Grunde gelegen habe, so dass die Stahlpreiserhöhung im Umfang von 4 % des Gesamtauftragsvolumens einen Verlust von 3 % bedeute, somit eine Diskrepanz von 400 %.

Jedenfalls folge der Klageanspruch aus §§ 280, 249 ff. BGB wegen eines Verstoßes des Beklagten gegen seine bauvertraglichen Kooperationspflichten. Das Landgericht habe auch insoweit den Inhalt der Zusicherungen des Beklagten und der Baubesprechung vom 09.09.2004 verkannt, in welcher der Beklagte ihr das Schreiben der Bezirksregierung vom 05.08.2004 vorenthalten und ihr zu verstehen gegeben habe, dass er davon ausgehe, dass eine Kostenübernahme noch erfolge.

Das Landgericht habe auch unzutreffend darauf abgestellt, sie - die Klägerin - hätte gar keine Möglichkeit gehabt, als den Vertrag auch ohne Übernahme der Stahlmehrkosten durch den Beklagten zu erfüllen. Da die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung vorgelegen hätten, habe sie die Fortführung der Arbeiten davon abhängig machen dürfen. In diesem Fall wäre es zu zeitnahen Verhandlungen unter Hinzuziehung der Bezirksregierung gekommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 175.042,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte erwidert unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen:

Dass ein Bieter bewusst Materialpreise in sein - einer bestimmten Bindungsfrist unterliegendes - Festpreisangebot einstelle, obwohl er sich nicht sicher sein könne, das Material zu einem seiner Kalkulation entsprechenden Preis auch einkaufen zu können, liege ausschließlich in seinem Risikobereich. Eine Senkung der Stahleinkaufspreise hätte sich auch nicht zu seinen, des Beklagten, Gunsten ausgewirkt.

Der Erlass vom 23.03.2004 erfasse den streitgegenständlichen Sachverhalt weder in persönlicher (keine Bundesbaumaßnahme) noch in sachlicher (keine Hochbaumaßnahme) noch in zeitlicher Hinsicht (Sachverhalt nach Durchführung des Eröffnungstermins am 23.02.2004).

Die Grundsätze einer Störung der Geschäftsgrundlage seien nicht anwendbar. Dass die Klägerin ihrer Kalkulation einen Stahleinkaufspreis von 430 EUR pro Tonne zu Grunde gelegt habe, bleibe mit Nichtwissen bestritten und sei keine Geschäftsgrundlage geworden. Bei der prozentualen Veränderung sei auf die Relation zur Gesamtauftragssumme abzustellen, so dass es nicht unzumutbar sei, die Klägerin am Vertrag festzuhalten.

Eine vorbehaltlose Zusage, er, der Beklagte, werde die Stahlmehrkosten - sei es voll, sei es anteilig - übernehmen, sei nicht erfolgt. Dies gelte schon deswegen, weil er sich andernfalls der Gefahr ausgesetzt habe, dass entsprechende Beitragsbescheide von seinen Mitgliedern mit der Begründung hätten angefochten werden können, sie enthielten nicht heranziehungsfähige, umlegbare Kostenanteile. Der Klägerin seien auch alle Umstände der Finanzierungsart der Baumaßnahme und des Beitragswesens sowie die Unmöglichkeit vorbehaltloser Zusagen bekannt gewesen. Mehr als die fortdauernde Zusage, er werde sich trotz der Äußerungen der Bezirksregierung in der Besprechung vom 09.09.2004 weiterhin im Sinne der Klägerin einsetzen, habe es auch im Januar/Februar 2005 nicht gegeben.

Der Klägerin sei auch bekannt gewesen, dass er nicht von Herrn V, sondern nur vom Deichgräf rechtsgeschäftlich habe vertreten werden können, so dass sie sich nicht auf Rechtsscheinstatbestände stützen könne.

Er habe auch keine Vertrauenstatbestände für die Klägerin geschaffen. Aus einem allseits bekannten und fortdauernden Schwebezustand könne nicht auf eine Zustimmung geschlossen werden. Hieran ändere auch der Nachtrag Nr. 13 nichts, der ebenfalls den von der Klägerin kalkulierten Stahleinkaufspreis nicht erkennen lasse. Im Rahmen der Abwicklung der Baustelle habe er immer erklärt, es werde voraussichtlich erst im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung "zum Schwur" kommen, wenn die Klägerin die Stahlmehrkosten dort einstelle.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

Dem von der Klägerin hilfsweise gestellten Antrag, die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, ist unabhängig davon, ob die Entscheidung des Landgerichts verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen ist, nicht stattzugeben. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht bei Vorliegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegt im pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung ist in Erwägung zu ziehen, dass eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer weiteren Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits, ggf. zu weiteren Nachteilen führt und dies den schutzwürdigen Interessen der Parteien entgegenstehen kann (BGH, Urteil vom 16.12.2004, VII ZR 270/03, BauR 2005, 769). Ist - wie hier - eine Sache ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif, ist in der Regel von einer Aufhebung und Zurückverweisung abzusehen. Selbst in den Fällen, in denen eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, ist die Aufhebung und Zurückverweisung auf wenige Ausnahmefälle beschränkt, in denen die Durchführung des Verfahrens in der Berufungsinstanz zu noch größeren Nachteilen führen würde als die Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht (BGH a.a.O.).

II.

Die Entscheidung des Landgericht beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) und die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Mehrkosten zu bezahlen, die dieser dadurch entstanden sind, dass sie sich nach Erhalt des Auftrags des Rechtsvorgängers des Beklagten den von ihr zur Ausführung des Auftrags benötigten Stahl nicht mehr zu dem Preis beschaffen konnte, den sie bei ihrem Angebot vom 12.02.2004 kalkuliert hat, und zwar weder aus einer nach Auftragserteilung vereinbarten Vertragsanpassung bzw. ausdrücklichen Kostenübernahmezusage (dazu unter 1.) noch aus einer Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel gemäß dem Bundesministerialerlass vom 23.3.2004 (dazu unter 2.) noch aus einer konkludenten Kostenübernahmezusage oder wegen widersprüchlichen Verhaltens des Rechtsvorgängers des Beklagten (dazu unter 3.) noch aus § 313 BGB (dazu unter 4.) noch aus §§ 280, 249 ff. BGB wegen Verletzung einer bauvertraglichen Kooperationspflicht (dazu unter 5.).

1.

Der Rechtsvorgänger des Beklagten hat sich mit dem Verlangen der Klägerin vom 10.05.2004 auf Anpassung des Vertrages an die erhöhten Stahlpreise nicht bindend einverstanden erklärt. Eine etwaige Einverständniserklärung des Mitarbeiters V seines Rechtsvorgängers bindet den Beklagten nicht. Gemäß § 22 Abs. 2 der Satzung des Rechtsvorgängers des Beklagten, Deichschau E, vom 01.04.1996 (337 GA), die der Regelung unter § 27 Abs. 2 der Satzung des Beklagten vom 12.12.2006 entspricht, bedurften Erklärungen, durch die der Rechtsvorgänger des Beklagten verpflichtet werden soll, der Schriftform und sind von dem Vertretungsberechtigten zu unterzeichnen. Gemäß Ziffer 9 der Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage 1, AB), die Gegenstand des Vertrages der Klägerin mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten sind, bedarf jede Änderung des Vertrages der Schriftform. Eine solche schriftliche Erklärung haben unstreitig weder Vertreter des Rechtsvorgängers des Beklagten (der Deichgräf oder der gemäß Ziffer 1.6 der Besonderen Vertragsbedingungen von diesem beauftragte bauleitende Ingenieur - G und P GmbH) noch dessen Mitarbeiter V abgegeben. Über das Fehlen der Schriftform kann sich die Klägerin nicht unter Anwendung der Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht oder mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hinwegsetzen. Bei der Schriftformregelung in Satzungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und in mit ihnen geschlossenen Verträgen handelt es sich um materielle Kompetenzvorschriften, die Schutz vor rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen gewähren und vor den Bindungswirkungen unbedachter und übereilter Verpflichtungserklärungen bewahren. Diese Vorschriften können nicht durch die Regeln der Duldungs- und Anscheinsvollmacht sowie der unzulässigen Rechtsausübung außer Kraft gesetzt werden (BGH, Urteil vom 08.07.1986, VI ZR 18/85; BGH, Urteil vom 11.06.1992, VII ZR 110/91, NJW-RR 1992, 1435; BGH, Urteil vom 06.07.1995, III ZR 176/94, NJW 1995, 3389; BGH, Urteil vom 27.11.2003, VII ZR 346/01, NJW-RR 2004, 449). Das gilt im Verhältnis zur Klägerin um so mehr, weil diese als ständige Vertragspartnerin der öffentlichen Hand nicht schutzwürdig ist. Sie durfte nicht auf die Wirksamkeit eines mündlich angenommenen Vertragsanpassungsverlangen vertrauen, weil sie dem in Ziffer 9 der Besonderen Vertragsbedingungen geregelten Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen entnehmen musste, dass sich die öffentliche Hand grundsätzlich nur durch schriftliche Verträge wirksam binden konnte (BGH Urt.v. 11.06.1992 a.a.O.).

2.

Aus den unter 1. genannten Gründen kann die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auch nicht mit Erfolg auf eine konkludente Kostenübernahmezusage oder ein widersprüchliches oder in sonstiger Weise treuwidriges Verhalten des Rechtsvorgängers des Beklagten stützen. Darin, dass der Beklagte den Nachtrag Nr. 13 vom 04.05.2005 (Anlage K 23, 82 ff. GA) mit einem noch höheren Stahlpreis von 760 EUR/t ohne Einhaltung der Schriftform (vgl. 95 GA) bei der Prüfung der Schlussrechnung am 22.02.2006 (vgl. ANLAGE K 15, Seite 55, AB) akzeptiert hat, die Stahlpreiserhöhung hinsichtlich des Hauptauftrages hingegen nicht, liegt zudem kein widersprüchliches oder in sonstiger Weise treuwidriges Verhalten des Beklagten (dazu unter a.); jedenfalls konnte dieses Verhalten des Beklagten schon in zeitlicher Hinsicht bei der Klägerin kein berechtigtes Vertrauen erwecken, der Beklagte verzichte auf das allseits bekannte satzungs- und vertragsmäßige Schriftformerfordernis (dazu unter b.).

a.

Abgesehen davon, dass Schriftformerfordernisse in Satzungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und in mit ihnen geschlossenen Verträgen als materielle Kompetenzvorschriften - wie oben bereits ausgeführt - grundsätzlich nicht durch die Anwendung von Fallgruppen des § 242 BGB (z.B. die Regeln der Duldungs- und Anscheinsvollmacht bzw. der unzulässigen Rechtsausübung) außer Kraft gesetzt werden können, bietet das Verhalten des Rechtsvorgängers des Beklagten im Rahmen der Prüfung der Schlussrechnung vom 22.02.2006 schon deswegen keine Grundlage für die Annahme einer konkludenten Kostenübernahmezusage des Rechtsvorgängers des Beklagten bzw. eines entsprechenden Vertrauensschutzes seitens der Klägerin aus § 242 BGB hinsichtlich des Stahlpreises des Hauptauftrages, da es dem Rechtsvorgänger des Beklagten am 22.02.2006 ohne Verstoß gegen § 242 BGB freistand, für wegen in den Plänen fehlerhaft zu wenig dargestellter Spundbohlen, die von der Klägerin erst am 06.05.2005 gesondert zu dem aktuellen Tagespreis von 760 EUR netto nachbestellt werden mussten (vgl. Anlage K 23, 86 GA, dort zu Pos. 1.7.25.A.), den Stahlmehrpreis (auch ohne schriftliche Nachtragsvereinbarung) zu akzeptieren, im Rahmen des Hauptauftrages vom 19.04.2004 hingegen nicht. Bei der streitgegenständlichen Position 1.7.25.A. des Hauptauftrages vom 19.04.2004 und dem Nachtrag NA 13 vom 04.05.2005 handelt es sich also nicht nur in zeitlicher Hinsicht (Differenz von rund einem Jahr) sondern auch in sachlicher Hinsicht (nachträglich zusätzlich erforderliches Stahlmaterial wegen Planungsmängeln des Beklagten) um völlig unterschiedlich gelagerte Sachverhalte, so dass der Vorwurf der Klägerin, der Beklagte handele willkürlich nach einer Art "Rosinen-Theorie" (344 GA) insoweit ersichtlich nicht gerechtfertigt ist.

b.

Zudem kann dieses - zwischen unterschiedlichen Sachverhalten aus sachlichen Gründen und daher nicht vorwerfbar differenzierende - Verhalten des Rechtsvorgängers des Beklagten im Rahmen der Prüfung der Schlussrechnung am 22.02.2006 hinsichtlich des Stahl(mehr-)preises im Hauptauftrag einerseits und im Nachtrag 13 andererseits auch schon im Hinblick auf die zeitliche Abfolge bei den von der Klägerin behaupteten angeblich rund ein Jahr zuvor erfolgten mündlichen Zusagen vom 12.01.2005 und 10.02.2005 kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin darauf begründet haben, der Rechtsvorgänger des Beklagten werde für angebliche mündliche Nachtragsvereinbarungen betreffend den Stahlpreis im Hauptauftrag auf den Einwand des allseits bekannten satzungs- und vertragsmäßigen Schriftformerfordernisses verzichten.

3.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nicht auf Grund des Bundesministerialerlasses vom 23.03.2004 (Anlage K 11, AB) verlangen kann, dass nachträglich eine Stoffpreisgleitklausel in ihren Vertrag mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten einbezogen wird.

a.

In sachlicher Hinsicht betrifft der Erlass Baumaßnahmen im Bundeshochbau. Hier handelt es sich um eine Tiefbau- bzw. Spezialtiefbaumaßnahme (vgl. 2 GA) bzw. Wasserbaumaßnahme, die vom Wortlaut des Erlasses nicht erfasst wird (vgl. auch Presseinfo 20/08 vom 19.05.2008 zur Wiedereinführung der Preisgleitklausel für Bauleistungen des Bundeshochbaus, 327 GA; vgl. auch Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 05.04.2004 zur entsprechenden Anwendung des Erlasses betr. Baumaßnahmen im Bundeshochbau, 350 GA). Ob die vorliegende Baumaßnahme teilweise auch Hochbaumaßnahmen mitumfasst hat bzw. ob in sachlicher Hinsicht eine analoge Anwendung des Erlasses auf die vorliegende Baumaßnahme in Betracht kommen könnte, kann dahinstehen, da der Erlass jedenfalls in zeitlicher Hinsicht weder unmittelbar oder entsprechend anwendbar ist.

b.

In persönlicher Hinsicht betrifft der Erlass Baumaßnahmen im Bundeshochbau. Hier handelt es sich um eine von der Bezirksregierung geförderte Baumaßnahme des Rechtsvorgängers des Beklagten als Körperschaft öffentlichen Rechts des Landes NRW (vgl. 42/56 GA); dass diese an einer Bundeswasserstraße stattfindet, macht die Maßnahme nicht zu einer Bundesbaumaßnahme. Es kann dahinstehen, ob eine unmittelbare oder analoge Anwendung in persönlicher Hinsicht auf den vorliegenden Fall insoweit in Betracht kommt, als das Land NRW - wie auch einige weitere Bundesländer (vgl. IBR-Online, Nachricht vom 11.03.2005) - die Regelungen zu Stoffpreisgleitklausel für Stahl durch Schreiben des Finanzministeriums vom 05.04.2004 (350 GA, somit vor dem Zuschlag vom 19.04.2004) bzw. den Erlass des Finanzministeriums vom 28.05.2004 (somit nach dem Zuschlag vom 19.04.2004, worauf das Schreiben der Bezirksregierung D vom 17.1.2006 an den Deichgräf S verweist, vgl. Anlage K 29, 188 GA) bis zum 31.12.2004 für die Baumaßnahmen des BLB NRW oder bei seinen Baumaßnahmen im Auftrag des Landes NRW in entsprechender Anwendung des Bundeserlasses angeordnet hat.

c.

Denn jedenfalls in zeitlicher Hinsicht betrifft der Erlass den vorliegenden Fall nicht. Unter Ziffer 2 Abs. 2 des Erlasses heißt es ausdrücklich, dass nach Eröffnungstermin die Regelungen Nr. (1) bis (3) für neue Ausschreibungen nicht gelten. Hier hatte indes im Zeitpunkt des Erlasses vom 23.03.2004 nach Abgabe des Angebots der Klägerin bereits am 24.02.2004 ein Eröffnungstermin im Rahmen der Ausschreibung stattgefunden. Eine analoge Anwendung in zeitlicher Hinsicht scheidet aus, da der Erlass im Hinblick auf seine o.a. ausdrückliche Formulierung insoweit - entgegen den Überlegungen der Klägerin, es handele sich um eine versehentliche Lücke (12-17 GA) - keine planwidrige, sondern eine gewollte "planvolle" zeitliche Lücke enthält (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13.11.2001, X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174, dort Rn 35 ; Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Auflage 2008, Einl., Rn 48 mwN). Dementsprechend ist die Regelung über die Geltung des Erlasses "nach Eröffnungstermin" auch bei der Modifizierung des Erlasses am 10.05.2004 und auch beim erneuten Aufgreifen der Stoffpreisgleitklausel mit Rundschreiben vom 04.06.2008 (dort unter Nr. 3.) unverändert beibehalten worden.

d.

Eine Anwendung der Regeln des Erlasses auf bereits bestehende Verträge ist durch die Regelung unter Ziffer 3 des Erlasses ausdrücklich ausgeschlossen worden. Hiervon abweichende Erwägungen sind gemäß Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 des Erlasses nur für den Fall angestellt worden, dass "hierdurch im Einzelfall Auftragnehmern nach allgemeiner Auffassung unzumutbare Opfer aufgebürdet werden". Im Rundschreiben vom 17.05.2004 wurde ergänzt, dass Anträge von Auftragnehmern auf Preisänderungen nach § 58 BHO zu beurteilen sind und in der Regel nachzuweisen ist, dass der Auftragnehmer bei Erfüllung des Vertrages von der Insolvenz bedroht wäre; nicht ausreichend ist es, dass dem Auftragnehmer bei Erfüllung des Vertrages finanzielle Verluste entstehen; ebenso ist ein Abwälzen von Kalkulationsfehlern auszuschließen. Die Klägerin spricht indes nur davon, dass sich durch die streitgegenständlichen Stahlmehrkosten der Jahresgewinn ihrer E Niederlassung Spezialtiefbau von bislang 360.000 EUR annähernd halbiere und bei weiteren Verlusten die Schließung der Niederlassung drohen könnte (19/305 GA). Unabhängig von der Frage, ob bei der Anwendung des Erlasses auf eine einzelne Niederlassung oder die klagende Gesellschaft (B B AG M) abzustellen wäre, ist bereits eine drohende Insolvenz der E Niederlassung der Klägerin bei einer Halbierung des Jahresgewinns von 360.000 EUR jedenfalls nicht hinreichend dargetan. Hierauf hat auch die Bezirksregierung D im Schreiben vom 05.08.2004 (Anlage B 3, 171 GA) und nochmals im Schreiben vom 17.01.2006 (Anlage K 29, 187 ff. GA) hingewiesen.

e.

Der Beklagte verhält sich nicht treuwidrig oder widersprüchlich, wenn er sich im vorliegenden Verfahren gegen die unmittelbare oder analoge Anwendung des Erlasses wendet. Dies gilt unabhängig davon, dass der Rechtsvorgänger des Beklagten bei späteren Vergabeverfahren (z.B. Los 8, Schreiben vom 24.09.2004, Anlage K 26) die Klägerin als Bieterin darauf hingewiesen hat, dass er als Bauherr und sein Zuschussgeber prüfen wollten, ob für die Stahl- und Alulieferungen eine Preisgleitklausel eingerichtet werden solle, diese Prüfung noch andauere und daher um die Abgabe eines Nebenangebots gebeten werde, das die Klägerin dann auch vorgelegt hat (103 ff. GA, Anlage K 27). Entgegen der Berufungsbegründung zeigt dieser Vorbehalt des Beklagten bei einer späteren Ausschreibung und in einem anderen Verfahrensstadium nicht, dass der Beklagte damit auch im Rahmen des vorliegenden Vertragsverhältnisses, das bereits in zeitlicher Hinsicht (nach Eröffnung der Angebote) vom Erlass nicht erfasst wird, zu verstehen gegeben hat, sich gleichwohl - quasi rückwirkend - jedenfalls als Adressat des Bundesministerialerlasses zu Maßnahmen im Bundeshochbau behandeln lassen zu wollen.

4.

Ein Anspruch der Klägerin folgt nicht aus § 313 Abs. 1 BGB. Die der Klägerin gegenüber ihrer Urkalkulation entstandenen Stahlmehrkosten fallen allein in das von ihr durch ihre Festpreiszusage übernommene Kalkulationsrisiko und rechtfertigen keine Anpassung des Vertrages.

a.

Die Möglichkeit, eine Vertragspflicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls oder der Änderung der Geschäftsgrundlage an die veränderten Verhältnisse anzupassen, besteht nur unter ganz eng begrenzten Voraussetzungen. Der Grundsatz der Vertragstreue muss nur dann zurücktreten, wenn andernfalls ein untragbares, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbares Ergebnis nicht zu vermeiden wäre. § 313 BGB ist daher nicht anwendbar, wenn sich durch die Veränderung ein Risiko verwirklicht, da eine Partei zu tragen hat (BGH, Urteil vom 25.05.1977, VIII ZR 196, 75, WM 1977, 94). Wie die Risikosphären der Parteien gegeneinander abzugrenzen sind, ergibt sich aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und dem anzuwendenden dispositiven Recht (BGH, Urteil vom 16.02.2000, XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714, dort Rn 46). Der Sachleistungsschuldner trägt grundsätzlich das Risiko von Leistungserschwerungen (Palandt-Grüneberg, 67. Auflage 2008, § 313, Rn 19/31 mwN). Eine stillschweigende Risikoübernahme liegt in der Vereinbarung eines Festpreises (BGH, Urteil vom 06.04.1995, IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236, 253, dort Rn 61 mwN). Der vereinbarte Festpreis bleibt grundsätzlich auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen bindend (BGH, Urteil vom 28.09.1964, VII ZR 47/63, BB 1964, 1397; Urteil vom 20.03.1969, VII ZR 29/67, WM 1969, 1021; Urteil vom 08.03.1979, VII ZR 9/78, WM 1979, 582 ; OLG Hamburg, Urteil vom 28.12.2005, 14 U 124/05, BauR 2006, 680, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Beschluss des BGH vom 23.11.2006, VII ZR 55/06 mit Anm. Schliemann, IBR 2006, 1106). Die Festpreisabrede lässt sich als Preisgarantie deuten, die den Auftragnehmer verpflichtet, den Auftraggeber von über den Festpreis hinausgehenden Forderungen freizustellen (BGH, Urteil vom 23.09.1982, VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, Rn 22 a.E.). Steigende Selbstkosten können die Annahme einer Änderung der Geschäftsgrundlage insbesondere dann nicht begründen, wenn der Sachleistungsgläubiger die Steigerung der Selbstkosten hätte voraussehen können und er sich durch die Gestaltung der jeweiligen Verträge bewusst sein musste, ein großes Risiko durch Preissteigerungen während der Vertragszeit auf sich zu nehmen, und er insoweit Vorsorge hätte treffen können, d.h. er die Möglichkeit hatte, ein für ihn untragbares und unzumutbares Ergebnis zu vermeiden (BGH, Urteil vom 08.02.1978, VIII ZR 221/76, LM § 242 (Bb) Nr. 91 = WM 1978, 322; OLG München, a.a.O.; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.1973, 22 U 176/72, MDR 1974, 489; vgl. auch Ingenstau/Korbion-Keldungs, VOB, 16. Auflage 2007, § 15 VOB/A, Rn 9 mwN sowie § 2 Nr. 1 VOB/B, Rn 54 mwN; Leinemann, VOB/B, 2. Auflage 2005, § 2, Rn 40 mwN in Fn. 86-91, Teil der Anlage K 12; Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2003, § 2 VOB/B, Rn 277 ff. mwN). Dies gilt auch für den Fall, dass der Vertragspreis für den Sachleistungsschuldner nicht mehr kostendeckend ist, d.h. er im Falle der Durchführung des unveränderten Vertrages durch die Steigerung der Selbstkosten statt eines Gewinns nunmehr einen Verlust zu verkraften hat; dieser fällt allein in sein unternehmerisches Risiko (BGH, Urteil vom 25.05.1977, VIII ZR 196/75, WM 1977, 946).

b.

Nach den vorstehenden Grundsätzen steht der Klägerin kein Anspruch auf Anpassung des Vertrages mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten an die gestiegenen Stahlpreise zu.

aa.

Dem Anpassungsverlangen steht die Regelung unter Nr. 1.7 der in den streitgegenständlichen Vertrag einbezogenen Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage K 1) entgegen, wonach "im Auftragsfalle die Angebotspreise für die Dauer der Auftragsabwicklung Festpreise " sein sollten (zur Zulässigkeit einer solchen Klausel i.V.m. § 2 Nr. 3 VOB/B vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1993, VII ZR 79/92, BauR 1993, 723). Die Klägerin hatte die Möglichkeit, mit ihrem Angebot das "freibleibende" Angebot ihrer Stahllieferantin T K offen zu legen und hinsichtlich der Stahlpreise einen Preisvorbehalt geltend zu machen. Das Risiko der Stahlpreiserhöhung bis zur endgültigen Bestellung des Stahlpreises hätte sie erkennen können, denn bereits seit dem Jahreswechsel 2003/2004 war eine deutliche Stahlpreiserhöhung festzustellen. Hiervon ist auch der oben erörterte Bundesministerialerlass vom 23.03.2004 ausgegangen. Die Klägerin musste damit rechnen, dass sich der Rechtsvorgänger des Beklagten im Hinblick auf die in den besonderen Vertragsbedingungen festgelegte Festpreisvereinbarung auf eine Anpassung von Einzelpreisen (betr. Stahl) bzw. des Gesamtpreises an nicht objektbedingte Preisentwicklungen (ohne Veränderung der Leistung) während der Dauer der Auftragsabwicklung nicht einlassen würde. Mit der Offenlegung ihrer Urkalkulation in Bezug auf den Stahlpreis und der Geltendmachung eines Vorbehalts im Falle weiteren Anstiegs des Stahlpreises hätte sie dem Rechtsvorgänger des Beklagten die Möglichkeit gegeben, sich entweder auf ihren Vorbehalt einzulassen oder wegen des Vorbehalts ihr Angebot abzulehnen. Hierdurch hätte die Klägerin verhindern können, an einen Vertrag gebunden zu werden, der für sie wegen der fortdauernden Steigerung der Stahlpreise ein Verlustgeschäft werden konnte. Dass sie in dieser Situation einen Festpreis für die Gesamtleistung angeboten hat, stellt sich als einseitige Risikoübernahme dar. Es würde auch eine Benachteiligung anderer Bieter im Vergabeverfahren beinhalten, wenn die Klägerin den Mehrpreis bei der Stahlposition trotz der vertraglich uneingeschränkten Festpreisabrede im Nachhinein auf den Beklagten abwälzen könnte.

bb.

Die Klägerin hat keine besonderen Umstände dargelegt, die eine abweichende Beurteilung des Kalkulationsrisikos im Rahmen der getroffenen Festpreisvereinbarung rechtfertigen könnten. Es kann offen bleiben, ob Verzögerungen infolge eines Nachprüfungsverfahrens und nachfolgenden Verlängerungen der Bindefrist für das Angebot eine abweichende Beurteilung des Kalkulationsrisikos rechtfertigen, wie vom KG Berlin im Urteil vom 05.10.2007 (21 U 52/07, BauR 2008, 838 mit Anm. Leinemann) und auch vom OLG Hamm im Urteil vom 05.12.2006 (24 U 58/05, BauR 2007, 378 = BGH, VII ZR 11/08) angenommen und in der Literatur diskutiert wird (Schlösser, ZfBR 2005, 733, Kuhn, ZfBR, 2007, 741; Bornheim/Badelt ZfBR 2008, 249). Solche besonderen Umstände lagen hier auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht vor. Der Klägerin sind keine Verzögerungen in dem nicht offenen Vergabeverfahren im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung vorzuwerfen. Insbesondere ist es nicht zu Verzögerungen infolge eines Nachprüfungsverfahrens und nachfolgenden Verlängerungen der ursprünglichen Bindefrist des Angebots (die hier bis zum 23.05.2006 lief, vgl. 38/156 GA) gekommen. Die Klägerin hat hierzu in der Klageschrift (19 GA, drittletzter Absatz) dem Vorgänger des Beklagten lediglich allgemein vorgehalten, er habe bei der Vergabe für einen unnötig verzögerten Ablauf gesorgt, indem er den Zuschlag erst am 29.04.2004 und somit erst rund zwei Monate nach Angebotsabgabe erteilt habe; bis zur Übergabe der Ausführungspläne seien zwei weitere Wochen vergangen, während derer sich die Stahlpreisentwicklung besonders verschärft habe. Der unstreitige Ablauf des Vergabeverfahrens rechtfertigt jedoch nicht den Vorwurf, der Rechtsvorgänger des Beklagten habe das Verfahren verzögert und damit zu den hohen Materialkosten der Klägerin beigetragen. Auf das Angebot der Klägerin vom 21.02.2004 (Anlage K 4) fand am 16.03.2004 ein Aufklärungsgespräch statt (vgl. Schreiben vom 22.03.2004, Anlage K 5, dort Eingangssatz, Protokoll Anlage B 1, 167 ff. GA), woraufhin die Klägerin dem Rechtsvorgänger des Beklagten am 22.03.2004 (Anlage K 5) diverse weitere notwendige Nachweise nachreichte. Nach der Sitzung des Rechtsvorgängers des Beklagten vom 29.03.2004 (vgl. Eingangssatz Anlage K 6) wurde der Klägerin dann durch Schreiben vom 19.04.2004 (Anlage K 6) der Auftrag erteilt, der einen Bauzeitbeginn am 24.05.2004 vorsah. Diesen Auftrag bestätigte die Klägerin nach Verhandlung mit ihrer Stahllieferantin, der T-K, und Eingang des geänderten Stahlangebots der T-K (10.05.2004, 12.44 Uhr, Anlage K 7) noch am 10.05.2004 (Anlage K 6, Seite 2). Aus diesem zeitliche Ablauf des Vergabeverfahrens können keine Obliegenheitsverletzungen des Rechtsvorgängers des Beklagten, insbesondere keine verzögerliche Bearbeitung, hergeleitet werden.

5.

Der Beklagte schuldet die Mehrkosten auch nicht aus §§ 280, 249 ff. BGB bzw. wegen Verletzung einer bauvertraglicher Kooperationspflichten. Seinem Rechtsvorgänger fällt keine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Last; ihm ist auch nicht ein treuwidriges Verhalten der Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde zuzurechnen.

Die Baumaßnahme wurde - insoweit unstreitig - zu einem überwiegenden Teil öffentlich finanziert; dies war - ebenfalls unstreitig - der Klägerin bekannt. Bereits nach den zur Gerichtsakte gelangten Unterlagen hat der Rechtsvorgänger des Beklagten bzw. das von ihm eingeschaltete Ingenieurbüro G und P GmbH ab der Information durch das Schreiben der Klägerin vom 10.05.2004 (Anlage K 8) bzw. durch das Telefonat vom 19.05.2004 (6 GA unten) bzw. durch das Schreiben der Klägerin vom 02.07.2004 (Anlage K 9), welches der Rechtsvorgänger des Beklagten am 06.07.2004 an das StUA K weiterleitete (Anlage B 2, 170 GA), lediglich zugesichert, sich für eine Refinanzierung der Mehrkosten gegenüber der Bezirksregierung einzusetzen. Der Behauptung der Klägerin, sie sei über die gesamte Bauzeit hinweg "vertröstet" worden, steht entgegen, dass das Protokoll zur Baubesprechung vom 09.09.2004 (Anlage B 4, 173 ff. GA, dort zu Nr. 15) den Vermerk enthält:

"Seitens des StUA wurde nochmals mitgeteilt, dass hinsichtlich der Stahlpreise derzeit davon ausgegangen wird, dass keine Mehrkosten für den AG anfallen."

Damit hat der Rechtsvorgänger des Beklagten den im wesentlichen gleichlautenden Inhalt des Schreibens der Bezirksregierung D vom 05.08.2004 (Anlage B 3, 171 ff. GA, dort letzter Satz) der Klägerin zeitnah und inhaltlich zutreffend zur Kenntnis gegeben; es kann daher dahinstehen, ob der Klägerin das Schreiben vom 05.08.2004 übergeben wurde. Der Rechtsvorgänger des Beklagten hat demgemäß auch keine Unklarheit über das Ergebnis seiner Bemühungen geschaffen oder belassen bzw. einen falschen Anschein erweckt oder aufrechterhalten. Der Klägerin hatte selbst zu entscheiden, wie sie mit dieser ihr spätestens am 09.09.2004 bekannten Sachlage im Rahmen des bestehenden Vertrages verfahren wollte.

Im übrigen könnte die Klägerin auf Grund des oben zu B.II.1. bereits festgestellten Schriftformerfordernisses aus einer angeblichen Hinhaltetaktik des Rechtsvorgängers des Beklagten keine auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzpflicht des Beklagten herleiten, weil ein solcher Schadensersatzanspruch die zum Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder bestehenden Kompetenz- und Formvorschriften aushöhlen würde (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.1992, VII ZR 110/91, BauR 1992, 761).

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.

E.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 175.042,91 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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