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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: I-24 U 112/05
Rechtsgebiete: ZPO, ZVG, BGB, ArbStättVO, MV


Vorschriften:

ZPO § 67
ZPO § 70 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3
ZPO § 263
ZPO § 265
ZPO § 265 Abs. 2 S. 1
ZPO § 265 Abs. 2 S. 2
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 829
ZPO § 835
ZPO § 836
ZVG § 21 Abs. 2
ZVG § 148
ZVG § 152
BGB § 140
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 536
BGB § 536 b S. 1
BGB § 538 a.F.
BGB § 539 a.F.
BGB § 543 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 543 Abs. 4 S. 1
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 2 Ziff. 1
BGB § 288 Abs. 2
ArbStättVO § 1 Abs. 1
ArbStättVO § 1 Abs. 2
ArbStättVO § 2 Abs. 1
MV § 1 Ziff. 4
MV § 1 Ziff. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. Juni 2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve - Einzelrichterin - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Nebenintervenienten 23.008,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.834,68 EUR seit dem 5. Oktober 2004, dem 5. November 2004, dem 5. Dezember 2004, dem 5. Januar 2005, dem 5. Februar 2005 und dem 5. März 2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 2. September 2004 nicht beendet worden ist.

Die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der Kosten der Nebenintervention werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 69.024 EUR.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Kaufmanns F. in G. (im Folgenden: Schuldner).

Der Schuldner vermietete der Beklagten zunächst mit Mietvertrag vom 21. Juni 1996 eine frühere Möbelausstellhalle in Geldern zum Betrieb eines Berufsfortbildungswerkes. Die Halle verfügt über Schaufenster, die nicht zu öffnen sind. Bereits bald nach Abschluss jenes Mietvertrages war die Frage mangelhafter Beschattung der Schulungsräume Gegenstand der Erörterung zwischen dem Schuldner und der Beklagten. Mit dem Ziel der Einbeziehung weiterer Räumlichkeiten schlossen die Parteien über jene Halle am 22. Oktober 2001 erneut einen - nunmehr bis zum 22. Oktober 2011 - befristeten Mietvertrag.

Nach Beschwerden von Ausbildungsteilnehmern überprüfte die TÜV Arbeit und Gesundheit GmbH im Juli 2003 die klimatischen Verhältnisse in den Räumen und stellte fest, dass in einem nach Süden gelegenen, 60 qm großen Schulungsraum für Maler die Vorgaben Arbeitsstättenverordnung - wegen Überhitzung - nicht eingehalten waren (Schreiben vom 25. Juli 2003).

Nach Aufforderungsschreiben vom 2. Juli, 22. Juli und 13. August 2004 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 2. September 2004 das Mietverhältnis außerordentlich zum 30. September 2004.

Am 1. Februar 2005 wurden das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit am 4. März 2005 eingegangenem Schriftsatz nahm der Kläger das Verfahren nach Unterbrechung auf. Am 23. März 2005 wurde die Zwangsverwaltung bzgl. des Mietgrundstücks angeordnet; der Nebenintervenient ist zum Zwangsverwalter bestellt.

Das Landgericht, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen wird, hat die auf Zahlung von Miete für die Monate Oktober 2004 bis März 2005 zzgl. Nebenkostenvorauszahlungen für Oktober und November 2004 gerichtete Klage abgewiesen.

Der Kläger hat Berufung eingelegt. Der Zwangsverwalter hat erklärt, er trete nunmehr an die Stelle des Insolvenzverwalters, und hat die Berufung sodann begründet. Kläger und Nebenintervenient machen geltend, die Kündigung vom 2. September 2004 sei unwirksam. Die in erster Instanz verfolgten Nebenkostenvorauszahlungen werden nicht mehr geltend gemacht.

Der Kläger und der Nebenintervenient beantragen,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie widerspricht der Parteiänderung durch Eintritt des Zwangsverwalters und hält ihre außerordentliche Kündigung für wirksam.

II.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung:

A.

Die Berufung ist zulässig: a) Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht gem. §§ 517, 519 ZPO eingelegt. Ungeachtet der bereits am 23. März 2005 erfolgten Anordnung der Zwangsverwaltung war er weiterhin prozessführungsbefugt und damit auch zur Einlegung der Berufung berechtigt. Die Anordnung der Zwangsverwaltung während des laufenden Rechtsstreits berührt nicht die Prozessführungsbefugnis des klagenden Insolvenzverwalters und sein Recht, den als Partei kraft Amtes begonnenen (hier: nach Insolvenzeröffnung übernommenen) Prozess fortzuführen und Rechtsmittel einzulegen.

Allerdings steht dem Zwangsverwalter gem. § 152 ZVG allein das Recht zu, das beschlagnahmte Grundstück zu verwalten und die Ansprüche, auf die sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen. Nach §§ 148, 21 Abs. 2 ZVG umfasst die Beschlagnahme auch die aus der Vermietung des Grundstücks sich ergebenden Mietzinsforderungen. Entsprechend gebührt grds. dem Zwangsverwalter das alleinige Prozessführungsrecht hinsichtlich aller der Zwangsverwaltung unterliegenden Rechte, Verpflichtungen und Ansprüche (vgl. BGH RPfleger 1992, 402; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 152 Rn. 14; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 7 ZwVwV Rn. 2; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 152 Rn. 55).

Nicht anders als die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Forderung oder ihre Pfändung und Überweisung nach §§ 829, 835 ZPO hat die Anordnung der Zwangsverwaltung während eines bereits laufenden Prozesses gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO auf diesen und mithin auf die Prozessführungsbefugnis des (bisherigen) Klägers aber keinen Einfluss (BGH NJW 1986 306 ff.; OLG Sachsen-Anhalt, OLG-NL 2001, 20 f.; LG Dortmund, RPfl 2002, 472 f. mit zust. Anmerkung Fundis; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, a.a.O. Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, 62. Aufl., § 265 Rn. 9, 14; a.A.: Steiner, ZVG, 9. Aufl., § 152 Rn. 178: Unterbrechung des Prozesses in entsprechender Anwendung von § 239 ZPO; anders auch für den Fall der Aufhebung der Zwangsverwaltung: BGH WM 2003, 1176 = WuB VII.A § 265 ZPO 1.03). Dies gilt gerade auch für die Beschlagnahme von Mietzinsforderungen im Wege der Zwangsverwaltung. Das Einziehungsrecht des Zwangsverwalters stellt sich nicht anders dar als die aus § 836 ZPO folgende Einziehungsbefugnis eines Vollstreckungsgläubigers nach Pfändung und Überweisung (BGH a.a.O.). Für letztere ist aber allgemein anerkannt, dass sie auf die Prozessführungsbefugnis des Schuldners im bereits begonnenen Prozess nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO keinen Einfluss hat (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 265 Rn. 59).

b) Durch die innerhalb der verlängerten Begründungsfrist eingegangene Berufungsbegründung des Zwangsverwalters ist den Anforderungen des § 520 ZPO Genüge getan. Zwar hat nicht der Berufungskläger die Berufung begründet. Die Berufungsbegründung des Zwangsverwalters ist dem Berufungskläger aber in Anwendung von § 67 ZPO zuzurechnen:

Der Zwangsverwalter war allerdings nicht schon infolge eines zulässigen Parteiwechsels zur Begründung der Berufung befugt. Zwar kann die infolge eines Parteiwechsels an die Stelle des ursprünglichen Berufungsklägers tretende neue Partei die Zulässigkeit eines von der früheren Partei bereits rechtzeitig eingelegten Rechtsmittels durch eine eigene fristgemäße Begründung wahren (BGH NJW 2003, 2172 ff.). Voraussetzung hierfür aber ist ein zulässiger Parteiwechsel auf Seiten des Klägers. Für den Fall der Anordnung der Zwangsverwaltung will ein Teil der Literatur die Regeln über den gewillkürten Parteiwechsel - mithin die Regeln der Klageänderung gem. § 263 ZPO - anwenden und dementsprechend das Eintreten des Zwangsverwalters in den Prozess nicht nur mit Zustimmung des Gegners, sondern auch aus Gründen des Sachdienlichkeit ohne dessen Zustimmung ermöglichen (so Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 152 Rn. 14.4; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 152 Rn. 57; für den umgekehrten Fall der Aufhebung der Zwangsverwaltung vgl. BGH NJW-RR 1990, 1213 f.; OLG Düsseldorf - 9. ZS - Urteil vom 24. Nov. 1993, 9 U 55/93, juris-Nr. KORE460409500). Dies übersieht, dass dem Zwangsverwalter nicht nur die Prozessführungsbefugnis zugewiesen ist, sondern auch die materielle Verwaltungsbefugnis. Mit Recht hat der Bundesgerichtshof (NJW 1986, 3206 ff.) hieraus die Konsequenz gezogen und § 265 ZPO für anwendbar gehalten. Vollzieht sich der Parteiwechsel aber nach dieser Norm, so ist der Eintritt des Zwangsverwalters als Hauptpartei nur bei - hier sogar ausdrücklich verweigerter - Zustimmung des Gegners möglich, § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO; die Zustimmung des Beklagten kann nicht dadurch ersetzt werden, dass das Gericht die Übernahme durch den Rechtsnachfolger des Klägers als sachdienlich ansieht (BGH WM 1988, 1073; BGH NJW 1996, 2799; LG Dortmund, RPfl 2002, 472 f. mit Anm. Fundis; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, a.a.O. Rn. 6).

Ein Parteiwechsel auf Klägerseite hat hier entsprechend mangels Zustimmung der Beklagten nicht stattgefunden. Die Erklärung des Klägers im Schriftsatz vom 7. September 2005 das Berufungsverfahren könne durch ihn nicht fortgesetzt werden, ist auch nicht etwa als (mangels Zustimmung des Gegners ohnehin nicht wirksame) Klagerücknahme oder als Berufungsrücknahme zu verstehen, sondern gibt lediglich eine unzutreffende Rechtsauffassung wieder. Nach den Hinweisen des Senats hat der Kläger die Berufung dann folgerichtig weitergeführt.

Der Zwangsverwalter ist dem Rechtsstreit aber auf Seiten des Klägers als Nebenintervenient beigetreten und hat als solcher die Berufung an Stelle der Hauptpartei zulässig begründet, § 67 ZPO. Da die von ihm beabsichtigte Übernahme des Prozesses - Hauptintervention - an § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO scheitert, ist die Berufungsbegründung als Erklärung des Beitritts i.S.d. § 70 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 ZPO umzudeuten (vgl. BGH NJW 2001 S. 1217, 1218; Stein-Jonas-Bork, § 70 ZPO Rn. 3). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt in entsprechender Anwendung des § 140 BGB auch im Prozessrecht der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH a.a.O. m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Der Zwangsverwalter hat fraglos ein rechtliches Interesse daran, dass die Beklagte in Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu Mietzinszahlungen verurteilt und das Fortbestehen des Mietverhältnisses festgestellt werde. Hätte er die Konsequenzen des § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO überblickt, so wäre er dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten und hätte als Nebenintervenient die Berufungsbegründung gefertigt. Das Interesse der Beklagten an der Ablehnung der Umdeutung geht nicht hinaus über das Interesse jeder in erster Instanz siegreichen Partei daran, dass das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig werde. Dieses Interesse reicht nicht aus, eine Unzumutbarkeit der Umdeutung der Hauptintervention in eine Nebenintervention anzunehmen (BGH a.a.O.).

B. Die Berufung ist auch begründet:

1. Die Beklagte ist aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 des Mietvertrags verpflichtet sein, die Kaltmiete ohne Nebenkosten für die Zeit von Oktober 2004 bis März 2005, insgesamt 7.500 DM = 3.834,68 EUR x 6 Monate = 23.008,08 EUR zu zahlen. Das befristet bis zum 22. Oktober 2011 vereinbarte Mietverhältnis ist nicht durch außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 2. September 2004 vorzeitig beendet worden.

a) Eine Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses war der Beklagten nicht durch § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB eröffnet. Der Beklagten war unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zu dessen regulärer Beendigung zuzumuten.

Allerdings liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung durch den Mieter insbesondere dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 BGB). Auch ein Sachmangel des Mietobjekts i.S.d. § 536 BGB kann sich als Vorenthalten des vertragsgemäßen Gebrauchs darstellen, wenn die durch ihn hervorgerufene Gebrauchsbeeinträchtigung nicht unerheblich ist (vgl. Palandt-Weidenkaff, 65. Aufl., § 543 BGB Rn. 18 f.). Ein solcher - erheblicher - Mangel des Mietobjekts liegt hier vor, da der als Schulungsraum für das Malerhandwerk eingerichtete Raum von ca. 60 qm Größe den Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung nicht genügte und für den im Vertrag vereinbarten Nutzungszweck nicht geeignet war.

Die Arbeitsstättenverordnung vom 12. August 2004 ist hier anwendbar, da die Mieträume Arbeitsstätten der Mitarbeiter der Klägerin i.S.d. §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 ArbStättVO sind. Die Kunden der Beklagten mögen zwar gleichsam reflexartig an dem Schutz der ArbeitsstättenVO partizipieren; ihre unmittelbare Anwendbarkeit ergibt sich aber aus der Tätigkeit der in den Mieträumen eingesetzten Ausbilder. Die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 ArbStättVO greifen ersichtlich nicht ein. Die von der Beklagten gemieteten Räume fielen auch bereits unter die frühere Fassung der ArbeitsstättenVO (vom 20. März 1975, zuletzt geändert am 25. Nov. 2003).

Infolge der unstreitig mangelhaften Belüftungs- und Verschattungsmöglichkeit des genannten Schulungsraumes entsprach das Mietobjekt nicht dem Vertrag. In § 1 Ziff. 1 des Mietvertrags (im Folgenden: MV) ist vorgesehen, dass die Mieträume u.a. als Malerwerkstatt eingesetzt werden sollen. Nach § 1 Ziff. 4 MV gewährt der Vermieter den Gebrauch der Mieträume in einem für den vorgesehenen gewerblichen Zweck grundsätzlich geeigneten Zustand. Die Verantwortlichkeit für den hier zu beurteilenden Sachmangel ist auch weder durch § 1 Ziff. 4 S. 2 MV noch durch § 7 Ziff. 4 MV auf die Beklagte verlagert. Erstere Vorschrift regelt die finanziellen Konsequenzen behördlicher Auflagen. Dies aber erfasst dem Wortsinn nach nur von Behörden erlassene Verwaltungsakte, nicht aber die hier durch den Zustand des Mietobjekts eingeschränkte Möglichkeit zur Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften. § 7 Ziff. 4 MV regelt, wie sich aus der Verweisung auf § 538 BGB a.F. ergibt, nur die hier nicht erhebliche Frage einer Schadensersatzverpflichtung.

Der Mangel war auch durchaus erheblich: Zwar erfasst der Mangel nur knapp 10% der gemieteten Gesamtfläche. Für den vorgesehenen Zweck ist diese Fläche aber jedenfalls im Sommer auf Dauer nicht nutzbar. Es mag sein, dass die Beklagte durch Umgruppierung der Nutzungen innerhalb des gesamten Mietobjekts eine anderweitige Verwendung für jenen Raum hätte finden können, bei der eine Kollision mit den Vorschriften der ArbeitsstättenVO nicht zu besorgen gewesen wäre. Die hierdurch bedingte Einschränkung in der Nutzbarkeit des Gesamtobjekts war der Beklagten aber nicht zuzumuten.

b) Das Kündigungsrecht der Beklagten war aber infolge der Kenntnis des Mangels bei Abschluss des Mietvertrags ausgeschlossen, §§ 543 Abs. 4 S. 1, 536 b S. 1 BGB:

Die Beklagte nutzte vor Abschluss des Mietvertrages vom 22. Oktober 2001 den zuletzt als Malerwerkstatt genutzten Raum, dessen Mangelhaftigkeit sie rügt, bereits seit August 1996 aufgrund früheren Mietvertrages vom 21. Juni 1996. Ihr Geschäftsführer hatte bei Abschluss des letzten Mietvertrags unstreitig Kenntnis davon, dass sich die Fenster nicht öffnen ließen, dass eine Außenverschattung fehlte und dass beides zu einer Aufheizung der Räumlichkeiten führte.

Mithin war der Beklagten nicht nur der technische Mangel des Mietobjekts längst bekannt, bevor sie das Objekt erneut anmietete. Ihr waren auch die physischen Auswirkungen dieses Mangels auf die dort arbeitenden (und lernenden) Personen bekannt. Der Hinweis auf den "Jahrhundertsommer" 2003 rechtfertigt keine andere Beurteilung: Hochsommerliche Hitzeperioden gab es nicht nur 2003, sondern auch in jedem Sommer zwischen 1996 und 2001. Entsprechend war, wie von der Beklagten selbst vorgetragen (Schriftsatz vom 20. April 2005 S. 3), die mangelhafte Beschattung "schon nach dem ersten Sommer" (nach Abschluss des früheren Mietvertrages von 1996) Gesprächsthema zwischen den Vertragsparteien.

Zwar genügt nicht bereits die Kenntnis des Mieters vom äußeren Erscheinungsbild eines Mangels, solange der Mieter nicht auch das Wissen um die konkreten Auswirkungen des Mangels auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache hat (vgl. BGH NJW 1979, 713; Schmidt/Futterer-Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 b BGB Rn. 6; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III.B Rn. 1405; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rn. 301). Gerade diese konkrete Kenntnis zum Einfluss des Fehlens von Belüftung und Verschattung auf die Gebrauchstauglichkeit hatte die Beklagte aber, da ihr die Aufheizung der Räume und damit die physische Beeinträchtigung der dort tätigen Mitarbeiter und Kunden bekannt war. Ihr Wissen um den Mangel der Mietsache ging damit über eine bloße Kenntnis der Umstände, die erst auf Grund öffentlich-rechtlicher Gebrauchsbeschränkungen zur Fehlerhaftigkeit führen (siehe hierzu Wolf/Eckert/Ball a.a.O.), hinaus.

Soweit sie behauptet, der Verstoß gegen die ArbStättVO sei ihr vor 2003 nicht bewusst gewesen, so lag hierin nur eine Unterschätzung der Tragweite der Gebrauchsbeeinträchtigung, die für die Anwendbarkeit von §§ 543 Abs. 4 S. 1, 536 b S. 1 BGB unerheblich ist (vgl. Bub/Treier a.a.O. m.w.N.; Schmidt/Futterer-Eisenschmid a.a.O. Rn. 8). Im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern war die Beklagte ohnehin gehalten, gesundheitsbeeinträchtigende Verhältnisse am Arbeitsplatz zu vermeiden. Die bloße Konkretisierung dieser Verpflichtung durch die ArbeitsstättenVO schafft keine neue Qualität des der Beklagten bereits vor Vertragsschluss bekannten Sachmangels.

Unerheblich ist auch die Behauptung der Beklagten, die Bundesagentur für Arbeit habe erst ab 2002/2003 bei der Vergabe von Aufträgen verstärkt darauf geachtet, dass der jeweilige Bildungsträger den Anforderungen der Arbeitstättenverordnung nachkomme. Auch dies betrifft lediglich die Tragweite des Mangels für das allerdings die Beklagte als Mieterin treffende Verwendungsrisiko.

c) Dem Ausschluss des Kündigungsrechts durch §§ 543 Abs. 4 S. 1, 536 b S. 1 BGB stehen hier auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben entgegen:

Der Bundesgerichtshof (Urt. vom 21. März 2001, XII ZR 241/98, juris Nr. KORE563762001) hat allerdings zu § 539 BGB a.F. die Auffassung vertreten, der Mieter verliere trotz Kenntnis des Mangels bei Vertragsschluss seine Rechte aus § 538 BGB a.F. nicht, wenn der Vermieter ihm auf sein Verlangen Abhilfe zugesagt habe. In einem solchen Fall greife die dem Gewährleistungsausschluss zugrundeliegende Erwägung, der Mieter gebe sich mit dem mangelhaften Zustand des Mietobjekts zufrieden, nicht ein. Es widerspreche Treu und Glauben, wenn sich der Vermieter seinem Abhilfeversprechen unter Berufung auf die Kenntnis des Mieters von dem Mangel entziehen könne.

Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, der Vermieter habe auf wiederholtes Abhilfeverlangen seit 1996 "immer wieder" Abhilfe zugesagt und sie vertröstet. Nach Erhalt des TÜV-Berichtes vom 25. Juli 2003 habe sie wiederum um Abhilfe nachgesucht; der Vermieter habe ihr dann zugesagt, technische Vorkehrungen einbauen zu lassen, die zu einer Verbesserung des Lüftungs- und Klimazustandes führen sollten.

Beides reicht nicht aus, der Beklagten trotz § 543 Abs. 4 S. 1 BGB das außerordentliche Kündigungsrecht zu erhalten. Der Vortrag zu Abhilfeverlangen ab 1996 ist völlig unsubstantiiert. Er betrifft zudem das frühere Mietverhältnis. Zu einem etwaigen Abhilfeversprechen oder auch nur Vorbehalt der Beklagten im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrages vom 22. Oktober 2001 ist dagegen nichts konkret vorgetragen. Ein etwaiges Abhilfeversprechen nach Juli 2003 ist für die Frage der Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung ebenso unerheblich. Es mag sein, das sich der Vermieter mit Blick auf ein solches Abhilfeversprechen der Beseitigung eines bei Vertragsschluss bekannten Mietmangels aus Gründen von Treu und Glauben (widersprüchliches Verhalten) nicht entziehen kann. Dieser Gesichtspunkt trägt aber nicht in der Frage des außerordentlichen Kündigungsrechts: Hier setzt sich der Vermieter nicht mit seinem Abhilfeversprechen in Widerspruch, wenn er auf Einhaltung der Vertragslaufzeit besteht. Überdies hat der Kläger bestritten, Abhilfe auf seine Kosten versprochen zu haben. Ein Beweisantritt der Beklagten fehlt.

d) Ungeachtet der vorstehend zu a) genannten Gründe ist die Kündigung der Beklagten vom 2. September 2004 auch deswegen unwirksam, weil sie vorzeitig erfolgt ist. Noch mit Schreiben vom 13. August 2004 hatte die Beklagte den Schuldner - erneut - aufgefordert, durch fachgerechte Maßnahmen für die erforderlichen Belüftungs- und Verschattungsmöglichkeiten zu sorgen. Mit Antwortschreiben vom 19. August 2004 hatte der Schuldner zugesagt, umgehend entsprechende Baumaßnahmen in Auftrag geben zu wollen. Zwar hat der Schuldner die ihm im Schreiben vom 13. August 2004 gesetzte Frist von 10 Tagen zur Vornahme der Maßnahmen nicht eingehalten. Diese Frist war allerdings angesichts des absehbaren Umfangs der Bauarbeiten und im Hinblick auf die Ferienzeit - die Schulferien Nordrhein-Westfalens dauerten vom 22. Juli bis zum 4. September 2004 - ganz erheblich zu kurz bemessen. Dementsprechend hat die Aufforderung vom 13. August 2004 (Freitag), deren Zugang nicht vor dem 16. August 2004 (Montag) zu erwarten war, eine den Umständen des Einzelfalls angemessene Frist in Lauf gesetzt (vgl. Palandt-Weidenkaff, 65. Aufl., § 543 BGB Rn. 47). Die durch die Aufforderung vom 13. August 2004 in Lauf gesetzte angemessene Frist bemisst der Senat mit sechs Wochen; sie lief am 27. September 2004 und mithin mehrere Wochen nach Ausspruch der Kündigung ab.

e) Der Beklagten steht schließlich gegenüber dem mit der Klage verfolgten Mietzinsanspruch auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen unterlassener Mängelbeseitigung zu, da sie sich durch die Kündigung vom 2. September 2004 selbst vertragsuntreu gezeigt hat und Ende September 2004 aus den vermieteten Räumlichkeiten ausgezogen ist.

2. Die Zinsforderung ist aus §§ 286 Abs. 1, 2 Ziff. 1, 288 Abs. 2 BGB gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 101 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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