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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: I-24 U 128/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 182
BGB § 415
BGB § 535
Will der Vormieter das Mietverhältnis im Ganzen auf den Nachmieter übertragen, kann dies durch dreiseitigen Vertrag oder durch zweiseitigen Vertrag der Mieter geschehen, dem der Vermieter seine nicht formbedürftige Zustimmung erteilt.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 128/06

Verkündet am 8. Mai 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und S. im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO nach der Sachlage am 16. April 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 13. Juni 2006 - Einzelrichter - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a)

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.062,62 € nebst 4% Zinsen über dem Basiszins von jeweils 1.134,02 € seit dem 2. Juli 2005, dem 2. August 2005 und dem 2. September 2005 und von jeweils 2.830,28 € seit dem 2. Oktober 2005 und dem 2. November 2005 zu zahlen.

b)

Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich eines Teilbetrags von 1.587,69 € (= 3 x 204,31 € + 2 x 487,38 €) zuzüglich hierauf entfallender Zinsen erledigt hat.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.650,31 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht Mietzinsansprüche für die Überlassung von Räumen zum Betrieb einer Steuerberaterpraxis geltend. Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.650,31 € nebst 4% Zinsen über dem Basiszins von jeweils 1.338,33 € seit dem 2. Juli 2005, dem 2. August 2005 und dem 2. September 2005 und von jeweils 3.317,66 € seit dem 2. Oktober 2005 und dem 2. November 2005 zu zahlen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, die Abtretungserklärung des Zeugen S. enthalte nicht die Abtretung von Zahlungsansprüchen aus dem Untermietverhältnis, da der Kaufvertrag zwischen S. und ihr kein Untermietverhältnis regele. Mit dem Zeugen S. sei vielmehr die komplette Auswechslung eines Vertragspartners, also eine Vertragsübernahme vereinbart worden. Der Klägerin stehe aber auch kein Anspruch aus der Vereinbarung einer Schuldübernahme zu. Dem Gesellschafter R. habe es dafür an der erforderlichen Vollmacht gefehlt; die Zustimmung des Zeugen S. entspreche nicht dem Schriftformerfordernis des Mietvertrags.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin erklärt den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich eines Teilbetrags von 1.587,69 € (= 3 x 204,31 € + 2 x 487,38 €) zuzüglich hierauf entfallender Zinsen für erledigt und beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte widerspricht der Teilerledigungserklärung.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung der Klägerin war die Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen festzustellen. Zugleich war von Amts wegen das Rubrum neu zu fassen, da die Klägerin als nach außen tätige Gesellschaft bürgerlichen Rechts aktiv parteifähig ist (BGHZ 146, 341 ff.; BGH NJW-RR 2006, 42).

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung des Restmietzinses für die Monate Juli bis September 2005 sowie des Mietzinses für die Monate Oktober und November 2005 verurteilt. Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine für die Beklagte günstigere Entscheidung zu rechtfertigen.

1.)

Die Beklagte ist aus § 535 S. 2 BGB in Verbindung mit § 3 Ziff. 1 des zwischen der Klägerin ("Grundstücksgemeinschaft Michels & Andere GbR") und dem Zeugen S. am 22.12.2000 geschlossenen Mietvertrags (im folgenden: Mietvertrag) sowie Ziff. 5 des von der Beklagten mit dem Zeugen S. geschlossenen Kaufvertrags vom 22.12.2004 (im folgenden: Kaufvertrag) verpflichtet, der Klägerin den im Mietvertrag vereinbarten Mietzins für die Monate Juli bis November 2005 zu zahlen. Denn die Beklagte ist im Wege der Vertragsübernahme Mieterin und Vertragspartnerin der Klägerin geworden.

a)

Allerdings macht die Beklagte mit ihrer Berufung zu Recht geltend, mit der Formulierung,

"Der Käufer tritt mit dem Zeitpunkt der Übernahme in alle der Praxis dienenden Verträge (Anlage 3) ein."

sei in dem Kaufvertrag mit dem Zeugen S. eine Übernahme der in jener Anlage 3 aufgeführten Vertragswerke, zu denen auch der Mietvertrag zählt, vereinbart worden. Es entsprach der Intention des gesamten Vertragswerks, die Steuerberaterpraxis des Zeugen S. mit allen in ihr begründeten Rechten und Pflichten auf die Beklagte zu übertragen.

Die rechtsgeschäftliche Übertragung eines ganzen Schuldverhältnisses, wie es die Parteien des Kaufvertrags beabsichtigt hatten, ist nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung zulässig. Sie ist ein einheitliches Rechtsgeschäft, nicht aber eine Kombination von Abtretung und Schuldübernahme, und bedarf der Zustimmung aller Beteiligten (BGH NJW-RR 2005, 958; NJW 2003, 2158; 1986, 918; LM § 581 Nr. 16 BGB). Die Vertragsübernahme kann als dreiseitiges Vertragswerk ausgestaltet werden. Möglich ist aber auch ein Vertrag zwischen der ausscheidenden und der eintretenden Partei unter Zustimmung des anderen Teils (BGH NJW-RR 2005, 958). Auf die Vertragsübernahme finden die §§ 414 ff. BGB grundsätzlich entsprechend Anwendung.

Die Parteien des Kaufvertrags haben nicht den Weg eines dreiseitigen Vertragswerks gewählt, sondern die Vertragsübernahme zunächst nur zwischen Übergeber (S.) und Übernehmer (Beklagte) vereinbart, so dass die Wirksamkeit des Eintritts der Beklagten - an der Stelle des Zeugen S. - in den Mietvertrag von der Zustimmung der Klägerin abhing.

b)

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz indessen fest, dass diese Zustimmung erteilt worden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin, vertreten durch den Gesellschafter Robert R., ihre Zustimmung bereits im voraus - was grundsätzlich möglich ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 398 Rn. 38a) - Anfang Dezember 2004 erklärt hat. Denn der Gesellschafter R. hat am 23.12.2004 gegenüber dem Zeugen S. der Vertragsübernahme durch die Beklagte zugestimmt. Der Zeuge S. hat bei seiner Vernehmung durch das Landgericht bekundet, er sei am Tag nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags zu R. gegangen und habe ihn "auch hierüber" (über den Eintritt der Beklagten in den Mietvertrag) unterrichtet.

R., der bereits Anfang Dezember 2004 durch den Zeugen S. von der beabsichtigten Vertragsübernahme verständigt worden war, habe ihm zu dem Vertrag "gratuliert". Mit dieser "Gratulation" hat der Gesellschafter R. - handelnd im Namen der Klägerin - schlüssig das Einverständnis der Klägerin mit der zwischen dem Zeugen S. und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung zum Ausdruck gebracht.

c)

Die Erklärung die Klägerin war auch ohne Einhaltung der im Mietvertrag vorgesehenen Schriftform wirksam. Die Zustimmung zur Vertragsübernahme ist weder eine Änderung noch eine Ergänzung des übernommenen Vertrages. Sie bedarf schon deshalb nicht der für Vertragsänderungen und -ergänzungen vereinbarten Form (BGH MDR 1996, 132; NJW 2005, 958). Dies rechtfertigt sich überdies aus dem Rechtsgedanken des § 182 Abs. 2 BGB: Nach dieser Vorschrift bedarf die Zustimmung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Es war ferner auch nicht eine ausdrückliche Zustimmungserklärung erforderlich; zur Wirksamkeit der Zustimmung genügte es, dass sie sich aus dem schlüssigen Handeln des Vertreters der Klägerin ergab (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 415 Rn. 5).

d)

Für die Wirksamkeit der Zustimmung zur Vertragsübernahme reichte es überdies aus, dass diese dem Zeugen S. gegenüber erklärt wurde. Eine Wiederholung der Zustimmung gegenüber den gesetzlichen Vertretern der Beklagten oder dem offensichtlich rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Zeugen Stolz war nicht erforderlich. Denn nach § 182 Abs. 1 BGB kann die Erteilung der Zustimmung sowohl dem einen als auch dem anderen Teil gegenüber erklärt werden (vgl. Palandt/Grüneberg a.a.O. § 415 Rn. 3).

e)

Der Gesellschafter R. hat bei seinem Gespräch mit dem Zeugen S. im Namen und in Vollmacht der Klägerin, nämlich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Grundstücksgemeinschaft Michels", gehandelt. Den Bekundungen des Zeugen S. ist zu entnehmen, dass R. für ihn der Ansprechpartner in den das Mietverhältnis betreffenden Fragen war. Aus den Angaben des Zeugen H. wird zudem deutlich, dass R. sich mit Kenntnis der (anderen) Gesellschafter um die vertragliche Gestaltung des Mietverhältnisses gekümmert hat. Es bedarf deswegen keiner weiteren Aufklärung, ob R. durch die anderen Gesellschafter rechtsgeschäftlich bevollmächtigt worden war oder ob - bei Fehlen einer solchen Vollmacht - eine Genehmigung gem. § 177 Abs. 1 BGB vorliegt. Denn selbst bei Fehlen einer solchen Bevollmächtigung war gegenüber dem Zeugen S. jedenfalls der Rechtsschein einer Bevollmächtigung (Anscheinsvollmacht) zurechenbar begründet.

2.)

Die Berufung der Beklagten hätte aber auch dann keinen Erfolg, wenn eine wirksame Zustimmung der Klägerin zu der Vertragsübernahme durch die Beklagte nicht vorläge. Denn in diesem Falle wäre die Beklagte unmittelbar aus dem Kaufvertrag dem Zeugen S. gegenüber verpflichtet, den im Mietvertrag vereinbarten Mietzins an die Klägerin zu entrichten.

Mit der Vereinbarung der Vertragsübernahme ist die Beklagte nicht nur die Verpflichtung eingegangen, an ihrem Eintritt in den Mietvertrag rechtsgeschäftlich mitzuwirken. Nach Sinn und Zweck der Vertragsbestimmung in Ziff. 5 des Kaufvertrags und auch entsprechend der Auslegungsregel des § 415 Abs. 3 S. 1 BGB war sie im Verhältnis zu dem Zeugen S. vielmehr auch verpflichtet, diesen von seiner Mietzinsverbindlichkeit der Klägerin gegenüber freizustellen (Erfüllungsübernahme), solange die Vertragsübernahme seitens der Klägerin noch schwebend unwirksam war. Nichts anderes gilt nach § 415 Abs. 3 S. 2 BGB auch im Falle einer Zustimmungsverweigerung.

Dieser Anspruch des Zeugen S. ist der Klägerin mit Vereinbarung vom 01.08.2005 (Bl. 68 GA) wirksam abgetreten mit der Folge, dass er sich in der Person der Klägerin in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. BGHZ 71, ZPO; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 257 Rn. 1).

3.)

Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe ihr nur einen Teil der Mieträume zur Verfügung gestellt, ist sie mit diesem neuen Vortrag im Berufungsverfahren gemäß §§ 529, 531 ZPO nicht zu hören. Denn die Beklagte hätte dies bereits in erster Instanz geltend machen können und bei Meidung von Nachlässigkeit müssen (§ 529 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

4.)

Die Hauptsache ist hinsichtlich der Nebenkostenforderungen erledigt.

Bis zum Eintritt der Abrechnungsreife war die Klage wegen der vertraglich vereinbarten Nebenkostenvorauszahlungen zulässig und begründet. Mit Ablauf des Jahres 2006 ist Abrechnungsreife eingetreten, so dass Nebenkostenvorauszahlungen nicht mehr verlangt werden können. Die Klägerin hat nicht den - möglichen - Weg gewählt, ihre Klage auf tatsächlich erteilte Abrechnungen umzustellen, sondern die auf Vorauszahlungen gestützte Klage zulässig für - infolge Zeitablaufs - erledigt erklärt. Es ist deswegen ohne Bedeutung, ob die Klägerin eine Nebenkostenabrechnung erteilt hat und ob diese ordnungsgemäß ist.

5.)

Soweit die Beklagte sich gegen die Berichtigung des Aktivrubrums wendet, wird auf die eingangs zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2006, 42) verwiesen.

6.)

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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