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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.07.2008
Aktenzeichen: I-24 U 151/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 366 Abs. 1
BGB § 535
BGB § 581
ZPO § 253
ZPO § 307
1. Zur Verrechnung von verspäteten, aber vom Pächter bestimmten Zahlungen auf rückständige Pachten.

2. Der Verpächter kann rückständige Pachten, die er auf andere Monate als der Pächter bezieht, durch Hilfsanträge geltend machen, und zwar auch noch im Berufungsrechtszug.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES TEILANERKENNTNIS- und SCHLUSSURTEIL

I-24 U 151/07

Verkündet am 08. Juli 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z. und T. sowie der Richterin H. auf die am 24. Juni 2008 geschlossene mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 05. Juli 2007 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.391,38 EUR nebst 12% Zinsen aus 3.800 EUR seit dem 05. 10. 2006, aus 656,25 EUR seit dem 05. 01. 2007, aus 436,50 EUR seit dem 05. 02. 2007 und aus 1.498,63 EUR seit dem 05. 03. 2007 sowie ihrem Anerkenntnis gemäß weitere 7.600 EUR nebst 12% Zinsen aus jeweils 3.800 EUR seit dem 05. 11. und 05. 12. 2006 zu zahlen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs werden der Klägerin zu 75%, der Beklagten zu 25% auferlegt. Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Die Beklagte hatte im Jahr 2006 statt für zwölf nur für neun Monate das im Vertrag als "Miete" bezeichnete Entgelt (3.800 €/mtl.) für das ihr von der Klägerin (teilweise mit Inventar) überlassene "Hotel A." bezahlt und die Entgelte für die Monate Januar bis März 2007 nach Aufrechnung mit Gegenforderungen entsprechend gekürzt. Die Parteien haben, soweit für den Berufungsrechtszug noch relevant, im ersten Rechtszug darüber gestritten, welche drei Monatsentgelte in Höhe von (3 Mon x 3.800 EUR) 11.400 EUR mangels Tilgung zur Bezahlung noch offen stehen.

Die Klägerin hat sich im ersten Rechtszug bis zuletzt auf den Standpunkt gestellt, die drei Entgelte der Monate Oktober bis Dezember 2006 seien offen. Denn die in den Monaten August bis Dezember 2006 erbrachten Leistungen (3.800 €/mtl.) seien auf die jeweils ältesten, also auf die offenen Forderungen der Monate Mai bis September 2006 zu verrechnen. Mit ihrer persönlichen Erklärung vom 06. Mai 2007 (GA 35) habe die Beklagte nämlich, so hat die Klägerin trotz gegenteiligen rechtlichen Hinweises des Landgerichts gemeint, den Klageanspruch "anerkannt" und damit auch die in der Klageschrift vorgegebene Verrechnungsweise, so dass die ursprünglich abweichenden Zahlungsbestimmungen der Beklagten "einverständlich" abgeändert worden seien. Hilfsweise hat die Klägerin ihr Klagebegehren auf die von ihr hilfsweise als offen bezeichneten Entgelte der Monate Juli bis September 2006 gestützt (künftig: eingeschränkter Hilfsantrag).

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage neben den weiteren, im zweiten Rechtszug nicht mehr umstrittenen Forderungen aus dem Jahre 2007 (2.591,38 €) auf den Hilfsantrag nur das Entgelt für den Monat Juli 2006 zugesprochen (3.800 EUR nebst Zinsen) und hat die Klageabweisung beantragende Beklagte dementsprechend insgesamt zur Zahlung von 6.391,38 EUR (nebst Zinsen) verurteilt. Die Entgelte der Monate August bis Dezember 2006, so hat das Landgericht ausgeführt, seien entsprechend den jeweils beigefügten Zahlungsbestimmungen getilgt, während die Entgelte der Monate Mai bis Juli 2006 offen seien, so dass auf den Hilfsantrag das Juli-Entgelt 2006 zuzuprechen sei. Der Klagehauptantrag und der weitergehende Hilfsantrag seien unbegründet, wobei der Vortrag der Klägerin in dem insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12. Juni 2007 einschließlich des jetzt noch einmal erweiterten Hilfsantrags, der nun auch die Entgelte Mai und Juni 2006 erfasst, trotz der noch erfolgten Zustellung an die Beklagte nicht zu berücksichtigen sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie hauptsächlich die schon im ersten Rechtszug verfolgten Ansprüche durchsetzen will und nunmehr hilfsweise auch die Entgelte der Monate Mai und Juni 2006 geltend macht (künftig: erweiterter Hilfsantrag). Sie bleibt bei ihrer schon im ersten Rechtszug vertretenen Rechtsauffassung zum Haupt- und eingeschränkten Hilfsantrag. Im Übrigen wendet sie ein, das Landgericht habe ein unzulässiges, nämlich verdecktes Teilurteil erlassen, indem es den erweiterten Hilfsantrag der Beklagten zugestellt, darüber aber nicht geurteilt habe. Im Übrigen habe es sehr wohl auch Anlass gegeben, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Da zwischen den Parteien unstreitig gewesen sei, dass drei Monatsentgelte offen gewesen seien und es ihr, der Klägerin, allein um den Ausgleich dieses Saldos und evident nicht um die Durchsetzung von Doppelzahlungen gegangen sei, hätte das Landgericht durch entsprechende Hinweise für die korrekte Antragstellung sorgen müssen, um ihr zu ihrem Recht zu verhelfen.

Die Beklagte, die den Berufungshauptantrag zurückgewiesen wissen will, hat im Senatstermin den erweiteten Hilfsantrag unter Protest gegen die Kostenlast anerkannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

B.

I. Die Berufung ist zulässig.

1. Die Beklagte verfolgt im Berufungsrechtzug ihren erstinstanzlichen Hauptantrag weiter, mit dem sie in sie beschwerender Weise vom Landgericht abgewiesen worden ist. Sie will diese Beschwer demnach auch beseitigt haben, was (unabhängig von der Erfolgsaussicht) für die Zulässigkeit des Rechtsmittels genügt, und zwar auch dann, wenn die weitere Verfolgung des Hauptantrags nur aus prozesstaktischen Erwägungen gelten sollte.

2. Dass die Klägerin darüber hinaus einen erweiterten Hilfsantrag verfolgt, der nicht Gegenstand der Verhandlung im ersten Rechtszug gewesen und mit dem sie deshalb auch nicht abgewiesen worden ist, stellt eine zulässige Klageerweiterung innerhalb der zulässig eingelegten Berufung dar (§ 533 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat mit dem erweiterten Hilfsantrag Erfolg. Die Beklagte schuldet der Klägerin die Entgelte der Monate Mai und Juni 2006.

1. Die Klägerin ist mit ihrem Hauptantrag und dem eingeschränkten Hilfsantrag aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils zu Recht abgewiesen worden. Die Entscheidung des Landgerichts, auf den eingeschränkten Hilfsantrag nur das von diesem umfasste unbezahlt gebliebene Entgelt für den Monat Juli 2006 zuzusprechen und die Klägerin mit ihrem weitergehenden Begehren abzuweisen (Entgelte für die Monate Oktober bis Dezember 2006 [Hauptantrag], hilfsweise solche für die Monate August und September 2006 [weitergehender eingeschränkter Hilfsantrag]), ist nicht zu beanstanden.

a) Bei den umstrittenen Entgelten handelt es sich entgegen der Bezeichnung im Vertrag nicht um Mieten, sondern um Pachten. Dementsprechend haben die Parteien - wiederum entgegen der vertraglichen Bezeichnung - auch keinen Miet-, sondern einen Pachtvertrag abgeschlossen. Die Abgrenzung von Miete (§ 535 Abs. 1 BGB) zur Pacht (§ 581 Abs. 1 BGB) richtet sich nach dem tatsächlichen Inhalt des streitigen Rechtsverhältnisses und nicht nach seiner (in der Rechtspraxis vielfach falschen) Bezeichnung durch die Vertragsparteien (vgl. BGH ZMR 1981, 306; MDR 1991, 1063 = ZMR 1991, 257 m.w.N.). Die Miete ist gekennzeichnet durch die bloße entgeltliche Überlassung von Sachen zur Nutzung, die Pacht dadurch, dass - neben der entgeltlichen Überlassung von Sachen und/oder Rechten zur Nutzung - darüber hinaus die Fruchtziehung im Sinne des § 100 BGB Vertragsgegenstand ist (vgl. BGH aaO). Im Streitfall hat die Klägerin der Beklagten nicht nur ein bebautes Grundstück, sondern ein unter seinem Namen im Rechtsverkehr eingeführtes, teilweise auch eingerichtetes Hotel zur Nutzung überlassen, wobei es keine Rolle spielt, dass das überlassene Inventar verliehen worden ist (vgl. BGH ZMR 1981, 306). Zu den Früchten im Sinne des § 100 BGB gehören auch die spezifischen Gebrauchsvorteile, die mit der Nutzungsüberlassung eines eingeführten Hotels verbunden sind.

b) Die Beklagte schuldete mit Blick auf die mit den Pachtzahlungen von August bis Dezember 2006 erklärten Bestimmungen, nur die jeweils aktuellen Pachten tilgen zu wollen (§ 366 Abs. 1 BGB), bei Klageerhebung nur die Pachten der Monate Mai bis Juli 2006. Daran vermochte auch die von ihr persönlich an das Gericht adressierte Erklärung vom 06. Mai 2007 (künftig: Erklärung) nichts zu ändern. Diese hatte prozessrechtlichen Charakter und war - worauf das Landgericht in seiner Verfügung vom 08. Mai 2007 zu Recht hingewiesen hat - mit Blick auf den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) ohne rechtliche Wirkung. Eine materiell rechtliche Wirkung, die die Klägerin der Erklärung beilegt, kommt dieser nicht zu. Die Beklagte wollte mit ihr nur zum Ausdruck bringen, der Klägerin für 2006 einen Saldo von noch 11.400 EUR zu schulden, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die prozessrechtlich schwierigen Fragen des Streitgegenstands und ob ein Saldo titulierungsfähig ist (vgl. z. B. BGH NJW-RR 1997, 441 sub Nr. II.1), dürften ihr so wenig bewusst gewesen sein, wie der Klägerin. Abgesehen davon, dass schon die Klägerin mit der Klageschrift kein annahmefähiges Angebot auf Abschluss einer (abweichenden) Tilgungsvereinbarung abgeben wollte, hat die Beklagte mangels diesbezüglichen Bewusstseins auch keine Annahme erklärt, so dass der Erklärung, bezogen auf die Tilgungsbestimmungen, eben auch keine materiell rechtliche Wirkung zukommt.

2. Das Landgericht ist entgegen der Rechtsauffassung der Berufung zu diesem Ergebnis auch ohne Verfahrensverstoß gelangt.

a) Das angefochtene Urteil stellt kein (unzulässiges) Teilurteil dar, und zwar auch kein verdecktes. Das Landgericht hat vielmehr ausdrücklich über den nachgereichten erweiterten Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 12. Juni 2007 keine Entscheidung getroffen und eine solche Entscheidung auch nicht für eine (kommende) Schlussentscheidung vorbehalten, so dass ein Fall des § 301 ZPO nicht vorliegt. Die Zustellung des erweiterten Hilfsantrags am 02. Juli 2007 und damit noch vor der Urteilsverkündung am 05. Juli 2007 hat allenfalls dazu geführt, dass dieses prozessuale Begehren im Sinne der §§ 253, 321 Abs. 1 ZPO übergangen worden ist. Einem solchen Defizit kann durch den Antrag auf Urteilsergänzung (§ 321 Abs. 1 ZPO) begegnet werden, was allerdings innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 321 Abs. 2 ZPO zu geschehen hat (vgl. BGH NJW-RR 2005, 790, 791f, BauR 2007, 431). Diese Frist war am 16. Juli 2007 abgelaufen, so dass die Rechtshängigkeit des erweiterten Hilfsantrags seither kraft Gesetzes erloschen ist. Ein mit ihm verfolgter Anspruch kann nur durch die Erhebung einer neuen Klage oder mit einer Klageerweiterung im Berufungsverfahren erneut rechtshängig gemacht werden; insoweit tritt ein Rechtsverlust nicht ein (vgl. BGH aaO).

b) Das Landgericht hatte im Kammertermin auch keinen Anlass, über den (richtigen und) eindeutigen rechtlichen Hinweis vom 08. Mai 2007 hinaus der Klägerin weitere materiell rechtliche Belehrungen zu erteilen, andernfalls es sich dem Verdacht ausgesetzt hätte, die Klägerin unangemessen bevorzugen zu wollen. Vielmehr musste die anwaltlich beratene Klägerin aus dem erteilten Hinweis selbst die richtigen rechtlichen Konsequenzen ziehen (vgl. BGH NJW 1999, 1867, 1868). Auch wenn sie die für richtig gehaltene eigene Rechtsauffassung zur Frage der Unmaßgeblichkeit der den Pachtzahlungen von August bis Dezember 2006 beigefügten Zahlungsbestimmungen aufrecht erhielt, musste die Klägerin mit Rücksicht auf die geäußerte abweichende Rechtsauffassung des Landgerichts vorsorglich mit einem erweiterten Hilfsantrag reagieren, der auch die Pachtzahlungszeiträume der Monate Mai und Juni 2006 und nicht nur den für Juli 2006 erfasse. Diese erst im (insoweit nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 12. Juni 2007 nachgeholte Antragserweiterung war verspätet und gab der Kammer keinen hinreichenden Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wiederzueröffnen.

3. Auf den im Senatstermin erstmals wirksam gestellten erweiterter Hilfsantrag ist die Beklagte ihrem erklärten und darauf bezogenen Anerkenntnis gemäß zur Zahlung von (2 Mon x 3.800 €) 7.600 EUR (nebst Zinsen) für die Pachten der Monate Mai und Juni 2006 zu verurteilen, ohne dass es dazu weiterer Ausführungen bedarf, § 313b Abs. 1 ZPO.

III. Die Kostenentscheidung beruht (auch für den zweiten Rechtszug) auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin ist mit dem in der Berufung weiter verfolgten Hauptantrag, die Beklagte mit dem Hilfsantrag unterlegen.

Diesbezüglich kann sich die Beklagte insbesondere nicht auf das Kostenprivileg des § 93 ZPO berufen. Zwar hat sie im Senatstermin nach erstmaliger Stellung des erweiterten Hilfsantrags den damit verfolgten Anspruch sofort anerkannt. Das reicht für eine Kostenbefreiung gemäß § 93 ZPO aber nicht aus. Hinzu kommen muss ferner, dass sie keinen Anlass für die Klageerhebung gegeben hat. Solchen Anlass hat die Beklagte indes schon allein deshalb gegeben, als sie bei Eintritt der Fälligkeiten am jeweils dritten Banktag der Monate Mai und Juni 2006 (§ 8 Abs. 1 MV) und dem gleichzeitig eingetretenen Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nicht geleistet hat.

Auch § 97 Abs. 2 ZPO kann zu Gunsten der Beklagten nicht angewendet werden. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf solche Streitgegenstände im Berufungsverfahren, die auch im ersten Rechtszug Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Das trifft auf die Pachten der Monate Mai und Juni 2006, über die im Wege der zulässigen Klageerweiterung erstmals im Berufungsverfahren verhandelt worden ist, nicht zu.

IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 15.200 EUR, davon entfallen je 7.600 EUR auf den Berufungshaupt- und den -hilfsantrag (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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