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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.06.2008
Aktenzeichen: I-24 U 193/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 536c Abs. 2
1. Der Mieter muss die Mietsache nicht auf verborgene Mängel untersuchen und dem Vermieter nur offensichtliche Mängel anzeigen (hier verneint für Wasseransammlungen auf dem Flachdach eines Supermarkts).

2. Die Anzeigepflicht des Mieters entfällt für Mängel, die sich aus einer dem Vermieter bekannten Gefahrenlage entwickelt haben.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

24 U 193/07

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der auf den 24. Juni 2008 avisierte Senatstermin entfällt.

Gründe:

Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg.

I.

Das sorgfältig und zutreffend begründete landgerichtliche Urteil ist richtig und aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Gründe für die beantragte Abänderung. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

1.

Die zwischen den Parteien streitige Aktivlegitimation des Klägers bedarf keiner weiteren Aufklärung. Denn aus dem Gewerberaummietvertrag vom 29.09./28.11.1989 bestehen keine Ansprüche der hier streitgegenständlichen Art gegen die Beklagte als Mieterin. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Kläger der alleinige Rechtsinhaber und somit anspruchsberechtigt ist.

2.

Es bestehen weder Ansprüche auf Zahlung der für die Abtragung des eingestürzten Gebäudeteils verursachten Kosten von EUR 12.839,75 noch hat der Kläger einen Feststellungsanspruch gegen die beklagte Mieterin. Die Voraussetzungen des § 536 c Abs. 2 S. 1 BGB, der hier als alleinige vertragliche Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, liegen nicht vor.

a.

Es ist zwischen den Parteien nicht mehr im Streit, dass der Dacheinsturz (jedenfalls auch) durch eine Überlastung des Flachdachs hervorgerufen wurde. Diese rührte von der großen Wassermenge her, die sich gebildet hatte, weil Abflüsse und Ableitungen verstopft waren.

Nicht mehr im Streit ist weiterhin, dass die Reinigung dieser Leitungen zur Instandhaltungs- und Wartungsverpflichtung des Vermieters gehört. Die dahingehenden Feststellungen des Landgerichts greift der Kläger in der Berufungsbegründung nicht an.

b.

Eine Verletzung der Anzeigepflicht nach § 536 c BGB durch die Beklagte liegt nicht vor. Denn der Mangel (die verstopften Abläufe), haben sich ihr nicht "gezeigt". Ein Mieter verstößt gegen seine Anzeigepflicht nur und erst dann, wenn er einen Schaden innerhalb des Mietobjekts kennt oder grob fahrlässig nicht zu Kenntnis nimmt und eine Anzeige an den Vermieter unterlässt. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt aber nur dann vor, wenn der Mangel so offensichtlich ist, dass seine Wahrnehmung sich dem Mieter praktisch aufdrängen muss (BGHZ 68, 281 (285 = NJW 1977, 1236, 1237); BGH NJW-RR 2006, 1157 f. = GuT 2006,237; Senat GE 2002, 1262, OLG Hamburg ZMR 1991, 262; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III. A Rn. 970 m.w.N., jeweils zu § 545 BGB a.F. = § 536 c BGB).

Eine Untersuchungspflicht hinsichtlich verborgener Mängel trifft den Mieter nicht. Er darf sich darauf verlassen, dass die Mietsache funktionstüchtig ist (BGH WM 1976, 537; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Rn. 558). Auf verborgene Mängel hat vielmehr der Vermieter im Zuge gelegentlicher Überprüfungen der Mietsache zu achten (Bub/Treier, a.a.O.). Da die Beklagte zur Instandhaltung des Daches nicht verpflichtet war, musste sie es auch nicht kontrollieren. Mithin konnte sich der Mangel ihr nicht "aufdrängen". Hinweise darauf (etwa durch eindringendes Wasser) waren zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar, wie etwa in früherer Zeit, als Wasser im Kassenbereich von der Decke tropfte.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den Informationen über den Wasserstand im Flachdachbereich, welche die Zeugin P. nach ihrer Aussage im September 2005 von einem Dachdecker bzw. einige Tage vor dem Schadensfall von einem Nachbarn mitgeteilt bekam. Dieses Wissen der Zeugin P. kann der beklagten Mieterin nicht zugerechnet werden, denn die Zeugin arbeitet für diese als Kassiererin und hat weder aufgrund ihrer Funktion noch aufgrund ihrer Stellung die für eine Wissenszurechnung gemäß § 166 BGB erforderliche Funktion einer Repräsentantin (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Auflage, § 166 Rn. 6 f. m.w.N.).

Soweit die Zeugin P. bekundet hat, sie habe im September 2005 die Angaben des Dachdeckers an den Bezirksverkaufsleiter telefonisch weitergegeben, sind diese Auskünfte auch zu vage und unbestimmt, um daraus auf eine der Beklagten gemäß § 166 BGB zuzurechnende Kenntnis des namentlich nicht benannten Bezirksverkaufsleiters schließen zu können. Im Übrigen hätten diese Angaben allenfalls eine Kenntnis von dem Umstand bedeutet, dass Wasser auf dem Flachdach steht. Daraus musste man nicht ohne Weiteres auf einen erheblichen Mangel schließen, zumal dem Bezirksverkaufsleiter nicht bekannt sein musste, dass die Ableitungen und Gullys auf dem Flachdach stark verschmutzt waren und der dafür zuständige Vermieter keine regelmäßigen Kontroll- und Reinigungsarbeiten durchführte. Erst aus der Gesamtbetrachtung dieser Umstände wurde aber deutlich, dass das stehende Wasser ein erhebliches Gefahrenpotential in sich barg. Wusste man von den Verschmutzungen auf dem Dach indes nichts, konnte der Wasserstand auch durch eine harmlose Ursache erklärt werden. Insbesondere konnte nicht ausgeschlossen werden, dass er nur vorübergehender Natur war. Dies lag besonders nahe, weil es nach dem früheren Wassereintritt mehr hineingeregnet hatte. Mithin musste der Bezirksverkaufsleiter mit einer Kenntnis von stehendem Wasser nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass zwangsläufig ein Mangel der Mietsache vorlag. Ebenso wenig folgt daraus, dass er einen solchen infolge grober Fahrlässigkeit übersehen hat (s.o.).

c.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers eine Anzeigepflicht unterstellt, so war diese im hier zu entscheidenden Fall entfallen, weil dem Kläger der Mangel nach den Umständen bekannt sein musste (vgl. zum Wegfall der Anzeigepflicht BGHZ 68, 281 (284); Bub/Treier, a.a.O., III. A Rn. 976). Unter Mangel ist jedes Hervortreten eines schlechten Zustandes zu verstehen (BGH aaO; Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rn. 557).

Den Vermietern und damit auch dem Kläger wurde mit der Rechnung der E.-GmbH vom 23. November 2004 mitgeteilt, dass die Dachrinnen und Gullys dringend gereinigt werden müssten und die Dachfläche sehr stark verschmutzt sei. Dieses Schreiben ist dem Kläger unstreitig zur Kenntnis gelangt. Diese Kenntnis ist ausreichend, um einen Wegfall der Anzeigepflicht anzunehmen. Nicht erforderlich ist, dass dem Kläger darüber hinaus bekannt war, ob sich bereits Wasser auf dem Dach angesammelt hatte und nicht abfloss. Denn stehendes Wasser konnte bei länger andauernden Regenfällen zwangsläufige Folge der verschmutzten und dadurch verstopften Abflüsse sein. Dass sich dieser Mangel zum Zeitpunkt der Benachrichtigung durch die E.-GmbH noch nicht so weit entwickelt hatte, dass ein Schadenseintritt unmittelbar bevorstand, ändert zu Gunsten des Klägers nichts. Wird einem Vermieter ein Mangel in Form eines schadensträchtigen Umstands bekannt, so darf er sich nicht leichtfertig darauf verlassen, dass nichts passieren werde. Er darf auch nicht davon ausgehen, dass der Mieter eine sich aus dem Mangel ergebende Symptomatik rechtzeitig erkennt und ihm möglicherweise noch Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Schadenseintritt erteilen kann.

Der Kläger hatte aufgrund der Nachricht der E.-GmbH hinreichend Anlass und Gelegenheit, eine Kontrolle des Daches zu veranlassen und Reinigungsarbeiten in die Wege zu leiten. Es liegt nahe und hätte sich dem Kläger geradezu aufdrängen müssen, dass derartige Verschmutzungen bei einem Flachdach zu Problemen beim Wasserablauf führen können und somit potentiell schadensträchtig sind. Diese Einschätzung teilt der Kläger wohl auch selbst, denn er hat erstinstanzlich zunächst vorgetragen, die erforderlichen Reinigungsarbeiten seien von dem Zeugen C. ausgeführt worden (Schriftsatz vom 19. Januar 2007, S. 7, GA 104). Diese Angaben hat der Zeuge C. allerdings bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht nicht bestätigt, sondern angegeben, dass er lediglich ab und zu im Dachrinnenbereich Laub weggefegt habe (S. 10 des Protokolls vom 27. Juni 2007, GA 221). Weitere Dachreinigungsarbeiten hat weder der Zeuge C. noch eine andere Person ausgeführt. Der Kläger hat sich vielmehr nach Kenntniserlangung der Vorschläge der E.-GmbH nicht um die Reinigung des Flachdachs gekümmert. Es ist auch nicht vorgetragen oder ansonsten ersichtlich, dass er die mit der Objektbetreuung betraute Frau P. (handelnd unter "Y. S.") darauf hingewiesen bzw. eine Kontrolle des Flachdachs und dessen Reinigung veranlasst hätte. Dergleichen ist offensichtlich nicht geschehen.

d.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, die Beklagte hätte die Informationen zum Wasserstand auf dem Flachdach erhalten und an den Kläger bzw. an die für die Vermieter als Erfüllungsgehilfin gemäß § 278 BGB tätige Frau P. weitergeleitet, so ist vom insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger (vgl. hierzu auch Bub/Treier, a.a.O., III.A Rn. 978) nicht schlüssig dargetan worden, dass der Mangel auf die Anzeige der Beklagten hin auch näher untersucht und behoben worden wäre. Die Frage der Kausalität zwischen der Verletzung der Anzeigepflicht und vom Kläger unterlassenen Maßnahmen zur Mängelbeseitigung sowie dem eingetretenen Schaden unterliegt der Beurteilung des Senats gemäß § 287 ZPO (vgl. insoweit auch Senat ZMR 2003, 21 = OLGR 2003, 2 Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 287 Rn. 3 m.w.N.).

Zweifel bestehen gerade im Hinblick auf den bereits aufgezeigten Umstand, dass den Vermietern bereits in der Rechnung der E.-GmbH vom 23. November 2004 Mitteilung darüber gemacht worden war, die Dachrinnen und Gullys bedürften dringend der Reinigung und die Dachfläche sei sehr stark verschmutzt (s.o.). Diesen Hinweisen sind die Vermieter indes unstreitig nicht nachgekommen, denn sie haben nichts veranlasst. Hat der Kläger bzw. die mit der Objektverwaltung betraute Frau P. aber im Hinblick auf die als "dringend" bezeichneten und deshalb besonders ernst zu nehmenden und fachkundigen Hinweise der E.-GmbH nichts unternommen, so ist jedenfalls zweifelhaft, ob nach einem Hinweis der Beklagten auf stehendes Wasser auf dem Flachdach etwas erfolgt wäre oder ob die Vermieter weiter darauf vertraut hätten, dass wie in den vergangenen 15 Jahren schon nichts passieren werde. Bestärkt wird der Senat in seiner Auffassung dadurch, dass sich der Kläger überhaupt nicht in der Pflicht zur Wartung des Flachdaches gesehen hat. Vielmehr hat er diese Arbeiten im ersten Rechtszug dem Verantwortungsbereich der Beklagten zugeordnet und sich selbst nicht einmal als Vermieter, sondern als Investor betrachtet.

3.

Ansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB sind nicht ersichtlich. Hierzu haben die Parteien auch nichts vorgetragen.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.

Düsseldorf, den 2. Juni 2008

Ende der Entscheidung

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