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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.09.2009
Aktenzeichen: I-24 U 2/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 767
BGB § 389
BGB § 535
1. Der Zwangsvollstreckung des Mieters aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss kann der Vermieter durch eine Vollstreckungsgegenklage mit dem Einwand, er habe mit der ihm im Vorprozess zuerkannten Geldforderung aufgerechnet, erfolgreich begegnen.

2. Hat es der Mieter in dem Vorprozess versäumt, gegen die zuerkannte Forderung des Vermieters mit seinem fälligen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution aufzurechnen, so ist er nach Beendigung des Rechtsstreits gehindert, dies nachzuholen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 2/09

Verkündet am 8. September 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2009 durch seine Richter Z., T. und P.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. November 2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungs-beschluss des Landgerichts Duisburg vom 30. Juni 2008, Az. 3 O 238/06, wird wegen eines über 8,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2008 hinausgehenden Betrages für unzulässig erklärt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch den Beklagten aus dem im Tenor näher bezeichneten Kostenfestsetzungsbeschluss.

Zwischen den Parteien bestand ein bis zum 28. Februar 2006 befristeter Gewerbemietvertrag, der aufgrund Zahlungsverzugs des Beklagten durch fristlose Kündigung des Klägers vom 9. September 2002 vorzeitig endete. In dem Formularmietvertrag war die Klausel über die Sicherheitsleistung des Mieters in § 15 Nr. 3 nicht ausgefüllt. Die Reglung des § 15 Nr. 4 lautet: "Die Sicherheit einschl. Zinsen ist bei Beendigung des Mietverhältnisses an den Mieter zurückzuzahlen, wenn feststeht, dass gegen diesen keine Ansprüche mehr bestehen." Entsprechend der maschinenschriftlichen Ergänzung in § 21 (weitere Vereinbarungen) übergab der Beklagte den Rechtsvorgängern des Klägers eine Bankbürgschaft über 6.900,00 DM, die er von diesen zurückerhielt, als der Kläger das Mietobjekt erwarb.

Am 24. Januar 2002 zahlte der Beklagte an den Kläger insgesamt 10.000,00 €, wovon der Kläger 3.527,91 € als Kautionszahlung anrechnete. Der Kläger erstritt in dem Verfahren 3 O 238/06 LG Duisburg = I-24 U 188/07 in zweiter Instanz ein rechtskräftiges Urteil vom 6. Mai 2008 (ZMR 2008, 711 = OLGR Düsseldorf 2008, 662) gegen den Beklagten, mit dem dieser verurteilt wurde, an den Kläger 4.602,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.151,60 € seit dem 6. Januar 2003 und 6. Februar 2003, aus 1.174,63 € seit dem 6. März 2003 und aus 1.124,75 € seit dem 25. November 2003 zu zahlen. Hierbei handelte es sich um Schadensersatzforderungen wegen entgangener Mieten in Höhe der Nettokaltmieten für die Monate Januar 2003 bis März 2003 und um eine Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung vom 24. Oktober 2003 für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2003. Wegen der weitergehenden, für die Zeit bis Februar 2006 geltend gemachten Ansprüche wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen wurden dem Kläger zu 92% und dem Beklagten zu 8% auferlegt.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 verlangte der Beklagte eine Abrechnung der geleisteten Barkaution von 3.527,91 € und wies daraufhin, dass die titulierte Nebenkostennachforderung von 1.124,75 € tatsächlich nicht bestehe, weil Vorauszahlungen von insgesamt 1.423,36 € nicht berücksichtigt worden seien. Mit Schreiben vom 3. Juni 2008 erklärte der Beklagte "nochmals" die Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 3.527,91 € und einem Anspruch auf Rückzahlung der in der Nebenkostenabrechnung 2002/2003 nicht berücksichtigten Vorauszahlungen in Höhe von 1.423,36 € gegen den titulierten Anspruch. Unter Berücksichtigung inzwischen aufgelaufener Zinsen zahlte der Beklagte am 5. Juni 2008 auf das Urteil noch 1.270,33 €.

Nach dem aufgrund dieses Urteils am 30. Juni 2008 ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Duisburg hatte der Kläger dem Beklagten 6.204,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2008 zu erstatten. Mit Schreiben vom 21. Juli 2008 erklärte nun der Kläger die Aufrechnung mit seiner Forderung aus dem Urteil gegen die Forderung des Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss. Nach Verrechnung mit einer weiteren Kostenforderung des Klägers in Höhe von 691,53 € zahlte der Kläger auf den Kostenfestsetzungsbeschluss am 26. August 2008 unter Berücksichtigung aufgelaufener Zinsen noch 611,40 €.

Der Kläger hat geltend gemacht: Die Forderung des Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss sei infolge der Aufrechnung mit der Forderung aus dem Urteil, der Verrechnung des Betrages von 691,53 € und der weiteren Zahlung von 611,40 € vollständig erloschen. Die Forderung aus dem Urteil sei nicht schon zuvor aufgrund der Aufrechnung des Beklagten erloschen gewesen. Der Kautionsrückzahlungsanspruch des Beklagten sei verjährt gewesen. Der Beklagte hätte diesen ebenso wie den Anspruch auf Rückzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen im Vorprozess geltend machen müssen. In diesem Verfahren sei er mit diesem Einwand präkludiert.

Die Klägerin hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg vom 30. Juni 2008, Az. 3 O 238/06, für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte hat erwidert: Die Forderung des Klägers aus dem Urteil sei infolge Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch und dem Anspruch auf Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlung sowie infolge Zahlung von 1.270,33 € vollständig erloschen. Dem Kläger habe daher aus dem Urteil keine Forderung mehr zugestanden, mit der er gegen diejenige aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss habe aufrechnen können. Mithin sei die Vollstreckung daraus abzüglich eines Betrages von 691,53 € zulässig. Mit Urteil vom 27. November 2008 hat das Landgericht unter Klageabweisung im übrigen

die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg vom 30. Juni 2008, Az. 3 O 238/06 - bis auf einen vom Kläger noch zu zahlenden Betrag von 4.821,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2008 abzüglich am 21. August 2008 verrechneter 691,53 € und am 26. August 2008 gezahlter 611,40 € für unzulässig erklärt. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe am 3. Juni 2008 wirksam die Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch gegen die Forderung des Klägers aus dem Urteil erklärt. Der Kautionsrückzahlungsanspruch sei erst mit rechtskräftigem Abschluss des Vorprozesses fällig geworden und daher nicht verjährt gewesen. Demgegenüber sei der Beklagte mit dem Einwand der Aufrechnung mit dem Anspruch auf Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen präkludiert. Die titulierte Forderung des Klägers sei daher nur teilweise erloschen. Soweit sie noch bestanden habe, habe der Kläger hiermit gegenüber dem Anspruch des Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss aufrechnen können. Insoweit sei die Zwangsvollstreckung daraus unzulässig.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger, die Zwangsvollstreckung vollständig für unzulässig zu erklären. Der Kläger macht geltend: Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch erst mit Abschluss des Vorprozesses fällig geworden sei. Tatsächlich sei der Anspruch spätestens im Jahre 2004 fällig geworden. Er sei daher im Zeitpunkt der Aufrechnung am 3. Juni 2008 verjährt gewesen. Überdies sei der Beklagte mit dem Aufrechnungseinwand präkludiert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 27. November 2008, Az. 8 O 312/08, aufzuheben und die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg vom 30. Juni 2008, Az. 3 O 238/06, für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend: Der Kautionsrückzahlungsanspruch sei erst mit Abschluss des Vorprozesses fällig geworden und daher bei der Aufrechnungserklärung nicht verjährt gewesen. Überdies habe der Kläger deliktisch gehandelt, weil er den Kautionsbetrag nicht gesondert von seinem Vermögen angelegt habe, den Kautionsbetrag im Vorprozess nicht erwähnt und auch nicht auf seine Forderung verrechnet habe. Die Verjährungsfrist betrage daher 10 Jahre. Im übrigen hätten sich die gegenseitigen Forderungen zu unverjährter Zeit gegenübergestanden. Schließlich verstoße die Verteidigung des Klägers gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch gegen Treu und Glauben.

Die Akten des Vorprozesses I-24 U 188/07 OLG Düsseldorf = 3 O 238/06 LG Duisburg lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Vollstreckungsgegenklage, mit der sich der Kläger gegen die Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss mit der Begründung wendet, der titulierte Kostenerstattungsanspruch sei durch Aufrechnung erloschen, ist gemäß §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 ZPO zulässig (vgl. BGH NJW 1994, 3292; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 767 Rdnr. 6). Sie ist bis auf einen Betrag von 8,21 € nebst Zinsen seit dem 26. August 2008 begründet.

1.

Dem Kläger steht über den vom Landgericht festgestellten Umfang hinaus eine materielle Einwendung im Sinne von § 767 Abs. 1 ZPO gegen die Forderung des Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Juni 2008 (fortan: Hauptforderung) zu.

Die Hauptforderung ist infolge der Aufrechnung des Klägers mit dessen Forderung aus dem Urteil vom 6. Mai 2008 (fortan: Gegenforderung), infolge der Verrechnung einer weiteren Forderung des Klägers über 691,53 € und infolge der Zahlung des Klägers von 611,40 € gemäß § 389 BGB bis auf den oben genannten Betrag erloschen.

a.

Die vom Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2008 erklärte Aufrechnung mit der Gegenforderung bewirkt, dass die einander gegenüberstehenden Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind. Zinsansprüche entfallen rückwirkend auf diesen Zeitpunkt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 389 Rdnr. 2). Diese Aufrechnungslage entsteht dann, wenn die Gegenforderung, mit der aufgerechnet wird, vollwirksam und fällig ist, und die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird, erfüllbar ist (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 389 Rdnr. 11 f.). Die Gegenforderung des Klägers war - unabhängig von den späteren Entscheidungen im Vorprozess - seit dem Jahre 2003 vollwirksam und fällig. Die Hauptforderung des Beklagten war seit der Kostengrundentscheidung im Urteil vom 6. Mai 2008 erfüllbar; letzteres ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Entstehen der Aufrechnungslage.

Nach herrschender Meinung entsteht der prozessuale Kostenerstattungsanspruch als aufschiebend bedingter Anspruch mit Klageerhebung (Rechtshängigkeit). Er wandelt sich mit Erlass der Kostengrundentscheidung zum auflösend bedingten Anspruch, der mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostengrundentscheidung fällig wird. Mit Eintritt der Rechtskraft wird er unbedingt (vgl. OLG Köln OLGR 2002, 36; Zöller/Vollkommer, a.a.O., vor § 91 Rdnr. 10). Da die Aufrechnung gegen aufschiebend bedingte Ansprüche unzulässig ist (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 389 Rdnr. 12), entstand die Aufrechnungslage mit der Kostengrundentscheidung am 6. Mai 2008.

b.

Zu diesem Zeitpunkt betrug die erst ab dem 21. Mai 2008 verzinsliche Hauptforderung des Beklagten 6.204,65 €. Die Gegenforderung des Klägers betrug in der Hauptsache 4.602,58 €. Die Zinsforderung betrug auf der Grundlage der Zinssätze aus der Forderungsaufstellung des Klägers (GA 7 ff.) bis einschließlich 5. Mai 2008 insgesamt 1.583,99 €. Dieser Betrag ergibt sich aus einer Reduzierung der Zinsforderung aus der Forderungsaufstellung des Klägers per 5. Juni 2006 von 1.615,98 € um die Zinsbeträge für die Zeit vom 1. Januar bis 5. Juni 2008 von insgesamt 163,82 und zuzüglich der Zinsbeträge für die Zeit vom 1. Januar bis 5. Mai 2008 von insgesamt 131,83 € (8,32 % von 4.602,58 € x 126/366). Diese Zinsforderung von 1.583,99 € per 5. Mai 2008 reduzierte sich aufgrund der Zahlung des Beklagten vom 5. Juni 2008 über 1.270,33 € auf 313,66 €. Die Gegenforderung des Klägers betrug also am 5. Mai 2008 insgesamt 4.916,24 €. Die Aufrechnung des Klägers brachte die gegenseitigen Ansprüche somit bis auf eine restliche Hauptforderung des Beklagten von 1.288,41 € nebst Zinsen ab dem 21. Mai 2008 zum Erlöschen.

Die Verrechnung der Forderung des Klägers von 691,53 € wirkt nach den oben dargestellten Grundsätzen zurück auf den 21. Juli 2008. Bis einschließlich 20. Juli 2008 betrug die Zinsforderung des Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss 17,78 € (8,32% aus 1.288,41 € vom 21. Mai bis 30. Juni 2008 = 41/366 und 8,19% aus 1.288,41 € vom 1. Juli bis 20. Juli 2008 = 20/366). Die Gesamtforderung des Beklagten betrug per 20. Juli 2008 1.306,19 € (1.288,41 € + 17,78 €). Infolge der Verrechnung der 691,53 € bestand die Forderung des Beklagten daher fort in Höhe von 614,66 € nebst Zinsen seit dem 21. Juli 2008.

Die Zinsforderung des Beklagten betrug bis einschließlich 25. August 2008 4,95 € (8,19% aus 614,66 € vom 21. Juli bis 25. August 2008 = 36/366), die Gesamtforderung also am 25. August 2008 619,61 € (614,66 € + 4,95 €). Sie ist durch die Zahlung des Klägers von 611,40 € am 26. August 2008 bis auf einen Betrag von 8,21 € nebst Zinsen seit dem 26. August 2008 erloschen.

Die Berechnung stellt sich in Tabellenform wie folgt dar:

 HauptforderungZinsforderunggesamt
Forderungen des Klägers per 5. Mai 20084.602,58 €1.583,99 €6.186,57 €
Abzüglich Zahlung des Beklagten am 5. Juni 2008 1.270,33 € 
Zwischensumme zugunsten des Klägers am 5. Mai 20084.602,58 €313,66 €4.916,24 €
Abzüglich Forderung des Beklagten am 6. Mai 20085.890,99 €313,66 €6.204,65 €
Zwischensumme zugunsten des Beklagten am 6. Mai 20081.288,41 €0,00 €1.288,41 €
Forderungen des Beklagten per 20. Juli 20081.288,41 €17,78 €1.306,19 €
Abzüglich zugunsten des Klägers am 21. Juli 2008 verrechneter673,75 €17,78 €691,53 €
Zwischensumme zugunsten des Beklagten am 21. Juli 2008614,66 €0,00 €614,66 €
Forderungen des Beklagten per 25. August 2008614,66 €4,95 €619,61 €
Abzüglich vom Kläger am 26. August 2008 gezahlter 606,45 €4,95 €611,40 €
Summe zugunsten des Beklagten am 26. August 20088,21 €0,00 €8,21 €

2.

Der Kläger ist mit dem Aufrechnungseinwand nicht gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Diese Vorschrift, nach der gegen einen durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellten Anspruch mit der Vollstreckungsgegenklage nur Einwendungen geltend gemacht werden können, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses entstanden sind, greift nicht - auch nicht analog - ein, wenn sich die Vollstreckungsgegenklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet, weil im Kostenfestsetzungsverfahren (von der hier nicht vorliegenden Festsetzung nach § 11 RVG abgesehen) keine Gelegenheit besteht, solche Einwendungen geltend zu machen (vgl. BGH NJW 1994, 3292; Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 767 Rdnr. 31; Zöller/Herget, a.a.O., § 767 Rdnr. 20).

3.

Die Aufrechnung des Klägers mit der Gegenforderung ist auch nicht deswegen ganz oder teilweise unwirksam, weil der Beklagte zuvor seinerseits gegenüber diesem Anspruch mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Kaution von 3.527,91 € die Aufrechnung erklärt hat. Mit diesem Einwand ist der Beklagte entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO ebenso präkludiert wie mit dem Einwand der Aufrechnung mit einem Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Nebenkostenvorauszahlungen, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Die prozessuale Unbeachtlichkeit der Aufrechnung führt nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB zu ihrer materiellrechtlichen Unwirksamkeit.

a.

Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Mietsicherheit entsteht bereits mit Vertragsabschluss und ist aufschiebend bedingt durch die Beendigung des Vertrages sowie durch den Ablauf der dem Vermieter üblicherweise zusätzlich zuzubilligenden Abrechnungsfrist. Innerhalb dieser Frist hat sich der Vermieter zu entscheiden, ob und in welcher Weise er die Kaution zur Abdeckung seiner Ansprüche verwenden will. Erst mit Ablauf dieser Frist wird der Rückgewähranspruch des Mieters fällig (BGH WuM 1987, 310; NJW 2006, 1422; Senat ZMR 2002, 37; NZM 2005, 783; ZMR 2008, 708; OLG Köln WuM 1998, 154; Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. V Rdnr. 288 ff.; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Moeser, Geschäftsraummiete, 2. Aufl., Kap. 12 Rdnr. 52, Kap. 16 Rdnr. 286; Schmidt/Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 551 Rdnr. 97; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearbeitung 2006, § 551 Rdnr. 29; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rdnr. 1144). Dies folgt aus dem Zweck der Mietkaution, die alle - auch noch nicht fälligen - Ansprüche des Vermieters, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben, sichern soll. Die Kaution erstreckt sich wegen dieses umfassenden Sicherungszwecks auch auf Nachforderungen aus einer nach Beendigung des Mietverhältnisses noch vorzunehmenden Abrechnung der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten und auf Schadensersatzansprüche (vgl. BGH WM 1972, 776; NJW 2006, 1422; Senat NZM 2005, 783; ZMR 2008, 708; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 720; OLG Hamburg NJW-RR 1988, 651; Bub/Treier/v. Martius, a.a.O., Kap. III Rdnr. 766; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Moeser, a.a.O., Kap. 12 Rdnr. 53; Schmidt/Futterer, a.a.O., § 551 Rdnr. 101 f.; Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rdnr. 697).

Wieviel Zeit dem Vermieter für die Abrechnung zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Regelmäßig dürften sechs Monate ausreichen (vgl. Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 551 Rdnr. 29 m.w.N.). Allerdings können bei besonderen Umständen auch mehr als sechs Monate für den Vermieter erforderlich und dem Mieter zumutbar sein (vgl. BGH NJW 2006, 1422; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Moeser, a.a.O., Kap. 16 Rdnr. 286; Schmidt/Futterer, a.a.O., § 551 Rdnr. 102; Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 551 Rdnr. 29).

Nach diesen Maßgaben endete die Abrechnungsfrist hier spätestens mit dem Monat Juni 2004. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger absehen, ob ihm Nebenkostennachzahlungsansprüche für die Jahre bis einschließlich 2002, Schadensersatzansprüche wegen vom Beklagten schuldhaft verursachter vorzeitiger Beendigung des Mietvertrags und sonstige Ansprüche, etwa auf Kostenerstattung, zustanden. Entgegen der Auffassung des Beklagten, insbesondere auch im Schriftsatz vom 25. August 2009, bedarf es hierzu nicht der gerichtlichen Feststellung dieser Ansprüche. Ausreichend ist es, dass der Vermieter bei Ablauf der Prüfungsfrist der Auffassung ist, ihm stünden noch Ansprüche gegen den Mieter zu. Wenn dies der Fall ist, muss sich der Vermieter nunmehr dazu erklären, ob er wegen dieser Ansprüche die Kaution in Anspruch nehmen wolle oder nicht. Da der Kläger dies unterlassen hat, war der Rückzahlungsanspruch des Beklagten seit Juli 2004 fällig. Wenn der Rückzahlungsanspruch des Mieters fällig ist, ist dieser auch befugt, hiermit gegenüber etwaigen Vermieterforderungen aufzurechnen (vgl. BGH NJW 1972, 721; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Moeser, a.a.O., Kap. 12 Rdnr. 53; Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 551 Rdnr. 30). Dass noch weitere Forderungen des Vermieters bestehen, nachdem der Mieter nach Ablauf der angemessenen Überlegungsfrist wirksam aufgerechnet hat, hindert den Vermieter an einer Verrechnung des dann bereits verbrauchten Kautionsguthabens (vgl. OLG Celle OLGR Celle 1994, 66). Der Beklagte hätte daher im Vorprozess die Aufrechnung, ggf. als Hilfsaufrechnung, mit dem Rückgewähranspruch gegen die Forderungen des Klägers erklären können.

b.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung des LG Halle vom 25. September 2007 (NZM 2008, 685). In dieser Entscheidung ging es gerade nicht um die Frage, wie lang die dem Vermieter zuzubilligende Abrechnungsfrist zu bemessen ist und ob der Rückzahlungsanspruch des Mieters fällig wird, wenn der Vermieter nach Fristablauf hiergegen nicht mit eigenen Forderungen aufrechnet, sondern darum, ob der Vermieter von Wohnräumen, der eigene, bestrittene Forderungen geltend macht, sich im Hinblick auf § 551 BGB vor deren gerichtlicher Klärung endgültig aus der Kaution befriedigen darf und sich dazu den auf das verpfändete Sparbuch eingezahlten Kautionsbetrag auszahlen lassen darf.

c.

Einer Aufrechnung des Beklagten im Vorprozess hätte eine Verjährung des Rückgewähranspruchs nicht entgegengestanden. Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution verjährt gemäß § 195 BGB in drei Jahren. Die Frist beginnt gemäß § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, also fällig geworden ist; auf die Beendigung des Mietvertrags kommt es nicht an (vgl. Senat NZM 2005, 783; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Moeser, a.a.O., Kap. 12 Rdnr. 60; Schmidt/Futterer, a.a.O., § 551 Rdnr. 109). Der im Jahre 2004 fällig gewordene Kautionsrückzahlungsanspruch des Beklagten verjährte daher mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Er hätte im Vorprozess sowohl vor als auch nach diesem Zeitpunkt zur Aufrechnung gestellt werden können. Auch nach Verjährungseintritt hätte der Beklagte gemäß § 215 BGB gegen die Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz und Betriebskostennachzahlung aus dem Jahre 2003 aufrechnen können, weil die gegenseitigen Ansprüche sich zu unverjährter Zeit aufrechenbar gegenübergestanden haben.

Auf die 10jährige Höchstfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 BGB kann der Beklagte sich indes nicht berufen, weil ihm bei Fälligkeit seines Rückgewähranspruchs alle zu dessen Durchsetzung notwendigen Umstände im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB bekannt waren.

d.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Regelung in § 15 Nr. 4 des Mietvertrages, nach der die Sicherheit erst dann zurückzuzahlen ist, wenn das Mietverhältnis beendet ist und feststeht, dass keine Ansprüche mehr gegen den Mieter bestehen.

Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass diese Regelung Vertragsbestandteil geworden ist. Die Rechtsvorgänger des Klägers und der Beklagte hatten die dem § 15 Nr. 4 vorangehende Regelung in § 15 Nr. 3 über die dort vorgesehene Bar-Sicherheitsleistung nicht ausgefüllt. Stattdessen hatten sie hiervon abweichend in § 21 als "weitere Vereinbarung" die Stellung einer Bankbürgschaft als Sicherheitsleistung vereinbart. Hatten die ursprünglichen Vertragsparteien aber statt der formularmäßigen Barsicherheit eine andere Sicherungsart (Bürgschaft) vereinbart, so kann nicht angenommen werden, dass sie für diese Sicherheit ohne ausdrückliche Bezugnahme § 15 Nr. 4 willentlich vereinbart haben. Der am Vertragsschluss unbeteiligte Kläger hat dies auch erstinstanzlich bestritten. Der Beklagte hat nicht, auch nicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2009, vorgetragen, dass die Geltung des § 15 Nr. 4 für die Bankbürgschaft gewollt gewesen sei.

Allerdings hat der Beklagte diese Bürgschaft von den ursprünglichen Vermietern zurückerhalten, und der Kläger hat eine am 24. Januar 2002 von dem Beklagten erbrachte Zahlung über insgesamt 10.000,00 € in Höhe von 3.527,91 € als Kautionszahlung angerechnet, ohne dass der Beklagte dem widersprochen hätte. Aber auch aus dem Umstand, dass damit eine Barsicherheit gegeben war, wie sie die Klausel des § 15 Nr. 3 vorsieht, kann nicht geschlossen werden, die jetzigen Parteien des Mietvertrags hätten damit auch § 15 Nr. 4 in Kraft setzen wollen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien solches Anfang 2002 bedacht und gewollt hätten. Solche Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 25. August 2009.

e.

Danach bleibt es dabei, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch des Beklagten im Vorprozess fällig und aufrechenbar war. Hätte der Kläger daher aus dem Urteil vom 6. Mai 2008 die Zwangsvollstreckung betrieben, so hätte eine hiergegen gerichtete Klage des Beklagten aus § 767 ZPO, gestützt auf den Einwand der nachträglich erklärten Aufrechnung, keinen Erfolg gehabt. Der Beklagte wäre mit diesem Einwand gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert gewesen. Einwendungen gegen den titulierten Anspruch können danach nur insoweit mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Ausgangsprozess entstanden sind. Sind die Gründe vor diesem Zeitpunkt entstanden, wird aber die Rechtswirkung der Einwendung erst durch eine Willenserklärung ausgelöst, so ist nach gefestigter Rechtsprechung dennoch der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Willenserklärung objektiv abgegeben werden konnte (BGH NJW 2009, 1671; NJW-RR 2006, 229; BGHZ 173, 328; 163, 339; 125, 351; 100, 222; 34, 274; 24, 97). Da der Kautionsrückzahlungsanspruch des Beklagten vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess fällig war, hätte er bereits in diesem Prozess unbedingt oder hilfsweise zur Aufrechnung gestellt werden können und müssen. Die spätere Geltendmachung im Wege einer Vollstreckungsgegenklage gegen eine Vollstreckung des Klägers aus dem Urteil wäre ausgeschlossen gewesen (vgl. BGH NJW 2009, 1671).

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung hindert zwar die Abweisung einer Vollstreckungsgegenklage grundsätzlich nicht die Geltendmachung der nämlichen materiell-rechtlichen Einwendung in einem Folgeprozess über den titulierten Anspruch selbst, wobei nach Auffassung des BGH die analoge Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO allerdings einer genaueren Untersuchung bedürfte (vgl. BGH NJW 2009, 1671). Der Aufrechnungseinwand nimmt insoweit jedoch eine Sonderstellung ein. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2009, 1671; BGHZ 125, 351; 34, 274; 24, 97) hat die Präklusion der Aufrechnung nicht nur verfahrensrechtliche Wirkung. Vielmehr treten auch die materiell-rechtlichen Wirkungen der Aufrechnung nach § 389 BGB nicht ein. Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen des Titelschuldners (hier des Beklagten) werden so behandelt, als sei die Aufrechnung nie erklärt worden. Sie können folglich vom Titelschuldner selbstständig gegen den Titelgläubiger geltend gemacht und durchgesetzt werden. Dementsprechend wird auch die Forderung des Titelgläubigers (hier des Klägers) so behandelt, als sei die Aufrechnung nicht erklärt worden.

Nach diesen Maßgaben kommt es nicht darauf an, dass der Kläger die Forderung aus dem Urteil nicht vollstreckt und der Beklagte dagegen keine Vollstreckungsgegenklage, gestützt auf den Aufrechnungseinwand, erhoben hat. Da die Präklusion des Aufrechnungseinwands nicht nur verfahrensrechtlich dazu führt, dass der Titelgläubiger die Vollstreckung fortsetzen kann, sondern auch materiell-rechtlich dazu, dass die Forderung des Titelgläubigers, wenn er sie nicht vollstreckt, bestehen bleibt, war der Kläger berechtigt, seine Forderung anderweitig durchzusetzen, nämlich durch Aufrechnung gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten, ohne dass dieser dem den Aufrechnungseinwand entgegen halten kann.

Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) erfordert entgegen der Auffassung des Beklagten keine andere Beurteilung, weil es dem Beklagten unbenommen war, seinen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution im Vorprozess zur Aufrechnung oder Hilfsaufrechnung zu stellen, nachdem der Kläger seinerseits nicht mit den von ihm eingeklagten Forderungen gegen den Rückgewähranspruch des Beklagten aufrechnete. Daran ändert auch nichts der Vorwurf, der Kläger hafte für den Umgang mit der Kaution deliktsrechtlich. Insoweit gilt ebenfalls § 767 Abs. 2 ZPO.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis 4.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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