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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.05.2005
Aktenzeichen: I-24 U 223/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 536
BGB § 537
BGB § 305
BGB § 305 c
1. Die in einem Mietvertrag vorformulierte Verlängerungsklausel wird zur Individualvereinbarung, wenn die Parteien die Verlängerungsdauer in eine Textlücke eintragen.

2. Die ungünstige Umsatz- und Gewinnentwicklung seines Geschäfts in einem Einkaufszentrum gehört zum Verwendungsrisiko des Mieters.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 223/04

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, T und H am 3. Mai 2005

beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

Tatbestand:

Im Anschluss an einen seit 1981 bestehenden Mietvertrag schlossen die Parteien im Jahre 1991 einen neuen Mietvertrag zum Betrieb einer Bäckerei, beginnend mit dem 10.1.1991 und endend zum 30.9.1996.

In einer "Vorbemerkung" zum Vertrag ist Bezug genommen auf das für das Mietobjekt bestehende Pachtverhältnis zwischen der T-GmbH (Verpächterin) und der Klägerin (Pächterin), das am 31.12.2002 ende, allerdings mit einer Verlängerungsmöglichkeit bis Ende 2012. Der Beklagte erklärte sich mit einem für Ende 2002 erwarteten Vermieterwechsel einverstanden.

In § 3 Nr. 1 des Mietvertrages der Parteien heißt es dann: "Das Mietverhältnis verlängert sich um jeweils um weitere 5 Jahre, wenn nicht ein Vertragspartner 12 Monate vor dem jeweiligen Ablauf der Vertragszeit den Vertrag schriftlich kündigt."

Am 18.12.2002 kündigte der Beklagte die Räumung des Mietobjekts "zum Ablauf des Mietvertrages am 31.12.2002". Die Klägerin erwiderte, der Mietvertrag laufe bis zum 30.9.2006. Der Beklagte verblieb in den Räumen bis Ende August 2003. Die Klägerin nahm den Beklagten daraufhin wegen der Mieten für April bis August 2003 in Anspruch. Der Beklagte berief sich ferner auf Mängel des Mietobjekts, weil das Einkaufszentrum, in dem er die Bäckerei betreibe, durch Leerstände und ungünstigen "Branchenmix" geprägt sei, was zu mangelnder Rentabilität seines Geschäfts geführt habe. Dementsprechend hat der Beklagte widerklagend die Feststellung begehrt, er schulde der Klägerin keinen Mietzins mehr.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Gründe:

Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung der Miete für die Monate April bis August 2003 verurteilt (3.695,10 EUR nebst gesetzlicher gestaffelter Zinsen) und es hat ferner zu Recht die mit der Widerklage verfolgte Feststellung, der Beklagte schulde aus dem Mietverhältnis keine Miete mehr, abgewiesen. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine günstigere Entscheidung. Zu den einzelnen Einwendungen des Beklagten gilt das Folgende:

1.

Das Landgericht hat richtig erkannt, dass das Mietverhältnis nicht am 31. Dezember 2002 endete. Mit Blick auf die Verlängerungsklausel (§ 3 Nr. 1 S. 2 MV) hatte sich das Mietverhältnis erstmals mit Ablauf des 30. September 1996 und zum zweiten Mal mit Ablauf des 30.September 2001 mangels Kündigung/Widerspruchs um jeweils fünf Jahre verlängert (Verlängerungsautomatik). Es endet damit erst mit Ablauf des 30. September 2006, nachdem der Beklagte erstmals seinen Beendigungswillen mit Schreiben vom 18. Dezember 2002 gegenüber der Klägerin bekundet hat.

a)

Die Erwägung des Landgerichts, die in § 3 MV vereinbarte Mietdauer stehe in keinem Widerspruch zu dem in der "Vorbemerkung" des Vertrags geregelten antizipierten Zustimmung des Beklagten zu einem künftigen, frühestens für den 31. Dezember 2002 erwarteten Vermieterwechsel, trifft zu. Der Beklagte liest etwas in die "Vorbemerkung" hinein (Beendigung des Mietvertrags zum erstmöglichen Eintritt des Vermieterwechsels), was in ihr ersichtlich nicht geregelt ist. Die Lesart des Beklagten wirkt konstruiert und ist ersichtlich von seinem jetzigen Interesse an schnellstmöglicher Vertragsbeendigung beeinflusst. Aus der maßgeblichen objektiven Sicht unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen bei Vertragsschluss (§§ 133, 157 BGB, vgl. dazu Senat OLGR Düsseldorf 2004, 501) hat der eine Regelungsgegenstand mit dem anderen nichts zu tun. b)

Auch der Hinweis des Beklagten auf § 4 AGBG (richtig: § 5 AGBG, jetzt, § 305c BGB) hilft nicht weiter, weil bei richtiger Vertragsauslegung kein Widerspruch zwischen beiden in Rede stehenden Klauseln feststellbar ist (vgl. BGH NJW 2002, 3232 sub Nr. 4; Senat aaO).

c)

Unrichtig ist die Ansicht des Beklagten, die in § 3 Nr. 1 S. 2 MV vereinbarte Verlängerungsautomatik stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar, sei mit fünf Jahren unangemessen lang und deshalb wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) nichtig, so dass der Mietvertrag sich nicht automatisch verlängert habe.

Der Beurteilung des Landgerichts, die Dauer der Vertragsverlängerung sei individuell zwischen den Parteien ausgehandelt worden, schließt sich der Senat an. Die rahmentextliche Gestaltung der Verlängerungsautomatik ist allerdings ersichtlich für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, so dass es sich insoweit um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 AGBG (jetzt § 305 Abs. 1 S. 1 BGB) handelt. Das gilt aber nicht von vornherein für die offen gelassene Lücke, in welcher die Anzahl der Vertragsjahre, um welche sich das Vertragsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Erstvertragszeit verlängern soll, eingetragen werden muss, ohne dass schon bestimmte Alternativen vorgegeben sind (vgl. BGH NJW 1996, 1676 und 1997, 1000). Die in den vorformulierten Text erst noch einzutragende Verlängerungsdauer ist individuell aushandelbar (vgl. BGH NJW 2003, 1313). Sie erlangt überhaupt erst durch die Eintragung einer bestimmten Verlängerungszeit rechtliche Wirkung. Ohne eine solche Ergänzung gilt eine Vertragsverlängerung als nicht vereinbart, ohne dass die Klausel gestrichen werden müsste. Das gleiche gilt für die vereinbarte Erstvertragsdauer in § 3 Nr. 1 S. 1 MV, deren Rahmentext ebenso vorformuliert ist und erst durch die Eintragung der Vertragsdauer zwischen den Parteien verbindlich wird, andernfalls (auch wenn die unausgefüllte Klausel nicht gestrichen ist) ein unbefristetes Mietverhältnis als vereinbart gilt.

Tatsächlich haben die Parteien die in § 3 Nr. 1 S. 2 MV mit Schreibmaschine eingetragene Vertragsdauer auch individuell ausgehandelt. Das ergibt sich, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, indiziell aus dem Schriftwechsel, der der Vertragsunterzeichnung voraus gegangen ist.

Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe die Vertragsdauer nicht wirklich zur Disposition gestellt, ist dem Schriftwechsel auch nicht ansatzweise zu entnehmen. Nicht zur Disposition gestellt haben mag die Klägerin die rechtliche Gestalt der Verlängerungsklausel (Verlängerungsautomatik, statt der von dem Beklagten favorisierten Option, vgl. dazu Senat OLGR Düsseldorf 2004, 501). Darum geht es hier aber nicht. Der Beklagte hatte die Wahl, ob eine Verlängerungsklausel überhaupt vereinbart wird, und er konnte die Dauer der Verlängerungsautomatik von einem Jahr an aufwärts wählen. Zur Wahl der fünf Jahre ist es ersichtlich deshalb gekommen, weil der schon bei Vertragsschluss anwaltlich beratene Beklagte (wenn auch im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Option) diese Zeitvorgabe gemacht hatte.

2.

Ohne Erfolg rügt der Beklagte eine angeblich seit 1997 eingetretene Gebrauchsbeeinträchtigung (Leerstände, unattraktiver Branchenmix, Fehlen eines Publikumsmagneten, mangelhafter Kundenstrom), auf die er die angeblich seither sinkenden Umsätze seiner Bäckerei und die dann eingetretene Unrentabilität seines Geschäfts zurückführt.

a)

Die Miete ist weder kraft Gesetzes wegen eines Mangels der Mietsache gemindert (536 Abs. 1 S. 2 BGB) noch hat der Beklagte aus einem solchen Grund ein außerordentliches Kündigungsrecht. Die Mietsache ist mangelhaft, wenn sie mit einem Fehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert oder wenn der Mietsache eine besonders zugesicherte Eigenschaft fehlt.

Die vom Beklagten gerügten Gebraucheinschränkungen sind weder Fehler der Mietsache noch stellen sie zusicherungsfähige Eigenschaften dar. Der Beklagte bestreitet nicht, dass die ihm überlassene Mietfläche uneingeschränkt geeignet ist, eine Bäckerei zu betreiben. Unmittelbare Gebrauchsbeeinträchtigungen gibt es nicht. Was der Beklagte nicht hinnehmen will, sind die mittelbaren (negativen) Einflüsse, die nicht der vermieteten Sache anhaften, sondern von außen mittelbar auf die Mietsache einwirken. Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass solche mittelbaren Einwirkungen keine Fehler sind (BGH NJW 1981, 2405). Aus demselben Grund sind sie auch keine zugesicherten Eigenschaften. Um solche handelt es sich nur dann, wenn sie der Mietsache selbst anhaften; mittelbare Einflüsse reichen dafür nicht aus (BGH NJW 2000, 1714; Senat OLGR Düsseldorf 2005, 79).

An diesem Ergebnis vermag auch nichts der Umstand zu ändern, dass der Beklagte sein Geschäft in einem von der Klägerin geplanten und betriebenen Einkaufszentrum führt, und dass er durch zahlreiche Bestimmungen im Mietvertrag (§ 2 Nr. 3 MV) verpflichtet wird, sich deren Konzept zu unterwerfen (Ausbauzustand, Betriebspflicht, Öffnungszeiten, beschränkter Verwendungszweck, fehlender Konkurrenzschutz). Solche konzeptuellen Vorgaben stehen im Interesse aller Mieter und ist geradezu unabdingbare Voraussetzung dafür, um die Attraktivität des Einkaufszentrum zu sichern (Senat aaO; OLG Rostock NZM 2004, 460; vgl. auch BGH NJW 2000, 1714) Solche Beschränkungen des Mieters/Pächters sind auch außerhalb eines Einkaufszentrums nicht ungewöhnlich, so etwa im Gaststättengewerbe. Der Vermieter will damit im eigenen Interesse die Werthaltigkeit des Ladenlokals und seine künftige Vermietbarkeit erhalten. Damit übernimmt der Vermieter aber nicht die Gewährleistung dafür, dass das Konzept auch aufgeht. Die Annahme eines Einkaufszentrums durch das Publikum unterliegt dem Verwendungsrisiko des Mieters (BGH aaO; Senat aaO). Anders wäre das nur, wenn der Vermieter ausdrücklich die Gewährleistung für den nachhaltigen Erfolg des Konzepts übernommen hätte (BGH aaO; Senat aaO), was die Klägerin aber nicht getan hat.

b)

Dem Beklagten ist es auch versagt, sich zur Lösung vom Vertragsverhältnis oder zur Herabsetzung der Miete auf das seit dem 01. Januar 2002 gesetzlich geregelte Institut von der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu berufen. Dieses schon lange vor Inkrafttreten des § 313 BGB von Rechtslehre und höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist, wie es in § 313 Abs. 1 BGB nun auch ausdrücklich vorgeschrieben wird, weder dafür bestimmt noch dazu geeignet, gesetzliche oder vertragliche Risikosphären einseitig zu Lasten einer Partei zu verändern (vgl. BGHZ 74, 370, 373; BGH NJW 1981, 2405 und 2000, 1714; NJW-RR 2000, 1535 zum früheren Rechtszustand). Selbst wenn der Beklagte seinem Vertragspartner deutlich zu erkennen gegeben haben sollte, dass für ihn (was ohnehin selbstverständlich ist) ein dauerhaft funktionierendes Einkaufszentrum Voraussetzung für die Anmietung des Ladenlokals ist, handelt es sich dabei dennoch nicht um eine Geschäftsgrundlage im rechtlichen Sinne. Gemäß § 537 BGB tragen der Vermieter das Vermietungs-, der Mieter das Verwendungsrisiko. Bei dieser Risikoverteilung muss es bleiben (BGH NJW 2000, 1417; NJW-RR 2000, 1535; Senat OLGR Düsseldorf 2005, 79 jew. zum früheren Recht).

c)

Die Ansicht des Beklagten, die genannten Grundsätze seien nur anzuwenden auf von Anfang an scheiternde Einkaufszentren, nicht aber auf solche, die wie im Streitfall nach anfänglichem Erfolg scheitern, ist rechtlich unhaltbar. § 313 Abs. 1 BGB und das ihm zugrunde liegende rechtliche Konstrukt unterscheiden in der Rechtsfolge gerade nicht zwischen beiden Fällen, sondern behandeln sie einheitlich, indem der spätere Wegfall der Geschäftsgrundlage ihrem Fehlen ausdrücklich gleichgestellt wird (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 313 Rn. 14 und 20).

d)

Im Übrigen übersieht der Beklagte, dass sein Verwendungsrisiko einerseits durch § 540 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 1, 2 MV (außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist bei grundloser Verweigerung der Zustimmung zur Untervermietung), andererseits durch § 17 MV (vorzeitige Vertragsauflösung bei Vertragsübernahme durch Mietnachfolger) erheblich gemindert ist. Das beim Mieter verbleibende und im Streitfall verwirklichte Risiko, keinen geeigneten Untermieter oder Mietnachfolger zu finden, ist nicht unangemessen und rechtfertigt weder die Anpassung der Vertragsbedingungen noch eine außerordentliche Kündigung (Senat OLGR Düsseldorf 1992. 100; OLG Naumburg WuM 2002, 537 = OLGR Naumburg 2002, 529).

II. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

Ende der Entscheidung

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