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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.07.2004
Aktenzeichen: I-24 U 253/03
Rechtsgebiete: Lugano-Übereinkommen, BGB


Vorschriften:

Lugano-Übereinkommen Art. 5 Nr. 1
Lugano-Übereinkommen Art. 5 Nr. 1a
BGB § 269
1. Erfüllungsort für Mietzinsansprüche aus der Nutzung eines Hotelschiffs ist mangels abweichender Vereinbarung nicht der Sitz des Vermieters, sondern der Sitz des Mieters (hier: Sitz in der Schweiz).

2. Die Einzahlungen der Miete auf einem Bankkonto am Sitz des Vermieters begründen nicht den "Erfüllungsort tatsächlich erbrachter Leistungen" für nachfolgende Mieten.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 253/03

Verkündet am 6. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Z, den Richter am Oberlandesgericht E und den Richter am Oberlandesgericht T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. Oktober 2003 verkündete Zwischenurteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung von 120% des jeweils beigetriebenen Betrags abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

Gründe:

A. Die bei Vertragsschluss und jetzt im Inland ansässige Klägerin (GmbH) und die bei Vertragsschluss und jetzt in der Schweiz ansässige Beklagte, eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht, schlossen am 17. Juni 1998 einen Mietvertrag (MV) über ein Hotelschiff. Die Laufzeit des Vertrags endete mit Ablauf des 31. Juli 2002. Die Beklagte, die das Schiff vereinbarungsgemäß in Bremen übernommen, in die Niederlande verlegt, dort betrieben und wieder zurückgegeben hat, hat die vereinbarte Miete (2.000 DM/Tag mit monatlicher Fälligkeit am ersten Tag des Vormonats) bis einschließlich April 2002 gezahlt. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Miete vom 01. Mai bis 31. Juli 2002 in Höhe von (92 Tage x 2000 DM/Tag = 184.000 DM) 94.077,36 € (richtig: 94.077,71 €). Zur Zahlungsweise haben die Parteien nur das Folgende vereinbart (§ 3 Satz 5 MV):

" Die Charterraten werden auf das Konto der [Klägerin] bei der Raiffeisenbank Emmerich eG ... überwiesen".

Abweichend von dieser Regelung hat die Beklagte zuletzt die Miete vereinbarungsgemäß auf ein Konto der Klägerin bei einem in Wesel ansässigen Kreditinstitut überwiesen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte bei dem für Wesel zuständigen Landgericht Duisburg auf Zahlung in Anspruch. Sie ist der Auffassung, die inländischen Gerichte seien international zuständig, weil Wesel als Erfüllungsort für die von der Beklagten eingegangene Zahlungsverpflichtung vereinbart worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an 94.077,36 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat um

Klageabweisung

gebeten.

Sie hat u. a. geltend gemacht, dem angerufenen Gericht fehle die internationale Zuständigkeit. Erfüllungsort der umstrittenen Geldschuld sei der Ort ihrer Niederlassung bei Vertragsschluss, so dass sie nur vor dem örtlich zuständigen Gericht in der Schweiz in Anspruch genommen werden könne.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Zwischenurteil festgestellt, dass es international und örtlich zur Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung unverändert das Ziel der Abweisung der Klage als unzulässig.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung.

B. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Die inländischen Gerichte sind für die Entscheidung des Rechtsstreits international nicht zuständig.

I. Mit Blick auf den Sitz der Beklagten in der Schweiz, die nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaften ist, ist maßgeblich für die Beantwortung der Frage nach dem international zuständigen Gericht das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz geltende Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (LugÜ). Es ist in der Bundesrepublik am 01. März 1995 in Kraft getreten (BGBl II 221) und im Verhältnis zur Schweiz seit deren Beitritt am 01. September 1997 (BGBl 1998 II 56) anzuwenden.

II. Gemäß Art. 2 Abs. 1, 53 Abs. 1 LugÜ kann eine Gesellschaft, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, nur vor den Gerichten dieses Staates verklagt werden, es sei denn, das Luganer Übereinkommen sehe einen davon abweichenden (ausschließlichen oder besonderen) Gerichtsstand vor. Das bedeutet für den Streitfall, dass die Beklagte mit Blick auf ihren Sitz im Vertragsstaat Schweiz grundsätzlich nur vor Schweizer Gerichten in Anspruch genommen werden kann. Da das Luganer Abkommen auch keinen davon abweichenden Gerichtsstand eröffnet, ist das angerufene inländische Gericht nicht zuständig.

1. Ein ausschließlicher Gerichtsstand, insbesondere ein solcher gemäß Art. 16 Nr. 1a LugÜ ist nicht gegeben. Diese Bestimmung begründet einen ausschließlichen Gerichtsstand für Miet- und Pachtsachen nur, wenn Gegenstand des Vertrags eine unbewegliche Sache, insbesondere ein Grundstück ist. Die entgeltliche Überlassung eines Schiffs zur Nutzung wird nicht erfasst, weil das Schiff eine bewegliche Sache ist. Offen bleiben kann die Frage, ob ein registriertes Schiff, das gemäß §§ 1ff SchiffsRG, § 870 ZPO und §§ 162ff ZVG nach materiellem deutschen Recht wie ein Grundstück behandelt wird, auch eine unbewegliche Sache im Sinne des Art. 16 Nr. 1a LugÜ darstellt (so Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Anm. A1 Art. 22 Rn. 47). Das hier umstrittene Schiff war nach dem Vortrag der Klägerin bei Vertragsschluss nicht registriert.

2. Die Parteien haben nach dem vorgetragenen Vertragsinhalt keine Regelung über den Gerichtsstand getroffen. Das angerufene inländische Gericht ist auch nicht gemäß Art. 18 LugÜ zuständig geworden. Eine Zuständigkeit nach dieser Bestimmung tritt nur ein, wenn sich die Beklagte zur Sache eingelassen hätte, ohne die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gleichzeitig zu rügen (vgl. dazu BGH MDR 2004, 707 m.w.N.). Die Beklagte hat noch vor der Einlassung zur Sache (Schriftsatz vom 27. Januar 2003) mit Schriftsatz vom 06. Januar 2003 die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Dass sie dann auch gleichsam hilfsweise zur Sache Stellung genommen hat, ist unschädlich (BGH aaO).

3. Der Gerichtsstand des Vermögens, wie er durch § 23 ZPO eröffnet sein könnte, ist kein nach dem Luganer Übereinkommen zulässiger Gerichtsstand. Der Gerichtsstand des belegenen Vermögens ist gemäß Art. 3 Abs. 2 , 3. Spiegelstrich LugÜ ausdrücklich ausgeschlossen.

4. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist das angerufene Gericht auch nicht gemäß Art. 5 Nr. 1, 1. Halbs. LugÜ als Gericht des Erfüllungsorts zuständig.

a) Nach dieser Bestimmung kann bei Ansprüchen aus einem Vertrag Klage auch vor dem Gericht des Ortes erhoben werden, an dem die umstrittene Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Beantwortung der Frage, wo eine Verpflichtung erfüllt werden muss, beantwortet nicht das Luganer Übereinkommen als interstaatlicher prozessrechtlicher Vertrag, sondern das anwendbare materielle Recht. Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Frage nach dem Erfüllungsort nicht vertragsautonom, sondern nach dem internationalen Privatrecht des Staates, dessen Gericht angerufen worden ist (Gerichtsstaat), zu beantworten ist (EuGH NJW 1977, 491 [Tessili]; vgl. auch BGH NJW-RR 2003, 192 m.w.N.).

Einschlägig ist Art. 28 Abs. 2 EGBGB. Danach ist mangels einer Rechtswahl (vgl. Art. 27 EGBGB) das Recht des Staates anzuwenden, in dem sich die Niederlassung der Partei befindet, die die nach dem Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat. Geht es wie hier um einen Mietvertrag, erbringt der Vermieter die den Vertrag charakterisierende Leistung, nämlich die Überlassung des Gebrauchs. Die Frage nach dem Erfüllungsort ist demnach nach materiellem deutschen Recht zu beantworten (BGH aaO). Erfüllungsort in diesem Sinne ist gemäß § 269 BGB der Ort, an dem der Schuldner die von ihm geschuldete Leistungshandlung vorzunehmen hat (Leistungsort) und nicht der Ort, an dem der Leistungserfolg eintritt (Palandt/Heinrichs, BGB, 6. Aufl., § 269 Rn. 1; Soergel/Siebert/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 269 Rn. 2; BGH NJW-RR 2003, 192).

b) Gewerbliche Mietschulden sind, wie andere Geldschulden auch, gemäß § 269 Abs. 1, 2 BGB an dem Ort zu erbringen (Leistungsort), an welchem der Schuldner bei Vertragsschluss seine gewerbliche Niederlassung hat, es sei denn, die Parteien haben einen davon abweichenden Erfüllungsort vereinbart oder ein solcher ergibt sich aus den Umständen bei Vertragsschluss, insbesondere aus dem Charakter des Schuldverhältnisses (BGH NJW 1988, 1914). Erfüllungsort für die hier umstrittenen Geldschulden ist mangels abweichender Vereinbarung oder besonderer Umstände nicht der inländische Sitz der Klägerin, sondern der ausländische Sitz der Beklagten.

aa) Zu Unrecht folgt das Landgericht der unrichtigen Auffassung der Klägerin, Wesel sei als (inländischer) Erfüllungsort deshalb maßgeblich, weil die Beklagte vereinbarungsgemäß die geschuldeten Mietraten auf ein Konto einzahle und einzuzahlen habe, das die Klägerin bei einem an diesem Ort ansässigen Kreditinstitut unterhalte. Dabei übersieht das Landgericht, dass diese Vertragsklausel der Beklagten als Geldschuldnerin nur das Kosten- und Verlustrisiko der Geldübermittlung an den Ort der kontoführenden Stelle auferlegt (Schickschuld). Damit ist in Anlehnung an § 270 Abs. 1 BGB lediglich bestimmt, dass der Zahlungsort, also der Ort, an dem der Leistungserfolg einzutreten hat, sich an dem Ort befindet, an dem das kontoführende Kreditinstitut seinen Sitz hat. Ein von § 269 Abs. 1 BGB abweichender Erfüllungsort wird damit im Zweifel nicht vereinbart, wie dem § 270 Abs. 4 BGB zu entnehmen ist. Nach dieser Bestimmung wird durch die Vereinbarung eines vom Leistungsort/Erfüllungsort abweichenden Zahlungsorts nicht die gesetzliche Regelung des § 269 Abs. 1 und 2 BGB über den gesetzlichen Erfüllungsort an der Niederlassung des (Geld)Schuldners etwas geändert.

bb) Auch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Mietvertrags über bewegliche Sachen ergibt sich kein von § 269 Abs. 2 BGB abweichender Erfüllungsort/Leistungsort, wie er etwa für das Ladengeschäft (BGH MDR 2003, 402), den Arbeitsvertrag (BAG NZA 2003, 339) und den Bauwerksvertrag (BGH NJW 1986, 935) angenommen wird. Der Mietvertrag über bewegliche Sachen ist kein Vertragstyp, der im Vergleich zu sonstigen gegenseitigen Verträgen Besonderheiten aufweist, die eine Bestimmung des Leistungsorts abweichend von § 269 Abs. 1, 2 BGB erfordern könnte (BGH NJW 1988,1914 zum Mietvertrag und jüngst -unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung- BGH NJW 2004, 54 und BB 2004, 910 zum Anwaltsvertrag).

c) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin schließlich darauf, Art. 5 Nr. 1a LugÜ eröffne den Gerichtsstand nicht nur an dem Ort, an dem eine Leistung rechtlich zu erfüllen ist, sondern auch an dem Ort, an dem sie tatsächlich erbracht worden ist, also dort, wo sie die Gegenseite mit Erfüllungswirkung angenommen habe. Im Streitfall geht es um ein solches Verlangen nicht. Die Klägerin verlangt nicht Leistungen zurück, die sie als Erfüllung angenommen hat (vgl. zu diesem Fall BayObLG RIW 1992, 862 und Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Anm. A1, Art. 5 Rn. 142f). Sie verlangt vielmehr die vertraglich fälligen Leistungsraten. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass die Beklagte in der Vergangenheit Zahlungen zu Gunsten des inländischen Kontos der Klägerin erbracht hat. Abgesehen davon, dass -wie bereits ausgeführt worden ist- der Zahlungsort nicht mit dem Erfüllungsort verwechselt werden darf, sind die früheren Zahlungsvorgänge für die hier umstrittenen Leistungen irrelevant. Die Miete ist eine Schuld, die ratierlich mit jedem Monat der Gebrauchsüberlassung neu entsteht (BGH NJW 1990, 1785; 2001, 2251; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 314 Rn. 2). Leistungsraten, die in der Vergangenheit erbracht worden sind, sagen deshalb nichts aus über den Erfüllungsort der künftigen Leistungsraten.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es gibt keinen Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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