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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.05.2004
Aktenzeichen: I-24 U 270/03
Rechtsgebiete: BGB, AGBG


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 305c
AGBG a.F. § 5
Zur Konkurrenz von Verlängerungsklausel und Optionsrecht
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 270/03

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T am 27. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung im Beschlussverfahren (§ 522 Abs. 2 ZPO) zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

Tatbestand:

Durch Vertrag vom 6.3.1999 mietete die Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin (G) ein Ladenlokal für die Zeit vom 1.5.1999 bis 30.4.2000 zu einem monatlichen Mietzins von 2.640 DM netto. Nach § 2 Nr. 2 Mietvertrag (MV) verlängert sich das befristet für ein Jahr abgeschlossene Mietverhältnis um fünf Jahre, wenn keine der Parteien bis spätestens sechs Monate vor dem Ablauf eine Kündigung ausspricht. In § 2 Nr. 3 Satz 1 MV wurde der Beklagten ein Optionsrecht von fünf Jahren eingeräumt, das spätestens 6 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist auszuüben war. Da die Beklagte die Mieten für Juni bis September 1999 nicht zahlte, kündigte G den Mietvertrag am 15.9.1999 fristlos. Ende September 2000 gab die Beklagte der Klägerin, die seit 21.9.2000 als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist, die Mieträume zurück. Ab November 2000 vermietete die Klägerin die Räume anderweitig für monatlich 1650 DM netto.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Mietausfall für die Zeit von Oktober 2000 bis Dezember 2001 in Höhe von 7.930,14 EUR (= 15.510 DM). Die Beklagte hat sich u.a. damit verteidigt, der Mietvertrag sei Ende April 2000 ausgelaufen, weil die Verlängerungsklausel unwirksam sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Ihre Berufung hat die Beklagte nach Hinweisen des Senats (s.n.) zurückgenommen.

Gründe:

I.

Das zulässige Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht.

Das Landgericht hat die von der Berufung für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage nach der Wirksamkeit der Verlängerungs- und Optionsklausel im Mietvertrag vom 02./05. Mai 2001 (§ 2 Nr. 2 und 3) richtig beantwortet. Die dort getroffenen Regeln sind nicht unklar und deshalb wirksam vereinbart.

1. Die Regelung gemäß § 2 Nr. 2 Mietvertrag für sich genommen ist eindeutig. Nach ihr verlängert sich das befristet für ein Jahr abgeschlossene Mietverhältnis um fünf Jahre, wenn keine der Parteien bis spätestens sechs Monate vor dem Ablauf eine Kündigung ausspricht. Auf das konkrete, am 01. Mai 1999 begonnene Vertragsverhältnis angewendet bedeutet das, dass spätestens mit Ablauf des 30. November 1999 von einer Vertragsseite der Beendigungswille erklärt werden musste, um eine Verlängerung der Vertragszeit über den 30. April 2000 hinaus zu verhindern (vgl. dazu Senat MDR 2002, 1429 = ZMR 2002, 910).

2. Die Regelung in § 2 Nr. 3 Mietvertrag ist für sich genommen auslegungsbedürftig, aber auch auslegungsfähig und deshalb wirksam. Satz 1 ist eindeutig. Mit ihm wird der Beklagten ein Optionsrecht von fünf Jahren eingeräumt. Das bedeutet, dass es in ihrer Macht steht, durch die Ausübung der Option das Vertragsverhältnis über den 30. April 2000 hinaus um einen Zeitraum von fünf Jahren zu verlängern.

Satz 2 enthält eine Unklarheit, soweit es dort heißt, die Option sei "spätestens 6 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist" zu erklären, obwohl in den vorangegangenen Regelungen nicht vom Ablauf einer Kündigungsfrist, sondern vom Ablauf der Mietzeit die Rede ist. Außerdem ist der Vertrag nur auf zwölf Monate geschlossen worden, so dass bei wortgetreuer Anwendung die Optionsklausel leerläuft, wenn die Option nur zwölf Monate vor Vertragsende, also hier schon bei Vertragsbeginn, ausgeübt werden kann. Diese Unklarheiten können und müssen durch interessengerechte Auslegung beseitigt werden.

Die Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geht, damit dem Willen der Vertragsparteien und dem Prinzip der Privatautonomie Geltung verschafft wird, stets der Verwerfung wegen Unklarheit vor (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 133 Rn. 7 ff und § 305 c Rn. 15 f jeweils m.w.N.). Während das Optionsrecht im einseitigen Interesse des Mieters vereinbart ist, liegt es vor allem im Interesse des Vermieters, möglichst frühzeitig vor Ablauf des Vertragsverhältnisses zu erfahren, ob der Mieter sein Recht ausübt und sich der Vertrag verlängert oder ob er nach Ablauf der Grundmietzeit endet. Die Erfüllung des Informationsinteresses zur rechten Zeit liegt auf der Hand, weil der Vermieter, der erst bei Vertragsende von der Entscheidung des Mieters erfährt, im Falle unterbleibender Optionsausübung keinen Anschlussmieter hat und deshalb mit einem Mietausfall rechnen muss. Hat aber die vereinbarte Erklärungsfrist von sechs Monaten den alleinigen Sinn, das Informationsbedürfnis des Vermieters rechtzeitig zu befriedigen, dann liegt es ganz nahe, die Erklärungsfrist nicht auf die "Kündigungsfrist", sondern auf das in § 2 Nr. 1 Mietvertrag vereinbarte Vertragsende zu beziehen. Nur diese Auslegung gibt Sinn und liegt im Interesse der Vertragsparten.

Auf das konkrete Vertragsverhältnis angewendet bedeutet das, dass der Mieter spätestens mit Ablauf des 30. November 1999 die Option ausüben musste, um das Vertragsverhältnis über den 30. April 2000 hinaus zu verlängern, andernfalls der Vertrag zu diesem Zeitpunk endet.

3. Zutreffend ist die Rechtsansicht des Landgerichts, dass auch beide Klauseln nebeneinander Sinn machen.

Allerdings hat das Optionsrecht des Mieters dann keinen selbständigen Regelungsinhalt, wenn beide Parteien das Vertragsverhältnis fortsetzen wollen und deshalb davon absehen, die in § 2 Nr. 2 Mietvertrag bestimmte Kündigungserklärung abzugeben. Die Regelung verlängert das Vertragsverhältnis aber auch dann, wenn eine oder beide Seiten es zwar beenden wollen, es aber versäumen, die Kündigung oder den Beendigungswillen wirksam, nämlich fristgerecht und in der vereinbarten Form zu erklären. Die Optionsregelung entfaltet erst dann ihren eigentlichen Sinn, wenn der Vermieter das Vertragsverhältnis beenden will, der Mieter aber nicht. In diesem Fall kann der Mieter durch die rechtzeitige Ausübung der Option gegen den erklärten Willen des Vermieters das Vertragsverhältnis verlängern (vgl. BGH NJW 1985, 2581 = MDR 1985, 754; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rn. 831 f; vgl. auch Senat aaO). Entgegen der Ansicht der Beklagten widersprechen sich deshalb beide Regelungen nicht, sondern sie ergänzen sich auf vorbildliche Weise. Die einzige verbleibende Unklarheit liegt darin, wie zu verfahren ist, wenn der Vermieter dafür sorgt, dass seine Kündigungserklärung gemäß § 2 Nr. 2 Mietvertrag dem Mieter erst am letzten Tag der Erklärungsfrist zugeht, so dass dieser seine Optionserklärung nicht mehr innerhalb der gleich lang vereinbarten Optionserklärungsfrist (§ 2 Nr. 3 Satz 2 Mietvertrag) abgeben kann. Es liegt nahe, diesen Konflikt im Sinne des Mieters dahin zu entscheiden, dass er dann die Optionserklärung auch noch außerhalb der Frist des § 2 Nr. 3 Satz 2 Mietvertrag abgeben kann, wenn das unverzüglich nach dem Zugang der Kündigungserklärung des Vermieters geschieht (vgl. BGH aaO). Eine unlösbare Unklarheit im Sinne des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) mit der Folge, dass zu Lasten des Mieters als Klauselverwendungsgegner keine der beiden genannten Regelungen zur Anwendung gelangt und das Mietverhältnis trotz beiderseitigen Schweigens am 30. April 2000 sein Ende gefunden hatte, kann nicht festgestellt werden.

II. Der Senat weist darauf hin, dass die Zurücknahme der Berufung vor Erlass eines Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.



Ende der Entscheidung

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