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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.06.2008
Aktenzeichen: I-24 U 74/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 708 Nr. 7
ZPO § 718
§ 708 Nr. 7 ZPO ist auf vorläufig vollstreckbare Urteile in Pachtsachen nicht anzuwenden (hier Räumung eines Golfplatzes).
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES TEILURTEIL

I-24 U 74/08

Verkündet am 24. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z., T. und H. in dem am 27. Mai 2008 geschlossenen schriftlichen Verfahren

für Recht erkannt:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Zwischenstreit über die vorläufige Vollstreckbarkeit des am 03. März 2008 verkündeten Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg -Einzelrichterin- in der Hauptsache erledigt ist.

Der Kostenausspruch bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat das angefochtene Räumungsurteil betreffend den gepachteten Golfplatz für vorläufig vollstreckbar erklärt und der Beklagten (Pächterin) gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte, die am 30. April 2008 die Pachtsache geräumt und an die Klägerin (Verpächterin) zurückgegeben hat, vertritt die Auffassung, das angefochtene Urteil hätte nur gegen eine von der Klägerin zu leistende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar erklärt werden dürfen.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und es nur gegen eine von der Klägerin zu leistende Sicherheit in Höhe von 250.000 EUR für vorläufig vollstreckbar zu erklären,

hilfsweise festzustellen, dass der Vorabstreit über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils in der Hauptsache erledigt ist.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil (auch) zum Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit und beantragt,

die Berufung der Beklagten betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.

II.

Die auf die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils im Verfahren zur Entscheidung gemäß § 718 ZPO einstweilen beschränkte Berufung hat mit dem zulässigen Hilfsantrag Erfolg.

1. Die hier zunächst zu beantwortende Frage nach dem gegenwärtigen Streitgegenstand des Berufungsverfahrens, hängt allein von der Beantwortung der Vorfrage ab, ob das von der Klägerin beanspruchte und von der Beklagten mit dem am 11. April 2008 eîngelegten Rechtsmittel bekämpfte Recht auf Räumung und Herausgabe der Pachtsache erfüllt worden ist oder nicht. Ist der Anspruch nicht erfüllt, ist der ursprüngliche Streitgegenstand nicht entfallen und es ist vorab über den Hauptantrag zu entscheiden; ist er erfüllt, ist über den Hilfsantrag zu befinden (vgl. BGH NJW-RR 1998, 1572f).

Der Rückgabeanspruch (ursprünglicher Streitgegenstand) ist mit der Räumung und Herausgabe der Pachtsache am 30. April 2008 (nach Einlegung des Rechtsmittels) im Sinne der §§ 362 Abs. 1, 581 Abs. 2, 546 BGB erfüllt worden, so dass der Senat im vorliegenden Verfahren über den Hilfsantrag zu entscheiden hat. Zwar tritt grundsätzlich keine Erfüllung ein, wenn sich der Schuldner nur deshalb einem vorläufig vollstreckbaren Titel beugt, um dem bevorstehenden Vollstreckungszwang zu entgehen. Das gilt aber dann nicht, wenn der in Rede stehende Vollstreckungszwang ohne jeden Zweifel nur Anlass für eine vom Schuldner gewollte materielle Erfüllung des umstrittenen Anspruchs ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., vor § 511 Rn 23 und 27, § 511 Rn 17 jew. m.w.N.; Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 362 Rn. 12 m.w.N.).

Die Beklagte hat hier zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der Räumung und Herausgabe des Grundstücks ungeachtet des bevorstehenden Vollstreckungszwangs (auch) das von der Klägerin beanspruchte Erfüllungsbegehren befriedigen wollte. Allerdings geschah dies unter Aufrechterhaltung ihrer eigenen Rechtsauffassung, nach der das Pachtverhältnis durch die wiederholten Kündigungen der Klägerin nicht beendet worden und ihr daraus abgeleitetes Besitzrecht nicht erloschen sei. Da es einem Pächter aber freisteht, auch einen unbegründeten Räumungs- und Herausgabeanspruch zu befriedigen, etwa weil er ungeachtet der Rechtslage das Interesse am Pachtobjekt verloren hat, ist dessen aus solchen Gründen erfolgte Rückgabe freiwillig und entfaltet im materiellen Sinne erfüllende Wirkung.

2. Auf den entsprechenden Hilfsantrag der Beklagten ist festzustellen, dass die dieses Zwischenverfahren betreffende Hauptsache, nämlich der Streit um die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils, erledigt ist. Bei Rechtsmitteleinlegung war das Begehren nämlich zulässig und begründet. Das Landgericht hat rechtsirrtümlich das angefochtene Urteil unbedingt, nämlich ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt und der Beklagten nur eine Befugnis zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO durch Sicherheitsleistung eingeräumt, statt das Urteil gemäß § 709 Satz 1 ZPO nur gegen eine von der Klägerin zu leistende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. In diesem Zusammenhang kann der Streit der Parteien darüber offen bleiben, ob die die Zwangsvollstreckung erleichternde, auf eine Wohnung oder andere Räume bezogene Bestimmung des § 708 Nr. 7 ZPO immer schon dann anzuwenden ist, wenn - wie im Streitfall - neben dem Grundstück auch mit dem Boden verbundene Wohn-, Büro- und Gerätecontainer herauszugeben sind (vgl. zum Streitstand einerseits Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 29a ZPO Rn 8, andererseits Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 29a Rn 5 jew. m. w. N.).

a) Diese Frage bedarf deshalb keiner abschließenden Beantwortung, weil die Vorschrift des § 708 Nr. 7 ZPO nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut wegen ihrer vom Gesetz vorausgesetzten Beschleunigungsbedürftigkeit nur auf die dort näher bestimmten "Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter", dagegen auf Streitigkeiten zwischen dem Verpächter und dem Pächter generell nicht anwendbar ist. Das entspricht der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl Stein/Jonas/ Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 708 Rn 36 [Fn 107]; Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 708 Rn 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., § 708 Rn 8; Wieczorek/ Schütze/Heß, ZPO, 3. Aufl., § 708 Rn 11; Hk-ZPO/Kindl, § 708 Rn 7; Rosenberg/ Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, S. 145 Bem. II.1g [Fn 31]; Schuschke/ Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., § 708 Rn 8; Beck'sches Richterhandbuch/Dresenkamp, 2. Aufl. [1999], Bem. A XVII Rn 13) und - soweit ersichtlich - auch der Rechtsprechung (vgl. bereits RG JW 1933, 517), ohne dass diese Frage in der jüngeren instanzlichen Rechtsprechung überhaupt problematisiert wird (vgl. z. B. LG Düsseldorf, Urt. v 17.09.2007, Az. 7 O 227/06 zit. nach BGH, Beschl. v. 04.06.2008, Az. XII ZR 55/08; LG Berlin GE 2007, 847; LG Magdeburg, Urt. v. 26.11.1996, Az. 31 O 493/96 zit. nach juris).

b) Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat an.

aa) Die Sicherheitsleistung, die nach § 709 Satz 1 ZPO als Voraussetzung der vorläufigen Zwangsvollstreckung anzuordnen ist, entspricht dem Regelfall. Die davon befreiende Sonderbestimmung des § 708 ZPO regelt dagegen Ausnahmefälle für bestimmte und erschöpfend aufgezählte Konstellationen (MünchKomm/Krüger, ZPO, 3. Aufl., § 708 Rn 7; Schellhammer, Zivilprozessrecht, 7. Aufl. Rn 805). Zum einen sind Ausnahmebestimmungen ihrem Charakter entsprechend stets eng auszulegen (vgl. z. B. BGH NJW 2005, 53). Zum andern kann unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) die in Rede stehende Bestimmung mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke (vgl. dazu allg. z. B. BGH NJW 2007, 992, 993) nicht gegen ihren Wortlaut analog angewendet werden (a. A. Schmid ZMR 2000, 507, 508 und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 708 Rn 9aE).

bb) Die hier vertretene enge Auslegung des § 708 Nr. 7 ZPO entspricht im Übrigen der höchstrichterlichen Auslegung der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 200 Abs. 2 Nr. 4 GVG, die mit Ablauf des 31. Dezember 1996 (vgl. BGBl I S. 1546) außer Kraft getretenen ist und nach der bis dahin die auch in § 708 Nr. 7 ZPO genannten Mietstreitigkeiten wegen ihrer vom Gesetz vorausgesetzten Beschleunigungsbedürftigkeit Feriensachen kraft Gesetzes gewesen sind, während Pachtsachen nicht darunter fielen (vgl. BGH ZMR 1981, 306; NJW 1995, 2858 sub II.4)

c) Daraus folgt abweichend vom angefochtenen Urteil, dass § 708 Nr. 7 ZPO auf den Streitfall nicht anwendbar ist. Es geht nämlich nicht um eine mietrechtliche, sondern um eine pachtrechtliche Auseinandersetzung im Sinne des § 581 Abs. 1 BGB. Die Abgrenzung von Miete zur Pacht richtet sich nach dem tatsächlichen Inhalt des streitigen Rechtsverhältnisses und nicht nach seiner (in der Rechtspraxis vielfach falschen) Bezeichnung durch die Vertragsparteien (vgl. BGH ZMR 1981, 306; MDR 1991, 1063 = ZMR 1991, 257 m.w.N.). Die Miete ist gekennzeichnet durch die bloße entgeltliche Überlassung von Sachen zur Nutzung, die Pacht dadurch, dass - neben der entgeltlichen Überlassung von Sachen und Rechten zur Nutzung - darüber hinaus die Fruchtziehung im Sinne des § 100 BGB Vertragsgegenstand ist (BGH aaO). Im Streitfall hat die Klägerin der Beklagten nicht nur ein Grundstück, sondern einen komplett eingerichteten und ausgestatteten Golfplatz zur Nutzung überlassen. Zu den Früchten im Sinne des § 100 BGB gehören auch die spezifischen Gebrauchsvorteile, die mit der Überlassung eines eingerichteten Golfplatzbetriebs verbunden sind.

III.

Ein Ausspruch zu den Kosten ist derzeit nicht veranlasst; er bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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