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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.12.2008
Aktenzeichen: I-24 U 89/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 312
1. Handelt es sich bei einem Partnerschaftsvermittlungsvertrag um ein Haustürgeschäft, muss der Unternehmer beweisen, dass ihn der Verbraucher zu mündlichen Vertragsverhandlungen "bestellt" hat, diese also ausdrücklich gewünscht hat.

2. Eine "vorhergehende Bestellung" des Verbrauchers liegt nicht vor, wenn er lediglich mit einem Besuch des Unternehmers einverstanden war.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I- 24 U 89/08

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der für den 10. Februar 2009 geplante Senatstermin findet nicht statt.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Urteil des Landgerichts, mit welchem die Beklagte zur Rückzahlung von EUR 6.399,20 nebst Zinsen aus dem mit dem Kläger geschlossenen Vertrag über eine Partnervermittlung verurteilt wurde, ist richtig.

I.

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsrechtszug rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

1.

Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass der am 08. Mai 2006 geschlossene entgeltliche Dienstleistungsvertrag ein Verbrauchergeschäft i.S. § 13 BGB ist.

2.

Der Vertrag ist auch in einer "Haustürsituation" im Sinne des § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB zustande gekommen, nämlich anlässlich eines Besuchs der Außendienstmitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin H., in der Wohnung des Klägers. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob die für die Beklagte tätige Zeugin P., mit der der Kläger am 04. Mai 2006 telefonisch Kontakt aufgenommen hatte, dem Kläger zusätzlich vorgeschlagen hat, die Gespräche auch an einem neutralen Ort oder im Büro der Beklagten führen zu können. Dies kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, weshalb eine erneute Vernehmung der Zeugin entbehrlich ist. Denn es ändert nichts an der Beurteilung, dass eine das Widerrufsrecht des Klägers ausschließende "Bestellung" i.S. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht vorgelegen hat.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund einer restriktiven Auslegung der Vorschrift die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass dem Vertragsschluss in der Wohnung eine Bestellung des Klägers vorausgegangen ist (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 09. Oktober 2007, Az. I-24 U 91/07, OLGR Düsseldorf 2008, 619 f.; Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2007, Az. I-24 U 75/07, MDR 2008, 133 f. = FamRZ 2008, 1252 ff. = OLGR Düsseldorf 2008, 101 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 506; OLG Köln MDR 2002, 751; Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Auflage, § 312 Rn. 25; MünchKomm/Masuch, BGB, 5. Auflage (2007), § 312 Rn. 113 m.w.N.). Von einer Bestellung des Klägers zum Zwecke von Vertragsverhandlungen kann indes nicht ausgegangen werden.

a.

Ob eine Bestellung im Sinne § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB vorliegt, hängt in erster Linie nicht vom Wortverständnis, sondern mit Blick auf den Schutzzweck der Norm von den Umständen des Einzelfalles ab, die zum Geschäftsabschluss geführt haben. Das dem Verbraucher gemäß § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB gesetzlich eingeräumte Widerrufsrecht dient seinem Schutz vor der nahe liegenden Gefahr, vom Leistungserbringer bei der Anbahnung des Vertrages durch Überrumpelung in einer so genannten Haustürsituation oder durch andere unlautere Beeinflussung in seiner rechtlichen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt und so zu einem unüberlegten Geschäftsabschluss veranlasst zu werden (vgl. BGHZ 109, 127; NJW 1983, 1889; 2004, 1376; 2006, 845 (846); Senat, Beschluss vom 13. März 2007, Az. I-24 U 146/06, nicht veröffentlicht; Palandt/Grüneberg, a.a.O.). Soll der Verbraucherschutz der Haustürwiderrufsregelungen wirkungsvoll gegen Überrumpelungen des Verbrauchers durch den Unternehmer schützen, so sind alle Kontaktanbahnungssituationen mit dem Ziel des Vertragsschlusses auf Initiative des Unternehmers dem Schutzbereich dieser Regelungen zu unterwerfen (Staudinger/Thüsing, BGB - Neubearbeitung 2005 -, § 312 Rn. 147).

Eines Schutzes bedarf der Verbraucher indes nicht, wenn die Bestellung auf seiner Initiative beruht (BGH NJW 1994, 3351 (3352)), mithin nicht vom Unternehmer ausgegangen ist (OLG Köln NJW-RR 1991, 377 = MDR 1990, 444; OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 494; Palandt/Grüneberg, a.a.O.; Staudinger/Thüsing, a.a.O.). Sie muss jedoch auf "ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers" erfolgen. Hierfür ist nicht ausreichend, dass sich der Verbraucher mit dem Besuch des Unternehmers einverstanden erklärt (BGHZ 109, 127 (132 ff.) = NJW 1990, 181; BGH NJW 2003. 1190 (1191)). Ruft der Verbraucher aufgrund einer Werbeanzeige des Partnervermittlungsinstituts an und lässt deren Vertreter in seine Wohnung kommen, wo ihm erst die Einzelheiten eines Partnervermittlungsvertrages bekannt gegeben werden, so liegt ebenfalls keine "vorhergehende Bestellung" vor. Hier liegt vielmehr eine "provozierte Bestellung" vor, die im Falle eines Vertragsabschlusses ein Widerrufsrecht nicht ausschließt (vgl. LG Arnsberg NJW-RR 1992, 692). Sofern auf Anregung des Verbrauchers eine Terminabsprache erfolgt, muss deutlich werden, dass nicht nur ein unverbindlicher Besuch erfolgen, sondern dieser zu konkreten Vertragsverhandlungen führen soll (BGH NJW 1990, 181 (183); 1990, 1732; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 506; Senat OLGR Düsseldorf 2008, 619 f.).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze lässt sich im hier zu entscheidenden Fall nicht feststellen, dass dem Vertragsschluss eine "vorherige Bestellung" des Klägers vorausgegangen war. Denn das Einverständnis des Klägers mit dem Hausbesuch bezog sich nicht auf den eindeutigen Zweck des Führens konkreter Vertragsverhandlungen; jedenfalls ist solches nicht schlüssig dargetan. Dies ist aber erforderlich, um das Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB auszuschließen (Senat, OLGR Düsseldorf 2008, 619 f. m.w.N.; OLG Köln NJW 1988, 1985 (1986); OLG Stuttgart NJW 1988, 1986 (1987); OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 494; WM 1989, 1184 (1185); OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1269; Staudinger/Thüsing, a.a.O., Rn. 157). Allein bei dieser Erwartung kann der Verbraucher die nötige Vorbereitung treffen und einer Überrumpelung entgegen treten (Staudinger/Thüsing, a.a.O., Rn. 157).

Die Zeugin P. hat angeben, an das Telefongespräch keine konkrete Erinnerung mehr zu haben. Dies ist auch nachvollziehbar, da sie täglich eine Vielzahl solcher Gespräche führt. Sie bekundete jedoch, gestützt durch die von ihr am 04. Mai 2006 gefertigte Gesprächsnotiz, dass der Kläger allgemein bei ihnen angerufen und sich nicht auf eine bestimmte Anzeige hin gemeldet habe. Schon daraus muss geschlossen werden, dass sich der Kläger zunächst allgemein über die Leistungen der Beklagten erkundigen wollte. Dies folgt auch aus der Anhörung des Klägers, der angab, sich zunächst allgemein informieren zu wollen, wie "das vonstatten gehen könne". Dass der Kläger mit seinem Anruf bei der Beklagten zugleich davon ausging, einen Hausbesuch zu initiieren bzw. mit einem solchen überhaupt rechnete, ist nicht ersichtlich und auch nicht unter Beweis gestellt. Ein Kunde, der nähere Informationen erlangen will, kann diese auch telefonisch erhalten oder sich weitergehende Unterlagen übersenden lassen. Ein Hausbesuch ist somit nicht zwingend erforderlich. Hiervon hat die Beklagte jedoch abgesehen und das Einverständnis des Klägers mit einem Besuch der Außendienstmitarbeiterin eingeholt. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Zeugin P. dem Kläger als Ort für das Treffen mit der Außendienstmitarbeiterin nicht nur die Möglichkeit eines Hausbesuchs nannte, sondern auch auf die Geschäftsräume der Klägerin bzw. ein Bistro/Restaurant verwies, so ergibt sich daraus nicht anderes, weswegen es einer erneuten Vernehmung der Zeugin P. auch nicht bedarf. Dass der Kläger von sich aus den Besuch der Außendienstmitarbeiterin initiierte, folgt daraus gerade nicht. Eine solche Annahme wäre auch lebensfremd, da dem Kläger die Vertriebsmethoden der Beklagten nicht bekannt gewesen sein dürften. Zudem hat der Kläger bei seiner Anhörung angegeben, er habe anlässlich des Besuchs der Zeugin H. den Wunsch geäußert, den Vertrag vor der Unterzeichnung durchlesen zu wollen, wozu es aber aufgrund des Verhaltens der Zeugin H. nicht gekommen sei. Diesem Vorbringen ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Auch dies zeigt, dass es dem Kläger zunächst um Information und Überlegung ging und nicht um einen schnellen Vertragsschluss. Deutlich wird dadurch auch, dass der Kläger in einer Situation zum Vertragsschluss veranlasst wurde, vor deren Folgen er durch das Widerrufsrecht gerade geschützt werden soll. Der Bundesgerichtshof (NJW 1990, 1732 (1733)) führt in diesem Zusammenhang aus:

"bb) Die Bitte um Unterbreitung eines Angebotes kann aber auch nur das allgemeine Interesse des Kunden zum Ausdruck bringen, zunächst unverbindlich über Art und Qualität der Ware sowie über den Preis unterrichtet zu werden.

Eine derartige Bitte wird entgegen der Annahme der Revision vom Schutzzweck des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HausTWG umfaßt. Der Kunde bringt hier zum Ausdruck, zunächst einmal das Angebot der anderen Vertragspartei kennen lernen und unbefangen prüfen zu wollen. Dann aber kann selbst der erbetene Hausbesuch den Kunden in eine vom Zweck des Gesetzes missbilligte Situation führen, wenn die andere Vertragspartei über das allgemeine Interesse des Kunden am Angebot hinaus in der Wohnung des Kunden auf einen Vertragsschluss drängt.

Der Hinweis der Revision, auch in diesem Falle sei die Lage des Kunden mit dem Besuch eines Ladengeschäfts vergleichbar, überzeugt nicht. Beim Hausbesuch des Anbieters ist es für den Kunden anders als beim Besuch im Ladengeschäft schwerer, sich den Verhandlungen zu entziehen. Er wird sich nämlich in der Regel verpflichtet fühlen, der von ihm in seine Wohnung bestellten Vertragspartei verdeutlichen zu müssen, aus welchen Gründen er derzeit an einem Vertragsschluss nicht interessiert ist. Der in der Führung von Verkaufsgesprächen erfahrenen Vertragspartei wird es dann häufig ein Leichtes sein, dem Kunden das Angebot "nahe zu bringen" und ihn zum Vertragsschluss zu bewegen."

Auch die Erklärung der Zeugin P., es fielen bei Vertragsschluss mehrere tausend Euro an Kosten an, genügen nicht für die Annahme einer Bestellung im Sinne § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Auch hieraus lässt sich nur auf ein allgemeines Interesse des Klägers an der Art der Leistungen und dem damit - zwangsläufig - verbundenen Preis schließen (vgl. BGHZ 109, 127 (136); 110, 308 (309); OLG München WM 1991, 523 (524); Staudinger, a.a.O., § 312 Rn. 158). Die pauschale Information über die Vergütung der Beklagten versetzte den Kläger zunächst nur in die Lage zu entscheiden, ob er eventuell - zu einem späteren Zeitpunkt - konkrete Vertragsverhandlungen führen will. Zudem nannte die Zeugin P. keinen genauen Betrag, sondern sprach nur von "mehreren tausend Euro". Dies sowie der Umstand, dass mehrere tausend Euro jedenfalls einen Betrag darstellen, der eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung des Klägers bedeutet (was sich auch darin zeigt, dass er die Vergütung der Beklagten durch ein Darlehen finanzieren musste, vgl. Vertrag vom 08. Mai 2006), spricht objektiv für die Einholung eines Angebots zu Informationszwecken (vgl. Staudinger, a.a.O., Rn. 159 m.w.N.). Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 24. Oktober 2008 meint, die vom Bundesgerichtshof entwickelte Rechtsprechung zu der Frage, ob eine vorherige Bestellung im Sinne von § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB vorliege, sei vornehmlich im Zusammenhang mit dem Abschluss von Bauverträgen entstanden, wo üblicherweise zuvor Vergleichsangebote eingeholt würden, rechtfertigt auch dies keine abweichende Beurteilung. Die genannte finanzielle Belastung ist kein Abgrenzungskriterium, denn diese bestimmt sich nach den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des Verbrauchers. Dass den Kläger der Betrag von EUR 7.999,-- belastete, zeigt sich schon aus dem Umstand, dass er ihn unstreitig über ein Darlehen finanzieren musste. Soweit die Beklagte weiter anführt, der Kläger habe keine Vergleichsangebote einholen wollen, weil er an einer bestimmten Dame interessiert gewesen sei und nur sie, die Beklagte, diese hätte vermitteln können, so steht dieses Vorbringen im Widerspruch zu der Aussage der Zeugin P.. Diese hat nämlich ausdrücklich bekundet, der Kläger habe sich nicht auf eine bestimmte Anzeige hin gemeldet.

Auch der unstreitige Umstand, dass zwischen den Parteien zuvor keine Geschäftsbeziehung bestand, spricht gegen das von der Beklagten unterstellte konkrete Verhandlungsinteresse des Klägers (vgl. Senat, OLGR Düsseldorf 2008, 619 f.).

b.

Ohne Relevanz ist die vom Kläger unterzeichnete "Bestätigung" vom 08. Mai 2006. Dort heißt es: "Hiermit bestätige ich, dass ich die Mitarbeiterin der Fa. D. am ... (eingesetzt wurde 08.05.2006) zu mir bestellt habe. Der Termin wurde nicht lediglich zu Informationszwecken sondern zum Abschluss eines Partnervermittlungsvertrages vereinbart." Die Klausel des Vertrages verstößt ersichtlich gegen § 309 Ziffer 12. b) BGB und ist deshalb unwirksam (vgl. zu einer vergleichbaren Klausel Senat, FamRZ 2008, 1252 ff. = MDR 2008, 133 f.).

3.

Kommt es, wie hier, zum Widerruf, wird das nur schwebend unwirksame Geschäft unwirksam und die ausgetauschten Leistungen sind rückabzuwickeln, §§ 355 Abs. 1, 357 Abs. 1 S. 1, 346 BGB. Daraus folgt, dass die Beklagte das vereinbarte und von dem Kläger unstreitig an sie gezahlte Honorar (EUR 7.999,--) zurückzuzahlen hat, während der Kläger Wertersatz für bis zum Widerruf beanspruchte Dienste hat. Den Wert der Dienste hat das Landgericht mit 20 % bewertet, so dass dem Kläger 80 % der Vergütung (= EUR 6.399,--) zurückzuzahlen sind. Dies hat die Beklagte im Berufungsrechtszug nicht angegriffen, weshalb weitere Ausführungen dazu nicht veranlasst sind.

4.

Auf die Ausführungen des Klägers zu einem Kündigungsrecht nach § 627 BGB bzw. einer Sittenwidrigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB kommt es im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen nicht mehr an. Denn der Kläger hat keine Anschlussberufung eingelegt und nimmt die Teilabweisung seiner Klage hin.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.

Ende der Entscheidung

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