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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: I-24 U 95/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 286
BGB § 284
BGB § 276
BGB § 566
1. Schadensersatzansprüche des Gewerberaum-Mieters wegen Verzugs mit der Übergabe können in einem Formular-Mietvertrag auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden.

2. Zum Übergang von Forderungen und Verpflichtungen bei Vermieterwechsel nach Veräußerung des Mietobjekts (hier verneint für vom Veräußerer übernommene Umbaukosten).


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 95/07

In Sachen

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., S. und H. am 24.01.2008 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

2. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

3. Der für den 26.02.2008 geplante Verhandlungstermin entfällt.

Gründe:

I.

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine für die Klägerin günstigere Entscheidung zu rechtfertigen:

1. Schadensersatzanspruch wegen Nichteinhaltens des Übergabetermins:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen Nichteinhaltens des in § 4 Ziff. 2 des mit dem Zeugen T. geschlossenen Mietvertrags vom 10.03.2000 (im folgenden: MV) vorgesehenen Übergabetermins - 15.09.2000 - ein Schadensersatzanspruch aus Verzug (§§ 284, 286 BGB a.F.) nicht zu.

a)

Die Beklagte ist mit ihrer am 17.05.2000 erfolgten Eintragung als Eigentümerin des Mietgrundstücks in das Grundbuch gemäß § 571 BGB a.F. an Stelle des Zeugen T. in die sich aus dem Mietverhältnis mit der Klägerin ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten. Denn das Mietobjekt war der Klägerin bereits vor diesem Zeitpunkt überlassen. Zwar bestimmt § 4 Ziff. 1 und 2 MV, das Mietverhältnis beginne "am Eröffnungstag"; die (Wieder-)Eröffnung des Kaufhauses erfolgte hingegen erst am 29.11.2000. Diese Vertragsnorm regelt aber, wie vom Landgericht zutreffend gesehen, nicht die Überlassung des Mietobjekts an die Klägerin im Sinne des § 571 a.F. BGB, sondern bestimmt lediglich den Zeitpunkt für das Inkrafttreten der zwischen der Klägerin und dem Zeugen T. vereinbarten neuen Mietbedingungen. In der Gesamtschau der Regelungen des Vertrages vom 10.03.2000 vor dem Hintergrund des bereits mit Vertrag vom 31.08.1989 begründeten Mietverhältnisses stellen sich die mietrechtlichen Regelungen des neuen Vertrages lediglich als das Mietverhältnis umgestaltende Fortsetzung des früheren Vertrages unter Neuformulierung der Vereinbarungen für die Zeit während und nach dem Umbau des Gebäudes dar. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der neue Vertrag in § 7 MV auch Regelungen zur Höhe des Mietzinses in der Bauzeit enthält, obwohl die Eröffnung im Sinne des § 4 Ziff. 1 und 2 MV im Anschluss an den Umbau erfolgen sollte. Mit Ausnahme der in Umbau befindlichen Teilflächen blieb das Gebäude der Klägerin auch während der Bauzeit überlassen; der Umbau wurde bei weiterlaufendem Verkaufsbetrieb durchgeführt.

Das Mietverhältnis war andererseits nicht - worauf noch einzugehen sein wird (unten Ziff. 2.) - durch dreiseitige Vereinbarung zu einem früheren Zeitpunkt auf die Beklagte übergegangen.

b)

Es kann aus den Gründen nachfolgend zu I.1.c) dahinstehen, ob die Beklagte trotz Überschreitung des in § 4 Ziff. 2 MV vereinbarten "spätesten Übergabetermins" mit ihrer Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung (auch) der umgebauten Mieträume gemäß § 284 Abs. 2 BGB a.F. in Verzug gekommen ist. In Auslegung jener Vertragsbestimmung ist das Landgericht allerdings mit durchaus tragfähigen Argumenten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vertragsparteien keinen festen Fälligkeitszeitpunkt für die Leistungen des Vermieters bestimmen, sondern eine nicht mit Sanktionen verbundene Zielvorgabe formulieren wollten. Einer Auseinandersetzung mit dieser Frage bedarf es indessen hier nicht.

c)

Auch bei einem Verständnis von § 4 Ziff. 2 MV als Fälligkeitsbestimmung stünde der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Denn die Haftung des Vermieters ist in § 15 Ziff. 4 MV für "vertragliche und gesetzliche Schadensersatzansprüche" auf Fälle grober Fahrlässigkeit (und Vorsatzes, § 276 Abs. 2 BGB a.F.) beschränkt. Solche liegt nicht vor.

aa)

Die Haftungsbeschränkung in § 15 Ziff. 4 MV ist umfassend formuliert und erstreckt sich damit auf jedweden Haftungstatbestand, gleich ob gesetzliche Pflichten oder vertragliche Haupt(leistungs)- oder Nebenpflichten betroffen sind. Begleitumstände, die eine engere Deutung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Auffassung der Klägerin, der Hinweis auf die Haftpflichtversicherung in Satz 2 der Bestimmung begründe eine beschränkende, nämlich auf Fälle der Verletzung durch den Vertrag "vermittelter Sozialkontakte" reduzierte Auslegung, geht fehl. Denn die Verweisung auf die Haftpflichtversicherung tritt ergänzend neben die Haftungsbeschränkung in Satz 1 und erfasst ("nach Art und Umfang") die von einer "angemessenen" Haftpflichtversicherung gedeckten Haftungsfälle, damit aber eben nicht notwendig alle Fälle des Satzes 1.

bb)

Für die im Verhältnis zur Beklagten allein relevante Zeit ab dem 17.05. 2000 ist weder ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten noch ihrer Erfüllungsgehilfen (insbesondere des Zeugen T.) vorgetragen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BGHZ 10, 16; NJW 2005, 981; Palandt/Heinrichs a.a.O. § 277 Rn. 4). Angesichts der Komplexität der Gründe, die auch nach dem Vortrag der Klägerin zur Verzögerung der Baumaßnahme geführt haben, fehlen dem Vorwurf, die Beklagte oder ihre Erfüllungsgehilfen hätten diese Verzögerung auf Grund grober Fahrlässigkeit zu vertreten, tragfähige Anknüpfungspunkte. Ob der Zeuge T. in der Vorbereitung der Baumaßnahme grob fahrlässig gehandelt hat, ist ohne Bedeutung. Denn eine etwa hierin liegende grobe Fahrlässigkeit liegt außerhalb des durch § 571 BGB a.F. erfassten Zeitraums.

2. Erstattungsanspruch für geleistete Abstandszahlungen:

a)

Die Erwägung der Klägerin, die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 02.10.2000 rechtsgeschäftlich ihren Eintritt in den Mietvertrag mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zum Ausdruck gebracht, geht fehl. Mit Recht hat das Landgericht eine Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB verneint. Nichts Anderes gilt für eine Übertragung des Schuldverhältnisses im Ganzen (Vertragsübernahme). Der Hinweis des Zeugen T. in seinem jenem Schreiben beigefügten Schreiben vom gleichen Tage, Umbau und Verwaltung seien im Auftrag und auf Kosten der Beklagten erfolgt, verweist auf eine mittelbare ("verdeckte") Stellvertretung, besagt aber gerade nicht, dass der Zeuge etwa im fremden Namen (der Beklagten) gehandelt hätte. Durch das Vertretergeschäft wird der im eigenen Namen handelnde mittelbare Vertreter allein berechtigt und verpflichtet, nicht aber der nur mittelbar Vertretene (Palandt/Heinrichs a.a.O. Einf. vor § 154 BGB Rn. 4). Der weitere Inhalt der beiden Schreiben vom 02.10.2000 setzt die Klägerin lediglich davon in Kenntnis, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 571 BGB a.F. vorliegen, geht hierüber aber nicht hinaus.

b)

Die Beklagte ist nicht gemäß § 571 Abs. 1 BGB a.F. in die sich aus Anlage 3 zum Mietvertrag ("Abweichungen zur Baubeschreibung / Kostenregelung") in Verbindung mit § 3 MV ergebende Verpflichtung zu einer 50%-igen Beteiligung an den Abstandzahlungen für die vorzeitige Aufhebung der Verträge mit den Untermietern eingetreten. Nach Wortlaut und Zweck des § 571 Abs. 1 BGB a.F. gehen diejenigen Rechte und Pflichten auf den Erwerber über, die sich "aus dem Mietverhältnis" ergeben, d.h. in unlösbarem Zusammenhang mit ihm stehen (vgl. BGH NJW 1965, 2198; RG JW 1906, 58; JW 1939, 286). Der Erwerber tritt deshalb nur hinsichtlich solcher Verpflichtungen an die Stelle des Veräußerers, die sich auf das Grundstück beziehen und deshalb regelmäßig auch nur von dessen jeweiligem Eigentümer erfüllt werden können, namentlich hinsichtlich der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung und Erhaltung in vertragsgemäßem Zustand (BGH NJW 1999, 1857; 1967, 2258; tw. a.A. Münchner Kommentar/Häublein, BGB, 5. Aufl., § 566 Rn. 31 - 33; Staudinger/Emmerich, BGB, Ausgabe 2006, § 566 Rn. 40). Erfasst sind allein derartige Rechtsbeziehungen, wie sie in §§ 535 ff. BGB geregelt sind oder typischerweise Inhalt von Mietverträgen werden (Bamberger/Roth/Herrmann, BGB, 7. Edition, § 566 Rn. 24). Verpflichtungen, die die Parteien hingegen lediglich aus Anlass des Vertragsschlusses oder in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Mietverhältnis begründet haben, gehen nicht auf den Erwerber über.

So hat die Rechtsprechung zwar die Bindung des Erwerbers an eine Verpflichtung des Verpächters zur Übernahme des Inventars bei Pachtende (BGH NJW 1965, 2198), an eine für Ansprüche aus dem Mietverhältnis getroffene Schiedsvereinbarung (BGH NJW 2000, 2346) und an eine Konkurrenzschutzklausel (OLG Koblenz Urteil vom 15.12.2006 - 10 U 1013/05 - bei Juris) angenommen. Dagegen wirkt die Vereinbarung einer Entschädigung des Pächters als Gegenleistung für die Abkürzung der Vertragsdauer nicht gegen den Erwerber (BGH WM 1961, 1025; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage Rn. 1309). Gleiches hat die Rechtsprechung angenommen für ein zwischen den ursprünglichen Parteien des Mietvertrags vereinbartes Belegungsrecht (BGHZ 48, 244) und die Vereinbarung einer Ausgleichspflicht des Verpächters bei Heimfall im Zwangsversteigerungsverfahren (OLG Stuttgart MietRB 2006, 219). So liegt es - wie das Landgericht richtig ausgeführt hat - auch hier: Die Absprache der Klägerin mit dem Zeugen T. hinsichtlich der Verpflichtung zur anteiligen Kostenübernahme stellt keine mietvertragliche Vereinbarung dar, sondern trägt den Notwendigkeiten des bereits 1989 als Option des Vermieters vereinbarten Umbaus Rechnung. Zwar steht die Regelung in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Mietverhältnis. Dies alleine rechtfertigt aber noch nicht ihre zwangsläufige Geltung auch gegenüber der Beklagten als der Erwerberin des Mietgrundstücks. Denn die vereinbarte Kostenteilung ist für einen Miet- oder Pachtvertrag untypisch und liegt in der Sache außerhalb der eigentlichen mietvertraglichen Verpflichtungen.

c)

Überdies steht einer Anwendung des § 571 BGB a.F. auf die genannte Verpflichtung zur anteiligen Kostenübernahme entgegen, dass diese Verpflichtung bereits vor Umschreibung des Eigentums auf die Beklagte (17.05.2000) entstanden und fällig geworden war. Allein dieser Zeitpunkt, nicht aber der Abschluss des schuldrechtlichen Grundgeschäftes (hier: Notarvertrag vom 19.12.1997), ist für die Rechtsfolgen des § 571 BGB a.F. maßgeblich (vgl. OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, ZMR 1994, 364; Wolf/Eckert/Ball a.a.O. Rn. 1301).

Die Frage, welche mietvertraglichen Rechte und Pflichten infolge eines Eigentumsübergangs nach § 571 BGB a.F. dem Veräußerer und welche dem Erwerber zuzuordnen sind, beantwortet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Entstehens bzw. der Fälligkeit des Anspruchs. Vor dem Eigentumswechsel entstandene und fällig gewordene Ansprüche verbleiben dem bisherigen Vermieter, danach fällig gewordene Forderungen stehen dem neuen Vermieter und Grundstückseigentümer zu. Ebenso richten sich vertragliche Ansprüche des Mieters dann gegen den Erwerber, wenn sie erst nach dem Eigentumswechsel entstehen oder fällig werden (BGH NJW 1988, 705; NJW 1989, 451; WM 2000, 2509; NJW 2004, 851; NJW 2005, 1187; Staudinger/Emmerich, BGB, Ausgabe 2006, § 566 Rn. 53).

Die Ansprüche der Klägerin auf Beteiligung des Vermieters an den Kosten für die Aufhebung der Untermietverträge waren hier schon vor Eigentumsübergang, nämlich mit Abschluss des Mietvertrags vom 10.03.2000 entstanden und spätestens mit der bis Ende März 2000 erfolgten Auflösung aller Untermietverträge bzw. mit den unstreitig vor dem Stichtag getroffenen Vereinbarungen mit den Untermietern über Abstandszahlungen fällig geworden. Die von der Klägerin in erster Instanz vertretene Auffassung, alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Miet- und Umbauvertrag seien frühestens mit der Übergabe des Objektes fällig geworden, findet in den Regelungen des Vertrags keine Stütze. Eine "Gesamtabrechnung" oder "Saldierung" der gegenseitigen Ansprüche ist dort weder als Fälligkeitsvoraussetzung vereinbart noch ergibt sich solches aus dem Zweck der Kostentragungsregelungen. Im Ergebnis hat die Klägerin diese Rechtslage auch erkannt. Denn sie hat ihre Forderung zur Insolvenztabelle in der Insolvenz des Voreigentümers - Zeuge T. - angemeldet.

II.

Auch die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen der Berufungszurückweisung im Beschlussverfahren liegen vor.

Ende der Entscheidung

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