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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: I-24 W 13/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 269
ZPO § 542
ZPO § 705
BGB § 271
1. Ist die Fälligkeit einer Schuld an die Rechtskraft eines Endurteils im Sinne von § 542 ZPO geknüpft, so ist dieser Zeitpunkt bei fehlender Zulassung der Revision erst mit Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erreicht.

2. Zahlt der Schuldner während dieser Frist, so gibt er dem Gläubiger keinen Anlass, Klage zu einzureichen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF Beschluss

I-24 W 13/06

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Richter T. als Einzelrichter am 10. März 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf -Einzelrichter- vom 02. Januar 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert (Kosteninteresse): bis 2.000 EUR.

Gründe:

I. Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Kosten des durch Klagerücknahme erledigten Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO dem Kläger auferlegt. Er beruft sich ohne Erfolg auf die Sonderbestimmung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO, wonach dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, wenn dieser Anlass zur Einreichung der Klage gegeben hat, der Anlass aber noch vor Eintritt der Rechtshängigkeit entfallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird. Der Senat folgt der Beurteilung des Landgerichts, dass der Beklagte keinen Anlass zur Klageeinreichung gegeben hat.

1. Anlass zur Klageeinreichung gibt derjenige, der mit der Erfüllung eines fälligen Anspruch in Verzug geraten ist und -aus der maßgeblichen Sicht eines mit den Verhältnisses vertrauten objektiven Beobachters- durch sein Verhalten den Eindruck erweckt, dass eine Befriedigung des Anspruchs ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nicht zu erreichen ist.

2. Der vom Kläger anhängig gemachte Anspruch (Rückzahlung einer auf Anderkonto verwahrten verzinslichen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.514,40 EUR) war bei Klageeinreichung (21. April 2005) nicht fällig. Noch vor Eintritt der zwischen den Parteien vereinbarten Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs (Eintritt einer den Kläger begünstigenden rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 13 U 68/04 OLG Düsseldorf) hatte der Beklagte die Hauptforderung befriedigt. Die Ansicht des Klägers, die Rechtskraft des Berufungsurteils und die daran geknüpfte Fälligkeit des Anspruchs sei mit Blick auf die fehlende Rechtsmittelfähigkeit (Rechtsmittelsumme unter 20.000 EUR) mit der Verkündung des Berufungsurteils (17. März 2005) eingetreten, ist von Rechtsirrtum beeinflusst.

a) Gemäß § 705 Satz 1 ZPO tritt die Rechtskraft der Urteile vor Ablauf der für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels bestimmten Frist nicht ein. Nach der Auslegung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GS OGB, BGHZ 88, 353, 357f = NJW 1984, 1027, 1028), den er dieser Bestimmung aus Gründen der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Rechtsleichtigkeit gegeben hat, ist damit der Eintritt der Rechtskraft stets bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist in den Fällen hinausgeschoben, in denen ein Rechtsmittel zwar an sich gegeben ist (Statthaftigkeit), seine Zulässigkeit aber an besondere Voraussetzungen, wie etwa eine Zulassung oder die Erreichung einer Rechtsmittelsumme geknüpft ist (vgl. auch BGHZ 109, 211). Daraus folgt, dass bei fristgerechter Einlegung eines an sich statthaften, aber ansonsten unzulässigen Rechtsmittels die Rechtskraft gemäß § 705 Satz 2 ZPO deshalb erst mit der Verwerfung des Rechtsmittels eintritt (GS OGB, aaO). Nur bei einem solchen Verständnis des § 705 ZPO ist auch gewährleistet, dass der für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 706 ZPO) ohne großen Ermittlungsaufwand und ohne spezifische Rechtskenntnisse den Eintritt der Rechtskraft beurkunden kann. Denn die festzustellenden Tatsachen (Statthaftigkeit des Rechtsmittels, Berechnung der Rechtsmittelfrist, Einlegung eines Rechtsmittels und Entscheidung) knüpfen an formale rechtliche Gessichtspunkte und leicht feststellbare tatsächliche Ereignisse an. Vor allem ist keine rechtliche Bewertung geboten, die bei der Beurteilung sonstiger Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels zwar nicht stets, aber vielfach erforderlich ist.

b) Daraus folgt, dass z. B. Berufungsurteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung oder über die vorzeitige Besitzeinweisung in Enteignungs- und Umlegungsverfahren entschieden wird, mit der Verkündung in Rechtskraft erwachsen, denn gemäß § 542 Abs. 2 ZPO findet gegen solche Urteile die Revision nicht statt Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 705 Rn. 4; MünchKomm/Krüger, ZPO, 2. Aufl., § 705 Rn. 5). Gleichwohl eingelegte Rechtsmittel sind nicht statthaft und hemmen deshalb auch nicht den Eintritt der Rechtskraft.

c) Anders verhält es sich mit den sonstigen Endurteilen im Sinne des § 542 Abs. 1 ZPO. Gegen sie findet gemäß § 543 Abs. 1 ZPO grundsätzlich die Revision statt, und zwar entweder wenn das Berufungsgericht sie im Urteil oder das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung zulässt. Die Eröffnung des Rechtsmittels ist demnach abhängig von einer richterlichen Entscheidung. Konsequenterweise ordnet § 544 Abs. 5 ZPO (unter Erweiterung des § 705 Satz 2 ZPO) an, dass die (fristgerechte) Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde den Eintritt der Rechtskraft des angegriffenen Urteils hemmt und dass dessen Rechtskraft erst mit der Ablehnung der Beschwerde eintritt. Dabei wird nicht unterschieden, ob die Nichtzulassungsbeschwerde mangels Zulässigkeit (z. B. mangels Erreichens der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer) oder mangels Begründetheit abgelehnt wird. Da die Nichtzulassungsbeschwerde bis zum letzten Tag der Frist eingelegt werden kann, ist die Rechtskraft des angegriffenen Urteils konsequenterweise bis zu deren Ablauf gemäß § 705 Satz 1 ZPO gehemmt (h.M., vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 705 Rn. 7; Musielak/Lackmann, aaO, Rn. 3; MünchKomm/Krüger, aaO jew. m. weit. Nachw.).

d) An dieser Beurteilung ändert nichts der Umstand, dass in bestimmten Fällen wie auch im vorliegenden Fall (§ 26 Nr. 8 EGZPO) die Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde evident ist. Nach der auf Rechtssicherheit und -klarheit angelegten gesetzlichen Konzeption des § 705 ZPO (BGHZ 88, 353 357 f) kann die im Einzelfall sehr unterschiedlich zu beantwortende Frage nach der Evidenz der Zulässigkeit/Unzulässigkeit eines Rechtsmittels kein Kriterium sein, an das der Eintritt der Rechtskraft geknüpft werden könnte. Diese Frage kann nach dem Gesetz nur einheitlich beantwortet werden und wird im Falle der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde erst durch das Revisionsgericht entschieden (vgl. BGH NJW 2002, 2720 und NJW-RR 2003, 159). Vollstreckungsrechtlich hat die Evidenz der Unzulässigkeit eines Rechtsmittels nur Konsequenzen für Schuldnerschutzanordnungen gemäß §§ 711, 712 ZPO, die in diesen Fällen gemäß § 713 ZPO unterbleiben sollen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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