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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: I-24 W 25/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 129a
1. Die Parteien können den beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären, indem sie ihre Erklärungen zu richterlichem Protokoll eines Amtsgerichts (in einer anderen Sache) abgeben und die Übersendung dieses Protokolls an das Landgericht veranlassen.

2. Die Erledigungserklärungen sind auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bis zum Ende des Rechtszuges wirksam.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

In Sachen

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und S. am 24.05.2007 beschlossen:

Tenor:

Der Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 27.03.2007 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Wuppertal zur Entscheidung gemäß § 91 a ZPO unter Beachtung der nachfolgenden Gründe zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch das am 01.02.2007 verkündete Urteil hat das Landgericht in einem Mietrechtsstreit der Parteien aufgrund mündlicher Verhandlung vom 04.01.2007 die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Bereits am 26.01.2007 hatten die Parteien in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Velbert (17 C 391/06) zu richterlichem Protokoll einen Vergleich geschlossen und hierin auch für das vor dem Landgericht Wuppertal anhängige Verfahren unter Ziffer 2. folgende Regelung getroffen:

"Die Parteien erklären hiermit übereinstimmend die Hauptsacheerledigung in den Rechtsstreitigkeiten 12 C 22/06 AG Velbert und 7 O 136/06 LG Wuppertal und bitten das Gericht darüber hinaus, den vorbezeichneten Gerichten umgehend eine Abschrift dieses Protokolls zur Verfügung zu stellen, wobei die beiden vorbezeichneten Gerichte gebeten werden, die Kostenquote in den dortigen Prozessen entsprechend der hier protokollierten Kostenquote vorzunehmen."

Eine Abschrift dieses Sitzungsprotokolls übersandte das Amtsgericht Velbert mit Schreiben vom 01.02.2007, eingegangen am 02.02.2007, dem Landgericht Wuppertal. Die Kammer hat das Sitzungsprotokoll vom 26.01.2007 zur Kenntnis genommen, ansonsten aber hierauf nichts veranlasst.

Mit als "Beschwerde" bezeichneter Schrift vom 22.02.2007, eingegangen beim Landgericht Wuppertal am selben Tage, hat die Klägerin auf den Vergleich vom 26.01.2007 verwiesen und darum gebeten, die Kostenentscheidung des Urteils vom 01.02.2007 dahin abzuändern, dass über die Kosten des Rechtsstreits entsprechend der Regelung des vor dem Amtsgericht Velbert geschlossenen Vergleichs entschieden werde.

Das Landgericht hat die Sache mit Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss vom 27.03.2007 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, weil die Parteien bis zum Verhandlungstermin den Rechtsstreit gegenüber dem Gericht, bei dem er anhängig gewesen sei, nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hätten.

II.

Der Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss des Landgerichts ist aufzuheben. Die Parteien haben noch während der Anhängigkeit des Verfahrens bei dem Landgericht den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Die Sache ist deswegen an das Landgericht zurückzuverweisen, das die ihm in eigener Zuständigkeit obliegende Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO nachzuholen haben wird.

1.

Entgegen der dem Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Rechtsauffassung endete der Rechtszug vor dem Landgericht nicht bereits mit der Verkündung des Urteils vom 01.02.2007. Der Rechtszug endet vielmehr erst mit der Einlegung eines Rechtsmittels oder dem Eintritt der (formellen) Rechtskraft des Urteils (BGH NJW 1995, 1096; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 172 Rn. 13; Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 172 Rn. 5). Das Gericht der unteren Instanz ist zwar durch § 318 ZPO daran gehindert, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen mit dem Ziel, seine streitige Entscheidung zu ändern. Im übrigen kann und muss jedoch das Gericht weiterhin auch in dem Hauptrechtsstreit tätig werden (BGH a.a.O.). Auch nach Erlass des erstinstanzlichen Erkenntnisses in der Hauptsache und auch ohne Einlegen eines Rechtsmittels unterliegt der Rechtsstreit den Dispositionen der Parteien; insbesondere kann der Kläger die Klage mit Zustimmung des Beklagten gleichsam "zwischen den Instanzen" zurücknehmen oder die Parteien können den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91 a Rn. 21; Münchner Kommentar/Lindacher, ZPO, 2. Aufl., § 91 a Rn. 39). Die sodann nach § 269 Abs. 4 ZPO bzw. nach § 91 a ZPO zu treffenden Entscheidungen obliegen dem Gericht der unteren Instanz.

2.

Die Voraussetzungen des § 91 a Abs. 1 ZPO liegen hier vor. Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Diese Erklärung musste nicht schriftsätzlich erfolgen. Gemäß § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO genügte die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle. Hierbei war es unschädlich, dass die Parteien ihre Erledigungserklärung zu richterlichem Protokoll des Amtsgerichts Velbert und nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle des angerufenen Landgerichts Wuppertal abgegeben haben. Denn zum einen können Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, gemäß § 129 a Abs. 1 ZPO vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zu Protokoll abgegeben werden. Zum anderen ersetzt das richterliche Sitzungsprotokoll als die strengere Form die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle (Münchner Kommentar/Peters, ZPO, 2. Aufl., § 159 Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., Einf. vor §§ 159 - 165 Rn. 1; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 159 Rn. 5; Musielak/Stadler, ZPO, 5. Aufl., § 159 Rn. 1).

3.

Mit dem Eingang des gemäß § 129 a Abs. 2 S. 1 ZPO durch das Amtsgericht Velbert dem Prozessgericht übermittelten Protokolls trat die Wirkung der dort abgegebenen Erledigungserklärungen am 02.02.2007 und damit vor Rechtskraft des zu diesem Zeitpunkt den Parteien noch nicht einmal zugestellten Urteils, gegen das eine Berufung der Klägerin zulässig gewesen wäre, ein. Dem steht nicht entgegen, dass lediglich eine einfache Abschrift des Protokolls übersandt worden ist. Art und Form der Übermittlung regelt das Gesetz nicht, sie richten sich nach den Gesamtumständen; insbesondere etwaigem Zeitdruck (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O. § 129 a Rn. 12). Die amtlich übermittelte Abschrift reichte hier bedenkenfrei aus, dem Landgericht die Prozesserklärungen der Parteien mit der erforderlichen Gewissheit ihrer inhaltlichen Richtigkeit zur Kenntnis zu bringen. Da die Urschrift des Sitzungsprotokolls in den Prozessakten des Amtsgerichts Velbert zu verbleiben hatte, kam dessen Übersendung ohnehin nicht in Betracht.

4.

Die als "Beschwerde" bezeichnete Schrift der Prozessbevollmächtigten der Klägerin stellt sich vor diesem Hintergrund, zumal der Berichterstatter der Kammer auf den Eingang der Erledigungserklärung lediglich deren Umlauf in der Kammer verfügt hatte und dieser Umstand dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin durch Akteneinsicht bekannt geworden war, nicht als (gemäß § 99 Abs. 1 ZPO unzulässiges) Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung des Urteils dar, sondern als Antrag auf Erlass einer Kostenentscheidung gem. § 91 a ZPO.

Ende der Entscheidung

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