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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.12.2005
Aktenzeichen: I-24 W 62/05
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 41 Abs. 2
Der Gebührenstreitwert des Räumungsbegehrens bemisst sich nach der Nettomiete zuzüglich Umsatzsteuer, wenn die Nebenkosten nicht pauschal festgelegt sind, sondern auf Grund einer Abrechnung ermittelt werden.
Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z, T und H am 22. Dezember 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 27. Oktober 2005 - Einzelrichter - aufgehoben.

In Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 13. September 2005 wird der Streitwert anderweitig wie folgt festgesetzt: bis zum 20. Juli 2005 auf 16.552,00 EUR, danach auf 13.625,92 EUR.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Kläger nahmen den beklagten Mieter auf Räumung eines Ladenlokals und Zahlung in Anspruch. Der Mietvertrag der Parteien vom 30. März 2004 war ab 1. Juli 2004 auf unbestimmte Zeit geschlossen und für die klagenden Vermieter binnen sechs Monaten, für den Beklagten binnen drei Monaten ordentlich kündbar. Der Mietzins belief sich anfänglich auf 1.300,00 EUR zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen von 135,00 EUR und 16% Mehrwertsteuer, mithin auf insgesamt 1.664,60 EUR. Ab 1. April 2005 erhöhte sich der Grundmietzins vereinbarungsgemäß auf 1.340,00 EUR.

Bevor - entsprechend der Verfügung des Einzelrichters - die wegen Zahlungsverzugs des Beklagten eingereichte Klage auf Räumung des Mietobjekts und Zahlung von Mietrückständen in Höhe von 7.225,60 EUR zugestellt werden konnte, ermäßigten die Kläger zunächst den Zahlungsantrag auf 4.170,20 EUR und erklärten den Rechtsstreit in Höhe der Differenz für erledigt. Ebenfalls noch vor Klagezustellung nahmen die Kläger nach außergerichtlicher Einigung mit dem Beklagten die Klage zurück.

Das Landgericht - Zivilkammer - hat den Streitwert zunächst auf 17.491,60 EUR festgesetzt. Der Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Kläger half der Einzelrichter ab und setzte den Wert antragsgemäß nunmehr auf 27.757,60 EUR fest. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, der die Wiederherstellung der Entscheidung der Zivilkammer begehrt. Der Einzelrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zu Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde des Beklagten ist gemäß §§ 68 Abs. 1, 66 Abs. 5 und 6; 63 Abs. 2 GKG zulässig und begründet.

Über den Antrag des Beklagten hinaus ist der Wert von Amts wegen wie aus dem Tenor ersichtlich gemäß § 63 Abs. 3 GKG herabzusetzen.

1. Schon das Verfahren des Landgerichts leidet an einem Mangel. Gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 GKG hätte nämlich der Einzelrichter über die Beschwerde der Klägervertreter, deren Zulässigkeit nach § 32 Abs. 2 RVG unterstellt, nicht entscheiden dürfen. Denn der Beschluss vom 13. September 2005 war von der Zivilkammer gefasst worden, wobei dahingestellt bleiben kann, ob dies der Geschäftsverteilung der amtierenden Zivilkammer entsprach oder ob von einer durch die Unterschrift der handelnden Richter schlüssig vollzogenen Übertragung auf die Kammer oder einem Versehen auszugehen ist. Denn der Einzelrichter war auf Grund der formalen Anknüpfung in § 66 Abs. 6 GKG nur befugt, über die Beschwerde zu entscheiden, wenn sie sich gegen die Entscheidung eines Einzelrichters oder Rechtspflegers richtete.

2. Dieser Verfahrensfehler hindert den Senat aber nicht, in der Sache zu entscheiden, weil Entscheidungsreife gegeben ist.

a ) Der Streitwert des Räumungsantrags beträgt gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG 9.326,40 EUR (6 Mon x 1.554,40 EUR/Mon ). Der Senat folgt damit grundsätzlich der Wertfestsetzung des Landgerichts in dem zunächst von der Kammer gefassten und von den Vertretern der Kläger angefochtenen Beschluss vom 13. September 2005.

Maßgeblich für den Streitwert eines Räumungsrechtsstreits ist nach der genannten Vorschrift "das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt", es sei denn, der nach § 41 Abs. 1 GKG zu ermittelnde Streitwert "für die streitige Zeit" ist geringer. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die "streitige Zeit" ist hier mit sechs Monaten anzusetzen, und zwar ab dem Monatsende nach Zustellung der Kündigung am 3. Juni 2005, mithin ab 30. Juni 2005.

Im Mietvertrag der Parteien wurde den klagenden Vermietern das Recht eingeräumt, das Mietverhältnis binnen einer Frist von sechs Monaten zu kündigen. Damit kann die streitige Zeit, für die nach Ausspruch der Kündigung im Schreiben vom 27. Mai 2005, zugestellt am 3. Juni 2005, allenfalls Mietzins noch hätte beansprucht werden können, nur für diesen Zeitraum angenommen werden. Hätte nämlich die fristlose Kündigung der Kläger wegen des Zahlungsverzugs des Beklagten keinen Bestand gehabt, hätte das Mietverhältnis der Parteien nach sechs Monaten ohnehin sein Ende gefunden. Denn die fristlose Kündigung hätte in eine fristgemäße Kündigung umgedeutet werden müssen, weil hier der Wille der kündigenden Kläger, das Mietverhältnis so schnell wie möglich zu beenden, eindeutig vorlag (vgl. BGH NJW 1998, 1551; OLG Düsseldorf, DWW 2005,302 = GuT 2205,228; Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl., Rn. 391 m.w.N.).

b) Indessen hat das Landgericht die hier für den Streitwert maßgebliche Höhe des Mietzinses unrichtig ermittelt. Es ist nämlich statt der monatlichen Brutto-Miete von 1.711,00 EUR lediglich ein Monatsbetrag von 1.554,40 EUR anzusetzen.

aa) Unter "Entgelt" hat der Senat allerdings bisher, nämlich zu der insoweit gleich lautenden, bis zum 30. Juni 2004 geltenden Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F., die sogenannte Bruttomiete (Nettomiete zzgl. Betriebskostenvorauszahlung) verstanden (Senat ZMR 1998, 692 = OLGR 1998, 355). Der Senat folgte damit vor allem aus rechtspraktischen Gründen einer freilich umstrittenen, aber im Vordringen befindlichen Auffassung (vgl. die Nachweise aaO), die zu einer vereinheitlichten Streitwertbestimmung beitragen wollte (vgl. dazu jüngst auch BGH NJW 2005, 1713 zu der ähnlich umstrittenen Frage, was unter "Miete" im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB zu verstehen ist).

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest. Zwar hat sich der Wortlaut der hier maßgeblichen kostenrechtlichen Bestimmung gegenüber der früher geltenden Bestimmung nicht geändert. § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG enthält aber eine Verweisung auf § 41 Abs. 1 GKG und damit auch auf Satz 2 dieser Bestimmung, die durch das Kostenmodernisierungsgesetz eingeführt worden ist und seit dem 01. Juli 2004 gilt.

bb) Danach sind unter "Entgelt" im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG das Nettogrundentgelt und die Nebenkosten nur dann zu verstehen, wenn diese in Gestalt einer Pauschale vereinbart worden sind, die nicht gesondert abzurechnen ist. Daraus folgt, dass Betriebskosten (Nebenkosten), die wie hier als Vorauszahlungen geschuldet werden und abgerechnet werden müssen, nicht zum Entgelt im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG gehören. Aus systematischen Erwägungen ist im Übrigen anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Begriff "Entgelt" in beiden Absätzen des § 41 GKG einheitlich verwendet wissen will (so zutreffend KG ZMR 2005, 123 = KGR Berlin 2005, 211; LG Krefeld WuM 2005, 263; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 41 GKG Rn. 21). Dass nunmehr "Mietentgelt" im kostenrechtlichen Sinne abweichend vom "Mietentgelt" im materiellrechtlichen Sinne, wie es der Bundesgerichtshof versteht (NJW 2005,1713), definiert ist (vgl. zur Kritik Kretzer ZMR 2005, 516), ist zwar dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung abträglich, aber wegen der unterschiedlichen Interessen in beiden Gesetzesbestimmungen hinzunehmen.

cc) Zu dieser Miete ohne Nebenkosten (1.340,00 EUR) kommt schließlich die von den Parteien vereinbarte Mehrwertsteuer von 16%, hier 214,40 EUR hinzu. Denn Nettogrundentgelt ist nicht als die Miete vor Zuschlag der Umsatzsteuer, sondern in Abgrenzung zur "Bruttomiete", mithin ohne Einbeziehung der Betriebskosten, zu verstehen. Auch dies erschließt sich aus dem Wortlaut des § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG, der allein die Nebenkosten dem "Nettogrundentgelt" gegenüberstellt. Entsprechendes wurde früher überwiegend schon zu § 16 Abs. 1 GKG a.F: vertreten(vgl. KG NZM 2000, 659; OLG Hamm MDR 2001, 1377; LG Paderborn MDR 2003, 56; Hartmann aaO. Rn. 25). Denn die Mehrwertsteuer ist kein Teil der Nebenkosten. Daraus errechnet sich ein Teilstreitwert von 9.326,40 EUR.

c) Auch der Wert des Zahlungsantrags ist nicht zutreffend festgesetzt worden. Er trägt der Teilerledigungserklärung der Kläger nicht Rechnung.

Der Streitwert nach einseitiger Erledigungserklärung bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten, weil die Parteien in einem solchen Fall normalerweise an der Fortsetzung des Rechtsstreits nur insoweit ein rechtlich beachtliches Interesse haben, als es um die Prozesskosten geht (vgl. BGH NZM 1999, 21; NJW-RR 1990, 1474). Im Fall der einseitig erklärten Teilerledigung richtet sich der Streitwert des erledigten Teils regelmäßig nach den bisher für den erledigten Teil entstandenen Kosten (BGH NJW-RR 1996, 1210; a.A. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 16 "Erledigung der Hauptsache" m.w.N.) Der auf den erledigten Teil entfallende Kostenwert ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag diejenigen Kosten überschritten worden sind, die angefallen wären, wenn die Klägerin den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht erledigten Teil der Hauptsache geführt hätte.

Danach ist hier der Wert ab Eingang der Teilerledigungserklärung von 16.552,00 EUR um 3.055,40 EUR zuzüglich einer Kostendifferenz von 129,32 EUR (3 Gerichtsgebühren zu 23 EUR = 69 EUR und Anwaltskosten der Kläger zu 40 EUR + 3/10 + 16% = 60,32 EUR) auf 13.625,92 EUR zu ermäßigen.

III.

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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