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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.07.2008
Aktenzeichen: I-3 U 15/08
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 257
BGB § 670
BGB § 775
BGB § 775 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 775 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 775 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 775 Abs. 1 Nr. 4
GmbHG § 51 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 13. November 2007 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise geändert.

Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird die über 466,30 € hinausgehende Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars D. S. mit dem Amtssitz zu Berlin-Charlottenburg, UR-Nr. 64/1998 vom 17. März 1998, in Verbindung mit der notariellen Urkunde desselben Notars,

UR-Nr. 68/1998 vom 20. März 1998, für unzulässig erklärt.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf die tatsächlichen Feststellungen, wegen der zur Abweisung der Klage durch das Landgericht führenden Erwägungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer Berufung greifen die Kläger die landgerichtliche Entscheidung in vollem Umfang an und machen namentlich geltend:

Die vom Landgericht vermisste Sicherungsabrede sei erstinstanzlich bereits dadurch vorgetragen worden, dass sie (die Kläger) unstreitig ein Bankdarlehen besichert hätten; darüber hinaus ergebe sich die Existenz von Sicherungsabreden auch aus den vorgelegten Unterlagen. Die Verpflichtung des Beklagten zum Nachweis des Sicherungsfalles folge überdies aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen den Parteien und dem Grundsatz von Treu und Glauben.

Nach wie vor sei der Beklagte der ihn treffenden Last zur Darlegung des Eintritts des Sicherungsfalles nicht nachgekommen. Hiergegen sprächen der Verkehrswert der Immobilie, der 2003 gutachterlich mit 30 Mio. € veranschlagt worden sei, sowie die Bilanz für das Jahr 2005, die für 2004 einen Gewinn und für 2005 einen positiven Cash-flow ausweise, in Verbindung mit der Summen- und Saldenliste per 31. Dezember 2006; nach alledem müsste das Objekt, was fernliegend erscheine, innerhalb von zwei Jahren wirtschaftlich verfallen sein. Angesichts dessen könne sich der Beklagte nicht auf die Behauptung - bestrittener - Zahlungsrückstände auf bestimmte Darlehen der Gesellschaft beschränken. Jedenfalls hätte der Beklagte einen etwaigen Sicherungsfall treuwidrig herbeigeführt, weil er als Mehrheitsgesellschafter der GmbH die Darlehensforderungen der Hauptgläubigerin gegen die Gesellschaft zu einem deutlich unter dem Nominalbetrag liegenden Preis erworben, diese in der Folgezeit aber in voller Höhe gegen die Gesellschaft geltend gemacht und hierzu überhöhte monatliche Annuitäten von der GmbH vereinnahmt habe; auf diese Weise habe der Beklagte der GmbH über Jahre hinweg zum eigenen Nutzen unberechtigt Kapital entzogen, statt den Vorteil, der aus dem - der Sache nach in dem geringem Kaufpreis liegenden - teilweisen Forderungsverzicht des Kreditinstituts gefolgt sei, bei der Gesellschaft zu belassen. Im übrigen sei es durch die Kapitalerhöhung 2003, bei der Darlehen in Eigenkapital umgewandelt worden seien, zu einer weiteren Reduzierung der Darlehenssumme gekommen, die der Beklagte gleichfalls nicht zum Anlass für eine Verringerung der Annuitäten genommen habe. Letztlich habe er von 2003 bis 2005 mehr als 2,4 Mio. € ohne Rechtsgrund von der GmbH vereinnahmt.

Darüber hinaus komme auf der Grundlage der Vorbringens des Beklagten eine Rückzahlung der Darlehensbeträge nicht in Betracht, weil die Darlehen eine eigenkapitalersetzende Funktion hätten, und zwar zur Zeit des Erwerbs durch den Beklagten in Höhe von nahezu 8 Mio. € und heute in dem vollen verbliebenen Umfang. Mit ihrer Übernahme der persönlichen Haftung hätten sie (die Kläger) aber nicht das Risiko eines Eigenkapitalersatzes abgedeckt.

In jedem Falle hafteten sie nur in Höhe ihrer Beteiligung an der GmbH von 0,06 %; der sich daraus errechnende Betrag von 466,30 € sei - was unstreitig ist - im Rahmen der bisherigen Vollstreckung bereits erzielt worden. Nach dem Inhalt der Urkunde vom 17. März 1998 sei ein gleichrangiges Haftungsverhältnis aller Gesellschafter als Sicherungsgeber begründet worden, wobei die Haftungsanteile den Anteilen am Gesellschaftsvermögen hätten entsprechen sollen. Es könne nicht nunmehr das Haftungsrisiko vollständig auf sie (die Kläger) als Minderheitsgesellschafter überwälzt werden. Dabei bemesse sich ihr interner Haftungsanteil richtigerweise nach ihrer aktuellen Beteiligungsquote, die Abfindungsvereinbarung spiele insofern keine Rolle.

Schließlich diene das Vorgehen des Beklagten ohnehin nur dem Zweck, sie aus der GmbH (wie auch aus einer weiteren Gesellschaft, an der der Kläger beteiligt sei) zu drängen und sie zu einem Verzicht auf ihre - unstreitig - Ende 2007 fällig gewordenen Gesellschafterdarlehen von über 2 Mio. € zu bewegen.

Auch bleibe es dabei, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Vollstreckungsverzicht schon vor Einleitung der Zwangsvollstreckung erklärt habe. Eine weitere Verzichtserklärung liege in prozessualen Erklärungen, die der Beklagte in einem Verfahren im Dezember 2007 vor dem Landgericht Essen abgegeben habe.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars D. S. mit dem Amtssitz zu Berlin-Charlottenburg, UR-Nr. 64/1998 vom 17. März 1998, in Verbindung mit der notariellen Urkunde desselben Notars, UR-Nr. 68/1998 vom 20. März 1998, für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt insbesondere vor:

Abgesehen davon, dass es auf das Vorliegen eines Sicherungsfalles nicht ankomme, hätten die Kläger auch im Berufungsverfahren eine Sicherungsabrede nicht beachtlich vorgetragen; ihr Hinweis auf eine bloße Üblichkeit reiche nicht aus, und den von ihnen in Bezug genommenen Unterlagen lasse sich gleichfalls keine konkrete Abrede entnehmen. Im übrigen läge gerade dann, wenn es an einem Sicherungsfall fehlte und die GmbH so solvent wäre, wie die Kläger dies behaupteten, in ihrer Inanspruchnahme kein Treuverstoß, da sie eine ohne weiteres werthaltige Rückgriffsforderung gegen diese Gesellschaft erwürben.

Die Ausführungen der Kläger zur Frage des Sicherungsfalles im einzelnen beruhten teilweise auf einer Verkennung des Inhaltes der Bilanz für 2005. Seine (des Beklagten) Darlegungen zu in den Jahren 2005 und 2006 eingetretenen Rückständen auf Darlehen von über 600.000 € würden durch den Vortrag der Gegenseite nicht ausgeräumt; das Auflaufen der Rückstände sei auf mangelnde Liquidität der GmbH zurückzuführen. Ferner übersähen die Kläger, dass sich die wirtschaftliche Situation der GmbH infolge erheblicher Leerstände von Mietflächen gravierend verschlechtert habe, zumal sich das Objekt an einem bekanntermaßen schwierigen Standort befinde.

Er (der Beklagte) habe den Sicherungsfall auch nicht selbst vorwerfbar herbeigeführt. In der Überleitung der Darlehensverträge von dem Kreditinstitut auf ihn habe keine treuwidrige Übertragung von Geschäftschancen gelegen, vielmehr habe dies zu wirtschaftlichen Vorteilen für die GmbH geführt. Nach dem Forderungskauf sei mit der GmbH ein geringerer Zinssatz vereinbart und dieser sei in der Folgezeit für bestimmte Zeitabschnitte noch weiter merklich reduziert worden. Bezüglich des nach Sacheinlage verbleibenden Darlehens sei für einen Teilbetrag lediglich eine Zinszahlung vereinbart worden. Durch die Sacheinlage in Eigenkapital umgewandelte Beträge seien nicht mehr verzinst worden. Für die von den Klägern angeführte Verpflichtung, die sich aus dem Kaufpreis ergebenden Vorteile in Form reduzierter Annuitäten an die GmbH weiterzugeben, sei kein Raum.

Was den Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes anbelange, habe das Erstgericht zutreffend ausgeführt, dass es hierauf gleichfalls nicht ankomme. Unabhängig hiervon deckten die Schuldübernahmen durch die Kläger zumindest deshalb auch das Eigenkapitalersatzrisiko ab, weil sie diese Sicherheiten in der Krise stehengelassen hätten.

Die Kläger hafteten auch nicht etwa nur entsprechend ihrer Beteiligungsquote. Zum einen ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen ein gleichrangiges Haftungsverhältnis aller Gesellschafter nicht; zum anderen seien die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs nach dem eigenen Vortrag der Kläger deshalb nicht gegeben, weil die GmbH in der Lage wäre, einen Regressanspruch der Kläger zu bedienen. Halte man die Bestimmung des Haftungsanteils für bedeutsam, sei jedenfalls die vom Landgericht vorgenommene Auslegung, insofern müsse die Abfindungsvereinbarung maßgeblich sein, nicht zu beanstanden.

Bereits auf der Grundlage der eigenen Darlegungen der Kläger habe er (der Beklagte) zu keiner Zeit einen Vollsteckungsverzicht erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Gründen zu B. Bezug genommen.

B.

Berufung und Klage sind weitgehend begründet. Den in den notariellen Urkunden vom 17. und 20. März 1998 im Wege der Vollstreckungsunterwerfung titulierten Ansprüchen aus der von den Klägern erklärten Übernahme der persönlichen gesamtschuldnerischen Haftung in Höhe von 1.520.000 DM steht dauerhaft die Einwendung der Treuwidrigkeit wegen der Pflicht des Beklagten zur alsbaldigen Rückgewähr (§ 242 BGB) entgegen.

1.

Die Kläger können verlangen, von der durch sie übernommenen Haftung befreit zu werden.

Für die Gesellschafter-Bürgschaft ist anerkannt, dass der Verbürgung für die Gesellschaft ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis zugrunde liegt, das jedenfalls die analoge Anwendung des § 775 BGB rechtfertigt. Dementsprechend kann zumindest dann, wenn eine der Voraussetzungen des § 775 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 BGB vorliegt, der Gesellschafter im Falle seines Ausscheidens - weil dann die Identität seiner persönlichen Interessen mit denjenigen der Gesellschaft beendet ist - von der Gesellschaft verlangen, von seiner Verpflichtung aus der Bürgschaft freigestellt zu werden (BGH WM 1974, S. 214/ 215; soweit in BGH WM 1989, S. 406/407 andere Gesellschafter als Anspruchgegner angesehen wurden, beruhte dies auf einer besonderen, durch vertragliche Abreden bestimmten Sachverhaltsgestaltung; Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl. 2008, § 775 Rdnr. 1; Brödermann in: Prütting u.a., BGB, 2. Aufl. 2007, § 775 Rdnr. 6; MK-Habersack, BGB, 4. Aufl. 2004, § 775 Rdnr. 4; Staudinger-Horn, BGB, 13. Bearb. 1997, § 775 Rdnr. 3).

a)

Die den vorstehend dargestellten Grundsatz tragenden Erwägungen gelten auch in anderen Fällen der Stellung von Sicherheiten durch einen Gesellschafter (vgl. OLG München WM 2006, S. 1776 ff., dort sogar für den Schuldbeitritt; im Schrifttum ist der Umfang der Ausdehnung auf anderweitige Gesellschafter-Sicherheiten im einzelnen umstritten, vgl. Sprau a.a.O. a.E.; Brödermann Rdnr. 3; Habersack Rdnr. 3; Horn Rdnr. 7).

Zumindest für den Streitfall können sie gleichfalls Geltung beanspruchen. Aus den notariellen Urkunden ergibt sich deutlich, dass kein Schuldbeitritt der Gesellschafter gewollt gewesen ist, sondern nur die Übernahme einer Haftung für die Zahlung durch die Schuldnerin; wirtschaftlich betrachtet sollte die Haftungsgrundlage für die dort genau bezeichnete Gesamtgrundschuld dadurch vergrößert werden, dass die Gesellschafter zu bestimmten Beträgen versprachen, insoweit auch mit ihrem eigenen Vermögen zu haften. Im Ergebnis sollte die Lage derjenigen angeglichen werden, die bestanden hätte, wenn eine natürliche Person die Grundschuld an ihrem Grundbesitz bestellt und sich wegen der schuldrechtlichen Forderung der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen hätte. Zumindest bei einer derartigen sicherungsweisen Haftungsübernahme ist es gerechtfertigt, die Grundsätze für Bürgschaften entsprechend anzuwenden. Hiergegen spricht nicht, dass die Haftungsübernahme eine nicht-akzessorische Sicherheit darstellt. Denn für die zur - analogen - Anwendung des § 775 BGB führende Interessenlage ist die Frage der Akzessorietät ohne Belang. Im übrigen wird auch bei nichtakzessorischen Sicherheiten eine der Bindung durch Akzessorietät vergleichbare Bindung dadurch geschaffen, dass dem Sicherungsgeber bei entsprechenden Mängeln im Kausalgeschäft dauerhafte Einreden aus einer Sicherungsabrede gegen den Sicherungsnehmer gewährt werden.

b)

Die eingangs genannten Grundsätze können aber auch in einer zweiten Hinsicht erweiternd angewendet werden, dann nämlich, wenn - zumindest bei einer Gesellschaft mit nur wenigen Gesellschaftern - ein Gesellschafter zwar nicht vollständig aus der Gesellschaft ausscheidet, seinen zuvor über eine Splitterbeteiligung hinausgehenden Anteil aber so drastisch reduziert, dass die Identität seiner Interessen mit denen der "lebenden", also wirtschaftenden Gesellschaft künftig entfällt und sich seine Interessen faktisch allein auf sein - künftiges - Abfindungsguthaben richten. Dieses Interesse kann der erweiterten Anwendung schon deshalb nicht entgegenstehen, weil auch im anerkannten Bereich der Analogie zu § 775 BGB der Gesellschafter-Bürge bei seinem Ausscheiden ja in aller Regel ein Abfindungsguthaben erhält und dieser Umstand bislang - soweit ersichtlich - noch nicht Anlass gewesen ist, an der Rechtsfolge des Befreiungsanspruchs zu zweifeln. Ausschlaggebend für die Anerkennung der genannten Erweiterung muss vielmehr sein, dass der seinen Anteil auf ein rechnerisches Minimum reduzierende Gesellschafter, läge zwischen ihm und der Gesellschafter eine "echter" Auftragsvertrag vor, diesen außerordentlich (§ 671 Abs. 3 BGB) kündigen und damit die Ersatzpflicht der Gesellschaft gemäß § 670 BGB, die auch einen Befreiungsanspruch nach § 257 BGB umfasst (Palandt-Sprau a.a.O., § 670 Rdnr. 2), auslösen könnte.

In diesem Sinne liegen die Dinge hier. Die Kläger sind im Zuge der Kapitalerhöhung 2003 zwar nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden, indes zu Minderheitsgesellschaftern mit nur marginalen Splitterbeteiligungen von zusammen unter 1/10 % (0,06 %) geworden. Damit stehen sie seitdem, mögen sie auch nach wie vor gewisse Gesellschafterrechte - wie insbesondere gemäß § 51 a GmbHG - haben, ausgeschiedenen Gesellschaftern faktisch gleich. Diese Wertung setzt sich nicht, wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2008 geltend macht, in Widerspruch zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages. Zum einen sind die den Klägern danach noch zustehenden Mitwirkungs- und Stimmrechte von geringerem Gewicht, als vom Beklagten vorgetragen; denn nach § 7 Abs. 2 der Satzung erfordert die Beschlussfähigkeit einer Gesellschafterversammlung nicht in jedem Falle - nämlich nicht bei einer Wiederholungsversammlung - die Anwesenheit aller Gesellschafter, und auch die dort in Abs. 3 genannten Grundlagenbeschlüsse bedürfen lediglich der Zustimmung aller anwesenden (nicht: aller) Gesellschafter. Zum anderen und vor allem aber lassen die aufgezeigten verbliebenen Rechte den Umstand nicht entfallen, dass der für die Entwicklung des eingangs beschriebenen Anspruchs durch die Rechtsprechung maßgebliche Umstand auch hier gegeben ist, nämlich das Entfallen der Identität der wirtschaftlichen persönlichen Interessen mit den - der Natur nach wirtschaftlichen - Interessen der Gesellschaft. Auf die operative wirtschaftliche Tätigkeit der GmbH und damit auf die Jahresergebnisse haben die Kläger keinerlei Einfluss mehr, positive Ergebnisse können ihre Vermögenslage nicht mehr nennenswert verbessern. Ihr Interesse besteht faktisch einzig im Erhalt einer möglichst günstigen Abfindung im Falle ihres gänzlichen Ausscheidens in der Zukunft. Die Vereinbarung eines der marginalen Beteiligung nicht entsprechenden, viel höheren "Anteils am Abfindungsguthaben" von zusammen 26,6 % steht dabei dieser Bewertung nicht entgegen. Hieraus mag zwar ein Argument dagegen abgeleitet werden können, den Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Gesellschafter nach einem Anteil von nur 0,06 % zu bemessen, weil im Verhältnis zu diesen die Kläger im Falle der Abfindung für ihre Anteile an den wohl ganz im Vordergrund stehenden stillen Reserven (vgl. den Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen der Kläger in Anl. K 45) eben mit mehr als einem Viertel beteiligt sind. Diese Erwägung spielt jedoch im Verhältnis der Kläger zur Gesellschaft, der die "Gewichtung" der Gesellschafter zueinander im vorliegenden Zusammenhang gleichgültig sein kann, keine Rolle.

Der verbleibende rechnerische Unterschied zwischen einem vollständigen Ausscheiden eines Gesellschafters und einer Reduzierung seines Anteils auf 6/100stel % vermag dadurch berücksichtigt zu werden, dass Befreiung von der durch die Sicherheitshingabe begründeten Schuld nur in Höhe von 99,94 % verlangt werden kann.

c)

Nach den eigenen Darlegungen des Beklagten haben sich die Vermögensverhältnisse der GmbH, vor allem durch gravierende Leerstände von Mietflächen, seit 1998 so wesentlich verschlechtert, dass die Gesellschaft ihren Schuldendienst nicht mehr erbringen konnte, § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB analog. Zugleich legt der Beklagte dar, die Gesellschaft als Hauptschuldnerin sei mit der Bedienung der Darlehen in Verzug, § 775 Abs. 1 Nr. 3 BGB analog.

Diejenigen 0,06 %, die den Klägern trotz Befreiung an Haftung verbleiben, haben sie zutreffend mit 466,30 € berechnet, und diese hat der Beklagte im Wege der Zwangsvollstreckung bereits erhalten. Dem diesbezüglichen Vorbringen der Kläger ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

2.

Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles muss sich der Beklagte so behandeln lassen, als könnten die Kläger diese Befreiung von ihm selbst verlangen.

Dabei mag auf sich beruhen, ob dieses Ergebnis aus der gesellschafterlichen Treuepflicht folgt. Selbst wenn man allein den Rechtsfolgen geringeren Umfangs auslösenden Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB heranzieht, ist die vorstehende Betrachtungsweise gerechtfertigt.

In diesem Zusammenhang sind bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die vom Beklagten persönlich und die von - wie unstreitig ist - "seiner" GmbH, der T. H. GmbH, gehaltenen Geschäftsanteile einheitlich zu würdigen; aus diesem Grunde kommt der von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 16. Juni 2008 angeführten Übertragung von Geschäftsanteilen durch Abtretung von ihm an jene GmbH, die bei wirtschaftlicher Betrachtung eine bloße Verlagerung der Inhaberschaft innerhalb derselben "Hand" darstellt, keine Bedeutung zu. Nachdem der Beklagte sich durch den Erwerb der Darlehensforderungen der HauptgIäubigerin der Gesellschaft zu deren maßgeblichem Gläubiger gemacht und in der Folgezeit - bei wirtschaftlicher Betrachtung - den nicht mehr werthaltigen Teil jener Forderungen für eine Kapitalerhöhung eingesetzt hatte, durch die (in dem soeben bezeichneten Sinne) er faktisch zum Alleingesellschafter wurde, trat er den Klägern tatsächlich in erster Linie nicht mehr als Mitgesellschafter, sondern als Darlehensgläubiger gegenüber, der sich der GmbH, für deren Verbindlichkeiten die Kläger in der Vergangenheit Sicherheiten begeben hatten, als des Mittels zum Schuldendienst bediente. Aus der berechtigten Sicht der Kläger besicherten sie nunmehr die Darlehensforderungen nur noch formal im Interesse der GmbH, materiell aber - wegen der Identität der Stellungen von faktischem Alleingesellschafter und Hauptgläubiger - allein im Interesse des Beklagten. Dem entspricht es, ihnen einen Befreiungsanspruch unmittelbar gegen den Beklagten zu einzuräumen.

Dadurch wird nicht (im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung) "leichtfertig und schrankenlos" über die Rechtsform der juristischen Person hinweggegangen. Es ist anerkannt, dass eine Durchbrechung des Trennungsprinzips in Form des Durchgriffs erfolgen kann, falls eine Berufung auf diese Trennung gegen Treu und Glauben verstößt (Baumbach/Hopt - Hueck/Fastrich, HGB, 18. Aufl. 2006, § 1 Rdnr. 57). Zumindest bei dieser Fallgruppe kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Durchgriff im Rahmen einer reinen Außenrechtsbeziehung (zwischen Gesellschaftsgläubigern und Gesellschaft bzw. eben Gesellschafter) oder einer Innenrechtsbeziehung (wie hier zwischen Minderheitsgesellschafter und Gesellschaft bzw. eben Gesellschafter) stattfindet. Schließlich kann keine Rede davon sei, der hier vertretene Standpunkt führe zu einer faktischen Nachschusspflicht des Beklagten; es geht allein darum, dass ihm der Zugriff auf bestimmte Sicherheiten verwehrt wird.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die vorliegende Entscheidung beruht tragend auf den Erwägungen, der in Analogie zu § 775 BGB entwickelte Befreiungsanspruch des Gesellschafter-Bürgen könne in den oben unter B. dargestellten zweierlei Hinsichten erweiternd angewandt werden und sich zudem nicht nur gegen die Gesellschaft selbst, sondern unter Umständen auch gegen einen einzelnen Gesellschafter richten. Hiermit geht - soweit ersichtlich - der Senat über den gesicherten bisherigen Stand der Rechtsprechung hinaus.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 777.163,66 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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