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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.12.2005
Aktenzeichen: I-3 VA 10/05
Rechtsgebiete: EGGVG, VwGO, SAG-GVG, GVG, FGG, BeurkG, ArbGG, SGG, GaststättenG, GewO


Vorschriften:

EGGVG § 23
EGGVG § 23 Abs. 1
EGGVG § 29 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 40
VwGO § 40 Abs. 1
VwGO § 55
VwGO § 179
SAG-GVG § 6 Abs. 2
SAG-GVG § 6 Abs. 3
GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 2
GVG § 189 Abs. 2
FGG § 8
BeurkG § 16 Abs. 3
ArbGG § 9 Abs. 2
SGG § 61 Abs. 1
GaststättenG § 4 Abs. 1 Nr. 1
GewO § 35
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Verfahren wird an das Verwaltungsgericht D. verwiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 wurde als Dolmetscher für verschiedene Sprachen vor dem Präsidenten des Landgerichts D. allgemein vereidigt und in das von der Beteiligten zu 2 geführte Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer eingetragen. Die Beteiligte zu 2 stellte fest, dass der Beteiligte zu 1 sich in einem von ihm verwendeten Briefbogen auch als "ermächtigter Übersetzer" bzw. "Authorised Translator" bezeichnete. Daraufhin untersagte die Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 1 mit Schreiben vom 01.10.1993 die Verwendung dieser Bezeichnung. Der Antrag des Beteiligten zu 1, ihn zur Bescheinigung der Richtigkeit und Vollständigkeit von ihm gefertigter Übersetzungen zu ermächtigen, wurde von der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen, weil der Beteiligte zu 1 den Nachweis einer erheblich überdurchschnittlichen fachlichen Qualifikation nicht erbrachte. In verschiedenen Schreiben verwendete der Beteiligte zu 1 nachfolgend weiter die oben beschriebenen Briefbögen. Unter dem 12.11.2004 hat die Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 1 mitgeteilt, dass wegen fehlender persönlicher Eignung seine Eintragung als Dolmetscher in dem Verzeichnis gestrichen und ihm das Recht abgesprochen werde, sich auf die geleisteten allgemeinen Eide zu berufen. Gegen diesen Bescheid hat der Beteiligte zu 1 Widerspruch eingelegt, der von der Beteiligten zu 2 mit Bescheid vom 02.08.2005 zurückgewiesen worden ist. Der Beteiligte wendet sich hiergegen mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 01.09.2005. Der Beteiligte zu 1, der vorrangig eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als gegeben sieht, macht in der Sache geltend: Die Streichung aus der Liste stelle einen unzulässigen Eingriff in seine Berufsfreiheit aus Art. 12 GG dar. Die Verwendung der von der Beteiligten zu 2 beanstandeten Briefbögen sei allenfalls wettbewerbsrechtlich relevant, seine persönliche Eignung für eine Dolmetschertätigkeit werde hierdurch hingegen nicht beeinträchtigt. Der Beteiligte zu 1 beantragt, den Erstbescheid der Beteiligten zu 2 vom 12.11.2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005 aufzuheben; hilfsweise; das Verfahren an das Verwaltungsgericht D. zu verweisen. Die Beteiligte zu 2 beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfahrensakte und die Akte der Beteiligten zu 2 zu dem Verwaltungsvorgang 316 E - 6.963 Bezug genommen. II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig. Die Streichung aus der Liste der Dolmetscher und Übersetzer und das Verbot, sich auf einen allgemein geleisteten Eid zu berufen, stellen keine Justizverwaltungsakte gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG dar. Es handelt sich vielmehr um eine Streitigkeit, für die nach § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. 1. Die Frage, ob die Beeidigung von Dolmetschern und die Aufnahme in die entsprechende Liste als Justizverwaltungsakt anzusehen ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur umstritten. a) Das OLG Saarbrücken hat in einem Beschluss vom 25.04.2005 - 1 VA 1/05 - (BeckRS 2005 08063) festgestellt, bei der Entscheidung des Landgerichtspräsidenten, einen Antrag auf eine allgemeine Vereidigung als Dolmetscher und Übersetzer und damit zugleich eine Aufnahme in die Liste der allgemein vereidigten Dolmetscher oder Übersetzer zurückzuweisen, handele es sich um einen Justizverwaltungsakt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die allgemeine Vereidigung eines Dolmetscher oder Übersetzers und seine Aufnahme in die Liste belegten nicht nur, dass eine Prüfung der hierfür von § 6 Abs. 2, 3 SAG-GVG geforderten Voraussetzungen erfolgt sei, sondern hätten darüber hinaus unmittelbaren Bezug zum zivilrechtlichen Beurkundungsrecht und zum gerichtlichen Verfahrensrecht; bei gerichtlichen Verfahren bedürfe es nämlich nach § 189 Abs. 2 GVG keiner Vereidigung eines Dolmetschers, wenn dieser sich auf den allgemein geleisteten Eid beziehe; gleiches gelte gemäß § 8 FGG für Verfahren auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit; hinsichtlich des notariellen Beurkundungsverfahrens sei auf § 16 Abs. 3 BeurkG zu verweisen; die Eintragung eines Dolmetschers oder Übersetzers in der Liste bewirke daher eine Vereinfachung seiner Einschaltung bei Verhandlungen vor den Gerichten und Notaren; sie entfalte darüber hinaus auch insoweit unmittelbare Außenwirkung, als es sich bei ihr um einen Umstand handele, dem bei der Auswahl eines Dolmetschers oder Übersetzers durch die Gerichte und Notare erstrangige Bedeutung zukomme. Das OLG Saarbrücken hat sich damit einer Entscheidung des OLG Frankfurt (NJW-RR 1999, 646) angeschlossen, das in der Zurückweisung eines Antrags auf die allgemeine Vereidigung als Dolmetscher ebenfalls einen Justizverwaltungsakt sieht. Hierbei hat das OLG Frankfurt darauf abgestellt, dass die allgemeine Verpflichtung eines Dolmetschers ihren Ursprung im Bereich des gerichtlichen Verfahrens- und Beurkundungsrechts habe, was sich auch aus den einschlägigen Erlassen des Hessischen Justizministeriums ergebe; Ziel sei eine Verfahrensvereinfachung, wie §§ 189 Abs. 2 GVG , 8 FGG, 16 Abs. 3 BeurkG zeigten; die allgemeine Vereidigung von Dolmetschern wirke zwar auch für die Verfahren der Fachgerichtsbarkeiten vereinfachend, jedoch gehe dadurch die Anknüpfung an den beschriebenen Regelungsursprung nicht verloren. Die dargestellte Einschätzung wird, wenn auch überwiegend ohne nähere Begründung, auch in der Literatur vertreten (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 4. A., § 23 EGGVG Rn. 116). b) Andere sehen in der allgemeinen Beeidigung von Dolmetschern hingegen keinen Justizverwaltungsakt (OLG Celle NdsRpfl 1993, 295; VG Stuttgart Justiz 1979, 411; Zöller-Gummer, ZPO, 25. A., § 23 EGGVG Rn. 4; Wolf in Mü-Komm-ZPO, 2. A., § 23 EGGVG Rn. 32). Das OLG Celle führt in der genannten Entscheidung, in dem Verfahrensgegenstand die Streichung aus der Liste der allgemein beeidigten Dolmetscher war, zur Begründung aus, dass die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern keine Maßnahme auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege sei; in den Fällen des § 23 EGGVG sollten ausnahmsweise die Oberlandesgerichte anstelle der Verwaltungsgerichte entscheiden, weil sie die größere Sachnähe besäßen; für die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und dementsprechend auch die Streichung aus der Dolmetscherliste lasse sich eine solche größere Sachnähe nicht feststellen; deshalb greife die als Ausnahmeregelung ohnehin eng auszulegende Bestimmung des § 23 EGGVG hier nicht ein; die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern sei keine Besonderheit der ordentlichen Gerichtsbarkeit; § 189 Abs. 2 GVG erwähne zwar die allgemeine Beeidigung, diese Bestimmung gelte aber in den Verfahrensordnungen der Spezialgerichtsbarkeiten entsprechend (§ 9 Abs. 2 ArbGG, § 55 VwGO, § 61 Abs. 1 SGG, § 52 Abs. 1 FGO); sachlich sei die allgemeine Beeidigung ohnehin landesrechtlich geregelt; die in Niedersachsen geltende AV des Niedersächsischen Ministeriums der Justiz sehe vor, dass die Dolmetscher "für die Gerichte und Notare des Landgerichtsbezirks" allgemein beeidigt würden; diese allgemeine Beeidigung gelte dementsprechend auch für Verfahren vor den Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichten des jeweiligen Bezirks; wer vom Präsidenten des LG als Dolmetscher allgemein beeidigt werde, sei also nicht nur allgemein beeidigter Dolmetscher für die Gebiete des bürgerlichen Rechts und des Strafrechts; die allgemeine Beeidigung stelle auch nicht deshalb eine Maßnahme auf den in § 23 EGGVG genannten Gebieten dar, weil in Niedersachsen der Präsident des LG für die allgemeine Beeidigung zuständig sei; als Justizverwaltungsbehörde treffe der Präsident des LG eine Vielzahl von Maßnahmen, die unzweifelhaft rein öffentlich-rechtlicher Natur seien; dass er als Präsident der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch für die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern zuständig sei, habe vor allem historische Gründe und beruhe nicht darauf, dass die allgemeine Beeidigung eine spezielle Angelegenheit der ordentlichen Gerichtsbarkeit sei; dies zeige sich z.B. darin, dass in Hamburg nicht der Präsident des LG, sondern die Behörde für Inneres für die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern zuständig sei (vgl. Gesetz über die öffentliche Bestellung und allgemeine Vereidigung von Dolmetschern und Übersetzern vom 23. 9. 1986); die Entscheidung über die allgemeine Beeidigung werfe auch materiell-rechtliche Fragen auf, die nicht speziell zivil- oder strafrechtlicher Natur seien, sondern sich zumindest in gleicher Intensität im öffentlichen Recht stellten; auch deshalb könne das Argument der Sachnähe nicht den Ausschlag für eine Zuständigkeit des OLG geben; die allgemeine Beeidigung habe Berührungspunkte mit der Problematik der Berufsausübung; die Entscheidung hänge wesentlich von der fachlichen und persönlichen Eignung des jeweiligen Antragstellers ab; Verwaltungsgerichte aber seien regelmäßig mit Fällen befasst, in denen es um die persönliche Zuverlässigkeit gehe (z. B. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GaststättenG, § 35 GewO, § 15 e Abs. 1 Nr. 2 StVZO). c) Für den Fall, dass es - wie hier - um die Streichung aus der Liste der Dolmetscher und Übersetzer und die Untersagung, sich auf den geleisteten allgemeinen Eid zu berufen, geht, schließt sich der Senat der letztgenannten Auffassung an. Zur Begründung kann zunächst auf die dargestellten Ausführungen des OLG Celle verwiesen werden. Es ist festzustellen, dass Ausgangspunkt für die Beantwortung der Rechtswegfrage § 40 Abs. 1 VwGO bleibt, wonach in der Regel die Entscheidung über öffentlichrechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art den Verwaltungsgerichten zugewiesen ist. Die durch §§ 179 VwGO, 23 ff. EGGVG begründete Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auf den in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Gebieten ist eine Ausnahmeregelung. Diese greift nur, wenn die angegriffene Maßnahme auf den genannten Gebieten getroffen wurde, es ist hingegen nicht ausreichend, dass sich für Verfahren dieser Art tatsächlich Auswirkungen ergeben (vgl. BGH NJW 1989, 587, 588; Zöller-Gummer a.a.O. Rn. 2). Damit reichen die Auswirkungen einer allgemeinen Beeidigung eines Dolmetschers und der Aufnahme in eine Liste beispielsweise auf den Zivilprozess, wie sie sich aus § 189 Abs. 2 GVG ergeben, gerade nicht aus, um Maßnahmen der landesrechtlich zuständigen Gerichtspräsidenten (AV des JM vom 08.04.1988 (3162- I B.3)- JMBl. NW S.97) auf diesem Gebiet als Justizverwaltungsakte einzustufen. Kern der vorliegenden Auseinandersetzung ist auch nicht, ob und inwieweit der Beteiligte zu 1 durch die Streichung aus der Liste in seiner Tätigkeit als Dolmetscher vor den Gerichten an sich beschränkt wird. Insoweit weist die Beteiligte zu 2 vielmehr zutreffend darauf hin, dass auch nach der Streichung der Beteiligte zu 1 weiter als Dolmetscher vor Gericht auftreten darf, er ist nur jeweils einzeln zu beeidigen. Der Beteiligte zu 1 beruft sich vielmehr allgemein darauf, dass er durch die Streichung aus der Liste ohne gesetzliche Grundlage, in seiner Berufsfreiheit rechtswidrig beschränkt werde. Die Klärung dieser grundsätzlichen, von den in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Angelegenheiten völlig losgelösten Frage ist Aufgabe der Verwaltungs- und nicht der ordentlichen Gerichtsbarkeit. 2. Der Senat muss die Sache nicht wegen der genannten Entscheidungen des OLG Saarbrücken und OLG Frankfurt nach § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG dem BGH vorlegen. Die beiden Beschlüsse betreffen nicht - wie hier - eine Streichung aus der Liste der Dolmetscher, sondern die Ablehnung der allgemeinen Beeidigung und der Aufnahme in die Liste, also einen anderen Sachverhalt. Gleiches gilt für die nicht veröffentlichte Entscheidung des OLG Frankfurt vom 28.11.1978 - 20 VA 6/78 -, deren Inhalt vom OLG Celle in der oben genannten Entscheidung dargestellt wird und die nicht - wie hier - einen Dolmetscher, sondern einen Übersetzer betrifft. Eine Vorlage ist auch deshalb nicht geboten, weil die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern im wesentlichen landesrechtlich geregelt ist. 3. Weil das OLG unzuständig ist, ist der Rechtsstreit in analoger Anwendung des § 17 a Abs. 2 GVG und entsprechend dem Hilfsantrag des Beteiligten zu 1 an das örtlich zuständige VG zu verweisen. Auch im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG ist § 17 a GVG entsprechend anwendbar (vgl. Zöller-Gummer a.a.O. Rn. 28, m.w.N.). Die Interessenlage der Beteiligten ist mit den dort ausdrücklich geregelten Fällen identisch. Eine gesonderte Anhörung der Beteiligten zu der (beabsichtigten) Verweisung war entbehrlich, weil der Beteiligte zu 1 in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ausführlich dargelegt hat, dass er dazu neige, eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte anzunehmen und einen entsprechenden Hilfsantrag gestellt hat und die Beteiligte zu 2 hierzu bereits in ihrer Antragserwiderung Stellung genommen hat.

Ende der Entscheidung

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