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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.09.2008
Aktenzeichen: I-3 Wx 110/08
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
BGB § 1004
BGB § 1027
Die einem Wohnungseigentümer durch die Teilungserklärung im Wege einer Sonderberechtigung zur Ausübung überlassene Grunddienstbarkeit zur Errichtung und Nutzung von 2 Pkw-Abstellplätzen einschließlich der dafür erforderlichen Rangierfläche auf dem Nachbargrundstück gewährt kein Sondernutzungsrecht und deshalb keine die Grenzen der Dienstbarkeit überschreitenden Abwehrrechte (hier: Begehen bzw. Mitbenutzung einer Fahrradkammer und einer Müllbox).
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

I-3 Wx 110/08

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft S.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 25. April 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und von W. am 9. September 2008

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts wird geändert.

Das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 6 wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens bis zur Zurückverweisung tragen die Beteiligten zu 1; die nach Zurückverweisung entstandenen gerichtlichen Kosten fallen den Beteiligten zu 1 und 6 zur Last.

Außergerichtliche Kosten werden im gesamten Verfahren nicht erstattet.

Wert: 3.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft S. 228 bis 228 e. Diese Wohnanlage besteht aus 6 reihenhausähnlich gestalteten Einheiten. Der WEG stehen an der Nachbarparzelle (Flur 39, Flurstück 597) verschiedene Grunddienstbarkeiten zu, wovon eine als "Stellfläche und Wendeplatz" bezeichnet ist. Gemeinsam mit den Beteiligten zu 6, den Rechtsnachfolgern der zunächst mitberechtigten Eheleute W., haben die Beteiligten zu 1 das ausschließliche Recht zur Nutzung dieser Grunddienstbarkeit an der Nachbarparzelle Flur 39, Flurstück 597.

Seit Beginn der Wohnungseigentümergemeinschaft haben die Mitberechtigten den übrigen Miteigentümern erlaubt, auf der als Wende- und Kfz-Abstellplatz genutzten Fläche jeweils Boxen zur Unterbringung von Fahrrädern und Abfalltonnen zu nutzen. Dementsprechend nutzen sämtliche Miteigentümer auf dieser Fläche Boxen zum Abstellen von Fahrrädern und der Abfallbehälter. Nachdem es in den Jahren 2004 und 2005 zwischen den Beteiligten zu 1 und den Beteiligten zu 2 zu Differenzen über die Inanspruchnahme der vorbezeichneten Fläche durch die Beteiligten zu 2, insbesondere zu Streitigkeiten über Verkehrssicherungs- und Haftpflichten der Beteiligten zu 1 sowie Instandsetzungskosten gekommen war, haben die Beteiligten zu 1 gegenüber den Beteiligten zu 2 gerichtlich geltend gemacht und beantragt, es den Beteiligten zu 2 bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes zu untersagen, ohne Zustimmung der Beteiligten zu 1 und 6 auf dem Grundbesitz, Gemarkung H., Flur 39, Flurstück 597, eingetragen im Grundbuch von H., Blatt X, eine Fahrradkammer, eine Müllbox sowie eine gelbe Tonne zu unterhalten.

Die Beteiligten zu 2 haben beantragt,

das Gesuch abzulehnen.

Sie haben insbesondere vorgebracht, das allein gegen sie gerichtete Nutzungsverbot beruhe auf unzulässiger Rechtsausübung.

Das Amtsgericht hat mit am 14. Juni 2006 verkündetem Beschluss den Antrag zurückgewiesen, weil das geltend gemachte Verbot der Nutzung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) verstoße und eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstelle.

Hiergegen haben sich die Beteiligten zu 1 mit der sofortigen Beschwerde gewandt, mit der sie ihr erstinstanzliches Verbotsbegehren weiter verfolgt haben. Sie haben gemeint, dass sie die (unter anderem) den Beteiligten zu 2 eingeräumte Gestattung der Mitbenutzung auch nach so langer Zeit, nämlich mehr als 19 Jahren, widerrufen dürften, nachdem die Beteiligten zu 2 durch die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegenüber den Beteiligten zu 1, aber auch durch ihr im Übrigen an den Tag gelegtes Verhalten sich als "nicht gemeinschaftsfähig" erwiesen hätten.

Die Beteiligten zu 1 haben beantragt,

unter Änderung des amtsgerichtlichen Beschlusses

nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

Die Beteiligten zu 2 haben den angefochtenen Beschluss verteidigt. Sie haben das Vorgehen der Beteiligten zu 1 weiter für rechtsmissbräuchlich gehalten.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 18. Februar 2007 den amtsgerichtlichen Beschluss geändert und den Beteiligten zu 2 bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,- Euro untersagt, ohne Zustimmung der Beteiligten zu 1 und 6 auf dem Grundbesitz, Gemarkung H:, Flur 39, Flurstück 597, eingetragen im Grundbuch von H., Blatt X, eine Fahrradkammer, eine Müllbox sowie eine gelbe Tonne zu unterhalten.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde haben die Beteiligten zu 2 ihr ursprüngliches Zurückweisungsbegehren weiterverfolgt.

Der Senat hat am 23. Mai 2008 den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Beteiligten zu 1 und 6 haben nunmehr beantragt,

den Beteiligten zu 2 bei Meidung eines vom Gericht jeweils festzusetzenden Ordnungsgeldes zu untersagen, ohne Zustimmung der Beteiligten zu 1 und 6 den Grundbesitz, Gemarkung H., Flur 39, Flurstück 597, eingetragen im Grundbuch von H., Blatt X, zu begehen und die auf diesem Grundstück befindliche Fahrradkammer, Müllbox sowie gelben Tonnen zu nutzen.

Die Beteiligten zu 2 haben weiter die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt.

Auch sie haben im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen in der Beschwerdeinstanz wiederholt; sie haben das Unterlassungsbegehren unverändert für schikanös gehalten und haben gemeint, dass die Beteiligten zu 1 und 6 die vom Oberlandesgericht der Aufhebung der Beschwerdeentscheidung der Kammer zugrunde gelegten Gesichtspunkte und Fragen nicht hinreichend klargestellt bzw. beantwortet hätten.

Das Landgericht hat am 25. April 2008 auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 (und 6) den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 14. Juni 2006 geändert und dahin neu gefasst, dass den Beteiligten zu 2 bei Meidung eines vom Gericht jeweils festzusetzenden Ordnungsgeldes untersagt wird, ohne Zustimmung der Beteiligten zu 1 und 6 den Grundbesitz, Gemarkung H., Flur 39, Flurstück 597, eingetragen im Grundbuch von H., Blatt X, zu begehen und die auf diesem Grundstück befindliche Fahrradkammer, die Müllbox sowie die gelben Tonnen zu nutzen.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 2 mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 1 und 6 entgegen treten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 62 Abs. 1 WEG, § 45 Abs. 1 Satz 1 a. F. WEG; §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat in der Sache Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung ist nicht frei von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern im Sinne des § 27 FGG.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, den Beteiligten zu 2 sei die Nutzung der Fahrradbox und der Müllbox auf der Sondernutzungsfläche der Beteiligten zu 1 und 6 zu untersagen. Letztere, denen das Sondernutzungsrecht an der Grunddienstbarkeit betreffend das dem gemeinschaftlichen Grundstück der Beteiligten benachbarte Grundstück eingeräumt worden sei, hätten das Recht, andere Personen, auch andere Miteigentümer der Gemeinschaft - so die Beteiligten zu 2 - von der Nutzung dieser Teilfläche des Nachbargrundstücks auszuschließen. Ein Recht auf Mitnutzung sei ihnen weder ausdrücklich durch Vereinbarung noch schlüssig durch eine seitens der Beteiligten zu 1 und 6 bzw. deren Rechtsvorgängern jahrelang geübte Duldung der Mitnutzung eingeräumt worden.

Zweifel an der wirksamen Begründung des von den Beteiligten zu 1 und 6 in Anspruch genommenen Sondernutzungsrechts bestünden nicht. Dieses Recht sei ordnungsgemäß im Wohnungsgrundbuch eingetragen. Soweit das Bauträgerunternehmen im Zusammenhang mit der Fertigstellung und Übergabe der Wohnungseinheiten ohne Beachtung des Sondernutzungsrechts und zum Teil entgegen der der Teilungserklärung beigefügten Baubeschreibung Boxen für die Unterbringung von Fahrrädern und Müllgefäßen für sämtliche Miteigentümer auf der Sondernutzungsfläche errichtet hätten, begründe dies kein Mitnutzungsrecht der Beteiligten zu 2.

Auch die langjährige Übung innerhalb der Eigentümergemeinschaft dahin, dass sämtliche Miteigentümer die auf der ausschließlich den Beteiligten zu 1 und 6 - Letzteren als Rechtsnachfolgern der Eheleute W. - zur Sondernutzung zugewiesenen Teilfläche errichteten Boxen mitgenutzt haben, habe kein Nutzungsrecht zu Gunsten der Beteiligten zu 2 bis 5 begründet. Diese Mitnutzung sei auf der Basis einer lediglich tatsächlichen Duldung erfolgt.

Das wirksam begründete Sondernutzungsrecht befuge den Berechtigten dazu, Dritte, darunter auch Miteigentümer, von der Inanspruchnahme des ausschließlich dem oder den Berechtigten zugewiesenen Sondernutzungsrechts auszuschließen. Dieser Abwehranspruch ergebe sich aus der Sondernutzungsregelung unmittelbar, die Teil der Gemeinschaftsordnung sei (§ 15 Abs. 1 und 3 WEG) und dem Berechtigten, hier den Beteiligten zu 1 und 6, eine dinglich-rechtliche Position verschaffe, aus der heraus der Abwehranspruch auch in Anwendung von § 1004 BGB geltend gemacht werden könne.

ür den im Beschwerderechtszug klargestellten Unterlassungsanspruch sei es rechtlich ohne Bedeutung, in wessen Eigentum, in wessen Instandhaltungs- oder Instandsetzungslast die Boxen stehen, deren Nutzung die Beteiligten zu 1 und 6 den Beteiligten zu 2 streitig machen. Wesentlich sei allein, ob die Errichtung dieser Boxen von der verbindlichen Gemeinschaftsordnung vorgesehen seien und insoweit (auch) den Antragsgegnern zur Mitbenutzung im Rahmen einer Gebrauchsregelung gemäß § 15 WEG zur Verfügung stehen.

Soweit die Beteiligten zu 1 und 6 in ihrem zuletzt gestellten Antrag die Unterlassung einer Nutzung auch der in den Boxen abgestellten Gegenstände (hier der gelben Tonnen) bezeichnen, sei dies rechtlich nicht erheblich, weil die Beteiligten zu 1 und 6 sich mit ihrem Antrag ersichtlich nicht anmaßten, den Beteiligten zu 2 die Nutzung der Müllgefäße grundsätzlich zu verbieten oder eine bestimmte Art der Nutzung vorzuschreiben.

Der Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1 und 6 sei weder verwirkt noch wegen Verstoßes gegen das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB unwirksam.

2. Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, dass ein wirksam begründetes Sondernutzungsrecht die Beteiligten zu 1 und 6 gemäß §§ 15 Abs. 1 und 3 WEG; 1004 BGB berechtige, den Beteiligten zu 2 zu untersagen, den Grundbesitz, Gemarkung H., Flur 39, Flurstück 597, eingetragen im Grundbuch von H., Blatt X, zu begehen und die auf diesem Grundstück befindliche Fahrradkammer, die Müllbox sowie die gelben Tonnen zu nutzen.

Dies ist nicht der Fall. Denn den Beteiligten zu 1 und 6 steht ein Sondernutzungsrecht an der vorbezeichneten Nachbarparzelle nicht zu. Es besteht lediglich eine dieses Grundstück belastende, den Beteiligten zu 1 und 6 durch die Teilungserklärung im Wege einer Sonderberechtigung (nicht: "Sondernutzungsrecht") zur Ausübung überlassene Grunddienstbarkeit zur Errichtung und Nutzung von 2 Pkw-Abstellplätzen einschließlich der dafür erforderlichen Rangierfläche.

Errichtung und Benutzung der Fahrradkammer, der Müllbox und der gelben Tonne sind hiernach nicht Gegenstand der Dienstbarkeit, hinsichtlich der die Beteiligten zu 1 und 6 gegenüber den Beteiligten zu 2 ein Sonderausübungsrecht reklamieren.

b) Die Beteiligten zu 1 und 6 können aber nur abwehren, was die von ihnen ausgeübte Dienstbarkeit beeinträchtigt (§§ 1027, 1004 BGB; vgl. auch Staudinger-Mayer BGB 2002 § 1027 Rdz. 2 ff.).

Die von den Beteiligten zu 1 und 6 monierten Verhaltensweisen der Beteiligten zu 2 in Bezug auf das Flurstück 597 wirken sich indes nicht beeinträchtigend auf die Grunddienstbarkeit aus.

aa) Das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 6 ist deshalb schon von vornherein insoweit unbegründet als hiermit das Abwehr- bzw. Unterlassungsbegehren auf die gesamte Nachbarparzelle erstreckt wird, es also über die von der Grunddienstbarkeit betroffene Teilfläche hinausreicht.

bb) Der Antrag der Beteiligten zu 1 und 6 ist des Weiteren unbegründet, soweit er sich gegen das Begehen und Nutzen der Fahrradkammer, der Müllbox sowie der gelben Tonne durch die Beteiligten zu 2 wendet. Denn durch solche Aktivitäten wird die Grunddienstbarkeit und damit das Sonderausübungsrecht der Beteiligten zu 1 und 6 nicht zusätzlich beeinträchtigt.

Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn den Beteiligten zu 1 und 6 wegen des Begehens der Fläche, der Nutzung der auf diesem Grundstück befindlichen Fahrradkammer, der Müllbox sowie der gelben Tonne gerade von Seiten der Beteiligten zu 2 die beiden Abstellplätze bzw. die erforderliche Rangierfläche nicht oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung stünde. Hierfür besteht indes kein Anhalt.

Hiernach war der angefochtene Beschluss auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 zu ändern und der Antrag der Beteiligten zu 1 und 6 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 62, Abs. 1 WEG, § 47 Satz 1 a. F. WEG.



Ende der Entscheidung

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