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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.09.2007
Aktenzeichen: I-3 Wx 131/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1333
BGB § 2084
BGB § 2269 Abs. 1
BGB § 2270 Abs. 2
BGB § 2271 Abs. 2 Satz 1
Setzen Eheleute durch ein gemeinschaftliches Testament einander gegenseitig zu alleinigen Erben ein und bestimmen sie, dass nach ihrem Tode der Neffe der Ehefrau und dessen Familie "unser Vermögen erben" soll, so ist für die Frage ob der überlebende Ehegatte hierdurch gehindert ist, anderweit zu testieren, einerseits zu untersuchen, ob die Schlusserbeneinsetzung durch den überlebenden Ehegatten wechselbezüglich zu der Einsetzung seiner Person als Erbe nach seinem vorverstorbenen Ehegatten sein sollte, andererseits, ob die Schlusserbeneinsetzung durch den einen Ehegatten in Wechselbezug zu der Einsetzung der nämlichen Schlusserben durch den anderen Ehegatten steht.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 131/07

In dem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins

betreffend den Nachlass des am 01. September 2006 in Wuppertal, seinem letzten Wohnsitz, verstorbenen Max Gerd A.,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss der 06. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 09. Mai 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und von W.

am 14. September 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf das Rechtsmittel wird der angefochtene Beschluss aufgehoben.

Die Sache wird - mit Ausnahme des Ausspruchs über die Zurückweisung des Erbscheinsantrages der Beteiligten zu 1 und 2 vom 11. Dezember 2006 - zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 108.000,- EUR.

Gründe:

I.

Der Erblasser und seine am 29. Mai 1990 vorverstorbene Ehefrau, Frau Elfriede Lotte A., geborene S., waren kinderlos. Mit notariellem Erbvertrag des Notars M. aus Wuppertal (UR-Nr. 771/1974) vom 14. November 1974 haben sich beide mit erbvertraglich bindender Wirkung gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt.

Mit gemeinschaftlichem privatschriftlichem Testament vom 21. Januar 1988 setzten sie sich gegenseitig erneut, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen Erben ein. Ferner bestimmten sie, dass nach ihrem Tode

"unser Neffe Rolf J., geb. 14.03.1947 und seine Familie z. Zt. wohnhaft ..., unser Vermögen erben [soll]".

Der Beteiligte zu 1 ist ein Neffe der Ehefrau des Erblassers. Er war zum damaligen Zeitpunkt bereits mit der Beteiligten zu 2 verheiratet, ihre Abkömmlinge, die Beteiligten zu 3 und 4, waren geboren.

Zwischen dem Erblasser und seiner vorverstorbenen Ehefrau einerseits und der Familie J. andererseits bestand über lange Jahre ein enges familiäres und bekanntschaftliches Einvernehmen.

Nach dem Tode seiner Ehefrau nahm der Erblasser eine neue Beziehung zu Ilse F., der Mutter der Beteiligten zu 5 und 6, auf, mit der er bis zu deren Tod im Dezember 2005 in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebte.

Durch handschriftliches Testament vom 02. Juni 2006 "vermachte" der Erblasser sein Vermögen den Beteiligten zu 5 und 6 mit der Auflage, seine Grabstätte für 20 Jahre in Dauerpflege zu geben. Gleichzeitig verfügte er, dass der Beteiligte zu 1 30.000,- Euro sowie die goldene Armbanduhr erhalte.

Mit notariellem Erbscheinsantrag des Notars W. aus Wuppertal vom 11. Dezember 2006 haben die Beteiligten zu 1 und 2 beantragt,

ihnen einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der sie und ihre Abkömmlinge, die Beteiligten zu 3 und 4, zu gleichen Teilen, also zu je 1/4 Anteil, als Miterben ausweist.

Sie haben sich auf das privatschriftliche gemeinschaftliche Testament des Erblassers mit seiner vorverstorbenen Ehefrau vom 21. Januar 1988 berufen und die Auffassung vertreten, durch den Tod der vorverstorbenen Ehefrau sei dieses Testament für den Erblasser bindend geworden. Die Anordnungen des Testaments vom 02. Juni 2006 seien daher nicht wirksam.

Das Amtsgericht hat am 15. März 2007 angekündigt, den beantragten gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB sei eine Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Erblassers durch die vorverstorbene Ehefrau mit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 bis 4 anzunehmen, weil der Beteiligte zu 1 und seine Familie der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers verwandtschaftlich verbunden gewesen und Umstände, die für ein anderes Auslegungsergebnis sprächen, nicht zutage getreten seien.

Hiergegen haben sich die Beteiligten zu 5 und 6 mit ihrer Beschwerde gewandt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Ausnahme der Beteiligten zu 3 am 09. Mai 2007 den angefochtenen Vorbescheid aufgehoben und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom 11. Dezember 2006 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, der die Beteiligten zu 5 und 6 mit dem Antrag entgegen treten,

die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle eiiner eigenen Entscheidung des Landgerichts Wuppertal zum Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom 12. Dezember 2006 das Amtsgericht Wuppertal angewiesen wird, den entsprechenden Erbscheinsantrag abzulehnen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 hat mit den aus dem Beschlusseingang ersichtlichen Folgen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgericht auf einer Rechtsverletzung (§ 27 FGG) beruht.

1.

Als rechtlich fehlerhaft erweist sich die Entscheidung der Kammer zunächst insoweit als sie den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom 11. Dezember 2006 zurückgewiesen hat. Wird gegen einen Vorbescheid Beschwerde eingelegt, so darf das Landgericht nicht auch einen Erbscheinsantrag abweisen (OLG Hamm FamRZ 2007, 678; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Auflage 2003 § 84 Rdz. 2).

Auch für die von den Beteiligten zu 5 und 6 begehrte Anweisung an das Amtsgericht, den Erbscheinsantrag zurückzuweisen, ist von vornherein kein Raum.

Mit der Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 15. März 2007 und damit im Rahmen der weiteren Beschwerde dem Senat ist als Verfahrensgegenstand nur die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Vorbescheides angefallen, nicht aber die Entscheidung über den von den Beteiligten zu 1 und 2 gestellten Erbscheinsantrag vom 11. Dezember 2006. Hiernach kann der Senat nicht abschließend über diesen Antrag entscheiden (vgl. OLG Hamm FamRZ 2007, 159). Die angefochtene Entscheidung der Kammer ist in diesem Punkt aufzuheben.

2.

Soweit das Landgericht den angefochtenen Vorbescheid aufgehoben hat, beruht die Entscheidung ebenfalls auf einer Rechtsverletzung, §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 546 ZPO.

a)

Die Kammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt, das gemeinschaftliche Testament des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau vom 21. Januar 1988 sei dahin auszulegen, dass die Beteiligten zu 1 bis 4 als Schlusserben des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt worden seien (§ 2269 Abs. 1 BGB). Ein Hinweis dafür, ob die Einsetzung der Beteiligten zu 1 - 4 als Schlusserben durch den Erblasser wechselbezüglich zu seiner Einsetzung durch die vorverstorbene Ehefrau habe sein sollen, lasse sich dem Wortlaut dieses gemeinschaftlichen Testaments nicht entnehmen. Enthalte indes ein gemeinschaftliches Testament eine klare und eindeutige Anordnung hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der einzelnen Verfügungen nicht, so müsse die Wechselbezüglichkeit durch Auslegung des Testaments nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ermittelt werden. Hierzu sei vorrangig der wirkliche übereinstimmende Wille der Ehegatten zu ermitteln, wobei neben der allgemeinen Lebenserfahrung alle bekannten Nebenumstände, auch solche, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, zu berücksichtigen seien. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts rechtfertigten die Umstände vorliegend hinreichend zuverlässig die Auslegung, dass die Wechselbezüglichkeit von den testierenden Ehegatten nicht gewollt gewesen sei. Der Erblasser sei deshalb nicht durch § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB gehindert gewesen, nach dem Tode seiner Ehefrau abweichend zu testieren.

Gegen einen im Willen beider Erblasser vorhandenen, die Wechselbezüglichkeit begründen Motivzusammenhang spreche zunächst, dass sich die Eheleute bereits mit dem notariellen Erbvertrag vom 14. November 1974 mit erbvertraglicher Bindung gegenseitig zu Erben eingesetzt hätten, unabhängig davon, wer dereinst gegebenenfalls als Schlusserbe eingesetzt würde. Dies hätten beide Testierende offen gelassen, offenbar, wie der Vermerk im Erbvertrag, dass sie ohne Abkömmlinge seien, zeige, gerade wegen der bestehenden Kinderlosigkeit. Angesichts dieser bindenden und ohne Bestimmung eines Schlusserben erfolgten Einsetzung des Erblassers durch seine vorverstorbene Ehefrau im Erbvertrag müsse das spätere gemeinschaftliche Testament vom 21. Januar 1988 zur Feststellung einer Wechselbezüglichkeit mit der Einsetzung der Schlusserben dahingehend auslegungsfähig sein, dass die Einsetzung des Erblassers als Erbe seiner Ehefrau nur noch mit Rücksicht auf seine Verfügung zu Gunsten der Schlusserben in diesem späteren Testament habe gelten sollen, ihr also zumindest stillschweigend nachträglich eine Bedingung im Sinne der Wechselbezüglichkeit beigefügt worden sei. Ein solcher Hinweis oder anderweitige hinreichende Anhaltspunkte dafür fehlten indes im vorliegenden Falle. Das nachvollziehbare und nahe liegende Motiv der Einsetzung der Beteiligten zu 1 - 4 als Schlusserben, wie es die Beteiligte zu 2 glaubhaft angegeben habe, sei der Umstand der engen familiären Beziehung beider Erblasser zur Familie J. und insbesondere die Kinderlosigkeit der Erblasser, gewesen, was beide Erblasser bewogen habe wegen der damals bestehenden engen Beziehung zur Familie J. und des Umstandes, dass diese bereits Kinder gehabt habe, die vom Erblasser und seiner vorverstorbenen Ehefrau wie Enkelkinder behandelt worden seien, so den Nachlass quasi in eine jüngere nahe stehende Generation weiterzugeben. Dies sei indes ein offensichtlich übereinstimmendes autonomes Motiv des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau gewesen, bei dem die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute in Wiederholung der bereits erfolgten erbvertraglichen Einsetzung keine Rolle gespielt habe, sondern lediglich die damals bestehende enge Bindung des Erblassers und seiner Ehefrau an die Familie J.. Dafür spreche auch, dass der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau ohne Berücksichtigung der tatsächlich nur zur Ehefrau bestehenden verwandtschaftlichen Beziehung im gemeinschaftlichen Testament vom 21. Januar 1988 den Beteiligten zu 1 als "unseren Neffen" bezeichnet haben und die Beteiligte zu 2 dementsprechend bekräftigt habe, dass die enge persönliche Beziehung gleichermaßen von Seiten des Beteiligten zu 1 und ihrer Seite zu beiden A.s ohne Differenzierung bestanden habe.

Auch die Vermögensverhältnisse der Ehegatten A. sprächen gegen die Annahme einer gewollten Wechselbezüglichkeit. Der wohl wertvollste Nachlassgegenstand, das Hausgrundstück A., habe zu Lebzeiten der Eheleute A. im Alleineigentum des Erblassers gestanden. Solche erheblich unterschiedlichen Vermögensverhältnisse der Ehegatten könnten ein Indiz gegen die Wechselbezüglichkeit sein. Aber auch wenn man davon ausgehe, dass die Ehegatten insoweit hinsichtlich der formellen Eigentümerstellung nicht differenzierten, ergebe sich nichts anderes. Indes lasse sich nach den Angaben der Beteiligten zu 2 feststellen, dass es an einem erkennbaren Motiv der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers gefehlt habe, etwa aus ihrer Familie stammendes Vermögen in ihrer Familie zu erhalten. Denn das Vermögen der Eheleute sei - so die Beteiligte zu 2 - von beiden gemeinsam in dem vom Erblasser betriebenen Malerbetrieb erarbeitet worden, in dem seine Ehefrau unter Aufgabe eigener Tätigkeit mitgearbeitet und die wirtschaftlichen Dinge erledigt habe.

Hiernach spreche auch die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass bestimmendes Motiv der Schlusserbeneinsetzung bei beiden Testierenden ausschließlich ihre Kinderlosigkeit und die damals bestehende enge Bindung zur Familie J. gewesen seien. Dies rechtfertige indes nicht die Annahme einer Wechselbezüglichkeit dieser Verfügung des Erblassers mit seiner Erbeinsetzung durch die vorverstorbene Ehefrau.

b)

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO) nicht stand.

Die Kammer hat zu Unrecht eine Erbenstellung der Beteiligen zu 1 und 2 - gemeinsam mit ihren Abkömmlingen, den Beteiligten zu 3 und 4 zu je 1/4 - aufgrund des Testaments vom 21. Januar 1988 verneint, weil der Erblasser durch dasselbe nicht gehindert gewesen sei - wie im Testament vom 02. Juni 2006 geschehen - anderweit zu testieren.

aa)

Zutreffend geht die Kammer zunächst davon aus, dass die die Beteiligten zu 1 bis 4 in dem gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testament vom 21. Januar 1988 als Erben nach dem Letztversterbenden eingesetzt sind.

Diese Erbeinsetzung konnte der Erblasser nach dem Tode seiner Ehefrau durch sein handschriftliches Testament vom 02. Juni 2006 nur wirksam widerrufen, wenn sie nicht wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB zu einer Verfügung seiner Ehefrau war; andernfalls war der Erblasser gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB nach dem Tode seiner Ehefrau an einem Widerruf dieser in dem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügung gehindert. Die Feststellungslast tragen insoweit die ihr Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stützenden Beteiligten zu 1-4 (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB § 2270 Rdz. 4).

Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (OLG München - 31 Wx 33/07 - vom 06.07.2007 bei Juris; - 31 Wx 108/06 - vom 16.04.2007 a.a.O.; OLG Hamm FamRZ 2004, 662). Maßgeblich ist der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BGHZ 112, 222, 223 f.). Enthält das gemeinschaftliche Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, so ist diese nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert zu ermitteln (BGH NJW-RR 1987, 1410). Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen Ehegatten eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Diese Auslegungsregel ist erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel nicht zu beseitigen sind (OLG München a.a.O.).

Die Ermittlung, ob eine Verfügung wechselbezüglich ist oder nicht, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB) vorzunehmen. Bei rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ist die Feststellung dessen, was erklärt ist, ausschließlich Sache des Tatrichters. Die tatrichterliche Auslegung von Willenserklärungen bindet das Rechtsbeschwerdegericht, solange sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist - sie muss nicht zwingend sein - mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 27 Rdz 49 mit Nachweisen). Diese Grundsätze gelten auch und gerade für die Auslegung von Testamenten, bei denen die speziellen gesetzlichen Auslegungsregeln zu beachten sind und deren Anwendung nachzuprüfen ist.

Das Recht ist auch dann verletzt, wenn in den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend gewürdigt und die Erwägungen des Tatrichters nicht nachvollziehbar dargelegt sind (BGH NJW1992, 170; 1999, 1022 f.).

bb)

Diesen Anforderungen wird die Entscheidung der Kammer nicht gerecht.

Es geht vorliegend darum, ob die Einsetzung der Beteiligten zu 1-4 als Schlusserben seitens des Erblassers - nur dessen Bindung nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB steht in Frage - wechselbezüglich ist zu einer Verfügung seiner vorverstorbenen Ehefrau. Zu fragen ist also, ob die Ehefrau des Erblassers eine dieser testamentarischen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vom 21. Januar 1988 ohne die Einsetzung der Beteiligten zu 1 - 4 als Schlusserben durch den Erblasser getroffen haben würde.

(a)

Die Kammer hat ihre Prüfung darauf beschränkt, ob die Einsetzung der Beteiligten zu 1 bis 4 als Erben nach dem Letztversterbenden durch den Erblasser wechselbezüglich zu seiner Einsetzung als Erbe der vorverstorbenen Ehefrau sein sollte. Das wäre dann der Fall, wenn die Ehefrau die Alleinerbeneinsetzung ihres Ehemannes bloß deshalb vorgenommen hätte, weil dieser wiederum die Beteiligten zu 1 bis 4 als Erben berufen hat.

Dies hat die Kammer rechtsfehlerfrei verneint.

Ohne Erfolg greifen die Beteiligten zu 1 und 2 insoweit die Würdigung der maßgeblichen Gesamtumstände an, die das Landgericht veranlasst hat, die Wechselbezüglichkeit zu verneinen.

Das Landgericht hat das gemeinschaftliche Testament vom 21. Januar 1988 zu Recht als auslegungsbedürftig angesehen, da es keine ausdrückliche Aussage zur Wechselbezüglichkeit der darin enthaltenen Verfügungen enthält.

Beanstandungsfrei hat die Kammer dem Wortlaut des Testaments vom 21. Januar 1988 für eine Wechselbezüglichkeit Anhaltspunkte nicht entnommen.

Als Indiz gegen eine Wechselbezüglichkeit im vorgenannten Sinne hat die Kammer zu Recht den Erbvertrag vom 14. November 1974 gewertet, in dem die Eheleute einander bereits ebenfalls gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Soweit die Kammer Anhaltspunkte dafür, dass die vorverstorbene Ehefrau ihren Ehemann in dem Testament vom 21. Januar 1988 nicht mehr als Alleinerben eingesetzt haben würde, wenn er nicht ebenfalls die Beteiligten zu 1 bis 4 als Erben berufen hätte, verneint hat, ist hiergegen ebenfalls nichts zu erinnern. Die Ausführungen des Landgerichts lassen insoweit - auch mit Blick auf das Beschwerdevorbringen der Beteiligten zu 1 und 2 - einen rechtlichen Fehler nicht erkennen.

Es mag sein, dass eine abweichende Würdigung und Sinngebung der Umstände - wie die Beschwerdeführer sie befürworten (die Ehefrau des Erblassers habe das gemeinsame Vermögen für die ihr und ihrem Ehemann nahe stehende Familie J. sichern wollen; der Erblasser selbst habe dieses Motiv gekannt und mit seiner Ehefrau geteilt) - zu einem ihnen günstigeren Ergebnis hätten führen können. Insoweit ersetzen die Beschwerdeführer allerdings dabei lediglich in unzulässiger Weise die Bewertung der Umstände seitens der Kammer durch ihre eigene, ohne dass in diesem Zusammenhang erkennbar wird, inwiefern die Beurteilung durch die Vorinstanz rechtsfehlerhaft sei. Dies indes ändert nichts daran, dass die mögliche Würdigung der Gegebenheiten durch das Landgericht, selbst wenn sie nicht zwingend sein sollte, zu dem genannten Teilaspekt der im Ergebnis verneinten Wechselbezüglichkeit nicht aus Rechtsgründen beanstandet werden kann.

Soweit das Landgericht den Umstand, dass die Erblasserin an bösartigem Hautkrebs erkrankt war, in seine Würdigung nicht einbezogen hat, ändert dies im Ergebnis nichts. Denn selbst wenn die Ehefrau des Erblassers für ihre Person eine lebensbedrohliche Erkrankung angenommen hätte, zwingt dies keinesfalls zu der Annahme, dass sie mit Blick hierauf ihren Ehemann in dem gemeinschaftlichen Testament nur noch (unter inhaltlicher Aufrechterhaltung der Verfügung aus dem Erbvertrag vom 14. November 1974) bedacht haben würde, wenn er ihren Neffen und dessen Verwandtschaft als Schlusserben einsetzte.

(b)

Nicht gesehen und daher ungeprüft gelassen hat die Kammer indes, dass als wechselbezügliche Verfügung zur Einsetzung der Beteiligten zu 1 - 4 als Schlusserben durch den Erblasser auch die Einsetzung der nämlichen Schlusserben durch die vorverstorbene Ehefrau in Betracht kommt. Zu fragen war hier also auch und gerade, ob die vorverstorbene Ehefrau die Beteiligten zu 1-4 nur deshalb als Erben nach dem Überlebenden bestimmt hat, weil dies ihr Ehemann auch getan hat.

Der in dem Unterlassen dieser Abwägung liegende rechtliche Fehler der Kammer würde dann nicht zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache führen, wenn der Senat als Rechtsbeschwerdegericht die erforderliche Auslegung selbst vornehmen könnte, weitere Ermittlungen hierzu nicht geboten wären und sich die Annahme des Landgerichts, der Erblasser sei an seine Schlusserbenbestimmung im gemeinschaftlichen Testament vom 21. Januar 1988 nicht gebunden gewesen, als im Ergebnis zutreffend erwiese (§ 27 FGG i.V.m § 563 ZPO). Dies lässt sich indes nicht sagen.

Denn nach Angabe der Beteiligten zu 2 bei ihrer Anhörung vom 25. April 2007 wussten bei der Abfassung des gemeinschaftlichen Testaments vom 21. Januar 1988 sowohl der Erblasser als auch seine Ehefrau, dass diese an einem bösartigen Hautkrebs litt. Dieser Umstand hätte der Kammer Anlass geben müssen - z. B. durch Anhörung der Beteiligten zu 2 auch hierzu bzw. Vernehmung des damaligen Hausarztes der Ehefrau des Erblassers - nachzuforschen (§ 12 FGG), ob diese - wie es die Beteiligten zu 1 und 2 nunmehr mit ihrer weiteren Beschwerde geltend machen - zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 21. Januar 1988 nicht nur von ihrer Erkrankung wusste, sondern auch realisiert hatte, dass dieselbe ihr Leben konkret bedrohte, und sie deshalb mit ihrem baldigen Tod rechnete.

Wäre dies nämlich als Feststellung in die nachzuholende Abwägung einzubeziehen, so läge die Annahme der Wechselbezüglichkeit im Hinblick auf die Schlusserbeneinsetzung in der von der Kammer nicht untersuchten Variante nicht fern. Denn gingen die Eheleute seinerzeit davon aus, dass der Erblasser seine Ehefrau nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wegen ihrer Erkrankung überleben werde, so hätte es im Falle einer nicht gewollten Bindung des Erblassers an die von ihm erklärte Schlusserbeneinsetzung einer solchen Erklärung wohl gar nicht bedurft.

Die Kammer wird daher nach entsprechenden weiteren Erhebungen zum Zwecke der Schaffung einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage die unterbliebene Abwägung nachzuholen haben.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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